TE OGH 1989/4/19 9ObA311/88

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Veröffentlicht am 19.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Walter Holzer und Dr. Manfred Mögele als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Univ.Doz. Dr. Helmut P***, Facharzt für Zahnheilkunde und Kieferchirurgie, Kirchschlag 97, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei S*** L***, vertreten durch Dr. Harry Zamponi ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitwert S 200.000), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.September 1988, GZ 13 Ra 40/88-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 6.November 1987, GZ 13 Cga 1100/87-12, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.336,75 (darin S 1.394,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 8.487,60 (darin S 771,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1.Oktober 1974 als vollbeschäftigter Facharzt für Zahnheilkunde im Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus Vertragsbediensteter der Beklagten. Nach seinem Dienstvertrag finden auf sein Dienstverhältnis die Bestimmungen der Vertragsbedienstetenordnung und die dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Stadtsenat der Beklagten ernannte den Kläger mit Wirkung vom 1.Mai 1975 zum Facharztassistenten an der Abteilung Kiefer- und Gesichtschirurgie. Das Ernennungsschreiben enthält den Hinweis, daß auf das Dienstverhältnis des Klägers neben der Vertragsbedienstetenordnung der Beklagten auch die Bestimmungen der "Dienstanweisung für die Abteilungsärzte des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der S*** L***" Anwendung finden. Gemäß § 15 dieser Dienstanweisung dürfen Abteilungsärzte keine Privatpraxis, das ist die entgeltliche Behandlung von Kranken, betreiben und keine anderweitige besoldete ärztliche Stelle annehmen. Der Kläger bestätigte den Empfang des Ernennungsschreibens und nahm dessen Inhalt zur Kenntnis, ohne dagegen Einwendungen zu erheben. Neben seiner Tätigkeit als Facharzt am Allgemeinen Krankenhaus der Beklagten ist der Kläger seit etwa 10 Jahren noch Konsiliarfacharzt am Krankenhaus Amstetten. Er hatte diese Nebenbeschäftigung der Beklagten gemeldet und diese erhob dagegen keinen Einwand. Sie stellte ihm für diese zusätzliche Tätigkeit zwei Stunden der wöchentlichen Dienstzeit zur Verfügung. Die Ehegattin des Klägers ist Fachärztin für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Sie betreibt seit dem Jahre 1983 eine Facharztpraxis im gemeinsamen Wohnhaus in Kirchschlag.

Ende des Jahres 1986 beschloß der Kläger, eine eigene Praxis für Kiefer- und Gesichtschirurgie zu eröffnen. Zu dieser Zeit wußte er bereits, daß es bei der Genehmigung einer Privatpraxis zu Schwierigkeiten mit der Beklagten kommen könne, zumal einer seiner Kollegen schon seit mehreren Jahren vergeblich versucht hatte, dafür eine Genehmigung zu erhalten. Der Kläger meinte aber, daß nach der Vertragsbedienstetenordnung der Beklagten gar keine Zustimmung der Beklagten erforderlich sei, sondern eine Meldung an den Dienstgeber genüge. Er zeigte daher Anfang Oktober 1986 der Beklagten lediglich an, daß er unter seiner Wohnadresse in Kirchschlag eine Facharztpraxis führe. Im Jänner 1987 meldete er die Praxis bei der Ärztekammer an und veranlaßte die Anbringung des vorgeschriebenen Ärzteschildes. Da die Räumlichkeiten in diesem Haus für eine zweite Ordination nicht ausreichten, behandelte er keine eigenen Patienten, zumal er ohnedies beabsichtigte, seine Facharztpraxis (auf jeden Fall) in Linz zu eröffnen.

Der Magistratsdirektor der Beklagten forderte den Kläger mit Schreiben vom 25.März 1987 auf, die Führung einer Privatpraxis als Nebenbeschäftigung mit sofortiger Wirkung zu unterlassen und drohte für den Fall der Nichtbefolgung die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 31 Abs.2 lit.e VBO an. Beamte des Organisationsamtes der Beklagten kontrollierten in der Folge, ob sich der Kläger an die Aufforderung halte. Der Kläger versicherte ihnen, bis zur Klärung der Rechtsfrage keine Privatpatienten zu behandeln; er verschwieg aber, daß er seine Praxis nach Linz verlegen wolle. Über dieses Gespräch wurde am 10.April 1987 eine Niederschrift aufgenommen. Der Kläger gab zu Protokoll, daß er seit Erhalt des Schreibens, in welchem ihm die Entlassung bei Weiterführung der Privatpraxis angedroht worden sei, keinen Patienten mehr behandelt habe; er übe die Nebenbeschäftigung auf Grund der ungeklärten Rechtslage derzeit nicht aus. Im Frühsommer 1987 mietete der Kläger in Linz Räume für seine Praxis, nahm mit 1.Juli 1987 die Ummeldung bei der Ärztekammer vor und brachte bei seiner Praxis in Linz ein Schild an, auf welchem die Ordinationszeiten überklebt und neben der Telefonnummer die Worte "und nach Vereinbarung" freigeblieben waren. Diese Privatpraxis ist seit 7.September 1987 funktionstüchtig eingerichtet. Ab dieser Zeit hielt sich der Kläger an drei Nachmittagen der Woche etwa zwischen 16 bis 18 Uhr in seiner Praxis auf. Er arbeitete für wissenschaftliche Publikationen und beriet insgesamt etwa 5 bis 10 Patienten in den fertigen Ordinationsräumen. Er verlangte dafür kein Honorar, sondern stellte die Abrechnung aller Leistungen mit Honorarnote in Aussicht. Er führte aber auch Behandlungen durch. So behandelte er eine Krankenschwester des Allgemeinen Krankenhauses, deren Ehegatten und den Sohn einer weiteren Krankenschwester. Überdies entfernte er bei einer Patientin einen unter dem Alveolarrand abgebrochenen Zahn. Im übrigen wies er die auf Grund des Ärzteschildes erschienenen Patienten darauf hin, daß ein Betrieb noch nicht möglich sei oder er behandelte diese Patienten im Allgemeinen Krankenhaus der Beklagten.

Die Beklagte erfuhr am 28.September 1987 durch einen Anruf des Beklagtenvertreters, daß der Kläger seine Praxis von Kirchschlag nach Linz verlegt und die Praxisverlegung am 19.September 1987 in einem Zeitungsinserat bekanntgegeben hatte. Beamte des Organisationsamtes stellten nach Besichtigung des zum Teil überklebten Ärzteschildes durch einen Probeanruf fest, daß ein Telefonanrufbeantworter die Auskunft erteilte, daß die Ordination derzeit zwar nicht besetzt sei, aber die Möglichkeit bestehe, unter einer Privatnummer Terminvereinbarungen vorzunehmen. Die auf Grund des Ergebnisses dieser Nachforschungen vorgesehene Einvernahme des Klägers verzögerte sich wegen seiner terminlichen Verpflichtungen bis 1.Oktober 1987. Der Kläger erklärte an diesem Tag ausdrücklich zu Protokoll, weder in Kirchschlag, noch in seiner neuen Ordination in Linz Patienten behandelt zu haben. Dabei verschwieg er bewußt die von ihm bereits in seiner Praxis durchgeführten Behandlungen, da ihm klar war, daß er sonst entlassen werde.

Das Organisationsamt machte am 2.Oktober 1987 dem Magistratsdirektor den Vorschlag, den Kläger zu entlassen. Nachdem dieser Vorschlag im Dienstweg dem Magistratsdirektor zugekommen war, ersuchte dieser am 7. Oktober 1987 um weitere Recherchen. Eine Rückfrage bei der Magistratskrankenfürsorge ergab, daß eine Bedienstete des Magistrats eine Abrechnung über mehrere Behandlungen in der Privatpraxis des Klägers vorgelegt hatte. Der darüber verfaßte neue Bericht an den Magistratsdirektor wurde am 9.Oktober 1987 dem zuständigen Personalreferenten des Stadtsenates, Vizebürgermeister S***, übermittelt. Dessen Zustimmung zur Entlassung langte am 13.Oktober 1987 an das Personalamt zurück, das in Vollziehung der Entlassung zunächst die Personalvertretung zu befragen hatte. Am 15.Oktober 1987 traf die negative Stellungnahme der Personalvertretung beim Personalamt ein. Daraufhin wurde das Organisationsamt noch einmal um eine kurze Stellungnahme zu den Einwänden der Personalvertretung ersucht. Mit einem vom Leiter des Personalamtes gefertigten Schreiben vom 19.Oktober 1987 wurde der Kläger schließlich über Ermächtigung des Präsidialdirektors aus den Gründen des § 31 Abs 2 lit b) und e) VBO entlassen. Nach der seit einigen Jahren angewendeten - vom Bürgermeister formell noch nicht genehmigten - provisorischen Geschäftseinteilung ist für die Auflösung von Dienstverhältnissen der Vertragsbediensteten das Personalamt zuständig.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellungen, daß er 1. ungeachtet der am 19.Oktober 1987 ausgesprochenen Entlassung in einem aufrechten Dienstverhältnis zur Beklagten stehe, und 2. während des aufrechten Dienstverhältnisses berechtigt sei, außerhalb der Dienstzeit und außerhalb des Krankenhausgeländes eine Praxis als Facharzt für Zahnheilkunde in der Art und in dem Umfang zu führen, daß dadurch weder die pflichtgemäße Erfüllung des Dienstes im Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus der Beklagten oder die Unbefangenheit bei dieser Dienstausübung beeinträchtigt noch das Standesansehen verletzt werde.

Der Kläger brachte vor, daß in seinem Dienstvertrag kein Verbot der Ausübung einer Privatpraxis enthalten sei; ein solches Verbot wäre sittenwidrig und ein Verstoß gegen den Grundsatz der Erwerbsfreiheit. Die Dienstanweisung für Abteilungsärzte sei kein Bestandteil seines Dienstvertrages geworden und überdies durch die auf Grund des § 7 des OÖKAG erlassene Anstaltsordnung derogiert, nach der den Anstaltsärzten nur die Führung einer Privatpraxis innerhalb der Anstalt verboten sei. die Entlassung sei ungerechtfertigt erfolgt; sie sei überdies verfristet und von einem nicht vertretungsbefugten Beamten ausgesprochen worden. Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Die Tätigkeit als niedergelassener Zahnarzt sei keine Nebenbeschäftigung, sondern eine zweite Hauptbeschäftigung, die an sich schon unzulässig sei. Nach § 15 der Dienstanweisung für Abteilungsärzte, die ausdrücklich als Bestandteil des Dienstvertrages vereinbart worden sei, sei dem Kläger die Führung einer Privatpraxis untersagt. Da sich der Kläger trotz der Untersagung der Ausübung der gemeldeten Praxis und trotz Androhung der Entlassung nicht an das Verbot gehalten habe, sondern entgegen seiner ausdrücklichen Zusage dennoch Patienten behandelt und diese Tatsache wahrheitswidrig geleugnet habe, sei seine Entlassung gerechtfertigt. Sollte das Verhalten des Klägers keinen Entlassungstatbestand erfüllen, sei es jedenfalls ein Kündigungsgrund nach § 28 VBO und das Entlassungsschreiben als Kündigungsschreiben anzusehen.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung,daß der Kläger nach § 15 der Dienstanweisung für die Abteilungsärzte nicht berechtigt sei, eine Privatpraxis zu führen. Diese Dienstanweisung sei einerseits eine Sondervorschrift im Sinne des § 4 Abs.2 VBO und andererseits schlüssig Inhalt des Dienstvertrages geworden. Bei dieser Bestimmung handle es sich um den privatrechtlichen Teil einer Norm mit überwiegend öffentlichrechtlichem Inhalt. Die auf Grund des OÖKAG erlassene Anstaltsordnung für das Allgemeine öffentliche Krankenhaus der Stadt Linz habe nur den öffentlich-rechtlichen Teil der Dienstanweisung derogieren können. Das Verhalten des Klägers erfülle den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nach § 31 Abs.2 lit.b VBO. Obwohl er sich der Konsequenzen seines Verhaltens bewußt gewesen sei, habe der Kläger gegenüber den Organen der Beklagten vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht und dieses unehrliche Verhalten fortgesetzt. Der Beklagten habe eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses während der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden können. Ob der Kläger auch den Entlassungsgrund nach § 31 Abs.2 lit.e VBO verwirklicht habe, sei nicht wesentlich.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung zum Teil dahin ab, daß es dem Begehren des Klägers auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses zur Beklagten stattgab und die Abweisung des Begehrens auf Feststellung der Berechtigung zur Führung einer eigenen Facharztpraxis bestätigte. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 30.000 übersteige. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß gemäß § 7 OÖKAG der innere Betrieb einer Krankenanstalt von ihrem Rechtsträger durch eine Anstaltsordnung zu regeln sei, die auch die Regelung der Dienstobliegenheiten der in der Krankenanstalt beschäftigten Personen zu enthalten habe. Durch diese Regelung der Dienstobliegenheiten werde aber die Anwendung von Vorschriften dienstrechtlicher und arbeitsvertraglicher Art nicht berührt. § 7 Abs.2 lit.d OÖKAG enthalte ausschließlich Vorschriften krankenanstaltenrechtlicher Natur. Daher seien durch die gemäß § 7 OÖKAG erlassene Anstaltsordnung die dienstvertragsrechtlichen Bestimmungen der Dienstanweisung nicht berührt und auch nicht derogiert worden. § 28 der Anstaltsordnung ordne nur an, daß den Anstaltsärzten die Ausübung einer Privatpraxis innerhalb der Anstaltsräume nicht gestattet sei, sage aber nichts darüber aus, ob deshalb Anstaltsärzten außerhalb der Anstaltsräume die Führung einer Privatpraxis gestattet ist oder nicht. Der Kläger habe anläßlich seiner Ernennung zum Facharztassistenten die Geltung der Dienstanweisung für die Abteilungsärzte des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz durch seine Unterschrift nachweislich zur Kenntnis genommen. Diese sei ebenso wie die VBO und die für die einzelnen Verwaltungszweige erlassenen Sondervorschriften als eine nach Privatrecht zu beurteilende Vertragsgrundlage (Vertragsschablone) anzusehen, die mit dem Abschluß der Einzelverträge rechtlich wirksam werde und die Vertragspartner als lex contractus binde. Sei aber die Dienstanweisung Inhalt des Dienstvertrages zwischen den Parteien geworden, dann sei dem Kläger das Betreiben einer Privatpraxis untersagt.

Das Verhalten des Klägers reiche aber nicht aus, eine Entlassung oder Kündigung zu rechtfertigen. Ihm komme zugute, daß er hinsichtlich der Berechtigung zur Führung einer eigenen Praxis irrtümlich eine andere Rechtsauffassung vertreten habe und daß sein Versuch, die ihm vorgeworfenen Verfehlungen abzuschwächen oder zu verbergen, den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nicht erfülle. Eine gröbliche Verletzung seiner Dienstpflichten sei ihm nicht anzulasten.

Gegen dieses Urteil richten sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revisionen beider Parteien. Der Kläger bekämpft den klageabweislichen Teil und begehrt die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß auch seinem abgewiesenen Feststellungsbegehren Folge gegeben werde. Die Beklagte ficht den klagestattgebenden Teil an und beantragt, die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Abweisung der Klagebegehren.

Beide Parteien stellen hilfsweise Aufhebungsanträge und beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich die Revision der Beklagten ist berechtigt.

Zur Revision des Klägers:

Gemäß § 31 Abs.2 der Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Linz (VBO) liegt ein Entlassungsgrund insbesondere dann vor, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt (lit.b), oder wenn der Vertraqgsbedienstete eine unstatthafte Nebenbeschäftigung betreibt und diese trotz Aufforderung nicht aufgibt (lit.e). Nach § 7 Abs.1 VBO sind unter anderem Nebenbeschäftigungen, die die pflichtgemäße Erfüllung des Dienstes oder die Unbefangenheit im Dienst beeinträchtigen könnten, unstatthaft. Wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung dazu zutreffend ausführt, ergibt sich aus dieser Formulierung, daß nicht nur Nebenbeschäftigungen verboten sind, welche die pflichtgemäße Erfüllung des Dienstes oder die Unbefangenheit im Dienst tatsächlich beeinträchtigen oder möglicherweise beeinträchtigen können, sondern auch solche, welche allgemein und abstrakt gesehen eine der genannten Beeinträchtigungen herbeiführen "könnten". Es liegt auf der Hand, daß eine kostenintensive Privatpraxis es geradezu erfordert, die dadurch zu erzielende Einkommensquelle auszuschöpfen, um Gewinne zu erzielen. Es entspricht andererseits schon einem allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsatz, daß Nebenbeschäftigungen nur dann zulässig sind, wenn der Arbeitnehmer dadurch nicht in Konkurrenz zu seinem Arbeitgeber tritt (vgl. Dusak, die arbeitsrechtliche Relevanz außerdienstlichen Verhaltens, RdW 1988, 355; Arb.10.017 ua). Die Bestimmung des § 32 OÖKAG 1976, LGBl. Nr.10 sieht zwar die Verpflichtung der öffentlichen Krankenanstalten zur ambulanten Untersuchung und Behandlung in bestimmten Fällen vor, doch ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen, daß über diese Verpflichtung in den Fällen des § 32 Abs.1 lit.a bis e leg cit hinaus keine weiteren über Abs.2 hinausgehenden ambulanten Leistungen erbracht werden dürfen (Radner-Haslinger-Reinberg, Krankenanstaltenrecht A, 197 f). Auch wenn es zweckmäßig sein mag, die Einschränkung der ambulanten Tätigkeit, von Ausnahmen abgesehen, auf die Fälle des § 32 Abs.1 lit.a bis e und Abs.2 zu beschränken, kann sohin ein frei praktizierender Facharzt mit der entsprechenden Ambulanz eines öffentlichen Krankenhauses in Konkurrenz stehen. Eine solche Tätigkeit, welche ihrer Art nach zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Krankenanstalten zur Feststellung, Besserung und Heilung von Krankheiten (s. § 1 KAG; ebenso § 1 OÖKAG) gehört, kann im Einzelfall durchaus einem Wettbewerbszweck, nämlich die Erweiterung des eigenen Patientenkreises durch Abwerben von Patienten, verfolgen (vgl. ÖBl.1983, 9 mwH). Eine Beschränkung oder ein Verbot solcher Nebenbeschäftigungen ist daher weder sittenwidrig noch steht sie im Gegensatz zum Recht auf freien Erwerb, da es jedem Arbeitnehmer freisteht, sich für eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit zu entscheiden. Soweit der Kläger in seinem Begehren auf Feststellung der Berechtigung, eine eigene Praxis zu führen, im wesentlichen lediglich die Regelung des § 7 Abs.1 VBO wiederholt, ist sein Begehren nicht schlüssig, da es nach dieser Bestimmung auf die konkreten Umstände ankommt, ob das Betreiben einer Privatpraxis die pflichtgemäße Erfüllung des Dienstes oder die Unbefangenheit im Dienst beeinträchtigen könnte. Daß dies bei der Tätigkeit des Klägers der Fall sein "könnte", wurde aufgezeigt. Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, enthält § 7 Abs.1 lit.d OÖKAG keine dienst- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, sondern ausschließlich Vorschriften krankenanstaltenrechtlicher Natur. Zur Organisation einer Krankenanstalt gehört die Aufteilung der Aufgaben auf die verschiedenen in ihr tätigen Personengruppen. Es geht dabei nicht um die Beziehungen zwischen dem Rechtsträger der Krankenanstalt als Dienstgeber und den beschäftigten Personen als Dienstnehmer, sondern um den auch gegenüber den in der Krankenanstalt untersuchten und behandelten Personen und Außenstehenden wirksamen Pflichtenkreis der Beschäftigten (Radner-Haslinger-Reinberg aaO 156 f). Daraus folgt, daß die auf Grund des § 7 des OÖKAG erlassene und die nicht widerrufene Dienstanweisung in anstaltenrechtlicher Sicht ergänzende Anstaltsordnung in bestehende arbeitsvertragliche Rechte und Pflichten nicht eingegriffen hat. Daß sich auch aus der Verletzung krankenanstaltenrechtlicher Obliegenheiten dienstrechtliche Konsequenzen ergeben können, steht diesem Ergebnis nicht entgegen (vgl. etwa § 8 Abs.2 der Anstaltsordnung). Soweit § 28 der Anstaltsordnung vorschreibt, daß den Anstaltsärzten die Ausübung einer Privatpraxis innerhalb der Anstaltsräume nicht gestattet ist, bezieht sich diese Regelung auf die Organisation der Anstalt, ohne daß daraus schon der Umkehrschluß berechtigt wäre, daß den Anstaltsärzten außerhalb der Anstaltsräume die Führung einer Privatpraxis schlechthin gestattet sei. Eine Derogation der unter anderem auch dienst- und arbeitsrechtlichen Regelungen enthaltenden Dienstanweisung für die Abteilungsärzte des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz ist diesbezüglich nicht erfolgt.

Im übrigen kann es dahingestellt bleiben, ob und inwieweit diese Dienstanweisung - wegen des Erfordernisses der Genehmigung durch die Landesregierung - Normwirkung im Sinne des § 4 Abs.4 VBO hatte oder noch hat. Den Feststellungen ist zu entnehmen, daß dem Kläger seine Ernennung zum Facharztassistenten an der Abteilung Kiefer- und Gesichtschirurgie mit Schreiben vom 8.Juli 1975 mitgeteilt wurde. Nach diesem Ernennungsschreiben finden auf sein Dienstverhältnis neben der VBO auch die Bestimmungen der Dienstanweisung der Beklagten für die Abteilungsärzte Anwendung. Der Kläger nahm dieses Schreiben zur Kenntnis, bestätigte dessen Empfang durch seine Unterschrift und hat sich - gegenteilige Behauptungen wurden nicht aufgestellt - jahrelang an die für ihn grundlegenden und maßgeblichen Bestimmungen der Dienstanweisung gehalten. Insoweit wurden, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, auch die dienstrechtlichen Bestimmungen der Dienstanweisung, sohin auch deren § 15 Inhalt seines Einzeldienstvertrages, wobei dem Erfordernis der Schriftlichkeit im Sinne des § 3 Abs.1 VBO dadurch Genüge getan war, daß auch die Dienstanweisung schriftlich ergangen ist. Die Frage der Beachtlichkeit bloßer mündlicher Absprachen zum Dienstvertrag ist hier ohne Belang. Die Gültigkeit des Ernennungsschreibens vom 8.Juli 1975 hat der Kläger in diesem Zusammenhang auch nicht bezweifelt. Da die Dienstanweisung in ihren dienstrechtlichen Teilen - soweit keine spätere Änderung im einzelnen erfolgte - sohin als lex contractus in den Einzeldienstvertrag einging, hätte das den Kläger treffende Verbot des Betreibens einer Privatpraxis nur im Wege einer Vertragsänderung oder durch eine übergeordnete Eingriffsnorm beseitigt werden können. Weder die allgemeine Regel des § 7 Abs.1 VBO, welche die Vereinbarung eines Verbots der Nebenbeschäftigung nicht ausschließt, noch § 28 der Anstaltsordnung, der die Ausübung einer Privatpraxis in den Anstaltsräumen verbietet, können aber als eine solche spezielle Eingriffsnorm angesehen werden. Damit erübrigen sich aber entgegen der Ansicht des Klägers Erörterungen darüber, was bei Dauerrechtsverhältnissen zu gelten habe, wenn sich die Gesetzeslage ändert (DRdA 1988/16).

Zur Revision der Beklagten:

Nach den Feststellungen war dem Kläger wohl bekannt, daß es bei der Genehmigung einer Privatpraxis zu Schwierigkeiten mit der Beklagten kommen werde, zumal es einem seiner Kollegen schon durch Jahre hindurch nicht gelungen war, dafür eine Genehmigung zu erhalten. Soweit der Kläger offenbar der Ansicht war, das dienstvertragliche Verbot des Betreibens einer Privatpraxis gelte für ihn nicht, da nach § 7 Abs.2 VBO eine ausdrückliche Bewilligung zur Ausübung einer Nebenbeschäftigung nicht erforderlich sei, steht einer bloßen Differenz der Rechtsstandpunkte, wie das Berufungsgericht meint, schon entgegen, daß auch § 7 Abs.1 VBO für die Unstatthaftigkeit der von ihm eröffneten Privatpraxis spricht.

Wie schon erörtert, "könnte" das Bestreben eines Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie durch eine Privatpraxis Einkünfte zu erzielen und möglichst viele Behandlungen durchzuführen, die pflichtgemäße Erfüllung des Dienstes als Abteilungsarzt in der Abteilung für Kiefer- und Gesichtschirurgie im Allgemeinen Krankenhaus der Beklagten beeinträchtigen. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß er über die Konsequenzen seines Vorgehens im Unklaren gelassen worden sei, da ihn der Magistratsdirektor der Beklagten ausdrücklich und schriftlich aufgefordert hatte, die Führung einer Privatpraxis zu unterlassen und ihm zugleich für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung die Entlassung angedroht hatte. Der Kläger sicherte in der Folge auch zu, bis zur Klärung der Rechtslage keine Patienten zu behandeln. Hätte er sich an diese Zusicherung gehalten, wäre er nach den Feststellungen trotz der Eröffnung einer Facharztpraxis in Kirchschlag von der Beklagten nicht entlassen worden. Ungeachtet dieses "Stillhalteabkommens" verlegte der Kläger aber seine Praxis nach Linz, richtete diese funktionstüchtig ein und begann dort mit der Behandlung von Patienten. Er warb für diese Praxis durch eine Verlegungsanzeige. Ein Telefonanrufbeantworter wies auf die Möglichkeit hin, Terminvereinbarungen vorzunehmen. Dennoch erklärte der Kläger den Organisationsbeamten der Beklagten wahrheitswidrig, in seiner neuen Ordination in Linz keine Patienten behandelt zu haben. Dabei verschwieg er die bereits durchgeführten Behandlungen bewußt, da es ihm klar war, daß er bei einer wahrheitsgemäßen Antwort entlassen werde. Erst eine Rückfrage bei der Magistratskrankenfürsorge führte zur Aufdeckung dieser falschen Angaben.

Auf Grund dieses Sachverhaltes ist dem Erstgericht beizupflichten, daß es nicht darauf ankommt, ob der Kläger hinsichtlich des Entlassungstatbestandes nach § 31 Abs.2 lit.e VBO einen schuldausschließenden Rechtsirrtum für sich ins Treffen führen kann (vgl. Kuderna, Das Entlassungsrecht 50), da er sich im Sinne des § 31 Abs.2 lit.b VBO seinem Dienstgeber gegenüber jedenfalls einer Handlung schuldig gemacht hat, die ihn dessen Vertrauens unwürdig erscheinen läßt. Es reicht aus, daß sich der Vorsatz des Klägers, die Beklagte geradezu planmäßig hinter's Licht zu führen, diesbezüglich nur auf die falschen Behauptungen bezog und nicht auch auf die Vertrauensverwirkung (Kuderna aaO 89). Im Hinblick auf die gehobene Position des Klägers als Facharzt kann sein zu Tage gekommener Wortbruch, bis zur Klärung der Rechtslage mit der Eröffnung der Praxis zuwarten zu wollen und die bewußt falschen Angaben, bisher keine nebenberufliche Tätigkeit entfaltet zu haben, nur als ein so schwerwiegendes Fehlverhalten angesehen werden, daß der Beklagten eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist zu Recht nicht zugemutet werden konnte.

Entgegen der Ansicht des Klägers war die Entlassung auch nicht verfristet. Ein stillschweigender Verzicht auf die Entlassung kommt in der Fortsetzung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber trotz seiner Kenntnis vom Entlassungsgrund zum Ausdruck, falls nicht Umstände vorliegen, die eine solche Annahme ausschließen (Kuderna aaO 25). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Entlassung des Klägers schon deshalb nicht über Gebühr verzögert, weil es dem Dienstgeber unbenommen bleiben muß, vor dem Ausspruch der Entlassung noch Erhebungen anzustellen und die innere Willensbildung in einer Gebietskörperschaft schon nach ihrer Organisation einen gewissen Zeitaufwand erfordert (vgl. Arb 10.140 ua). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren alle mit der Entlassung befaßten Organe der Beklagten vom Magistratsdirektor über den Vizebürgermeister als Personalreferenten bis zum Präsidialdirektor und dem Personalamt ohne Verzögerung tätig. Da aber ohnehin alle diese Organe mit der Entlassung des Klägers befaßt waren und im Sinne der Entlassung entschieden haben, kann auch keine Rede davon sein, die Entlassung sei lediglich vom Personalamt als einer Stelle ausgesprochen worden, die dafür nicht zuständig sei (vgl. Arb 9407 ua).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet. Es trifft zwar zu, daß der Vorsitzende des Erstgerichtes vorerst den Schluß der Verhandlung protokollierte und erst dann die Vorlage der Kostennote und daß das Verhandlungsprotokoll gemäß § 215 Abs.1 ZPO über den Verlauf der Verhandlung vollen Beweis liefert. Demnach hätten beide Parteienvertreter ihre Kostennoten verspätet gelegt (§ 54 Abs.1 ZPO). Wie der Vorsitzende des Erstgerichts dazu aber festhielt, entspreche es der ständigen Praxis, daß die Parteienvertreter mit dem Schluß der Verhandlung um die Vorlage der Kostenverzeichnisse ersucht würden, ohne daß dabei auf strenge Formalismen Wert gelegt würde; ein Irrtum in der Reihenfolge der Protokollierung sei nicht auszuschließen.

Da das Kostenverzeichnis bei sonstigem Ausschluß des Kostenanspruches rechtzeitig gelegt werden muß, hat das Gericht den Parteien die rechtzeitige Fertigstellung der Kostennoten zu ermöglichen. Es darf die Verhandlung nicht sofort schließen, nachdem es die Parteien zur Vorlage der Kostennoten aufgefordert hat, wenn diese der Aufforderung ohnehin unverzüglich nachkommen (vgl. Fasching, Kommentar II, 374). Daß die Parteienvertreter zur Legung der Kostennoten aufgefordert worden wären, und daß diese dieser Aufforderung nicht unverzüglich nachgekommen wären, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Insoferne erweist sich die vom Kläger in seiner Berufung beanstandete Protokollierung als offenbar unvollständig, so daß im Sinne der Äußerung des Vorsitzenden des Erstgerichts noch von der Rechtzeitigkeit der maßgeblichen Verfahrensschritte ausgegangen werden kann.

Anmerkung

E17492

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00311.88.0419.000

Dokumentnummer

JJT_19890419_OGH0002_009OBA00311_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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