TE OGH 1989/5/23 2Ob7/89

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Veröffentlicht am 23.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst M***, Kontrollor, Ramsau 55, 3314 Strengberg, vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Hermann B***, Landwirt, Ramsau 50, 3314 Strengberg, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen Zahlung von S 794.655,71 sA, Leistung einer monatlichen Rente von S 4.838,01 ab 1. Dezember 1984 und Feststellung (S 200.000,-), Revisionsstreitwert S 431.240,75, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. September 1988, GZ 17 R 120/88-48, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 30. Dezember 1987, GZ 3 Cg 483/84-41, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung als Teilurteil zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 262,481,50 samt 4 % Zinsen aus S 269.851,50 vom 13. Dezember 1984 bis 4. Dezember 1986 und aus S 262.481,50 seit 5. Dezember 1986 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren der klagenden Partei auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 424.748,28 samt 4 % Zinsen seit 13. Dezember 1984 und ihr Begehren auf Zahlung einer monatlichen Rente von S 1.054,77 für Dezember 1984 und von S 1.248,63 ab 1. Jänner 1985 werden abgewiesen. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten - einschließlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens - bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 14. September 1980 wurde der mit seinem Motorfahrrad mit dem Kennzeichen N 361.341 auf der Gemeindestraße in Strengberg fahrende Kläger vor dem Haus Ramsau 50 vom Hund des Beklagten zu Sturz gebracht und dabei schwer verletzt. Der Beklagte wurde wegen dieses Vorfalls mit rechtskäftigem Urteil des Bezirksgerichtes Haag, U 455/80-6, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, die ordnungsgemäße Verwahrung seines Haushundes unterlassen zu haben, wodurch es geschehen konnte, daß der Hund auf die Gemeindestraße gelangte und dem dort fahrenden Kläger ins Fahrzeug lief, wodurch dieser zu Sturz kam und eine Kniegelenksverletzung rechts erlitt.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger zuletzt (ON 39 S 139) aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 794.655,71 sA und einer monatlichen Rente von S 4.838,01 ab 1. Dezember 1984; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung des Beklagten für seine künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß das Alleinverschulden an seiner Schädigung den Beklagten treffe, weil er seinen Hund mangelhaft verwahrt habe. Das Kapitalbegehren des Klägers umfaßte unter anderem einen Betrag von S 450.000 sA aus dem Titel des Schmerzengeldes. Der Kläger machte geltend, daß ihm im Hinblick auf die ihm zugefügten Verletzungen und ihre Folgen ein Schmerzengeld von S 500.000,- zustehe; auf diesen Anspruch habe der Beklagte bereits eine Akontozahlung von S 50.000,-

geleistet.

Der Beklagte wendete dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß den Kläger ein mit 50 % zu bewertendes Mitverschulden treffe, weil er die Fahrbahn nicht ordnungsgemäß beobachtet habe. Hätte er das getan, dann hätte er den Hund sehen müssen und rechtszeitig reagieren können, besonders dann, wenn er rechts gefahren wäre. Die Höhe des geltendgemachten Schmerzengeldanspruchs wurde vom Beklagten bestritten.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 369.907,43 sA und einer Rente von S 3.783,24 für Dezember 1984 und von monatlich S 3.589,38 ab 1. Jänner 1985; dem Feststellungsbegehren des Klägers gab es vollinhaltlich statt. Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 424.748,28 sA und von Rentenbeträgen von S 1.054,77 für Dezember 1984 und von monatlich S 1.248,63 ab 1. Jänner 1985 wies es ab.

Das Erstgericht stellte, soweit für die im Revisionsverfahren strittigen Fragen von Bedeutung, im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Unfallstelle liegt auf der Gemeindestraße in Ramsau, Gemeinde Strengberg (Freilandgebiet), nächst dem Haus Ramsau 50. Die Fahrbahn weist schottrig-erdigen Belag in einer festgefahrenen Breite von 3,5 m auf. Bei Annäherung an die Unfallstelle in Fahrtrichtung des Klägers beschreibt die Fahrbahn zunächst eine Linkskurve, an deren Innenseite das Haus Nr. 50 steht, dessen Straßenfront 33 m lang ist. Kurvenaußenseitig schließt an die Fahrbahn ein ca 50 cm breiter erdig durchsetzter Rasenstreifen an; dann folgt ein nur geringfügig tiefer liegender Acker. Die Unfallstelle liegt 9 m nördlich des Endes der Hausfront. Sicht auf die Unfallstelle ist aus einer Fahrlinie rechts innerhalb der Fahrbahn aus einer Entfernung von 49 m gegeben.

Zur Unfallszeit hielten sich der Beklagte und seine Ehegattin vor ihrem Wohnhaus Ramsau 50 auf, um einen in der Nähe landenden Ballon zu beobachten. Josef R*** hatte seinen PKW östlich der Gemeindestraße - in Fahrtrichtung des Klägers gesehen rechts - so abgestellt, daß die linke Fahrzeugbegrenzung teilweise in die Fahrbahn ragte und seine Vorderseite etwa 9 m nördlich vom Ende der Front des Hauses Nr. 50 entfernt war. Er ging dann in den angrenzenden Acker, um ebenfalls die Landung des Ballons zu verfolgen.

Der Kläger näherte sich mit seinem Motorfahrrad in nördlicher Richtung fahrend der Unfallstelle mit einer Fahrgeschwindigkeit von 20 bis 30 km/h.

Der Haushund des Beklagten war - von diesem unbemerkt - auf die Straße gelangt und hielt sich zunächst vor dem PKW des R*** auf, sodaß er durch dieses Fahrzeug für den herankommenden Kläger verdeckt war. Unmittelbar vor dem herannahenden Moped sprang der Hund auf die Fahrbahn und stieß dabei seitlich gegen das vorbeifahrende Moped, wodurch der Kläger zu Sturz kam und verletzt wurde.

Der damals 35-jährige Kläger erlitt eine schwere Verletzung des rechten Kniegelenks mit kompletter Verrenkung des Gelenks und Eindrückungsbrüchen sowohl des inneren als auch des äußeren Gelenksknochens des rechten Schienbeins mit Riß des inneren Kniegelenksseitenbandes und des vorderen Kreuzbandes, wobei auch die Hügelplatte im Bereich des Schienbeinkopfes ausgerissen war, an dem die Kreuzbänder ansetzen. Die Verletzung wurde zunächst im Krankenhaus Enns operativ behandelt, wobei die Verrenkung und die Brüche eingerichtet und die Bänder mit Hilfe von Schrauben neu eingesetzt wurden und das innere Seitenband genäht wurde. Anschließend erfolgte die Ruhigstellung des Beins in einer Oberschenkelgipshülse mit zwischenzeitigen Umgipsen durch 10 Wochen ab Unfallstag. Nach komplikationsfreiem Verlauf wurde der Kläger in der Zeit vom 18. Dezember 1980 bis 17. März 1981 zur Besserung der hochgradig eingeschränkten Beweglichkeit des rechten Kniegelenks im Rehabilitationszentrum Bad Häring stationär behandelt. Während dieser Behandlung wurde ein Bohrdraht entfernt, doch konnte keine entscheidende Besserung der auf 55 Grad eingeschränkten Kniegelenksbeweglichkeit erzielt werden. Bei einem stationären Aufenthalt im Unfallskrankenhaus Linz vom 21. April bis 30. April 1981 wurde das gesamte metallene Fixationsmaterial entfernt. Bei einem zweiten Aufenthalt im Rehabilitationszentrum Bad Häring vom 18. August bis 24. September 1981 konnte eine Beweglichkeit des Kniegelenks bis 90 Grad erzielt werden. Es bestand jedoch noch eine geringfügige Lockerung der verletzten Bänder, und zwar ein leicht federndes Knieinnenseitenband und eine angedeutete sogenannte "vordere Schublade" sowie eine Muskelverschmächtigung am rechten Oberschenkel. Das rechte Knie war geschwollen und gegenüber dem linken umfangvermehrt. Im Röntgenbild zeigte sich die Schienbeingelenksfläche außen etwas abgesunken, die Hügelplatte zwischen den Gelenksknorren unscharf begrenzt; es bestanden leichte Kalkeinlagerungen im Bereich des inneren Seitenbandes und der Kniescheibe und eine leichte Randzackenbildung als Ausdruck einer beginnenden deformierenden Veränderung im Sinne einer sogenannten Gonarthrose.

Im Oktober 1981 war die eigentliche Heilbehandlung der Verletzungsfolgen abgeschlossen. In der Folge kam es mehrmals zu Reizerscheinungen im rechten Kniegelenk, die mehrmalige Krankenstände notwendig machten. Der Kläger absolvierte mehrere Kuraufenthalte zur Beseitigung der Reizerscheinungen und zur Besserung der Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks. Bei Begutachtungen des Klägers in den Jahren 1982 und 1983 wurde eine gewisse Muskelkräftigung und Verbesserung der Sicherheit des Gelenks festgestellt, hingegen ging die Beweglichkeit nach wie vor nur etwa bis zum rechten Winkel.

Am 30. Juni 1985 bestanden beim Kläger folgende nicht mehr besserungsfähige Dauerfolgen: Eine meßbare Muskelverschmächtigung am rechten Oberschenkel, geringe Konturveränderung des rechten Kniegelenks mit Schwellneigung im Bereich einer Gelenksausbuchtung und vor allem eine höhergradige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks, das bis zum rechten Winkel gebeugt und annähernd normal gestreckt werden kann. Bei der Bewegung des rechten Kniegelenks tritt spärliches Reiben und Knacken auf. Es besteht ein Zustand nach Verenkung und mehrfachen Brüchen der gelenksbildenden Anteile des rechten Kniegelenks mit Bänderverletzung, der vor allem in einer Bewegungseinschränkung und einer gewissen restlichen Muskelschwellung in Erscheinung tritt. Es bestehen deformierende Veränderungen im Sinne einer posttraumatischen Kniegelenksarthrose. Der Kläger hatte verletzungsbedingt 14 Tage starke Schmerzen, 35 Tage mittlere und 140 Tage leichte Schmerzen zu ertragen. Auf Grund der im Jahr 1985 bereits einsetzenden und erfahrungsgemäß sich in Zukunft wahrscheinlich verschlechternden verletzungsbedingten Kniegelenksarthrose wird der Kläger künftig jährlich 14 bis 21 Tage andauernde leichte Schmerzen zu erdulden haben.

Das Auftreten von derzeit nicht erkennbaren Spätfolgen kann nicht ausgeschlossen werden.

Über dem rechten Kniegelenk des Klägers verblieb innenseitig eine 22 cm lange reizlose Operationsnarbe; an der Außenseite besteht eine 10 cm lange Operationsnarbe.

Die Sportarten des Reitens, Schifahrens und Bergsteigens kann der Kläger einerseits wegen einer gewissen Unsicherheit und Bewegungsbehinderung, andererseits wegen der Zunahme subjektiver Beschwerden wie bei jeder stärkeren Beanspruchung der Stand- und Gangfunktion, aber auch wegen der zu erwartenden rascheren Zunahme der Kniegelenksarthrose, nur mehr sehr eingeschränkt ausüben. Auf Grund der Verletzungsfolgen und der daraus resultierenden empfindlichen Gebrauchsminderung der unteren Gließmaßen und deren Funktionen sind für den Kläger alle körperlichen Tätigkeiten unzumutbar, die mit einer vorwiegenden Belastung der unteren Gliedmaßen durch Stehen und Gehen verbunden sind, weiters Tätigkeiten, die im Hocken ausgeführt werden müßten, häufiges Stiegensteigen oder Gehen im unebenen Gelände.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß den Beklagten das Alleinverschulden an dem Unfall des Klägers treffe. Ein Mitverschulden des Klägers liege nicht vor. Dem Kläger gebühre ein angemessenes Schmerzengeld von S 300.000,-; unter Berücksichtigung der ihm aus diesem Titel zugekommenen Teilzahlung von S 50.000,- sei ihm ein Betrag von S 250.000,- zuzusprechen. Dabei berücksichtigte das Erstgericht nur jene Schmerzen, die der Kläger bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz erlitten hatte, weil die in Zukunft zu erwartenden Schmerzen nicht ausreichend abgeschätzt werden könnten.

Das Urteil des Erstgerichts wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.

Das Berufungsgericht gab beiden Berufungen teilweise Folge. Mit seinem nunmehr angefochtenen Urteil bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichts über das Feststellungsbegehren und änderte sie in ihrem Ausspruch über das Leistungsbegehren dahin ab, daß es dem Kläger (mit Teilurteil) einen Betrag von S 412.481,50 sA zusprach und sein auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 274.748,28 sA und auf Zahlung einer Rente von S 1.054,77 für Dezember 1984 und von monatlich S 1.248,63 ab 1. Jänner 1985 gerichtetes Mehrbegehren abwies. Im übrigen hob es mit Beschluß die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich des Zuspruchs von S 107.425,93 sA und einer Rente von S 3.783,24 für Dezember 1984 und von monatlich S 3.589,38 ab 1. Jänner 1985 ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht verneinte im Umfang des von ihm gefällten Urteils das Vorliegen behaupteter Verfahrensmängel und führte, ausgehend von den übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, daß das Zivilgericht an die strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten nach § 268 ZPO gebunden sei. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, ein Mitverschulden des Klägers nachzuweisen. Ein solcher Nachweis sei jedoch nicht gelungen, insbesondere nicht in der Richtung, daß der Kläger seine Aufmerksamkeit mehr dem Ballon als der Straße zugewendet habe und daher eine rechtzeitige Gefahrenerkennung unterblieben sei oder daß er das Fahrzeug lediglich mit einer Hand gelenkt und hiedurch eine weitere Unfallsmitursache gesetzt habe. Überdies hätte die Wahrnehmung des Hundes des Beklagten durch den Kläger allein noch keine weiteren Abwehrmaßnahmen erfordert, wenn sich dieser Hund in unmittelbarer Nähe des Beklagten und seiner Familie am Fahrbahnrand aufgehalten habe, sodaß über die Einhaltung eines ausreichenden Seitenabstandes und einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 km/h hinaus vom Kläger keine weiteren Vorkehrungen getroffen hätten werden müssen.

Es sei daher vom Alleinverschulden des Beklagten auszugehen. Nach den getroffenen Feststellungen werde der Kläger in aller Zukunft jährlich leichte Schmerzen zwischen 14 und 21 Tagen zu erdulden haben, wobei die erfahrungsgemäß zu erwartende altersbedingte Verschlechterung bereits berücksichtigt sei. Damit ließen sich die in Zukunft zu erwartenden Schmerzen so weit eingrenzen, daß eine Globalbemessung möglich sei. Es sei die Gesamtheit der physischen und psychischen Schmerzen des Klägers, soweit sie derzeit überblickbar seien, zu bewerten. Unter diesen Gesichtspunkten gebühre dem Kläger ein angemessenes Schmerzengeld von S 450.000,-; unter Berücksichtigung der ihm aus diesem Titel zugekommenen Teilzahlung von S 50.000,- sei ihm insgesamt aus dem Rechtsgrund des Schmerzengeldes ein Betrag von S 400.000,-

zuzusprechen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft es aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Feststellungsbegehren des Klägers nur in Ansehung von 50 % seiner künftigen Unfallschäden stattgegeben und ihm nur ein Betrag von S 81.240,75 sA zugesprochen, sein Mehrbegehren aber abgewiesen werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nur teilweise berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Rechtsrüge des Beklagten kommt teilweise Berechtigung zu. Soweit er hier allerdings darzutun versucht, daß dem Kläger ein mit 50 % zu bewertendes Mitverschulden an dem hier zu beurteilenden Unfall anzulasten sei, geht er nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus und ist sein Rechtsmittel daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Daß den Beklagten ein Verschulden an diesem Unfall trifft, steht auf Grund seiner rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des § 268 ZPO für das Zivilgericht bindend fest. Ein Mitverschulden des Klägers, für das den Beklagten die Beweislast trifft, ist aus den Feststellungen der Vorinstanzen, deren Richtigkeit im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg bekämpft werden kann, in keiner Weise abzuleiten. Diese Feststellungen gestatten es nicht, dem Kläger eine verkehrswidrige oder unachtsame Fahrweise, ungenügende Beobachtung der Fahrbahn oder verspätete Reaktion anzulasten. Mit Recht sind daher die Vorinstanzen vom Alleinverschulden des Beklagten am Zustandekommen dieses Unfalls ausgegangen.

Soweit sich die Revisionsausführungen allerdings gegen die Bemessung des Schmerzengeldes des Klägers durch das Berufungsgericht richten, kann ihnen teilweise Berechtigung nicht aberkannt werden. Das Schmerzengeld stellt grundsätzlich eine Globalabfindung für alle eingetretenen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch die Unfallsfolgen dar. Für seine Bemessung ist das Gesamtbild der Verletzungsfolgen maßgebend. Hiebei müssen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dings zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen einbezogen werden. Ausgenommen von der Globalbemessung bleiben nur solche künftige Schmerzen, deren Eintritt noch nicht vorhersehbar ist oder deren Ausmaß auch nicht so weit abgeschätzt werden kann, daß eine Globalbeurteilung möglich ist (8 Ob 11/85; 8 Ob 22/87; 2 Ob 9/88 uva).

Im vorliegenden Fall gestatten die getroffenen Feststellungen, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, eine Globalbemessung des dem Kläger zustehenden Schmerzengeldes, weil auch seine zukünftige gesundheitliche Beeinträchtigung durch die ihm zugefügte Verletzung bereits hinreichend abgeschätzt werden kann.

Der Kläger hat eine an sich schwere Kniegelenksverletzung erlitten, die zu erheblich gesundheitlichen Beeinträchtigungen und zur Notwendigkeit mehrfacher Operationen führt. Die Verletzung ist nicht folgenlos ausgeheilt, sondern hat dazu geführt, daß die Beweglichkeit des verletzten Beins herabgesetzt ist und daß der Kläger zeitlebens verletzungsbedingt Schmerzen und Beschwerden zu ertragen haben und im Beruf und in seiner Freizeitgestaltung beeinträchtigt bleiben wird. Diese gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers durch die festgestellten Verletzungsfolgen erreicht aber nicht ein solches Ausmaß, daß im Hinblick auf annähernd vergleichbare Fälle (siehe etwa die in Jarosch-Müller-Piegler, Schmerzengeld5, im Entscheidungsteil unter Nr 1838 bis 1840 angeführten Entscheidungen) die Bemessung seines Schmerzengeldanspruchs mit S 450.000,- gerechtfertigt wäre. Allerdings wäre auch das vom Beklagten dem Kläger zugestandene Schmerzengeld von S 200.000,- nicht ausreichend für eine angemessene Abgeltung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung. Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall festgestellten Umstände erscheint vielmehr dem erkennenden Senat ein globales Schmerzengeld von S 300.000,-

angemessen.

In diesem Sinne waren die Entscheidungen der Vorinstanzen (als Teilurteil) unter Berücksichtigung der dem Kläger bereits zugekommenen Teilzahlung von S 50.000,- abzuändern. Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E17242

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00007.89.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19890523_OGH0002_0020OB00007_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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