TE OGH 1989/5/10 2Ob503/89

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Veröffentlicht am 10.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** AG,

Domgasse 12, 4010 Linz, vertreten durch Dr. Walter Christl, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Wolfgang P***, Angestellter, Dieselstraße 10, 4400 Steyr, vertreten durch Dr. Ernst Muigg, Rechtsanwalt in Steyr, wegen S 403.144,80 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9.November 1988, GZ 3 R 217/88-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 7.Juni 1988, GZ 3 Cg 221/87-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.841,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 2.473,50, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 403.144,80 sA im wesentlichen mit der Begründung, daß ein von ihr dem Beklagten gewährter Kredit per 30.6.1987 mit diesem Betrag aushafte und fällig sei.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, er sei nie unter Androhung des Terminsverlustes und Setzung einer Nachfrist von mehr als zwei Wochen gemahnt worden. Der begehrte Zinssatz sei überhöht. Er habe bisher S 74.859,70 zurückbezahlt; der Klagsbetrag sei überhöht. Ihm seien nur S 25.000,- zugekommen. Der Rest des von der Klägerin gewährten Kredites sei an seine frühere Lebensgefährtin Ilse S*** ausbezahlt worden, die das Geld vereinbarungswidrig verwendet habe. Durch die Auszahlung von S 370.000,- an Ilse S*** sei ihm ein Schaden in dieser Höhe entstanden, den er aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung einwende. Das Erstgericht entschied, daß die Klagsforderung zu Recht und die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht besteht; es gab daher der Klage statt.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Im März 1985 beabsichtigten der Beklagte und Ilse S***, eine Lebensgemeinschaft einzugehen. Damals wohnten Ilse S*** und ihr geschiedener Ehegatte Rudolf S*** in einem ihnen je zur Hälfte gehörigen Haus. Bei Erhalt einer Ausgleichszahlung von mindestens S 230.000,- wäre Rudolf S*** bereit gewesen, aus dem Haus auszuziehen; dann hätte der Beklagte zu Ilse S*** ziehen können.

Am 25.3.1985 wurde zwischen der Klägerin (Filiale Steyr, Zweigstelle Neuzeug/Sierninghofen) und dem Beklagten als Kreditnehmer sowie Ilse S*** als Mitschuldnerin ein Kredit- und Sicherungsvertrag zu Konto Nr.25.170.572 über den Betrag von S 395.000,- abgeschlossen. Es wurde eine Rückzahlung des Kredites in monatlichen Pauschalraten von S 5.000,- ab 1.5.1985 und eine Verzinsung von 10 % p a Sollzinsen, kontokorrentmäßig berechnet, vereinbart.

Punkt 4.1. der dem Kredit- und Sicherungsvertrag angeschlossenen Allgemeinen Kreditbedingungen lautet:

"Die aus dem Kreditverhältnis Verpflichteten haften für sämtliche sich daraus ergebenden Forderungen und Ansprüche der VKB zur ungeteilten Hand... Bei mehreren Kreditnehmern ist die VKB berechtigt, den Kreditbetrag an einen Kreditnehmer mit bindender Wirkung für alle übrigen zur Verfügung zu stellen."

Laut Punkt 4.4. der Allgemeinen Kreditbedingungen sollten bei eingetretenem Zahlungsverzug hinsichtlich eines oder mehrerer Ratenbeträge sowie bei Fälligstellung des (restlichen) Gesamtkredites neben den vereinbarten Kreditkosten auch angefallene Mahnspesen und für die fälligen Kreditbeträge zusätzlich Verzugszinsen in banküblicher Höhe, höchstens jedoch 1 % pro Monat vom rückständigen Betrag, dem Kreditnehmer zu den vierteljährlichen Abschlußterminen angelastet werden.

Gemäß Punkt 4.6. dieser Allgemeinen Kreditbedingungen wurde weiter vereinbart, daß die Klägerin ungeachtet der vereinbarten Kreditlaufzeit aus wichtigen Gründen den gesamten jeweils restlich noch aushaftenden Kredit samt Anhang zur sofortigen Rückzahlung kündigen kann; dies unter anderem gemäß Punkt 4.6. lit a dann, wenn der Kreditnehmer auch nur mit einer fälligen Tilgungsrate mindestens 6 Wochen in Verzug ist und während dieser Zeit unter Androhung der Folgen des Terminsverlustes sowie unter Setzung einer Nachfrist von zwei Wochen erfolglos gemahnt wurde.

Der Beklagte unterzeichnete diesen Kreditvertrag im Notariat Dr. M*** gleichzeitig mit einem Wechsel und einer Pfandbestellungsurkunde. Ob der Beklagte dabei auch eine Auszahlungsquittung unterfertigte, kann nicht festgestellt werden. Am 27.3.1985 behob Ilse S*** mit einer vom Beklagten unterfertigten Auszahlungsquittung bei der Klägerin (Zweigstelle Neuzeug/Sierninghofen) einen Betrag von S 370.000,- von diesem Kreditkonto. Am 28.3.1985 wurde der restliche Kreditbetrag von S 25.000,- an den Beklagten ausbezahlt.

Nach anfänglicher Einhaltung der Rückzahlungsverpflichtungen wurden die Leistungen eingestellt. Letztmals wurde am 8.1.1987 ein Betrag von S 6.000,- auf das Kreditkonto eingezahlt. In der Folge wurden die Kreditnehmer von der Klägerin gemahnt. Mit Schreiben vom 15.6.1987, das sowohl an den Beklagten als auch an Ilse S*** gerichtet war, erfolgte die dritte Mahnung und zugleich die Aufforderung, den offenen Rückstand binnen 10 Tagen zu begleichen. Am 30.6.1987 erging ein Schreiben des Klagevertreters an den Beklagten mit folgendem wesentlichen Inhalt: "...Dieser Kredit haftet per 31.3.1987 mit S 392.506,80 unberichtigt aus, sodaß der derzeitige Rückstand S 29.962,80 beträgt.

Trotz Aufforderung meiner Mandantschaft sind Sie Ihrer Rückzahlungsverpflichtung nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Namens meiner Mandantschaft habe ich Sie daher aufzufordern, den Betrag von S 29.962,80... binnen 14 Tagen zur Anweisung zu bringen. Sollten Sie meiner Aufforderung nicht termingerecht nachkommen, würde der Gesamtkredit zur Zahlung fällig gestellt werden und ich hätte auftragsgemäß mit einer gerichtlichen Klage gegen Sie vorzugehen..."

Der Kredit haftet per 30.6.1987 mit S 403.144,80 unberichtigt aus. Die Überziehung betrug zum Zeitpunkt der Klagseinbringung S 40.600,80.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Klägerin nach den Allgemeinen Kreditbedingungen berechtigt gewesen sei, die Kreditsumme an Ilse S*** auszuzahlen. Die Gegenforderung sei daher nicht berechtigt. Die Fälligkeit des Klagsbetrages sei infolge Terminsverlustes und qualifizierter Mahnung eingetreten, sodaß der Klage stattzugeben sei.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, es treffe zu, daß Ilse S*** nicht als Kreditnehmerin berechtigt gewesen sei, die Kreditsumme in Empfang zu nehmen. Im Kreditvertrag sei nämlich nur der Beklagte als Kreditnehmer bezeichnet. Die Klägerin könne sich daher nicht auf Punkt 4.1. des Kreditvertrages berufen, wonach bei mehreren Kreditnehmern der Kreditbetrag an einen von ihnen mit bindender Wirkung für alle übrigen zur Verfügung gestellt werden könne, weil Ilse S*** nicht Kreditnehmerin sei. Daraus sei aber für den Beklagten nichts zu gewinnen. Ilse S*** habe zur Entgegennahme des Kreditbetrages keiner Zeichnungsberechtigung über das Konto bedurft, sondern es habe eine Vollmacht genügt. Eine solche könne nicht nur ausdrücklich erteilt werden, sondern auch schlüssig durch Schaffung eines äußeren Tatbestandes, der bei einem gutgläubigen Dritten die begründete Annahme rechtfertige, es sei eine Vollmacht erteilt worden. Durch die Übergabe der unterschriebenen Auszahlungsquittung an die im Kreditvertrag als Zahlungsempfängerin bezeichnete Ilse S*** habe der Beklagte den Anschein geschaffen, sie sei zur Empfangnahme der Kreditsumme für ihn bevollmächtigt. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin an der Bevollmächtigung der Ilse S*** Zweifel hätte hegen müssen, seien weder behauptet worden noch ersichtlich. Der Beklagte habe nach seinem eigenen Vorbringen bereits einen Tag später von der Auszahlung an Ilse S*** erfahren und nicht etwa irgendwelche Einwände erhoben, sondern im Gegenteil Rückzahlungen von insgesamt rund S 75.000,- geleistet. Bei dieser Sachlage könne der Klägerin selbst bei Anwendung eines strengen Sorgfaltsmaßstabes kein Vorwurf gemacht werden, daß sie auf die Bevollmächtigung der Ilse S*** zur Entgegennahme der Kreditsumme vertraut und ihr S 370.000,- ausgezahlt habe. Wenn aber die Auszahlung des Geldes rechtmäßig gewesen sei, dann sei für einen Schadenersatzanspruch des Beklagten schon mangels Rechtswidrigkeit kein Raum. Das Erstgericht habe daher der Klage im Ergebnis mit Recht stattgegeben.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft sie ihrem gesamten Inhalt nach aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisonsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). In seiner Rechtsrüge versucht der Beklagte im wesentlichen darzutun, daß von der Erteilung einer schlüssigen Gattungsvollmacht im Sinne des § 1008 ABGB an Ilse S*** keine Rede sein könne, wenn er kein Verhalten gesetzt habe, das einen derartigen Eindruck bei der Klägerin hervorzurufen geeignet gewesen sei. Durch die Bestimmungen der Punkte 4 und 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Krditinstitute (AGB), deren Anwendung im vorliegenden Kreditvertrag bedungen worden sei, werde eine schlüssige Vollmachtserteilung des Kunden an eine dritte Person ausgeschlossen. Die Klägerin hätte daher den Betrag von S 370.000,-

nicht an Ilse S*** auszahlen dürfen.

Dem ist nicht zu folgen.

Es handelt sich zunächst nicht um eine Frage der Verfügungsberechtigung oder der Zeichnungsberechtigung bezüglich des bei der Klägerin zu Gunsten des Beklagten eröffneten Kreditkontos, sondern darum, ob die Klägerin auf Grund ihres mit dem Beklagten bestehenden vertraglichen Verhältnisses berechtigt war, einen Großteil des dem Beklagten eingeräumten Kredites, nämlich den Betrag von S 370.000,- an Ilse S*** auszuzahlen.

Nach den getroffenen Feststellungen wurden zwischen den Streitteilen darüber keine besonderen Abmachungen getroffen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß die Klägerin ihrer Verpflichtung aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Kreditvertrag jedenfalls nachkam, wenn sie den zugesagten Kreditbetrag dem Beklagten als Kreditnehmer auszahlte. In gleicher Weise traf dies aber - mangels entgegengesetzter Vereinbarung - auch dann zu, wenn die Klägerin den Kreditbetrag an einen dazu bevollmächtigten Vertreter des Beklagten zur Auszahlung brachte. Es ist hier nicht zu untersuchen, ob die Klägerin dazu auf Grund der AGB gezwungen werden konnte; es besteht aber kein Zweifel daran, daß die Klägerin ihre Verbindlichkeit gegenüber dem Beklagten mangels entgegenstehender Vereinbarung auch durch Erbringung der ihr obliegenden Leistung an einen Bevollmächtigten des Beklagten erfüllen konnte. Nun trifft es sicher zu, daß im Sinne des § 1008 ABGB die Behebung von Geld oder Geldeswert im Namen eines anderen eine Gattungsvollmacht erfordert; eine solche kann allerdings auch durch konkludente Handlungen erteilt werden (SZ 39/95; HS 6081; HS 7092 uva).

Gemäß Art 8 Nr 9 EVHGB gilt der Überbringer einer Quittung als ermächtigt, die Leistung zu empfangen, sofern nicht die dem Leistenden bekannten Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenstehen (siehe dazu Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 III 78). Diese Bestimmung entspricht dem § 370 BGB und der früher in Geltung gestandenen Vorschrift des Art 296 AHGB. Sie ist auch im Fall einer Empfangsbestätigung anzuwenden, die ein Darlehenswerber über die zu erhaltende Darlehensvaluta ausgestellt hat, und zwar jedenfalls dann, wenn es sich bei der Darlehensgewährung um ein Handelsgeschäft auf Seiten des Darlehensgebers handelte (AC 2822); im übrigen ist, weil sie keinen auf das Handelsrecht beschränkten Gedanken zum Ausdruck bringt, sondern ihre Grundlage in allgemeinen Rechtsscheinerwägungen hat, ihre analoge Anwendung im bürgerlichen Recht gerechtfertigt (Schuhmacher in Straube, HGB 790 mwN). Nach den getroffenen Feststellungen erhielt Ilse S*** die hier in Frage stehende Zahlung von S 370.000,- von der Klägerin auf Grund einer vom Beklagten unterfertigten Auszahlungsquittung. Der Beklagte bestreitet nicht, daß diese Quittung von ihm selbst unterfertigt war; er hat keinerlei konkrete Tatsachenbehauptungen in der Richtung aufgestellt, daß Ilse S*** ohne oder gegen seinen Willen in den Besitz dieser Quittung gekommen sei. Vielmehr ergibt sich aus der Tatsache, daß er nach seinen eigenen Behauptungen erhebliche Rückzahlungen auf den ihm von der Klägerin (auch durch Auszahlung an Ilse S***) gewährten Kredit leistete, ganz eindeutig, daß er in Wahrheit mit der Vorgangsweise der Klägerin einverstanden war.

Das Vorliegen von der Klägerin bekannten Umständen, die der Annahme, daß die Überbringerin der Quittung ermächtigt sei, die Leistung zu empfangen, entgegengestanden wären, wurde vom Beklagten weder behauptet noch ergibt sich dafür irgendein Anhaltspunkt aus der Aktenlage.

Unter diesen Umständen kann sich aber der Beklagte keinesfalls mit Erfolg darauf berufen, daß ihm der von der Klägerin eingeräumte Kredit nicht zugezählt worden wäre oder daß die Klägerin durch die Auszahlung eines Kreditbetrages von S 370.000,- an Ilse S*** vertragliche Verpflichtungen ihm gegenüber verletzt hätte. Weitere Einwände gegen die Berechtigung der Klagsforderung werden in der Revision des Beklagten nicht mehr ausgeführt. Die Vorinstanzen haben unter diesen Umständen mit Recht den Bestand der Klagsforderung bejaht, den Bestand der eingewendeten Gegenforderung verneint und dem Klagebegehren stattgegeben. Der Revision des Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17230

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00503.89.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19890510_OGH0002_0020OB00503_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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