TE OGH 1989/4/27 6Ob579/89

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Veröffentlicht am 27.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna W***, geboren am 4.Dezember 1943 in Bischofshofen, Bäuerin, Hüttau 10, vertreten durch Dr. Franz Linsinger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wider die beklagte Partei Matthias W***, geboren am 28. Oktober 1930 in Eben im Pongau, Bauernpensionist, Hüttau 10, vertreten durch Dr. Reinhard Steger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 26.Januar 1989, GZ 21c R 6/88-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Radstadt vom 24. Juni 1988, GZ C 2/88-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 617,70 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 12.November 1966 die Ehe geschlossen. Der Mann hatte damals knapp zuvor das 36.Lebensjahr vollendet, die Frau stand vor der Vollendung ihres 23.Lebensjahres. Beide waren Bauersleute. Sie führten ihren ehelichen Haushalt auf dem Gut des Mannes. In diesem bäuerlichen Haushalt wuchsen sieben eheliche Kinder heran, der am 18.April 1968 geborene Matthias, der am 6.März 1969 geborene Johann, der am 4.November 1970 geborene Peter, die am 22. Mai 1972 geborene Anneliese, der am 30.April 1974 geborene Gottfried, die am 22.März 1980 geborene Waltraud und der am 14. Januar 1983 geborene Manfred.

Im August 1985, also im 19.Ehejahr, stellte die Frau ein auf § 49 EheG gestütztes Scheidungsbegehren. In dem hierüber eingeleiteten Rechtsstreit trat zunächst am 23.Dezember 1985 Ruhen des Verfahrens ein; nach Fortsetzung des Rechtsstreites im April 1987 vereinbarten die Streitteile am 26.Juni 1987 Ruhen des Verfahrens.

Am 7.März 1988 brachte die Ehefrau neuerlich eine auf § 49 EheG gestützte Scheidungsklage an. In Verfolgung dieses Begehrens behauptete sie, sie sei nach dreimonatiger getrennter Wohnungsnahme im Sommer 1987 wieder auf den Hof des Beklagten zurückgekehrt. Die Streitteile hätten ihre eheliche Lebensgemeinschaft wieder voll aufgenommen, damit seien vorangegangene Eheverfehlungen wechselseitig verziehen worden. Sie stütze ihr nunmehriges Begehren ausschließlich auf seither vorgefallene Eheverfehlungen des Beklagten. Als solche machte sie vor allem geltend: Demütigende finanzielle Beschränkung durch Verweigerung eines Wirtschaftsgeldes, kleinlichste Rechnungsüberprüfung und Fernsprechverbot als Ausfluß krankhaften Geizes; unwürdige Behandlung in der Führung des Wirtschaftswesens durch Unterlassung jeder Information, geschweige denn Beratung über anstehende Maßnahmen, kleinlichste Vorschriften und Wegsperren von besseren Lebensmitteln; verletzende Gleichgültigkeit gegenüber einer ungewollten und wegen des fortgeschrittenen Alters gefürchteten neuen Schwangerschaft; kränkende Beschimpfungen vor den Kindern und Ermunterung der Kinder zur Respektlosigkeit gegenüber der Mutter sowie aufreizende Erklärungen und Beziehungen zu einer anderen Frau.

Der Beklagte bestritt die ihm angelasteten Verhaltensweisen und wendete ausdrücklich das Alleinverschulden der Klägerin an einer etwa vorliegenden Ehezerrüttung ein. Dazu behauptete er, die Klägerin habe mutwillig den gemeinsamen Haushalt verlassen, einseitig die Geschlechtsgemeinschaft aufgehoben und sich ihm gegenüber nur noch unfreundlich verhalten; die Klägerin sei psychisch labil und habe durch Vorbereitungshandlungen zu einem Selbstmordversuch wiederholt versucht, die Familie unter Druck zu setzen.

Einen Mitschuldantrag stellte der Beklagte nicht.

Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab in Abänderung des erstinstanzlichen Urteiles dem Scheidungsbegehren der Klägerin nach Beweiswiederholung statt.

Aus den berufungsgerichtlichen Feststellungen ist hervorzuheben:

Der Klägerin war schon vor ihrer Eheschließung nach ihrem Großvater ein Bauerngut zugefallen. Nach der Eheschließung zog sie auf den Hof des Beklagten. Die beiden Anwesen liegen auf gegenüberliegenden Seiten eines Tales, auf Fahrstraßen etwa zwei Gehstunden voneinander entfernt. Das Gut der Klägerin wurde vom Hof des Beklagten aus bewirtschaftet. Auf dem Hof der Klägerin wurde Jungvieh gehalten, zu dessen Fütterung mindestens einmal täglich eine Person das Anwesen aufsuchen mußte. Mit dem Besitz des der Klägerin gehörenden Gutes ist das Recht auf Bezug von Servitutsholz verbunden. Der durchschnittliche Jahresnettoerlös aus dem Verkauf des aufgrund des Bezugsrechtes geschlägerten Holzes beträgt nunmehr 15.000 S. Die Klägerin hat das zu ihrem Gut gehörende Wohnhaus an Zweitwohnungsinteressenten vermietet, zuletzt im Jahre 1987 auf die Dauer von zehn Jahren gegen einen Jahresmietzins von 20.000 S unter Verpflichtung der Mieter zur Vornahme notwendig werdender Hausreparaturen. Das Stallgebäude auf dem Anwesen der Klägerin wurde während der Ehe mit einem Aufwand von rund 100.000 S renoviert. Der dazu aufgenommene Kredit wurde größtenteils aus den Erlösen aus dem Verkauf von Servitutsholz abgedeckt. Unaufgeklärt blieb lediglich, wer auf den 1985 noch ausgehafteten Kreditrest einen Teilbetrag von 10.000 S zurückzahlte.

Das Gut des Beklagten war zur Zeit der Eheschließung noch nicht mit einem Traktor ausgestattet. Ein solcher wurde etwa zwei Jahre nach der Eheschließung angeschafft. Nunmehr sind auch Miststreuer, Ladewagen und andere Zusatzgeräte vorhanden. Zum Hof des Beklagten wurde ein Zubau mit zwei Garagen und einer darüber liegenden Wohnung errichtet.

1971 erwarben die Ehegatten gemeinsam beide Gründe um den Kaufpreis von 250.000 S. Sie nutzten diese Gründe für die auf dem Anwesen des Beklagten gehaltenen Rinder als Sommerweide. Der Beklagte erlitt 1982 einen Arbeitsunfall. Seither bezieht er eine Pension von nunmehr rund 4.500 S monatlich. Aus versicherungsrechtlichen Rücksichten verpachtete er sein Anwesen zunächst der Klägerin, im Mai 1988 an einen seiner Söhne. Im November 1982 und im Mai 1985 kaufte er Liegenschaften, die zu einem landwirtschaftlichen Besitz gehörten, dessen ersten Teil er bereits im Jahre 1964, also vor der Eheschließung, unter Einräumung des Vorkaufsrechtes für die restlichen Teile gekauft hatte. Auf einem der hinzu erworbenen Grundstücke errichtete der Beklagte mit Hilfe seiner Söhne einen Rohbau.

Der Beklagte führte immer die Wirtschaft auf seinem Gut ebenso wie die auf dem Gut der Klägerin. Dabei blieb es auch nach der formellen Verpachtung.

Der Beklagte übernahm die Aufarbeitung des der Klägerin aufgrund ihres Bezugsrechtes zustehenden Holzes.

Der Klägerin standen bis Herbst 1985 die Erlöse aus den Milchverkäufen vom Gut des Beklagten zur Verfügung. Diese Erlöse schwankten zwischen 6.000 S und 7.000 S im Monat.

Der Beklagte disponierte über die Eingänge aus der Bewirtschaftung beider Güter im übrigen nach seinem Gutdünken. Die Klägerin war mit der faktisch bestandenen Gebarung nicht länger einverstanden. 1985 entstanden zwischen den Ehegatten Streitigkeiten wegen der Bewirtschaftung.

Am 11.Dezember 1985 trafen die Streitteile in einer Rechtsanwaltskanzlei die Vereinbarung, nach der der Beklagte von der Klägerin die landwirtschaftliche Nutzung ihres Gutes gegen einen jährlichen Pachtschilling von 15.000 S in Pacht nahm. Von diesem Betrag waren aber die Beiträge zur Bauernkrankenkasse sowie die Prämien der in Ansehung des Gutes der Klägerin abgeschlossenen Versicherungen zu zahlen. Damit war der vereinbarte Pachtschilling im wesentlichen aufgebraucht.

Nach der Vereinbarung vom 11.Dezember 1985 sollte der Beklagte der Klägerin ein monatliches Wirtschaftsgeld von 5.000 S zur Anschaffung von Lebensmitteln und Reinigungsmitteln reichen. Die sonstigen Lebenshaltungskosten, insbesondere die Aufwendungen für die Kleidung der Kinder sollte der Beklagte tragen, der auch die Familienbeihilfen bezog.

Die Klägerin verlangte in der Folge, daß sie die Familienbeihilfen beziehe. Der Beklagte kam diesem Wunsch nach, verweigerte aber fortan die Zahlung des Wirtschaftsgeldes. Dazu vertrat er den Standpunkt, das an Familienbeihilfen zur Verfügung stehende Geld reiche zum Kauf der Lebens- und Reinigungsmittel. Die Klägerin hatte am 9.April 1987 beantragt, das seit 23. Dezember 1985 ruhende Scheidungsverfahren fortzusetzen, war zum Monatswechsel April/Mai 1987 vom Hof des Beklagten weggezogen, nach der im Scheidungsverfahren abgehaltenen Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.Juni 1987, die mit der Vereinbarung eines Ruhens des Verfahrens endete, aber wieder in die Ehewohnung zurückgekehrt.

Dort nahmen die Streitteile wieder volle eheliche Beziehungen auf.

Die Klägerin stellte im November 1987 eine schwächere Regelblutung als gewöhnlich und im Folgemonat das Ausbleiben der Monatsblutung fest. Sie teilte dem Beklagten mit, daß "es bei ihr eingeschlagen habe, sie jedoch das Kind nicht mehr wolle". Auf diese Mitteilung bemerkte der Beklagte, daß "sie sich nicht mehr zu ihm legen brauche, wenn es ihr nicht passe". Dies faßte die Klägerin als Erklärung auf, daß der Beklagte sie nicht mehr brauche, von ihr also nichts mehr wissen wolle. Der Beklagte sprach sich zwar nicht gegen eine Abtreibung als solche aus, stellte aber klar, daß er für die Arztkosten nichts übrig hätte, die Klägerin solche Kosten selbst zahlen müßte. Die Klägerin suchte einen praktischen Arzt mit der Erklärung auf, das Kind nicht austragen zu wollen. Der Arzt verabreichte ihr eine Injektion und wies die Klägerin an, 14 Tage zuzuwarten, um festzustellen, ob sich die Regelblutungen wieder einstellten. Dem Beklagten berichtete die Klägerin, sie habe vom Arzt eine Spritze bekommen, der Arzt habe nichts Genaues feststellen können. Die Streitteile sprachen dann nicht mehr über diese Angelegenheit. Die Regel trat bei der Klägerin nicht wieder auf. Der praktische Arzt wies die Klägerin zwecks Vornahme einer Ultraschalluntersuchung in ein Krankenhaus ein. Dort wurde zwischen Weihnachten und Neujahr eine Schwangerschaft festgestellt. Die Klägerin erklärte dem Spitalsarzt, das Kind nicht austragen zu wollen. Der Spitalsarzt verwies die Klägerin wieder an ihren behandelnden praktischen Arzt, dieser verwies die Klägerin an einen Facharzt in der Landeshauptstadt. Mit diesem vereinbarte die Klägerin einen Termin wegen des Schwangerschaftsabbruches. Inzwischen traten aber bei der Klägerin am Samstag, dem 9.Januar 1988, Blutungen auf. Dessen ungeachtet verrichtete die Klägerin ihre Hausarbeit und unterrichtete den Beklagten über ihren Zustand nicht. Am folgenden Sonntag war der Beklagte mit der Tochter Anneliese außer Haus, wie die Klägerin nachträglich erfuhr bei der Firmpatin ihrer Tochter. Die Klägerin ersuchte die Frau ihres unehelichen Sohnes telefonisch, sie in das Krankenhaus zu bringen. Der Beklagte kam noch, ehe die Klägerin den Hof verlassen hatte, mit der Tochter nach Hause und verrichtete die Stallarbeit. Die Klägerin sagte dem Beklagten nicht, daß sie sich in das Krankenhaus begebe. Dies teilte sie nur ihrer Tochter Anneliese mit dem Auftrag mit, das Abendessen zu richten, weil sie nicht wisse, wann sie zurückkäme. Die Klägerin blieb einige Tage in stationärer Krankenhauspflege. Daran anschließend hielt sie sich bei ihrem unehelichen Sohn auf. Während dieser Abwesenheit von zu Hause nahm die Klägerin von sich aus keinen Kontakt mit dem Beklagten auf. Die Schwiegertochter der Klägerin teilte telefonisch mit, daß man die Klägerin nicht mehr im Krankenhaus besuchen brauche, weil sie sich jetzt bei ihnen aufhielte. Der Beklagte war zwar von der Tochter Anneliese darüber unterrichtet worden, daß die Klägerin in das Krankenhaus gefahren war, er kümmerte sich aber in keiner Weise um den Aufenthalt und das Befinden seiner Ehefrau. Auch nach der Rückkehr der Klägerin erkundigte sich der Beklagte nicht danach. Zu dieser Zeit sprachen die Streitteile über "persönliche Sachen" überhaupt nicht mehr miteinander. Zu Streitigkeiten kam es nach wie vor. Im Januar 1988 versetzte der Beklagte der Klägerin einmal eine Ohrfeige (AS 128). Während das Prozeßgericht erster Instanz aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhaltes das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen hatte, gravierende Eheverfehlungen des Beklagten seien nicht erwiesen worden, gelangte das Berufungsgericht aufgrund des von ihm durch zusätzliche Feststellungen erweiterten Sachverhaltes zu folgender rechtlicher Beurteilung:

Die Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit des Beklagten gegenüber der Sorge der Klägerin wegen ihrer neuerlichen Schwangerschaft, die völlige Interessenlosigkeit gegenüber der Person der Klägerin, mit der er es nur noch im Streit zu einem Meinungsaustausch habe kommen lassen und der er im Januar 1988 eine Ohrfeige versetzt habe, sei dem Beklagten vor allem als krasser Verstoß gegen die eheliche Beistandspflicht und damit als schwere Eheverfehlung anzulasten, die auch für die Klägerin die Grundlage für eine weitere partnerschaftliche Lebensgestaltung endgültig zerstört hätte. Das als rüde und lieblos zu wertende Verhalten des Beklagten während des der Klagserhebung vorangegangenen Halbjahres stünde in keinem Zusammenhang mit einem ehewidrigen Verhalten der Klägerin. Daß diese unmittelbar dem Beklagten gegenüber keine Mitteilung davon gemacht habe, daß sie sich auf dem Weg ins Krankenhaus befinde, hebe ihren Scheidungsanspruch nicht auf, zumal zum damaligen Zeitpunkt die Ehe der Streitteile bereits unheilbar zerrüttet gewesen sei.

Der Beklagte ficht das abändernde Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Wiederherstellung des klagsabweisenden erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag an.

Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach Ansicht des Revisionswerbers habe das Berufungsgericht den festgestellten Sachverhalt ohne entsprechende Berücksichtigung der allgemeinen äußeren Lebensbedingungen von Bergbauern und der besonderen Entwicklung des Zusammenlebens der Streitteile in 22 Ehejahren, während der sieben Kinder geboren worden seien, gewertet und deshalb unrichtig beurteilt.

Zunächst ist festzuhalten, daß ungeachtet des vom Beklagten am Ende seiner Revisionsschrift ausgeführten Wunsches, schon der jüngeren Kinder wegen eine Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu versuchen, die Ehe nach den vorangegangenen Krisen und dem Versuch, die Führung des Haushaltes und der bäuerlichen Wirtschaften in formellen Vertragsregelungen festzulegen, infolge der nunmehr nicht veränderbar erscheinenden negativen Haltung der Klägerin als unheilbar zerrüttet anzusehen ist. Dafür ist das festgestellte Verhalten des Beklagten zweifellos mitursächlich. Die Interessenlosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Sorgen und Problemen der vom Beklagten selbst als "psychisch labil" bezeichneten Klägerin wegen ihrer als unerwünscht erklärten neuerlichen Schwangerschaft müssen dem Beklagten im Zusammenhang mit seiner erklärten und geübten Gleichgültigkeit gegenüber der Person seiner langjährigen Ehepartnerin wegen Verletzung der Beistandspflicht als schwere Eheverfehlung angerechnet werden.

Dem daraus erfließenden Scheidungsanspruch fehlt es auch nicht an der sittlichen Rechtfertigung gemäß § 49 zweiter Satz EheG. Das Berufungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, daß die vom Beklagten gesetzten Verhaltensweisen von der Klägerin als völliges Desinteresse an ihrer Person aufgefaßt werden mußten und damit eine massive Erschütterung ihres letzten Vertrauens auf eine partnerschaftliche Stütze in den Wechselfällen des Lebens bedeuteten, weil sie sich bestenfalls nur noch als Wirtschaftsfaktor anerkannt wissen durfte. Diese deutlich zum Ausdruck gekommene ehewidrige Grundeinstellung des Beklagten ist gegenüber verfristeten Eheverfehlungen der Klägerin keinesfalls als derart geringfügig einzuschätzen, daß in der Geltendmachung des Fehlverhaltens des Beklagten als Scheidungsgrund ein Rechtsmißbrauch gelegen wäre. Billigkeitserwägungen im Interesse der teils noch schulpflichtigen Kinder, und schon gar fürsorgliche Rücksichtnahmen im vermeintlichen Interesse der Klägerin selbst, wie sie das Prozeßgericht erster Instanz anstellte, haben bei der Beurteilung des Scheidungsanspruches nach § 49 EheG außer Ansatz zu bleiben. Daß es der Beklagte in erster Instanz unterlassen hat, einen Mitschuldantrag zu stellen, ist seiner Verfahrenstaktik zuzuschreiben, kann aber nicht zum Anlaß genommen werden, § 49 zweiter Satz EheG rigoroser anzuwenden als sonst.

Der Revision war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E17355

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00579.89.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19890427_OGH0002_0060OB00579_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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