TE OGH 1989/4/26 14Os43/89

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Veröffentlicht am 26.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.April 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred P*** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 14. Februar 1989, GZ 18 Vr 2.089/88-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Manfred P*** wurde der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1.) und der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt. Darnach hat er in Klagenfurt (bzw Ebenthal)

1. am 2.November 1986 mit der am 4.November 1972 geborenen, sohin unmündigen Ursula D*** den außerehelichen Beischlaf unternommen;

2. vom 2.November 1986 bis 26.Oktober 1988 wiederholt die Ursula D*** mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf genötigt, indem er sich auf ihre Arme und Beine kniete und sie gegen das Bett oder sonst zu Boden drückte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Das Zwischenerkenntnis, mit dem sein Beweisantrag auf "Durchführung eines Ortsaugenscheines in der ehelichen Wohnung (des Angeklagten in Klagenfurt) in der Steingasse 151 und in (seinem Anwesen in) Ebenthal, Heuweg 17, und Gegenüberstellung mit der Zeugin Ursula D*** zur Klarstellung, daß die Örtlichkeiten so gegeben sind, daß Hilferufe jederzeit in der Umgebung hörbar sind und daß es daher unrichtig ist, daß sie niemals Hilfe herbeirufen hätte können, ... wodurch der Beweis angetreten werden kann, daß die Belastungszeugin die Unwahrheit sagt" (S 130), abgewiesen wurde, verletzt keine Verteidigungsrechte des Angeklagten (Z 4). Die Zeugin Ursula D*** hat dazu angegeben (S 124), daß sie deshalb nie um Hilfe gerufen hat, "weil nie jemand zu Hause und weil nahezu nie jemand in der Nähe war". Ob es sich dabei nur um die subjektive Annahme der Aussichtslosigkeit von Hilferufen oder - worauf der Beschwerdeführer abzielt - um eine bewußte Unwahrheit der Zeugin handelte, wäre durch einen Ortsaugenschein nicht zu erweisen. Denn einerseits lassen sich die für die Lösung dieser Beweisfrage entscheidenden Gegebenheiten, nämlich ob sich zu den Tatzeiten in Hörweite der jeweiligen Tatorte dritte Personen (auch für die Zeugin erkennbar) überhaupt aufgehalten haben, nicht mehr rekonstruieren; andererseits wäre auch in jenen (wenigen) Fällen, wo nach den Angaben des Mädchens dessen Großmutter, die Zeugin Maria R***, im Wohnhaus anwesend gewesen sein müßte (S 123; vgl US 14 zweiter Absatz), selbst bei positivem Ergebnis von Hörproben das vom Beschwerdeführer angestrebte Beweisergebnis unter keinen Umständen zu erzielen, weil die Großmutter (wie übrigens auch der bettlägerige, bereits am 2. Jänner 1987 verstorbene Großvater) das Untergeschoß des Hauses bewohnte, während sich die betreffenden Vorfälle im Obergeschoß abgespielt haben. Angesichts dieser räumlichen Distanz könnte aber die Argumentation des Tatopfers für das Unterlassen von Hilferufen, daß eben auch in diesen Fällen niemand "in der Nähe" war (S 124), objektiv nicht erschüttert werden.

Die Feststellung, daß der Angeklagte beim Vorfall vom 2. November 1986 (Faktum 1) vom Alter der erst zwei Tage später das 14. Lebensjahr vollendenden Zeugin Ursula D*** Kenntnis hatte, gründete das Schöffengericht auf das Geständnis des Angeklagten bei seiner ersten polizeilichen Einvernahme, wonach die Tatbegehung "durchaus zwei Tage vor ihrem 14. Geburtstag gewesen sein kann" (US 8/9 iVm S 24 unten); ferner auf die Aussage des Mädchens insbesondere in der Hauptverhandlung, nach dessen Bekundungen der Angeklagte zu ihr am 2.November 1986 gesagt hätte, er bringe ihr ein Geburtstagsgeschenk und komme schon jetzt gratulieren, weil er am eigentlichen Geburtstag (eben zwei Tage später, am 4.November 1986) nicht kommen könne (US 9, 12 iVm S 120); und schließlich auf die Angaben der Zeuginnen Gabriela P*** (Ehegattin des Angeklagten und Tante des Mädchens), Barbara D*** (Mutter) und Maria R*** (Großmutter des Mädchens), daß der Angeklagte seit jeher an den Geburtstagen des seit neun Jahren mit ihm unter einem Dach wohnenden und noch zur Schule gehenden Kindes teilgenommen hat (US 9 iVm S 127, 129).

Eine Unvollständigkeit dieser Begründung (Z 5) erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß sich das Erstgericht mit der "widersprüchlichen Aussage der Zeugin Ursula D*** ... über den Ort und unter welchen Umständen es am 2.November 1986 zu einem Vorfall gekommen sei", nicht auseinandergesetzt habe. Richtig ist, daß die Zeugin in den verschiedenen Verfahrensstadien voneinander abweichende Angaben darüber gemacht hat, was sie gerade getan hätte, als der Angeklagte am 2.November 1986 ihr Zimmer betrat, ob sie im Bett gelegen oder daneben gestanden sei, ob und inwieweit es dem Angeklagten in der Folge gelungen sei, sie zu entkleiden sowie ob und welche Türe sie nach diesem (ersten) Vorfall hinter sich abgesperrt habe. Es trifft auch zu, daß sie von einer bestimmten Abwehrhandlung (Kniestoß gegen die Hoden) und von einer Bonbonniere als Geburtstagsgeschenk erstmals in der Hauptverhandlung gesprochen hat und daß entgegen ihrer Aussage vor dem Untersuchungsrichter, es wäre am 2.November 1986 niemand zu Hause gewesen, zumindest der (bettlägerige) Großvater im Untergeschoß des Wohnhauses anwesend gewesen sein muß.

Einen Großteil dieser Aussageabweichungen konnte die Zeugin in der Hauptverhandlung allerdings aufklären (S 126). Die übrigen Divergenzen und Ungereimtheiten betreffen aber nur unwesentliche Nebenumstände und wurden vom Schöffengericht insofern gewürdigt, als es - im Sinne seiner Verpflichtung zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), aus der sich keineswegs das Gebot ableiten läßt, jeden einzelnen vom Angeklagten oder von Zeugen vorgebrachten Satz einer besonderen Erörterung zu unterziehen, oder sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Eiwand im voraus auseinanderzusetzen (Mayerhofer-Rieder, StPO2, E 6 ff. zu § 281 Abs 1 Z 5 u.v.a.) - ausführte, daß die Zeugin Ursula D*** die einzelnen Tathandlungen des Angeklagten im wesentlichen (also insbesondere was die eigentlichen Sexualakte und die Gewaltanwendung betrifft) immer gleichlautend und deshalb glaubwürdig schilderte (US 11). Auch sonst fanden die Tatrichter keinen Grund, an der Verläßlichkeit der von ihnen unmittelbar vernommenen Zeugin zu zweifeln (US 5, 13). Die erwähnten Einwendungen erweisen sich daher als nicht stichhältig, sie sind vielmehr als jedenfalls in diesem Rahmen (Z 5) unzulässiger Versuch zu werten, die Beweiswürdigung des Schöffensenates in Ansehung dieser Zeugin in Frage zu stellen. Es trifft auch nicht zu, daß die Aussagen des Mädchens mit jenen ihrer Mutter, Großmutter und Tante "im Widerspruch" stünden, stimmen doch die Angaben aller Zeugen über das langjährige (persönliche und räumliche) Naheverhältnis des Tatopfers zum Angeklagten, und damit jene Tatsachen, aus denen das Erstgericht den Schluß gezogen hat, daß er sich bei dem am 2.November 1986 an Ursula D*** unternommenen außerehelichen Beischlaf der damals (noch) gegebenen Unmündigkeit derselben bewußt war, durchwegs überein. Daß die Zeugin Gabriela P*** allein daraus, daß sie dem Mädchen bei den Hausaufgaben geholfen hat, für sich noch nicht den sicheren Schluß auf eine derartige Kenntnis des Angeklagten ableitete (S 127) und auch die Zeugin Barbara D*** ihrerseits nur formulierte, daß sie aus der Anwesenheit des Angeklagten bei allen Geburtstagsfeiern diese Kenntnis "annehmen muß" (S 129), tut dem keinen Abbruch, weil es eben nur auf die von den Zeugen bekundeten Tatsachen ankommt. Aus diesen aber - im Verein mit den eingangs angeführten anderen Beweisergebnissen und keinesfalls aus dem Wissen des Angeklagten um die Schulpflichtigkeit des Tatopfers allein - hat das Erstgericht logisch und empirisch einwandfrei gefolgert, daß der Angeklagte am 2. November 1986 wußte, daß Ursula D*** noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet hatte.

Ob der Angeklagte am 1.November 1986, dem Tag der vorgezogenen Feier des 14. Geburstages, - wie auf Grund der Aussage des Mädchens festgestellt (US 5 iVm S 18) - Dienst hatte und deshalb daran nicht teilnahm oder - wie er dem Neuerungsverbot zuwider durch eine mit der Rechtsmittelschrift vorgelegte Bestätigung seiner Truppeneinheit zu belegen sucht - damals dienstfrei war, kann als nicht entscheidungswesentlich dahingestellt bleiben, weil die Tatrichter, gestützt auf die bereits erwähnten Verfahrensergebnisse, davon ausgegangen sind, daß er das eigentliche Datum des 14. Geburtstages (4.November 1986) jedenfalls gekannt hat.

Angesichts der spruchmäßig (Faktum 2) umschriebenen und in den Entscheidungsgründen näher ausgeführten, für sich allein im Sinn des § 202 Abs 1 StGB tatbestandsmäßigen Gewaltanwendung fehlt es dem weiteren Einwand, daß die Feststellung zusätzlicher Gewaltanwendung durch fallweises Versetzen von Ohrfeigen (US 7) mangelhaft begründet sei, an Relevanz. Im übrigen findet aber diese Konstatierung zwar nicht in der Aussage der Zeugin Ursula D*** in der Hauptverhandlung, wohl aber in ihren polizeilichen Anzeigeangaben (S 9), auf die sie sich dabei berief (S 119), Deckung.

Daß die Zeugin nach ihrer Darstellung in der Hauptverhandlung (S 121, 124) in der Lage war, dem Angeklagten anläßlich des Vorfalls vom 2.November 1986 einen "Bock" (= Kniestoß gegen die Hoden) zu versetzen, steht mit der festgestellten Gewaltanwendung deshalb nicht in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch, weil sich diese nach den Urteilsfeststellungen (US 6) über einen doch längeren Zeitraum hinzog, demnach keineswegs die Möglichkeit auszuschließen ist, daß sie "ihm den Bock zwischendrin gegeben" hat (S 124). Auch der Umstand, daß die Zeugin Maria R*** nach der Darstellung des Mädchens möglicherweise doch während des einen oder anderen Vorfalls im Hause anwesend war (S 123), mußte nicht eigens erörtert werden, weil sich die Genannte darnach jedenfalls im Untergeschoß des Wohnhauses aufgehalten hat, was aber der Erklärung der Zeugin Ursula D***, sie hätte deshalb (erst gar nicht) um Hilfe gerufen, weil die Großmutter "nicht in der Nähe war" (S 124), keineswegs - worauf schon im Rahmen der Erledigung der Verfahrensrüge hingewiesen wurde - widerstreitet.

Der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider ergeben sich für den Obersten Gerichtshof aus den Akten nach eingehender Überprüfung der erstinstanzlichen Argumentation an Hand der Beschwerdeeinwände keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war demnach als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Berufungsentscheidung folgt (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E17178

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00043.89.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19890426_OGH0002_0140OS00043_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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