TE OGH 1989/4/27 7Ob12/89

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Veröffentlicht am 27.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Bernhard H***, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der protokollierten Firma P*** E*** K*** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, wider die beklagte Partei H*** I*** AG für Versicherungen, Wien 6., Gumpendorferstraße 6, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 800.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11. Jänner 1989, GZ. 2 R 203/88-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. April 1988, GZ. 6 Cg 402/87-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst der Berufung der beklagten Partei dahin Folge gegeben, daß die erstgerichtliche Entscheidung zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß die beklagte Partei verpflichtet sei, im Rahmen der Transportversicherung, Polizzen-Nr. 50279, für sämtliche in Verlust geratenen oder beschädigten Versendungen, welche im Auftrag der Firma P*** E*** K*** Gesellschaft m.b.H. & Co KG bzw. deren Vertragspartnern und Erfüllungsgehilfen mittels LKW, Kleintransporter und PKW durchgeführt wurden, Deckung zu gewähren, soferne begründete Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht wurden und in Zukunft geltend gemacht werden, wird abgewiesen." Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die gesamten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar für das Verfahren erster Instanz 30.626,58 (darin 2.784,23 S Umsatzsteuer), für das Berufungsverfahren 50.211,60 S (darin 5.868,60 S Umsatzsteuer und 15.000 S Barauslagen), sowie für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof 38.127,80 S (darin 3.021,30 S Umsatzsteuer und 20.000 S Barauslagen).

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Masseverwalter in dem zu S 81/86 des Landesgerichtes Innsbruck anhängigen Konkurs über das Vermögen der P*** E*** K*** Gesellschaft m.b.H. & Co KG. Diese hat bei der Beklagten zu Polizzen Nr. 50279 eine Transportversicherung abgeschlossen. Mit der Behauptung, die Beklagte habe für geltend gemachte Schadensfälle Versicherungsschutz wegen behaupteter Leistungsfreiheit abgelehnt, stellt der Kläger das im Spruche ersichtliche Klagebegehren.

Die Beklagte wendete ein, zu den einzelnen Schadensfällen sei nicht unverzüglich Schadensanzeige erstattet worden. Die Schäden seien auch grob fahrlässig verursacht worden. Infolge Unterlassens der unverzüglichen Schadensanzeige sei die Beklagte gehindert worden, Regreß zu nehmen. Im übrigen seien Schadensfälle auch zum Teil vorsätzlich durch Diebstahl herbeigeführt worden. Das Bestehen des Versicherungsvertrages selbst wurde nicht bestritten. Das Erstgericht hat dem Klagebegehren mit der Begründung stattgegeben, dieses sei ohnedies nur auf die Feststellung der Leistungspflicht für begründete Versicherungsfälle gerichtet. Es sei daher nicht zu prüfen, inwieweit bezüglich einzelner Versicherungsfälle Leistungsfreiheit eingetreten sei. Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es hat hiebei ausgeführt, das Klagebegehren sei nicht bloß auf unbestrittene Versicherungsfälle gerichtet, weil ein derartiges Begehren im Hinblick auf die mangelnde Streitigkeit des Versicherungsverhältnisses an sich am fehlenden Feststellungsinteresse scheitern müßte. Strittig sei, ob die Gemeinschuldnerin ihre Ansprüche gegen die Beklagte verspätet geltend gemacht oder sonst ein Verhalten gesetzt habe, das die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Folge habe. Streit herrsche zwischen den Parteien nur über einzelne Versicherungsfälle. Losgelöst von diesem Streit würde der Feststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.

Wie immer man auch das Klagebegehren verstehen will, ist es keinesfalls auf Deckung bestimmter Versicherungsfälle gerichtet. In diesem Punkte würde ihm die Bestimmtheit fehlen. Es wird zwar behauptet, daß sich die Beklagte geweigert hat, geltend gemachte bestimmte Versicherungsansprüche zu decken, doch fehlt dem Vorbringen des Klägers in dieser Richtung jegliche Bestimmtheit. Die Klage entspricht daher nicht den Voraussetzungen einer Deckungsklage, die immer nur auf die Deckung eines konkreten Versicherungsfalles gerichtet sein kann. In ihrer Form und auch im gesamten Vorbringen des Klägers kann sie daher nur als allgemeine Feststellungsklage gewertet werden. Würde man diese Klage so auffassen wie das Erstgericht, so müßte sie, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, schon daran scheitern, daß es an einem Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO fehlt. Die Beklagte hat nämlich nie den Bestand des Versicherungsvertrages als solchen bestritten. Sie hat auch nicht bestritten, daß sie nach diesem Versicherungsvertrag grundsätzlich verpflichtet wäre, für Versicherungsfälle Deckung zu gewähren, falls nicht Leistungsfreiheit entgegensteht. Insbesondere hat sie nicht den Standpunkt vertreten, daß die Verwirkung des Deckungsanspruches für einzelne Versicherungsfälle infolge eingetretener Leistungsfreiheit grundsätzlich die Rechte des Klägers aus dem Versicherungsvertrag zum Erlöschen bringen würde. Für Versicherungsfälle, deren Deckung Leistungsfreiheit nicht entgegensteht, hat demnach die Beklagte ihre Deckungspflicht nie bestritten. Damit fehlt aber ein rechtliches Interesse an der Feststellung des zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsverhältnisses dahin, daß die Beklagte grundsätzlich aus dem Versicherungsvertrag deckungspflichtig ist. Voraussetzung für eine Feststellungsklage ist gemäß § 228 ZPO die Strittigkeit eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses. Das Bedürfnis des Klägers nach Klarstellung seiner Forderung muß bereits in der Gegenwart oder für einen bereits absehbaren und konkreten Anlaß in naher Zukunft bestehen (3 Ob 658/77). Die Feststellungsklage bedarf also eines konkreten aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (4 Ob 21/78, 6 Ob 651/83 ua.). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtes liegt nur dann vor, wenn infolge des Verhaltens des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewißheit über den Bestand des Rechtes entstanden ist und diese Ungewißheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteiles beseitigt werden kann (SZ 40/3, MietSlg. 20.691, GesRZ 1980, 37

ua.). Es ist dann zu verneinen, wenn das gerichtliche Feststellungserkenntnis weder für das weitere Verhalten noch für die Rechtssphäre der beiden Parteien sonst von Bedeutung sein kann (GesRZ 1980, 37 ua.).

Sicherlich mag der Kläger ein rechtliches Interesse an der Deckungspflicht der Beklagten in konkreten Versicherungsfällen haben. Würde die Verpflichtung der Beklagten zur Deckung grundsätzlich bestritten werden, sei es unter gleichzeitiger Bestreitung der Gültigkeit des Versicherungsvertrages oder auch ohne eine solche Bestreitung, so wäre auch hier das rechtliche Interesse zu bejahen. Hat aber der Versicherer weder das Bestehen des Versicherungsvertrages noch seine grundsätzliche Leistungspflicht aus diesem Vertrag bestritten und richtet sich seine Bestreitung nur auf die Deckungspflicht in einzelnen konkreten Versicherungsfällen, so kann nur diese bestrittene Deckungspflicht Gegenstand eines Feststellungsprozesses sein, nicht aber die grundsätzliche Deckungspflicht aus dem Versicherungsvertrag.

Aus den aufgezeigten Erwägungen fehlt es mangels Konkretisierung jener Fälle, für welche die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten verlangt wird, an dem nach § 228 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse an einer alsbaldigen Feststellung. Mit dem angestrebten Urteil könnte der Kläger mangels Nennung konkreter Versicherungsfälle weder für diese noch für in Zukunft anfallende Klärung strittiger Rechtsfragen erreichen. Ein derartiges Urteil würde lediglich klarstellen, daß die Beklagte für in die Versicherung fallende Versicherungsfälle dann deckungspflichtig wäre, wenn kein Fall der Leistungsfreiheit eingetreten sein sollte. Es müßte daher in jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob dieser in die Versicherung fällt und ob seiner Deckung nicht Leistungsfreiheit entgegensteht. Dies ist aber nicht strittig. Das vom Kläger angestrebte Urteil würde daher zu keinerlei Klärung des Rechtsverhältnisses zwischen den Streitteilen führen. Da die Sache sohin im Sinne einer Klagsabweisung spruchreif ist, konnte der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs. 2 ZPO aufgrund des Rekurses in der Sache selbst entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E17602

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00012.89.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19890427_OGH0002_0070OB00012_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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