TE OGH 1989/5/24 1Ob603/89

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Veröffentlicht am 24.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerald O***, Kaufmann, St. Pankraz 26, vertreten durch Dr. Maximilian Ganzert, Dr. Friedrich Wilhelm Ganzert, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Roswitha A*** A***, kaufmännische Angestellte, Schwanenstadt, Puchnerstraße 8, vertreten durch Dr. Wolfgang Zahradnik, Dr. Hans Christian Kollmann und Dr. Edgar Hofbauer, Rechtsanwälte in Lambach, wegen restlicher S 15.710,40 samt Anhang infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 9. Mai 1988, GZ. R 118/88-63, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 6. November 1987, GZ. 1 C 22/87-54, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie unter Einbeziehung der rechtskräftig gewordenen Teile zu lauten haben:

"1. Die Klagsforderung besteht mit S 10.797,-- zu Recht, mit

S 9.327,-- nicht zu Recht.

2. Die eingewendete Gegenforderung besteht mit S 1.413,60 zu Recht, mit S 5.282,40 nicht zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 9.383,40 samt 10 % Zinsen vom 22. Februar 1985 bis 31. Dezember 1985 und 5 % Zinsen seit 1. Jänner 1986 sowie 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsenbeträgen binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

4. Das Mehrbegehren wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, an Prozeßkosten und Kosten der Rechtsmittelverfahren der beklagten Partei den Betrag von S 1.906,66 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der damalige Gatte der Beklagten Heinz H*** betrieb 1984 eine Werbemittelagentur. Die Beklagte war als Dienstnehmerin ihres Gatten bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse gemeldet. Da ursprünglich vorgesehen war, daß die Agentur auf den Namen der Beklagten lauten sollte, wurde eine Stampiglie mit dem Wortlaut "Werbemittelverteilung R. H***" angeschafft und verwendet. Das Geschäftskonto hatte die Bezeichnung "Roswitha H*** 4690 Schwanenstadt"; diese Bezeichnung trugen auch die den Kunden zur Verfügung gestellten Erlagscheine. Beide Ehegatten waren über das Geschäftskonto verfügungsberechtigt. Heinz H*** hatte schon vor dem hier zu beurteilenden Auftrag für den Kläger Prospektmaterial verteilt. Etwa um den 10. Dezember 1984 erkundigte sich der Kläger bei Heinz H*** oder bei der Beklagten, ob die Verteilung einer größeren Menge von Werbeprospekten vor Weihnachten noch möglich sei. Als dies bejaht wurde, ließ der Kläger bei der Firma A*** insgesamt 12200 Flugzettel drucken, wofür ihm ein Betrag von S 6.468 in Rechnung gestellt wurde. Es handelte sich um zwei verschiedene Werbeprospekte. Der erste Prospekt wurde in einer Auflage von 10000 Stück, der zweite in einer Auflage von 2200 Stück gedruckt. In beiden Prospekten pries der Kläger Sonderangebote an, im ersten Prospekt war zudem ein Gutschein für eine Flasche Alpquell Mineralwasser aufgedruckt. In diesem Prospekt wurden an Frischwaren u. a. Mandarinen, Orangen und Chinakohl sowie Ostseerussen beworben. Die Werbeaktion war bis 31. Dezember 1984 befristet. Heinz H*** holte die Flugzettel am 13. Dezember 1984 vom Kläger ab und besprach mit diesem das Verteilungsgebiet. Die Flugzettel mit der geringeren Auflagenzahl sollten im näheren Umkreis des Geschäftes verteilt werden. Für den zweiten Prospekt wurde einvernehmlich an Hand einer Gebietskarte das Verteilungsgebiet festgelegt. Heinz H*** vereinbarte mit dem Kläger, daß die Verteilung im wesentlichen noch vor dem Wochenende, spätestens aber am Montag, dem 17. Dezember 1984, abgeschlossen werde. Heinz H*** übergab am 14. Dezember 1984 vom ersten Prospekt 2500 Stück an Dietmar P***, 2000 Stück an Christine L*** und 5500 Stück an Andrea K*** zur Verteilung. Ob Heinz H*** auch die 2200 Stück des zweiten Prospektes an Andrea K*** zur Verteilung übergab, konnte nicht festgestellt werden. Dieser Prospekt wurde jedenfalls nicht verteilt. Dietmar P*** und Christine L*** verteilten die Prospekte fristgerecht und ordnungsgemäß. Andrea K*** verteilte nur einen geringen Teil der ihr übergebenen 5500 Stück Prospekte. Als der Kläger am Montag, dem 17. Dezember 1984, keinerlei Resonanz auf seine Werbeaktion feststellen konnte - es wurde kein einziger der im Prospekt enthaltenen Gutscheine eingelöst - erkundigte er sich telefonisch bei der Beklagten, ob alles Werbematerial verteilt worden sei. Auf Grund dieses Anrufes des Klägers beauftragte die Beklagte Gabriele A*** mit einer neuerlichen Kontrolle der Verteilung. Dem Kläger wurde schließlich - fälschlicherweise - mitgeteilt, daß alle Prospekte verteilt worden seien. Auch in den folgenden Tagen wurde im Geschäft des Klägers kein einziger Gutschein eingelöst. Durch Nachfrage bei seinen Stammkunden und persönliche Kontakte in mehreren im näheren Bereich des Geschäftes liegenden Häusern konnte der Kläger feststellen, daß im näheren Umkreis seines Geschäftes dieser Werbeprospekt nicht verteilt worden war. Auf Grund früher durchgeführter ähnlicher Werbeaktionen konnte der Kläger erfahrungsgemäß mit einer Umsatzsteigerung von 20 bis 25 % rechnen. Sein Rohaufschlag liegt zwischen 22 und 24 %, der Tagesumsatz des Klägers im Dezember 1984 bei S 30.000 bis S 35.000. Wegen der erwarteten Umsatzsteigerung hatte der Kläger in größeren Mengen als üblich Mandarinen, Orangen, Chinakohl und Ostseerussen bestellt. Ob diese Waren in einem größeren Ausmaß als üblich verdarben, konnte nicht festgestellt werden. Für zwei im November 1984 im Auftrag des Klägers durchgeführte Verteilungen verrechnete Heinz H*** den Betrag von S 1.413,60. Die im November 1984 durchgeführten Verteilungen wurden vom Kläger nicht beanstandet.

Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von S 20.124 samt Anhang. Die Verteilung der Flugzettel sollte wegen des erwarteten Weihnachtsgeschäftes am 14. Dezember 1984, allenfalls am 15. Dezember 1984, erfolgen. Da Gutscheine nicht eingelöst worden seien, habe der Kläger die Verteilung der Flugzettel urgiert. Die Beklagte habe am 17. Dezember 1984 zugesagt, daß die Flugzettel noch bis längstens 18. Dezember 1984 verteilt würden. Tatsächlich seien aber die der Beklagten übergebenen Flugzettel überhaupt nicht oder nicht dort verteilt worden, wo dies vereinbarungsgemäß hätte erfolgen sollen. Durch die vertragswidrige Handlung der Beklagten sei dem Kläger folgender Schaden entstanden: Wert der Flugzettel S 6.468, Verdienstentgang S 10.656, Warenverderb mangels vermehrten Umsatzes S 3.000.

Die Beklagte wendete, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, ein, die Flugzettel seien bis 18. Dezember 1984 ordnungsgemäß verteilt worden. Schäden seien dem Kläger nicht erwachsen, da die Verteilungsgebiete schlecht ausgewählt worden seien. Aufrechnungsweise wurden für durchgeführte Verteilungen der Betrag von S 6.696 eingewendet.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren wegen Mangels der Passivlegitimation ab. Über Berufung des Klägers wiederholte und ergänzte das Berufungsgericht das Beweisverfahren. Es sprach aus, daß die Klagsforderung mit S 17.124 zu Recht, mit S 3.000 nicht zu Recht bestehe, die Gegenforderung mit S 1.413,60 zu Recht, mit S 5.282,40 aber nicht zu Recht bestehe. Es verurteilte daher die Beklagte zur Zahlung des Betrages von S 15.710,40 samt Anhang. Das Mehrbegehren wies es ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Der Vertrag zwischen den Streitteilen sei als Fixgeschäft im Sinne des § 919 ABGB zu beurteilen. Wenn die Beklagte auch nur mit einem Teil der Leistung in Verzug geraten sei, so sei es doch zum Wegfall des gesamten Vertrags gekommen, weil die von der Beklagten zu erbringende Leistung als unteilbar zu beurteilen sei. Die Beklagte habe gemäß § 921 ABGB dem Kläger den durch die Nichterfüllung verursachten Schaden zu ersetzen. Dieser Schaden des Klägers umfasse zunächst das Entgelt für die Flugzettel in der Höhe von S 6.468. Der Kläger habe darüber hinaus auch Anspruch auf Ersatz des behaupteten Verdienstentganges, da ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Schaden und der Vertragsverletzung zu bejahen sei. Gegenstand des zwischen den Streitteilen zustandegekommenen Vertrages sei die Verteilung von Werbeprospekten des Klägers gewesen. Durch diese Werbemittelverteilung sollte erkennbar eine Umsatzsteigerung des Klägers bewirkt werden. Das Interesse des Klägers an einer Erhöhung seines Umsatzes müsse daher als vom Vertragszweck umfaßt gelten. Unter Heranziehung der Bestimmung des § 273 ZPO halte das Berufungsgericht den vom Kläger behaupteten Verdienstentgnag für angemessen. Ein Ersatzanspruch des Klägers für den Verderb angeschaffter Waren bestehe nicht zu Recht, weil ein über den üblichen Verderb der Waren hinausgehender Verderb nicht habe festgestellt werden können. Die Gegenforderung der Beklagten sei nur für das Honorar für zwei bereits im November 1984 durchgeführte Verteilungen berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

Ein Werbevertrag (hier: Austeilen von Prospekten) ist jedenfalls dann, wenn ein bestimmter Arbeitserfolg geschuldet wird, ein Werkvertrag (JBl. 1983, 39; Krejci in Rummel, ABGB, Rz 66 zu §§ 1165, 1166; Thomas in Palandt48 689). Inhalt des Werbevertrages war die Verteilung von 12200 Stück Werbematerial. Hievon wurden von den Leuten der Beklagten nur 4500 Stück verteilt. Der Kläger begehrt ausdrücklich den Ersatz des ihm durch vertragswidrige Handlungen der Beklagten entstandenen Schadens, von dem in der Revisionsinstanz noch der Ersatz der Auslagen für die Flugzettel und sein Verdienstentgang strittig sind. Da er nicht die Rückabwicklung des Vertrages, sondern Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung des Vertrages begehrt, ist die Lösung der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage, ob ein Fixgeschäft vorlag, entbehrlich. Ein Schaden konnte dem Kläger aber nur insoweit entstanden sein, als sich die Beklagte vertragswidrig verhielt. Soweit das Werbematerial zur Verteilung gelangte, war weder der Aufwand des Klägers für die Anschaffung der Flugzettel frustriert noch konnte in diesem Umfang ein Verdienstentgang eintreten. Ein solcher Anspruch ist nicht "unteilbar" in dem Sinne, daß auch gar nicht entstandene Schäden zu ersetzen wären.

Frustrierter Aufwand ist dann zu ersetzen, wenn bei einem synnallagmatischen Vertrag als Folge des vertragswidrigen Verhaltens des Schuldners den Aufwendungen des Gläubigers, die er auch bei vertragsgetreuem Verhalten des Schuldners zu machen hatte, keine entsprechende Gegenleistung gegenüberstand, es sei denn, daß der Schuldner bewiese, auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch ihn hätte sich der Vertrag als Verlustgeschäft erwiesen (SZ 59/8 mwN). Einen solchen Beweis trat die Beklagte ebensowenig an wie den, daß das Unterbleiben der Verteilung nicht auf ihr oder das Verschulden ihrer Leute zurückzuführen wäre (§ 1298 ABGB). Der Wert von 4500 Stück Werbematerial betrug rund S 2.385. Ersatz frustrierten Aufwandes steht daher dem Kläger nur mit dem Betrag von S 4.083 zu. Erkennbarer Zweck eines Vertrages über die Verteilung von Werbematerial ist das Erreichen einer Steigerung des Umsatzes und unter Berücksichtigung der Kosten der Werbung damit auch des Gewinnes des Unternehmers. Damit sind aber diese Interessen des Klägers gegen Vertragsverletzungen durch die Beklagte geschützt. Wurde durch schuldhaftes vertragswidriges Verhalten der Beklagten gerade dieser vom Kläger angestrebte, der Beklagten bekannte Zweck des Vertrages nicht erreicht, handelt es sich um einen dem Kläger zu ersetzenden Folgeschaden (vgl. JBl. 1988, 720; SZ 57/196; SZ 57/173). Der Kläger differenziert, was die Umsatzsteigerungen betrifft, nicht zwischen der Verteilung der Flugzettel in zu seinem Geschäft näher oder entfernter gelegenen Gebieten. Er geht damit selbst davon aus, daß bei der Verteilung des Werbematerials im vorgesehenen Gebiet sein Umsatz gleichmäßig gestiegen wäre. Wurden aber entgegen seinem Vorbringen rund 37 % des Werbematerials verteilt, so kann sein vom Berufungsgericht gemäß § 273 ZPO in der Höhe des unter dem Titel Verdienstentgang begehrten Betrages nur 63 %, d.s. rund S 6.714 betragen haben.

Die Schadenersatzforderung des Klägers besteht daher nur mit dem Betrag von S 10.797 zu Recht. Da bereits rechtskräftig feststeht, daß der Beklagten eine Gegenforderung von S 1.413,60 zusteht, hat sie dem Kläger nur den Betrag von S 9.383,40 zu ersetzen. Der Revision ist teilweise Folge zu geben und das angefochtene Urteil in diesem Sinn abzuändern.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 43 Abs. 1, 50 ZPO bzw. 43 Abs. 1 ZPO. Der Kläger erreichte in erster und zweiter Instanz einen Prozeßerfolg von rund 47 %, in der Revisionsinstanz von rund 60 %. Der Beklagten gebühren daher 6 % der Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens, 40 % der Pauschalgebühr für das RechtsmittelverfShren dritter Instanz, dem Kläger 20 % der Kosten des Revisionsverfahrens und 47 % der Pauschalgebühren erster und zweiter Instanz. Dies ergibt insgesamt einen vom Kläger der Beklagten zu ersetzenden Betrag von S 1.906,66.

Anmerkung

E17654

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00603.89.0524.000

Dokumentnummer

JJT_19890524_OGH0002_0010OB00603_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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