TE OGH 1989/6/6 2Ob67/89

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Veröffentlicht am 06.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernd D***, Kraftfahrer, Bachstraße 5, D-5476 Oberzessen, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei VERBAND DER V*** Ö***,

Schwarzenbergplatz 7, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Helmut Valenta, Rechtsanwalt in Linz, wegen 679.760 S sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. Februar 1989, GZ 4 R 210/88-68, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 5. Mai 1988, GZ 1 Cg 51/85-57, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Teil- und Zwischenurteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die Klagsforderung, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger den Betrag von S 679.760 sA zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht und zur Hälfte nicht zu Recht. Festgestellt wird, daß die beklagte Partei dem Kläger für alle zukünftigen Folgen und Nachteile aus dem Verkehrsunfall vom 13.3.1984 auf der Westautobahn bei Straßenkilometer 195,080 zur Hälfte haftet, und zwar beschränkt auf die in Österreich zum Unfallszeitpunkt geltenden gesetzlichen Haftpflichtversicherungssummen.

Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für die weitere Hälfte der künftigen Folgen und Nachteile des Klägers aus diesem Verkehrsunfall wird abgewiesen."

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13. März 1984 ereignete sich kurz nach Mitternacht auf der Westautobahn Richtungsfahrbahn Wien auf der Höhe der Ausfahrt Sattledt ein Verkehrsunfall, bei welchem ein vom Kläger (Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland) gelenkter LKW-Zug mit deutschem Kennzeichen auf den vom türkischen Staatsangehörigen Duran D*** gelenkten Sattelschlepper mit türkischem Kennzeichen von hinten auffuhr.

Der Kläger, der hiebei schwer verletzt wurde, begehrt Schadenersatz in der Höhe von insgesamt 679.700 S sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für die künftigen Folgen und Nachteile aus dem Verkehrsunfall. Er brachte vor, Duran D*** habe auf der Autobahn angehalten und sei sodann rückwärts gefahren.

Die beklagte Partei brachte vor, das Alleinverschulden treffe den Kläger, der mit überhöhter Geschwindigkeit und unaufmerksam gefahren sei. Der Sattelschlepper sei vorschriftsmäßig beleuchtet gewesen und mit geringer Geschwindigkeit gefahren. Außerdem wendete die beklagte Partei eine Gegenforderung von 276.389,26 S aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht sprach mit "Zwischenurteil" aus, daß die Klagsforderung und das Feststellungsbegehren, aber auch die Gegenforderung mit 50 % zu Recht und mit 50 % nicht zu Recht bestünden. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Fahrbahn verläuft vor der Unfallstelle während des letzten Kilometers geradlinig und übersichtlich. Sie ist 7,5 m breit und in der Mitte durch eine Leitlinie geteilt. Rechts schließt ein 3,2 m breiter Pannenstreifen an, der in einem Bereich bis annähernd 300 m vor der Ausfahrt als Verzögerungsstreifen ausgeführt ist. Etwa 500 m vor der Ausfahrt befindet sich ein Vorwegweiser, auf dem unter anderem der Ortsname Graz angebracht ist. Der spitze Winkel, der zwischen der weiterführenden Fahrbahn und der leicht nach rechts wegschwenkenden Abfahrt liegt, wurde zur Unfallszeit anfänglich durch eine weiß-schwarze Schraffierung und anschließend von einer Wiese ausgefüllt. 14 m nach Beginn der Wiese stand dort ein weiterer Wegweiser mit den Ortsnamen Sattledt, Graz und Jugoslawien. Sonstige auf das Unfallgeschehen bezughabende Straßenverkehrszeichen waren nicht vorhanden. Zum Unfallszeitpunkt herrschte nur schwacher Verkehr. Duran D*** näherte sich der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von rund 50 bis 60 km/h. Er war ortsunkundig und hatte sich bei der Raststelle Mondsee nach dem Weg nach Graz bzw. Jugoslawien erkundigt und wollte deshalb die Autobahn bei der Abfahrt Sattledt verlassen. Im Nahebereich der Ausfahrt verlangsamte er das Fahrzeug durch Gaswegnehmen bzw. Betätigen der Staubremse fast bis zum Stillstand, weil er nicht sicher war, ob die kommende Ausfahrt die richtige sei. Auf den letzten 126 m vor der Kollisionsstelle rollte er mit einer Geschwindigkeit von unter 6,5 km/h und erreichte nur einmal ganz kurz 7 km/h. Dann hielt er den Sattelzug an, worauf ca. 50 Sekunden bis zum Anprall vergingen. Die Standposition war etwa so, daß sich die Fahrzeugfront 4 bis 5 m vor dem letzten Wegweiser auf der Höhe der Wiese befand, das Heck hingegen noch auf Höhe der weiß-schwarzen Schraffierung bzw. 6 m vor Beginn des Wiesenzwickels. Der Sattelzug stand schräg nach rechts, wobei das Heck im Bereich der Fahrbahnmitte (Leitlinie) und die Front wahrscheinlich am Pannenstreifen lag. Nicht festgestellt werden konnte, daß Duran D*** vor dem Unfall zurückgefahren wäre. Der Kläger folgte mit dem LKW-Zug mit ca. 84 km/h nach und hatte das Abblendlicht eingeschaltet. Er bemerkte den die rechte Fahrspur blockierenden Sattelzug erst ziemlich spät und leitete 44 m bzw. 2 Sekunden vor Erreichen der Unfallstelle ein Bremsmanöver ein. Gleichzeitig führte er eine Auslenkbewegung nach rechts durch. Er stieß mit einer Restgeschwindigkeit von 70 km/h gegen das Heck des Sattelzuges, wobei die Überdeckung zwischen seiner linken vorderen Fahrzeugecke und der rechten hinteren Ecke des Sattelaufliegers rund 40 cm betrug. Der Anhalteweg des vom Kläger gelenkten LKW-Zuges aus einer Geschwindigkeit von 84 km/h beträgt 82 m; der Kläger hätte somit einen Restanhalteweg von 38 m benötigt, um das von ihm gelenkte Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Eine Unfallverhinderung wäre bei dieser Geschwindigkeit dann möglich gewesen, wenn er die Bremsnotwendigkeit bereits 3,6 Sekunden vor dem Anstoß erkannt hätte. Bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h (Anhalteweg 61 m) hätte eine Zeitspanne von 2,7 Sekunden ausgereicht. Bei einer Reaktion 44 m vor der Unfallstelle aus 70 km7h hätte die Geschwindigkeit bis auf 47 km/h abgesenkt werden können, was die Anstoßenergie auf 45 % reduziert und deutlich geringere Schäden und sehr wahrscheinlich auch leichtere Verletzungen beim Kläger zur Folge gehabt hätte. Um innerhalb von 44 m anhalten zu können (Fahren auf Sicht mit Abblendlicht), hätte der Kläger nur mit 57 km/h fahren dürfen. Am Sattelzug war zum Unfallszeitpunkt die Beleuchtung eingeschaltet. Es war auch der linke Blinker oder die Warnblinkanlage in Tätigkeit. Diese Lichter waren für den Kläger aus mehr als 100 m Entfernung erkennbar (abgesehen von der Dunkelheit bestand keine Sichtbehinderung), wenngleich eine Geschwindigkeitseinschätzung nur aufgrund der Leuchten schwer möglich und die exakte Position eines Fahrzeuges erst im eigenen Licht zu erkennen ist.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, Duran D*** habe durch das Stehenbleiben auf der rechten Fahrspur der Autobahn gegen § 46 Abs 4 lit e StVO verstoßen, weshalb ihm ein Verschulden anzulasten sei. Andererseits hätte der Kläger aufgrund des § 58 Abs 1 Z 2 lit e KDV mit dem Kraftwagenzug auf der Autobahn eine Geschwindigkeit von 70 km/h nicht überschreiten dürfen. Angesichts der auch auf Autobahnen geltenden Verpflichtung des Fahrens auf Sicht hätte er überdies bei Verwendung des Abblendlichtes nur mit einer Geschwindigkeit von rund 57 km/h fahren dürfen. Darüber hinaus sei in Anbetracht der in Tätigkeit befindlichen linken Blinkerleuchte oder gar der Warnblinkanlage an dem von Duran D*** gelenkten Sattelzug eine unklare Verkehrssituation gegeben gewesen, bei der besondere Vorsicht anzuwenden und die Geschwindigkeit entsprechend herabzusetzen gewesen wäre.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil hinsichtlich der Gegenforderung auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im übrigen gab es der Berufung des Klägers nicht Folge, jener der beklagten Partei hingegen teilweise und änderte das Ersturteil hinsichtlich des Leistungsbegehrens als Zwischenurteil und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens als Teilurteil dahin ab, daß das Leistungsbegehren zu einem Drittel zu Recht und zu zwei Dritteln nicht zu Recht bestehe und festgestellt werde, daß die beklagte Partei für alle künftigen Nachteile und Folgen aus dem Unfall zu einem Drittel hafte, und zwar beschränkt auf die in Österreich zum Unfallszeitpunkt geltenden gesetzlichen Haftpflichtversicherungssummen. Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für weitere zwei Drittel wurde abgewiesen. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, aufgrund des Haager Straßenverkehrsabkommens sei österreichisches Recht anzuwenden. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens sei ein Zwischenurteil nicht möglich, insoweit handle es sich um ein Teilurteil. Hinsichtlich des Leistungsbegehrens sei ein Zwischenurteil zulässig, zumal der Höhe nach bezüglich jeder Teilforderung ein Betrag von S 1 außer Streit gestellt worden sei. Die Gegenforderung, die niedriger sei als die Hauptforderung, stehe der Fällung eines Zwischenurteils nicht entgegen. Die beklagte Partei wäre ohne Zession nicht berechtigt, einen Anspruch, der aus der Beschädigung des türkischen Sattelschleppers abgeleitet werde, als Gegenforderung einzuwenden. Im übrigen sei ein Zwischenurteil über die Gegenforderung nicht möglich, weil die einzelnen geltend gemachten Forderungen der Höhe nach bestritten seien und ihr Zurechtbestehen mit einem bestimmten Betrag auch nicht außer Streit stehe. Das Berufungsgericht erachtete die Mängel- und Beweisrüge der beklagten Partei als nicht berechtigt. Im Rahmen der Stellungnahme zum Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens führte das Berufungsgericht aus, das Erstgericht habe die vom Kläger nicht bekämpfte Alternativfeststellung getroffen, daß zum Unfallszeitpunkt beim Sattelzug neben den Schlußleuchten auch der linke Blinker oder die Warnblinkanlage in Tätigkeit gewesen seien. Abgesehen vom Umstand, daß das rechte Blinklicht beim Unfall total zerstört worden sei, also eine Feststellung seines Betriebszustandes zum Unfallszeitpunkt nicht mehr möglich gewesen sei, und Duran D*** ausgesagt habe, daß er nach dem Unfall die Warnblinkanlage eingeschaltet habe, sei diese Alternativfeststellung auch nicht entscheidungsrelevant. Die beklagte Partei habe nämlich im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht, daß der von Duran D*** gelenkte Sattelzug für den Kläger einen höheren Aufmerksamkeitswert besessen habe, weil bereits längere Zeit vor dem Unfall die Alarmblinkanlage oder zumindest ein Blinker in Betrieb gewesen sei. Aus der erstgerichtlichen, erkennbar sich nur auf den Unfallszeitpunkt selbst beziehenden Alternativfeststellung könne jedoch keine rechtzeitige Warnfunktion abgeleitet werden. Da die beklagte Partei alle ein Mit- oder gar Alleinverschulden des Klägers begründenden Umstände behaupten und beweisen müsse, hier jedoch schon eine Prozeßbehauptung fehle, seien das Blinklicht bzw. die Alarmblinkanlage für die Prüfung eines Verschuldens des Klägers ohne Bedeutung.

Zu den Rechtsrügen beider Berufungen führte das Berufungsgericht aus, Duran D*** habe durch sein Halten auf der Autobahn gegen die Schutznorm des § 46 Abs 4 lit e StVO verstoßen, ebenso rechtswidrig wäre aber auch eine Weiterfahrt mit der auf den letzten 126 m eingehaltenen Geschwindigkeit von maximal 7 km/h gewesen. Ein zusätzliches rechtswidriges Verhalten vermöge dies aber nicht zu begründen, weil der Kläger während der ca. 50 Sekunden dauernden Haltephase mit seinem LKW-Zug mehr als einen Kilometer zurückgelegt habe. Andererseits habe der Kläger durch das Einhalten einer Fahrgeschwindigkeit von 84 km/h mit dem LKW-Zug auf der Autobahn gegen die Schutznorm des § 58 Abs 1 Z 2 lit e KDV verstoßen. Ferner gelte in Österreich die Verpflichtung des Fahrens auf Sicht grundsätzlich auch auf Autobahnen. Dieses Gebot werde nur dann nicht verletzt, wenn die Fahrbahn durch vorausfahrende oder entgegenkommende Fahrzeuge entsprechend ausgehellt werde. Selbst die Anwendung deutschen Straßenverkehrsrechts würde für den Kläger kein günstigeres Ergebnis bringen. Auch dort entspreche der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur, daß der Kraftfahrer bei Dunkelheit auch auf Autobahnen nur so schnell fahren dürfe, daß er innerhalb der überschaubaren Strecke halten könne. Die in § 18 Abs 6 deutsche StVO ("Wer auf der Autobahn mit Abblendlicht fährt, braucht seine Geschwindigkeit nicht der Reichweite des Abblendlichtes anpassen, wenn 1. die Schlußleuchten des vorausfahrenden Fahrzeuges klar erkennbar sind und ein ausreichender Abstand von ihm eingehalten wird, oder 2. der Verlauf der Fahrbahn durch Leiteinrichtungen mit Rückstrahlern und, zusammen mit fremdem Licht, Hindernisse rechtzeitig erkennbar sind") hievon normierte Ausnahme bringe nur die besonderen Umstände auf Autobahnen in diese "goldene Regel" ein. Nun sei im vorliegenden Fall weder vom Kläger behauptet noch überschießend festgestellt worden, daß der Kläger für seine Sicht fremdes Licht hätte benützen können. Er sei aber auch nicht in einem gleichbleibenden Abstand hinter einem anderen Fahrzeug nachgefahren. Bei der Verschuldensteilung sei die veröffentlichte Judikatur auf ihre Verwertbarkeit für den vorliegenden Fall zu überprüfen. Mit dem gegenständlichen Unfall in wesentlichen Bereichen vergleichbar sei der der Entscheidung ZVR 1979/292 zurgundeliegende Sachverhalt. Auch beim gegenständlichen Verkehrsunfall lägen Umstände vor, die das Gewicht des Fehlverhaltens des Duran D*** etwas verminderten: Die Ortsunkundigkeit und das Bestreben, bei der richtigen Autobahnausfahrt die Autobahn zu verlassen, machten sein Fehlverhalten begreifbar. Hiezu komme die durch die gegebenen örtlichen Verhältnisse und Sichtbedingungen vorhandene Wahrnehmungsmöglichkeit des mit eingeschalteter Beleuchtung haltenden Sattelschleppzuges. Andererseits sei auch in ZVR 1983/191 ausgesprochen worden, daß eine Verletzung des Grundsatzes des Fahrens auf Sicht stets schwerwiegend sei. Daher erachtet das Berufungsgericht eine Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten des Klägers als gerechtfertigt.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt Abänderung dahin, daß bei der Entscheidung über das Leistungs- und Feststellungsbegehren von einer Verschuldensteilung von 2 : 1 zugunsten des Klägers ausgegangen werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Verschuldensteilung nicht auf die Zahl der Verstöße an, vielmehr entscheidet vor allem der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers, die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschrift für die Sicherheit des Verkehrs im allgemeinen und im konkreten Fall (ZVR 1988/97 mwN uva). Ein Anhalten bei Dunkelheit auf der Autobahn derart, daß ein ganzer Fahrstreifen blockiert ist, schafft eine besonders gefährliche Situation, auch wenn das Fahrzeug beleuchtet ist, weil eine Entfernungsschätzung nur aufgrund der Leuchten schwer möglich ist und die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, daß ein nachkommendes Kraftfahrzeug auffährt und dadurch im Hinblick auf die auf Autobahnen üblichen Geschwindigkeiten besonders schwere Unfallsfolgen eintreten. Duran D*** trifft daher der Vorwurf eines sehr schwerwiegenden Verschuldens. Daß er ortsunkundig war und nicht wußte, ob er bei der Ausfahrt Sattledt die Autobahn verlassen müsse, ist nicht geeignet, sein Verschulden in milderem Recht zu sehen. Abgesehen davon, daß er die Autobahnabfahrt bereits passiert hatte (die schraffierte Sperrfläche und das Wiesenstück, auf deren Höhe der Sattelschlepper stand, befinden sich nach der Abzweigung) und für Duran D*** daher - sofern er nicht tatsächlich ein unzulässiges Rückwärtsfahren vornahm - keinerlei Anlaß bestand, die Fahrt nicht fortzusetzen, hätte er zumindest die Möglichkeit gehabt, auf den Pannenstreifen oder die schraffierte Sperrfläche zu fahren und dadurch die Gefahr eines Auffahrunfalles wesentlich herabzusetzen.

Dem Kläger ist anzulasten, statt der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h eine Geschwindigkeit von 84 km/h eingehalten zu haben, was im Hinblick auf die herrschende Dunkelheit besonders ins Gewicht fällt. Dazu kommt, daß er lediglich das Abblendlicht eingeschaltet hatte und der Anhalteweg des von ihm gelenkten LKW-Zuges wesentlich länger war als der ausgeleuchtete Bereich der Fahrbahn. Der Kläger konnnte zwar trotzdem die Beleuchtung des Sattelschleppers sehen, ein Erkennen der Position des vor ihm befindlichen Fahrzeuges war ihm aber erst aufgrund des vom LKW-Zug ausgehenden Lichtes möglich. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht kommt daher auch dem Umstand, daß der Kläger mit Abblendlicht fuhr, entscheidende Bedeutung zu. Verfehlt ist auch die Ansicht des Revisionswerbers, Geschwindigkeitsüberschreitungen seien, wenn sie auf Autobahnen erfolgten, weniger schwerwiegend als beim Befahren anderer Straßen. Der Beschaffenheit der Autobahn wird dadurch Rechnung getragen, daß die zulässige Höchstgeschwindigkeit höher ist als auf anderen Straßen, wird diese Geschwindigkeit aber überschritten, dann wiegt dies nicht geringer als eine überhöhte Geschwindigkeit auf einer anderen Straße. Auch dem Kläger muß daher der Vorwurf eines sehr schwerwiegenden Verschuldens gemacht werden, weshalb es gerechtfertigt ist, gleichteiliges Verschulden anzunehmen. Den vom Berufungsgericht angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes lagen Sachverhalte zugrunde, die mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sind. Auch im Fall der Entscheidung ZVR 1979/292 war der Sachverhalt anders gelagert, der Lenker hatte dort solange nach rechts gelenkt, bis das Zugfahrzeug am rechten Rand der Autobahn fahrbahnparallel stand, er übersah aber, daß der Anhänger noch ein Stück in die rechte Fahrspur hineinragte. Sein Verschulden war daher nicht so gravierend wie jenes des Duran D***, der den Sattelschlepper derart zum Stillstand brachte, daß der rechte Fahrstreifen zur Gänze blockiert wurde.

Aus diesen Gründen war das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß von der dem Ersturteil zugrundeliegenden Verschuldensteilung von 1 : 1 ausgegangen wird.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E18049

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00067.89.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19890606_OGH0002_0020OB00067_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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