TE OGH 1989/4/19 9ObA65/89

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Veröffentlicht am 19.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Walter Holzer und Dr. Manfred Mögele als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gottfried J. P***, Handelsvertreter, Wien 5, Schönbrunnerstraße 24, vertreten durch Dr. Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei A*** Vertriebsgesellschaft mbH, Marchtrenk, Neufahrnerstraße 100, vertreten durch Dr. Karl Reiter, Rechtsanwalt in Wels, wegen 283.970,66 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Dezember 1988, GZ 13 Ra 103/88-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Juni 1988, GZ 26 Cga 4/88-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.125,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.854,30 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung nur einmal - und zwar in der nächst höheren Instanz - überprüft werden kann, ob ein Verfahrensmangel vorliegt. Da die im § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG vorgesehene Neudurchführung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht in das ASGG nicht übernommen wurde, sodaß nunmehr Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht auch solche des Berufungsverfahrens sind, ist der im allgemeinen zivilgerichtlichen Verfahren geltende Grundsatz, daß Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden könne, auch im Verfahren in Arbeitsrechtssachen anzuwenden (vgl. SZ 22/106; SZ 27/4; ÖBl. 1984, 109; 9 Ob A 104/88, 9 Ob A 258/88 und 9 Ob A 31/89).

Auf die Ausführungen des Revisionswerbers, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß konkrete Behauptungen des Klägers darüber fehlen, welche der terminisierten und vereinbarten Werbemaßnahmen unterblieben seien, der Kläger habe in seiner Aussage als Partei dazu Stellung genommen, ist zu erwidern, daß nach ständiger Judikatur Angaben in der Parteiaussage Prozeßbehauptungen einer anwaltlich vertretenen Partei nicht ersetzen können (siehe JBl. 1965, 93; SZ 39/8; SZ 44/164; zuletzt 4 Ob 591/88). Soweit der Revisionswerber in seiner Rechtsrüge nicht von dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt, sondern davon ausgeht, dem Kläger seien schon zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses bestimmte Werbemaßnahmen fix und zeitlich determiniert zugesichert worden, die beklagte Partei habe nicht erst nach Beendigung der Tätigkeit Ende Jänner 1987, sondern bereits im September 1987 (gemeint wohl: 1986), die Werbemaßnahmen für das Spiel "A***" abgebrochen, ist die Rüge nicht gesetzmäßig ausgeführt und erübrigt sich eine Stellungnahme.

Im übrigen genügt es, auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers noch folgendes zu entgegnen:

Die Bestimmung des § 10 Abs.1 HVG wiederholt nur die allgemeinen Grundsätze des Schadenersatzrechtes, wonach schuldhafte Erfüllungsvereitelung nach § 920 ABGB zu Schadenersatzansprüchen führt. Bei Beurteilung der Frage, ob eine schuldhafte Verletzung des Vertretervertrages durch den Geschäftsherrn im Sinne des § 10 Abs.1 HVG vorliegt, ist davon auszugehen, daß dieser zu den nach der Sachlage gebotenen oder doch zweckmäßigen unternehmerischen Entscheidungen im Verhältnis zu den von ihm beschäftigten Handelsvertretern selbst dann berechtigt ist, wenn dadurch deren Tätigkeit erschwert oder sogar verhindert wird. Dem Geschäftsherrn kann nämlich nicht zugemutet werden, eine Geschäftssparte seines Betriebes oder diesen selbst nur deshalb aufrecht zu erhalten, damit der Handelsvertreter weiterhin Provisionen verdienen kann. Nur dann, wenn derartige Maßnahmen willkürlich - ohne vertretbaren Grund oder gar in der Absicht, den Handelsvertreter zu schädigen - getroffen werden, wird der Geschäftsherr nach § 10 Abs.1 HVG entschädigungspflichtig (SZ 10/66; SZ 46/110; SZ 51/14; 7 Ob 635/81; ähnlich 14 Ob 27/86). Der Kritik dieser Judikatur durch Jabornegg in "Handelsvertreterrecht und Maklerrecht" 342 ff (344 f), der § 10 Abs.2 HVG analog auch auf die Einstellung des Unternehmens als eine der Veräußerung oder Vertriebsänderung vergleichbare unternehmerische Entscheidung angewendet wissen will, ist zu entgegnen, daß anders als bei Einstellung des Unternehmens in den im § 10 Abs.2 HVG genannten Fällen der Vertrieb fortgeführt wird und es dem Unternehmer zumutbar ist, durch Vereinbarung einer Vertragsübernahme auch die Interessen des Handelsvertreters zu sichern oder ihn an dem auch durch seine Tätigkeit geschaffenen, bei Unternehmensveräußerung lukrierten good will durch Gewährung einer angemessenen Entschädigung zu beteiligen. Da die beklagte Partei trotz der umfangreichen und kostspieligen, mit einem Aufwand von 2,4 Millionen S durchgeführten Werbemaßnahmen nicht die erwartete Nachfrage erzielen konnte, kann es ihr nicht als Verschulden im Sinne des § 10 Abs.1 HVG angelastet werden, daß sie sich Ende Jänner 1987 zum Abbruch der Werbekampagne entschloß, nachdem ein von ihr bestellter Gutachter aus der Werbebranche zum Schluß gekommen war, daß auch bei Fortführung der aufwendigen Werbung ein Verkaufserfolg nicht gewährleistet sei. Schließlich kann auch aus einer verspäteten Verständigung des Klägers von der Einstellung der Werbung (vgl. Jabornegg aaO 342) eine Haftung der beklagten Partei nicht abgeleitet werden, weil der Kläger seine Tätigkeit für die Beklagte bereits vor Abbruch der Werbekampagne beendet hatte. Für die vom Kläger für die Teilnahme an dem von ihm selbst angeregten und im eigenen Interesse besuchten Messeveranstaltungen beanspruchte Vergütung von 3.200 S pro Tag bietet auch § 12 Abs.2 HVG keine Grundlage, weil diese Bestimmung selbst dann, wenn der Handelsvertreter über besonderen Auftrag des Geschäftsherrn tätig wurde, nur einen Spesenersatz, nicht aber eine Entlohnung für Mühewaltung vorsieht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17430

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00065.89.0419.000

Dokumentnummer

JJT_19890419_OGH0002_009OBA00065_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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