TE OGH 1989/5/11 12Nds51/89

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Veröffentlicht am 11.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Mai 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Harald L*** und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 130 und 15 StGB, AZ 12 Vr 17/89 des Kreisgerichtes Steyr, über den verneinenden Zuständigkeitsstreit zwischen diesem Gerichtshof und dem Landesgericht St. Pölten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Das Strafverfahren steht dem Landesgericht St. Pölten zu. Gemäß §§ 62, 63 Abs. 1 StPO wird die Strafsache jedoch diesem Gerichtshof abgenommen und dem Kreisgericht Steyr zugewiesen. Die Beschuldigten Rudolf L*** und Oskar L***

werden mit ihren Anträgen auf Zuweisung der Strafsache an das Kreisgericht Wels auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Gegen Ewald L*** wurde am 3. Jänner 1989 beim

Landesgericht St. Pölten das Strafverfahren AZ 12 Vr 2/89 wegen eines im Gemeindegebiet von Göstling/Ybbs begangenen Einbruchsdiebstahls eingeleitet, das noch nicht über das Stadium der Voruntersuchung hinaus gediehen ist. Auf Grund einer Nachtragsanzeige der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich besteht der Verdacht, daß Ewald L*** gemeinsam mit noch unbekannten Mittätern weitere Einbruchsdiebstähle im westlichen Niederösterreich begangen hat.

Am 11. Jänner 1989 wurde gegen Harald L*** beim

Kreisgericht Steyr das Strafverfahren AZ 12 Vr 17/89 wegen eines in Pettenbach versuchten Einbruchsdiebstahls eingeleitet, das in der Folge auch auf die Komplizen Oskar L*** und Josef K*** ausgedehnt wurde. Gegen die drei zuletzt Genannten wurde von der Staatsanwaltschaft Steyr am 27. Jänner 1989 wegen dieser Tat Anklage erhoben, die in Ansehung der Beschuldigten Harald und Oskar L*** in Rechtskraft erwuchs. Das Verfahren gegen Josef K***, dem die Anklageschrift nicht zugestellt werden konnte, wurde vorerst ausgeschieden.

Die sodann gegen Harald und Oskar L*** angeordnete Hauptverhandlung wurde indes über Antrag der Staatsanwaltschaft vom Vorsitzenden des Schöffengerichts am 24. Februar 1989 wieder abberaumt, weil sich aus einer (von der Staatsanwaltschaft Wels zur Einbeziehung gemäß § 56 StPO abgetretenen) Anzeige der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich der Verdacht ergeben hatte, daß die beiden gemeinsam mit dem eingangs genannten Ewald L*** sowie mit Rudolf L*** und Josef K***

(zumindest) drei weitere Einbruchsdiebstähle in Altmünster, Steinerkirchen/Traun und Weyregg/Attersee begangen haben. Die Akten wurden deshalb dem Untersuchungsrichter - im Sinne der §§ 91, 224 Abs. 1 StPO - zur Wiedereröffnung (Vervollständigung) bzw. Einleitung der Voruntersuchung gegen sämtliche Beschuldigten wegen der neu hervorgekommenen Straftaten rückgeleitet.

In deren Rahmen wurden zunächst die Akten AZ 12 Vr 2/89 des Landesgerichtes St. Pölten gegen Ewald L*** beigeschafft und gemäß § 56 StPO einbezogen. Sodann wurde das gesamte Strafverfahren dem Landesgericht St. Pölten gemäß § 56 Abs. 2 StPO abgetreten. Dieses erkannte seine Zuständigkeit allerdings unter Hinweis auf die rechtskräftige Anklage gegen Harald und Oskar L*** nicht an und verfügte die Rückabtretung der Sache an das Kreisgericht Steyr.

Rechtliche Beurteilung

In dem solcherart entstandenen negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Kreisgericht Steyr und dem Landesgericht St. Pölten ist die objektiv-subjektive Konnexität (§ 56 Abs. 1 StPO) der streitverfangenen Strafverfahren sowie das Zuvorkommen (§ 56 Abs. 2 StPO) des Landesgerichtes St. Pölten an sich unbestritten. Der Auffassung des Landesgerichtes St. Pölten und des ihm beipflichtenden Oberlandesgerichtes Wien zuwider steht aber der daraus resultierenden Zuständigkeit des Landesgerichtes St. Pölten auch nicht die Tatsache entgegen, daß zwei der Beschuldigten wegen einer der Taten bereits rechtskräftig in den Anklagestand versetzt worden sind, weil eine solche Anklage ihre perpetuierende Wirkung in Ansehung der örtlichen Zuständigkeit des darin angerufenen Gerichts (§ 219 StPO) nur unter der Voraussetzung entfaltet, daß im Gegenstand des Strafverfahrens nachträglich keine zuständigkeitsrelevante Änderung eintritt. Sie verliert sie also, wenn das Strafverfahren später auf weitere strafbare Handlungen und/oder andere Personen ausgedehnt wird und sich daraus Anknüpfungspunkte für die örtliche Zuständigkeit eines anderen Gerichtes ergeben. Dies erhellt schon daraus, daß in diesem Fall der Ankläger im Hinblick auf die mit der Ausdehnung des Verfahrens notwendig verbundenen (nachträglichen) gerichtlichen Erhebungen das Recht hat, die von ihm eingebrachte (wenngleich in Rechtskraft erwachsene) Anklageschrift unter gleichzeitiger Einbringung einer neuen zurückzuziehen, mit der sodann (abermals) nach Vorschrift des XVI. Hauptstückes der Strafprozeßordnung zu verfahren ist (§ 227 Abs. 2 StPO). Es wäre sinnwidrig, solcherart hervorgekommene neue Zuständigkeitskriterien im Hinblick auf eine Anklage außer acht lassen zu müssen, die ihrerseits in ihrem Bestand gar nicht mehr gesichert ist.

Demnach war die Zuständigkeit des Landesgerichtes St. Pölten gemäß § 56 Abs. 1 und Abs. 2 StPO festzustellen (§ 64 Abs. 1 StPO). Da sich aber sämtliche Beschuldigten beim Kreisgericht Steyr in Haft befinden und dieses Gericht geradezu im Zentrum des hier in Betracht kommenden Tatortbereiches gelegen ist, liegen vor allem auch unter dem Gesichtspunkt einer Abkürzung der Untersuchungshaft (§ 193 Abs. 1 StPO) wichtige Gründe im Sinne der §§ 62, 63 Abs. 1 StPO dafür vor, die Strafsache dem hiefür an sich zuständigen Landesgericht St. Pölten von Amts wegen abzunehmen und sie dem Kreisgericht Steyr zuzuweisen, das schon bisher mit ihr befaßt war. Aus diesem Grund kam auch die von den Beschuldigten Rudolf L*** und Oskar L*** beantragte Delegierung des

(benachbarten) Kreisgerichtes Wels nicht in Betracht, zumal nicht ersichtlich ist, inwiefern dadurch eine Beschleunigung der Untersuchung erzielt werden könnte. Eine Besuchserleichterung für die Angehörigen der Beschuldigten stellt unter den gegebenen örtlichen Verhältnissen keinen Delegierungsgrund dar.

Anmerkung

E17181

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:012NDS00051.89.0511.000

Dokumentnummer

JJT_19890511_OGH0002_012NDS00051_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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