TE OGH 1989/4/20 7Ob17/89

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Veröffentlicht am 20.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm H***, Landwirt, Reith i.A., Reither Kogel 42, vertreten durch Dr. Anton Schiessling, Rechtsanwalt in Rattenberg, wider die beklagte Partei E*** A*** V*** AG, Wien 1., Rotenturmstraße 16-18,

vertreten durch Dr. Heinz P. Wechsler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 748.234,- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4.August 1988, GZ 2 R 134/88-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. Dezember 1987, GZ 15 Cg 72/85-25, bestätigt wurde, sowie infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 15.Dezember 1988, 7 Ob 45/88, mit dem diese Revision zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.988,02 (darin S 2.988,-- an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 748.234,-- s.A. und stellt das Eventualbegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm im Rahmen des hinsichtlich eines näher bezeichneten Pkw's der Marke Mercedes-Benz 500 SEC abgeschlossenen Kaskoversicherungsvertrages Deckung zu gewähren. Die beklagte Partei habe sich in dem angeführten Kaskoversicherungsvertrag unter anderem verpflichtet, dem Kläger bei Diebstahl des Fahrzeuges im zweiten Jahr nach der Erstzulassung 80 % des Listenpreises als Entschädigung abzüglich eines Selbstbehaltes zu bezahlen. Das Fahrzeug sei erstmals am 16.5.1983 zugelassen worden, der Listenpreis habe S 1,010.655,-- betragen. Am 25.11.1984 sei das Fahrzeug in Mailand von unbekannten Tätern gestohlen worden. Die beklagte Partei weigere sich, die Schadensregulierung vorzunehmen, obwohl der Kläger ihr alle notwendigen Auskünfte erteilt habe. Der Kläger habe für das Fahrzeug einen Kaufpreis von S 850.000,-- bezahlt. Dieser Betrag sei jedoch bei Errechnung der Entschädigungssumme im Hinblick auf den Inhalt des Versicherungsvertrages nicht maßgebend.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Leistungsklage sei schon deswegen verfehlt, weil bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens gemäß Art.16 AKIB vorerst ein Sachverständigenverfahren stattzufinden habe. Der Kläger habe der beklagten Partei gegenüber bis zum 1.2.1985 eine Auskunft über die Höhe des Kaufpreises verweigert und erst zu diesem Zeitpunkt den unterfertigten Fragebogen zur Schadensabwicklung übermittelt. Erst am 21.1.1985 sei eine vom Kläger unterfertigte Vollmacht, die die beklagte Partei instandsetze, die notwendigen Erhebungen bei den Behörden durchzuführen, eingelangt. Der Kläger habe die Schadensanzeige vom 26.11.1984 nur zum Teil ausgefüllt und wesentliche Punkte offengelassen. Er behaupte, einen Kaufpreis von S 850.000,-- bezahlt zu haben. Der Kaufpreis habe aber nur S 450.000,-- betragen. Der Kläger habe daher eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung nach Art.6 Abs 2 Z 2 AKIB begangen. Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Pkw der Marke Mercedes 500 SEC, Baujahr 1983, wurde nach mehrfachem Eigentümerwechsel am 14.8.1984 von Hermann G***, der einen Kfz-Handel in Wels betreibt, um S 810.000,-- gekauft. Es gibt über diesen Pkw sodann einen schriftlichen Kaufvertrag vom 8.10.1984, in dem als Verkäufer das Autozentrum G***-G*** und als Käufer ein Wilhem Peter S*** mit Wohnsitz in Linz aufscheint und in dem der Kaufpreis mit S 760.000,-- angegeben und festgehalten wird: "Ohne Radio...Aluminiumräder, orthopädische Sitze sowie das Telefon", und einen mit 23.9.1984 datierten Besitznachweis, in dem das Autozentrum G***-G*** GS.BR. bestätigt, den Pkw an Wilhelm Peter S***, Linz, verkauft zu haben.

Zwischen dem 23.9.1984 und dem 13.10.1984 wurde das Fahrzeug zum Autohändler H*** in Zell am Ziller überstellt, wo es der Kläger kaufte und übernahm. Das Verfahren hat nicht ergeben, welchen Kaufpreis der Kläger für den Pkw bezahlt, bzw., daß dieser Kaufpreis den Betrag von S 450.000,-- überstiegen hat.

Bei Hans Jörg W***, einem Versicherungsvertreter der beklagten Partei, schloß der Kläger nach Ankauf des Pkw's eine Kaskoversicherung ab. Hiebei legte Hans Jörg W*** dem Kläger einen Prospekt des V*** Gesellschaft mbH

(VVD) vom April 1984 vor und sicherte einen Vertragsabschluß mit der beklagten Partei zu den im Prospekt enthaltenen Bedingungen zu. In diesem Prospekt heißt es auszugsweise:

"Spitzendeckung zum halben Preis. Die VVD-Großschadenskasko (zum Neuwert) ist ein neues Versicherungsprodukt des VVD. Sie koste die Hälfte der konventionellen

Vollkaskoversicherung....Versicherungsleistung: Im ersten Jahr nach der Erstzulassung ist die Höchstentschädigung der Listenpreis, im zweiten Jahr 80 % desselben, ab dem dritten Jahr der Zeitwert des Fahrzeuges....."

Der Kläger unterfertigte den Antrag auf Kraftfahrzeugversicherung bei der beklagten Partei am 11.10.1984. Auf der zweiten Seite dieses Antrages wird unter der Rubrik "Kasko" ausgeführt: "EA Großschadenkasko 170 % Selbstbehalt". Als "Listenpreis" wurde zunächst "S 828.900,--" angeführt, dieser Betrag jedoch durchgestrichen und darunter "S 798.200,--" eingesetzt und hinzugefügt: "plus S 200.000,-- Zubehör".

In der dem Kläger am 12.11.1984 von der beklagten Partei übermittelten Versicherungspolizze heißt es unter anderem:

"Vertragsbeilagen: Klausel Nr.79, 51

Klausel 79:

Entsprechend dem Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom 20.3.1984.... bietet der Versicherer Versicherungsschutz im Rahmen der Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung

(AKIB)....".

Am 25.11.1984 meldete der Kläger beim "Commissariato di Polizia Scalo Romana" in Mailand, daß ihm das Fahrzeug zwischen 14,30 Uhr und 16 Uhr in Mailand in der Via Martinengo gestohlen worden sei. Am 26.11.1986 erstattete der Kläger an die beklagte Partei eine Kfz-Kaskoschadenanzeige. Nach der Schadensmeldung, am 29.11.1984, nahm Georg L***, ein Angestellter der beklagten Partei, mit dem Kläger Kontakt auf. Der Kläger und Georg L*** füllten gemeinsam einen Fragebogen der beklagten Partei aus. Außerdem übergab der Kläger Georg L*** den Fahrzeugschlüssel. Im Fragebogen ist eine Frage nach dem Kaufpreis nicht enthalten. Gegenüber Georg L*** erklärte der Kläger, er könne sich an den Kaufpreis des Fahrzeuges nicht erinnern. Am 13.12.1984 sprach ein anderer Angestellter der beklagten Partei, Werner S***, beim Kläger vor und erkundigte sich nach dem Kaufpreis des Fahrzeuges. Der Kläger lehnte die Beantwortung dieser Frage wiederum ab und wurde von Werner S*** dahingehend belehrt, daß er verpflichtet sei, der beklagten Partei als dem Kaskoversicherer die Höhe des Kaufpreises für das Fahrzeug zu nennen, widrigenfalls er eine Obliegenheitsverletzung zu vertreten habe. Der Kläger weigerte sich jedoch, sowohl den Kaufpreis für das Fahrzeug bekanntzugeben als auch, Werner S*** eine Vollmacht zu unterfertigen, die ihn zur Einsicht in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel und in den Gendarmerieakt ermächtigte. Am nächsten Tag rief der Vertreter des Klägers, Dr. S***, Werner S*** an, erklärte, daß er die Vertretung des Klägers übernommen habe, und ersuchte, in Zukunft die Angelegenheit mit ihm zu regeln. In einem Schreiben des Klagevertreters an die beklagte Partei zu Handen des Werner S*** vom 14.2.1984 heißt es: "Ich ersuche um Mitteilung, welche Unterlagen bzw. Auskünfte Ihrerseits für die Auszahlung der Entschädigungssumme noch benötigt werden. In dem meinem Mandanten aus Anlaß des Abschlusses der gegenständlichen Kaskoversicherung übermittelten Merkblatt Ihrer geschätzten Anstalt ist als Versicherungsleistung angeführt, daß im ersten Jahr nach der Erstzulassung der Listenpreis, im zweiten Jahr 80 % desselben ersetzt werden. Der Listenpreis geht aus der Ihnen bereits vorliegenden Aufstellung der Fa. H*** vom 30.11.1984 hervor". Die beklagte Partei teilte mit Schreiben vom 20.12.1984 mit, daß sie zur weiteren Abwicklung der Angelegenheit einen Kaufvertrag bzw. Besitznachweis benötige und weiters um die Bekanntgabe von Namen und Anschrift des Vorbesitzers sowie des Kaufpreises ersuche. Der Kläger sei als Versicherungsnehmer verpflichtet, zur Feststellung des wahren Sachverhalts beizutragen, wenn er sich nicht der Gefahr einer Obliegenheitsverletzung aussetzen wolle.

Mit Schreiben vom 14.1.1985 ersuchte die beklagte Partei den Klagevertreter um Beantwortung ihres Briefes vom 20.12.1984 und legte einen Fragebogen mit dem Ersuchen bei, diesen vom Kläger ausfüllen zu lassen.

"1985" übermittelte der Klagevertreter der beklagten Partei den ausgefüllten Fragebogen, eine Vollmacht, den Einzelgenehmigungsbescheid und einen Eigentumsnachweis vom 24.9.1984. Der Eigentumsnachweis stammt vom Autozentrum G***-G*** GS.BR. und gibt als Verkäufer des Fahrzeuges Wilhelm Peter S*** an. Auch in dem mit 18.1.1985 datierten Fragebogen gibt der Kläger Wilhelm Peter S*** als Verkäufer an, er nennt darin - erstmals - einen Kaufpreis von S 850.000,--. Als nicht bewiesen nahm das Erstgericht die Prozeßbehauptungen des Klägers an, er habe das Fahrzeug von Wilhelm Peter S*** samt Sonderausstattung, wie in der Liste vom 30.11.1984 festgehalten, zum Kaufpreis von S 850.000,-- gekauft, das Fahrzeug sei am 25.11.1984 in Mailand gestohlen worden und der Kläger habe bei der beklagten Partei eine Kaskoversicherung abgeschlossen, wobei sich die beklagte Partei verpflichtet habe, bei Eintritt des Versicherungsfalles im zweiten Jahr nach der Erstzulassung 80 % des Listenpreises, unabhängig vom Kaufpreis, zu vergüten.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht noch aus, es könne auf Grund der Zeugenaussage des Hans Jörg W*** vom 24.9.1987 davon ausgegangen werden, daß W*** dem Kläger gegenüber die von diesem behauptete Erklärung, "nämlich Zahlung von 80 % des Neupreises im zweiten Jahr nach Zulassung bei Eintritt des Versicherungsfalls", abgegeben habe.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, dem Kläger sei eine vorsätzliche Verletzung seiner Aufklärungspflicht gegenüber der beklagten Partei und damit eine Obliegenheitsverletzung, die wesentlichen Einfluß auf die Feststellung und den Umfang der vom Versicherer zu erbringenden Leistung habe, anzulasten, weil er sich bis zum 1.2.1985 geweigert habe, der beklagten Partei den Kaufpreis für das Fahrzeug zu nennen und wechselhafte Angaben über die Höhe des Kaufpreises vorlägen (gegenüber dem Finanzamt S 650.000,-, im Kaufvertrag S 450.000,--, in der Buchhaltung S 450.000,--, gegenüber der beklagten Partei S 850.000,--), so daß dieser trotz Durchführung eines aufwendigen Beweisverfahrens nicht habe geklärt werden können (§ 6 Abs 3 VersVG, Art.6 Abs 2 Z 2 AKIB). Die Erklärung des Versicherungsvertreters der beklagten Partei Hans Jörg W***, die beklagte Partei zahle bei Eintritt des Versicherungsfalles im zweiten Jahr nach der Erstzulassung 80 % des Listenpreises, rechtfertige nicht den vom Kläger zum Kaufpreis des Fahrzeuges eingenommenen Standpunkt. Die beklagte Partei beziehe sich in ihrer Polizze und auch in deren Neufassung ausdrücklich darauf, daß auf den Versicherungsvertrag die AKIB Anwendung zu finden hätten. Diese aber sähen in ihrem Art.12 Punkt B Abs 1 lit b vor, daß der Versicherer höchstens den Preis ersetze, zu dem das Fahrzeug erworben wurde. Es sei darüber hinaus allgemein bekannt, daß Versicherer Verträge nur auf der Grundlage der jedermann zugänglichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen abschließen. Die AKIB seien daher Vertragsinhalt geworden. Der Kläger könne sich nicht auf anderslautende Zusicherungen des Versicherungsvertreters der beklagten Partei bei Vertragsabschluß berufen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte aus, der Klage sei schon mangels Beweises des Versicherungsfalles der Boden entzogen. Dem Kläger sei der ihn treffende Beweis des Eintritts des Versicherungsfalles nicht gelungen. Daran ändere nichts, daß die beklagte Partei den Eintritt des Versicherungsfalles nicht gesondert bestritten habe, denn sie habe das Klagebegehren und damit das Klagevorbringen, soweit es nicht ausdrücklich als richtig zugegeben wurde, ausdrücklich bestritten. Unter diese allgemeine Bestreitung falle auch die Bestreitung des Versicherungsfalles. Das Berufungsgericht pflichte im übrigen dem Erstgericht bei, daß das Verhalten des Klägers bei Aufforderung der beklagten Partei, den Kaufpreis bekanntzugeben, eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung bilde.

Die Revision des Klägers wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 15.12.1988, 7 Ob 45/88, zurückgewiesen. Die Entscheidung der 2.Instanz sei dem Kläger am 19.9.1988 zugestellt, die dagegen erhobene Berufung am 18.10.1988, das sei am 29.Tag nach der Zustellung des angefochtenen Urteils, überreicht worden. Da die Revisionsfrist gemäß § 505 Abs 2 ZPO 4 Wochen von der Zustellung des Berufungserkenntnisses an betrage, sei sie verspätet. Der Kläger beantragte, ihm die "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der rechtzeitigen Vornahme der befristeten Prozeßhandlung... zu bewilligen und festzustellen, daß die Revisionsschrift rechtzeitig zur Post gegeben wurde". Der Vertreter des Klägers habe die Revision rechtzeitig, am 17.10.1988, zur Post gegeben. In der Einlaufstelle des Erstgerichtes sei offenbar irrtümlich der Umschlag nicht aufgehoben und der Vermerk "überreicht" angebracht worden. Der Kläger stellte aus demselben Grund einen Berichtigungsantrag, da es sich bei dem Stampiglienaufdruck um eine offenbare Unrichtigkeit iS des § 419 ZPO handle.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluß vom 15.3.1989, ON 38. Es nahm als erwiesen an, daß die Revision tatsächlich am 17.10.1988 zur Post gegeben und der Vermerk "überreicht" in der Einlaufstelle des Erstgerichtes irrtümlich angebracht wurde.

Der Kläger bekämpft den Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 15.12.1988 aus demselben Grund auch mit Rekurs iS des § 522 ZPO. Gemäß § 150 Abs 1 ZPO tritt der Rechtsstreit durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in die Lage zurück, in welcher er sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Dies bedeutet, daß das gesamte seither durchgeführte Verfahren aufgehoben wird. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung hat auch die Aufhebung der seither infolge der Versäumung ergangenen, das Verfahren beendenden Entscheidungen zur Folge. Wurde aber der Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 15.12.1988 mit der Stattgebung der Wiedereinsetzung aufgehoben, fehlt dem Rekurs des Klägers gegen diesen Beschluß die Beschwer. Der Rekurs war aus diesem Grund zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Sowohl unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, als auch unter jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich der Kläger dagegen, daß der Eintritt des Versicherungsfalles nicht bewiesen sei. Die beklagte Partei habe sich weder bei den außergerichtlichen Liquidierungsverhandlungen, noch im gegenständlichen Verfahren darauf berufen, daß der Versicherungsfall nicht eingetreten sei. Allein durch die allgemeine Bestreitung des Klagebegehrens (Klagevorbringens) liege noch nicht auch "eine Bestreitung des Versicherungsfalles in concreto" vor. Es wäre mangels entsprechender Prozeßbehauptungen der beklagten Partei mit den Parteien näher zu erörtern gewesen, ob der Eintritt des Versicherungsfalles überhaupt bestritten werde.

Das Revisionsgericht pflichtet jedoch der zweiten Instanz darin bei, daß in der Erklärung der beklagten Partei in der Klagebeantwortung, es werde das Klagebegehren (Klagevorbringen) "insoweit bestritten, als es im folgenden nicht ausdrücklich als richtig zugegeben" werde, auch eine Bestreitung der Klagebehauptung enthalten ist, das den Gegenstand der Versicherung bildende Fahrzeug sei am 25.11.1984 in Mailand von unbekannten Tätern gestohlen worden. Auch wenn man aber davon ausgehen wollte, daß die vom Erstgericht hiezu getroffene Negativfeststellung eine "überschießende" Feststellung sei, nämlich eine tatsächliche Feststellung, die an sich nicht durch ein entsprechendes Prozeßvorbringen gedeckt sei, darf sie doch bei der rechtlichen Beurteilung nicht unberücksichtigt bleiben, da sie sich im Rahmen der Prozeßbehauptungen hält (5 Ob 217/75, 9 Ob A 20/87 uva). Das Klagebegehren wurde schon aus diesem Grund zu Recht abgewiesen. Es wäre aber auch abzuweisen gewesen, wäre der Eintritt des Versicherungsfalles als erwiesen angenommen worden. Art.6 Abs 2 Z 2 der AKIB bestimmt es als eine Obliegenheit, deren Verletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG 1958 die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen.

Der Kläger hat nach dem von ihm behaupteten Eintritt des Versicherungsfalles zunächst behauptet, den Kaufpreis nicht zu kennen, und hat sich in der Folge bis zur Ausfüllung des mit 18.1.1985 datierten Fragebogens ungeachtet der Androhung der Folgen einer Obliegenheitsverletzung geweigert, den Kaufpreis bekanntzugeben. Es sei nur am Rande bemerkt, daß der Kläger, sollte er tatsächlich im Sinne der festgestellten Belehrung des Versicherungsvertreters Hans Jörg W*** der Meinung gewesen sein, die Versicherungsleistung betrage im zweiten Jahr nach der Erstzulassung des Fahrzeuges (jedenfalls) 80 % des Listenpreises (und nicht höchstens diesen Betrag, jedoch nicht mehr als den Preis, zu dem das Fahrzeug erworben wurde - Art.12 Punkt B Z 1 lit b der AKIB), keine Ursache gehabt hätte, den Kaufpreis zu verschweigen, da seine Höhe in diesem Fall doch wirklich unerheblich gewesen wäre. Daß aber bei den bestehenden Versicherungsbedingungen die Weigerung des Klägers, den Kaufpreis zu nennen, eine Verletzung der Auskunftspflicht des Klägers (§ 34 VersVG, § 6 Abs 2 lit 2 der AKIB) und damit eine Obliegenheitsverletzung iS des § 6 Abs 3 VersVG darstellt, ist keine Frage. Der Versicherer kann im übrigen diejenigen Auskünfte verlangen, die er für notwendig hält, soferne sie nur für Grund oder Umfang seiner Leistung bedeutsam sein können (Prölss-Martin, VersVG24, 220). Es ist für den Verstoß gegen die Auskunftspflicht ohne Bedeutung, ob der Versicherer (in der Folge) auf andere Weise über den verschwiegenen Sachverhalt unterrichtet worden ist und die unrichtigen Angaben später berichtigt werden (Prölss-Martin aaO 223; 7 Ob 5/76 = VersRSch 1978, 31; vgl. auch Bruck-Möller, VersVG8 I Anm.53 zu § 34). Für das vorliegende Verfahren ist allerdings die Frage einer nachfolgenden Berichtigung schon deshalb bedeutungslos, weil nicht als erwiesen angenommen wurde, daß der Kläger nach seiner wiederholten Weigerung, den Kaufpreis zu nennen, den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis angegeben hat.

Zwar tritt nach § 6 Abs 3, erster Satz, VersVG, die Leistungsfreiheit - wurde sie für den Fall vereinbart, daß eine Obliegenheit verletzt wird, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalles dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist - nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz, noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Außerdem bleibt der Versicherer selbst bei grob fahrlässiger Verletzung zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles, noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. Dem Kläger ist jedoch eine vorsätzliche Verletzung der vereinbarten Auskunftspflicht vorzuwerfen, da das Verschweigen des Kaufpreises nur wissentlich erfolgt sein kann (Bruck-Möller aaO, Anm.50). Der Umstand, daß der Versicherungsvertreter der beklagten Partei Hans Jörg W*** den Kläger, wie festgestellt wurde,

dahingehend belehrt hat, daß die Versicherungsleistung im zweiten Jahr nach der Erstzulassung des Fahrzeuges 80 % des Listenpreises betrage, vermag die vertraglichen Beziehungen der Streitteile nicht zu beeinflussen. Die Bestimmungen des § 5 VersVG setzen voraus, daß ein bestimmter Antrag gestellt wurde und daß der Inhalt des Versicherungsscheines von diesem Antrag abweicht. Es lag jedoch nicht ein besonderer Antrag des Klägers auf Gewährung eines bestimmten Versicherungsschutzes (einer bestimmten Ersatzleistung) vor, sondern nur eine Meinungsäußerung des Vermittlungsvertreters im Verlauf der Beratung bei der Antragstellung, die in klarem Widerspruch sowohl zum Wortlaut des Art.6 Abs 2 Z 2 der AKIB als auch des Prospektes stand, den Hans Jörg W*** dem Kläger zeigte. Der Kläger hätte nur den Prospekt - und in der Folge die Versicherungsbedingungen - durchlesen müssen, um Klarheit über die Höhe der Ersatzleistung zu erhalten (7 Ob 51/86 = ZVR 1988/105). Es ist daher weder ein Vertrag auf der Grundlage der vom Versicherungsvertreter abgegebenen Erklärung zustandegekommen, noch auch kann etwa von Dissens gesprochen werden (vgl. auch hiezu 7 Ob 51/86).

Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17605

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00017.89.0420.000

Dokumentnummer

JJT_19890420_OGH0002_0070OB00017_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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