TE OGH 1989/5/30 11Os52/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Mai 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Constantin F*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 2, 129 Z 1 und 2 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 13. Februar 1989, GZ 35 Vr 1.075/88-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchfaktum A 2 sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Einzelrichter beim Landesgericht Linz zurückverwiesen; im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch zurückgewiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Strafausspruch sowie mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Aus Anlaß der kassatorischen Entscheidung wird auch der Beschluß des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 13. Februar 1989, GZ 35 Vr 1075/88-20, mit welchem vom Widerruf der bedingten Nachsicht der mit dem Urteil desselben Gerichtes vom 15. Februar 1988, GZ 35 Vr 2434/87-19, verhängten viermonatigen Freiheitsstrafe abgesehen wurde, aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Juli 1970 geborene, sohin zur Tatzeit Jugendliche Constantin F*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 2 und 15 StGB (Punkte A 1 bis 18 des Urteilssatzes) sowie des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 1, 224 StGB (Punkt B des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Gleichzeitig sah das Jugendschöffengericht vom Widerruf der bedingten Nachsicht der mit dem Urteil desselben Gerichtes vom 15.Februar 1988, GZ 35 Vr 2434/87-19, verhängten viermonatigen Freiheitsstrafe gemäß dem § 494 a Abs 1 Z 2 StPO ab.

Den Schuldspruch wegen Diebstahls bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Ziffern 5, 9 (lit)a, den Strafausspruch mit einer auf die Ziffer 11 des § 281 Abs 1 gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise begründet. Die - Feststellungen zur subjektiven Tatseite

vermissende - Rechtsrüge nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO wurde nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil der Angeklagte bei der Rechtsmittelausführung nicht am Urteilssachverhalt festhält und wiederholte konkrete erstgerichtliche Konstatierungen - über den Gebrauch der verba legalia hinaus - außer Betracht läßt, nämlich daß er "stahl" (S 207), daß sich sein diebischer Vorsatz "aus den gesetzten Tathandlungen im Zusammenhang mit dem Geständnis" ergibt (S 209) bzw er "fremde Sachen ..., die einen Wert repräsentieren, oder Geld erreichen" wollte, "um dadurch eben gewisse Auslagen zu tätigen oder einfach, um dadurch in der Lage zu sein, über Geld zu verfügen ..." (S 212).

Die Rechtsrüge war daher zurückzuweisen.

Berechtigung kommt jedoch der den Schuldspruch wegen des Mopeddiebstahls am 28.März 1988 zum Nachteil des Johann Günther W*** betreffenden Tatsachenrüge nach der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO zu.

In dieser Hinsicht macht der Angeklagte zutreffend geltend, daß sich das Schöffengericht mit seiner Verantwortung, das Moped nicht als fremde, sondern für eine vom Berechtigten aufgegebene, herrenlose Sache gehalten zu haben, nur unzureichend befaßte. Der Angeklagte berief sich in der !in der Hauptverhandlung (vgl S 192) zu seiner Verantwortung erhobenen Aussage vor der Gendarmerie (vgl S 13 in ON 3 der ON 3) sinngemäß u.a. ausdrücklich darauf, das Moped an sich genommen zu haben, nachdem es ungefähr zwei Wochen ohne "Taferl" bei den Mülltonnen gestanden sei, sich niemand als Besitzer gemeldet und der Hausmeister (ersichtlich vergeblich) "im ganzen Haus" und auch ihn gefragt habe, wer der Besitzer dieses Mopeds sei.

Das Schöffengericht wäre in Anbetracht der besonderen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten, der nach der Aktenlage, und zwar dem psychiatrischen Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen (S 57 ff), u.a. grenzdebil und nur eingeschränkt zurechnungsfähig ist, zur zweifelsfreien Klärung der subjektiven Tatseite verpflichtet gewesen, sich nicht nur mit im allgemeinen gegen die Vermutung einer Dereliktion sprechenden Umständen (vgl S 208 unten, S 209) auseinanderzusetzen, sondern speziell auf alle in der erwähnten Aussage angeführten konkreten Umstände einzugehen, die nach der Behauptung des - "noch ausreichend" diskretions- und dispositionsfähigen - Angeklagten (vgl S 67) für seinen das Tatbildmerkmal der Fremdheit der Sache verhüllenden angeblichen Irrtum ausschlaggebend waren. Da sich das Schöffengericht insbesonders mit dem möglichen Einfluß der Dauer der Abstellung des Mopeds bei den Mülltonnen, ferner des Fehlens einer Kennzeichentafel sowie der vom Angeklagten vor allem ins Spiel gebrachten vergeblichen Suche des Hausmeisters nach dem Besitzer des Mopeds auf den speziellen Willensbildungsprozeß des Jugendlichen Constantin F*** nicht befaßte, bestehen nach der derzeitigen Aktenlage erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld des Angeklagten im Faktum Mopeddiebstahl (Punkt A 2 des Urteilssatzes) zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen.

Diese Bedenken bewirken Nichtigkeit des Urteils nach der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO.

Da sich sohin zum angeführten Faktum zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes insoweit in der Sache noch nicht eintreten kann, war gemäß dem § 285 e StPO zu Faktum A 2 bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen (vgl auch Art IX Abs 4, letzter Satz, JGG 1988). Mit dem durch die Aufhebung des Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit der Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Aus Anlaß der kassatorischen Entscheidung war auch der mit dem aufgehobenen Strafausspruch in untrennbarem Zusammenhang stehende Beschluß des Erstgerichtes, mit welchem vom Widerruf der bedingten Nachsicht der mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vm 15.Februar 1988, GZ 35 Vr 2434/87-19, verhängten Freiheitsstrafe ungeachtet der neuerlichen Verurteilung gemäß dem § 494 a Abs 1 Z 2 StPO abgesehen wurde, aus formalen Überlegungen aufzuheben. Im erneuerten Verfahren wird das Verbot der reformatio in peius zu beachten sein. (Die Staatsanwaltschaft hat kein Rechtsmittel ergriffen.)

Anmerkung

E17500

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00052.89.0530.000

Dokumentnummer

JJT_19890530_OGH0002_0110OS00052_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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