Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Amir A*** Gesellschaft mbH, Wien 6., Bürgerspitalgasse 26, vertreten durch Dr.Wolfang Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Adil B*** OHG, 2. Ferdi B***-B***, Kaufmann, 3. Fritz L*** jun., Kaufmann, sämtliche Wien 1., Graben 30, alle vertreten durch Dr.Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 500.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9.Feber 1989, GZ 3 R 277/88-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 22. September 1988, GZ 37 Cg 392/87-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 19.915,48 (darin enthalten S 3.319,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und die Erstbeklagte handeln mit Orientteppichen; der Zweitbeklagte und der Drittbeklagte sind die persönlich haftenden Gesellschafter der Erstbeklagten. Die Erstbeklagte ist Eigentümerin, Herausgeberin und Verlegerin einer "Information für Teppichfreunde" mit dem Titel "Adil B*** News". Auf Seite 2 der - im Sommer 1986 erschienenen - Nummer 14/86 dieser Zeitschrift befand sich ein vom Zweitbeklagten und vom Drittbeklagten unterfertigter Artikel folgenden Inhalts:
".....Im Teppichhandel kauft normalerweise ein Großhändler im Ursprungsland, um dann an Detail-Geschäfte zu verkaufen, die dann ihre Teppiche dem Letztverbraucher (für gute Orientteppiche eigentlich ein falsches Wort, denn sie 'verbrauchen' sich nicht so rasch) anbieten. Hier unterscheidet sich ihre (wir hoffen dieses vertrauliche Wort gebrauchen zu dürfen) A*** B*** OHG von fast allen anderen. Im Ursprungsland oft mit viel Mühe eingekauft, ein bis drei Handelsspannen übersprungen, die Teppiche selbst gewaschen und selbst direkt in Ihr Heim geliefert.....".
Die Klägerin beantragt mit ihrer am 22.Dezember 1987 beim Erstgericht eingelangten Klage, die Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichem Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, über ihre geschäftlichen Verhältnisse, insbesondere über ihren Einkauf und ihre Preisgestaltung, zur Irreführung geeignete unrichtige Angaben dadurch zu machen, daß sie behaupten, daß sich die Erstbeklagte im Teppichhandel von fast allen anderen Konkurrenten dadurch unterscheide, daß sie ihre Teppiche direkt im Ursprungsland und nicht über Großhändler einkaufe und damit ein bis drei Handelsspannen überspringe, obwohl sie tatsächlich ihre Teppiche nicht ausschließlich direkt im Ursprungsland, sondern auch von Lieferanten außerhalb der Ursprungsländer bezieht, und auch viele andere Teppichhändler in Österreich, so auch die Klägerin, ihre Teppiche genauso wie die Beklagten sowohl direkt im Ursprungsland als auch von Lieferanten außerhalb der Ursprungsländer beziehen; ferner erhebt die Klägerin ein Urteilsveröffentlichungsbegehren. Die Beklagten bezögen ihre Teppiche keineswegs ausschließlich direkt von Erzeugern in den Ursprungsländern, sondern sie kauften Teppiche auch bei Großhändlern, unter anderem in Österreich. Sie erweckten durch ihre unrichtigen und zur Irreführung geeigneten Angaben den Anschein eines besonders günstigen Abgebotes und setzten die Leistungen ihrer Mitbewerber pauschal herab. Die Ankündigungen verstießen daher gegen § 1 und § 2 UWG. Die Klägerin habe von diesem Zeitungsartikel im September 1987 zufällig Kenntnis erlangt.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Ihre Behauptungen in dem beanstandeten Zeitungsartikel seien richtig; der Unterlassungsanspruch sei aber auch verjährt.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Zum Zeitpunkt der Kenntnis der Klägerin von dem beanstandeten Zeitungsartikel stellte es folgendes fest:
Der Prokurist der Klägerin, Dr.Amir A***, schaut die "Adil B*** News" nach Ankündigungen durch; wegen darin begangener Wettbewerbsverstöße hat die Klägerin schon mehrmals Klagen gegen die Beklagten eingebracht. Auf Grund der auf den Seiten 2 und 3 der Nummer 14/1986 enthaltenen Ankündigungen von Verkaufsausstellungen veranlaßte Dr.Amir A*** Testkäufe; in einem daraufhin beim Landesgericht Innsbruck angestrengten Verfahren legte Rechtsanwalt Dr.B*** am 15.Juni 1987 ein Exemplar dieser Zeitschrift vor, das ihm Dr.Amir A*** zur Verfügung gestellt hatte. Im September 1987 fand Dr.Amir A*** in seinen Unterlagen das Heft wieder auf; dabei fiel ihm der Leitartikel auf.
In seiner rechtlichen Beurteilung holte das Erstgericht die Feststellung nach, daß die durch ihren Prokuristen vertretene Klägerin schon anläßlich des - länger als sechs Monate vor der Erhebung der gegenständlichen Klage geschehenen - ersten Durchlesens dieses Zeitungsexemplars von dem beanstandeten Artikel Kenntnis erlangt habe. Die subjektive Frist zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruches (§ 20 UWG) sei daher schon vor der Erhebung der Klage abgelaufen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Das Erstgericht habe - entgegen der von der Klägerin in der Berufung vertretenen Auffassung - für den Beginn der Verjährung nicht jenen Zeitpunkt als ausreichend angesehen, in dem die Klägerin von dem beanstandeten Artikel Kenntnis hätte erlangen können; das Verfahren habe vielmehr ergeben, daß Dr.Amir A*** die Ankündigungen auf Seite 2 der Nummer 14/86 der "Adil B*** News" tatsächlich schon früher als sechs Monate vor Anbringung der gegenständlichen Klage gelesen hatte. Bei dieser Sachlage sei darauf zu schließen, daß er auch den dort abgedruckten Leitartikel zumindest flüchtig durchgelesen und damit Kenntis von den nunmehr bekämpften Behauptungen erlangt habe. Das Erstgericht habe nicht festgestellt, daß Dr.Amir A*** von diesem Artikel erstmals im September 1987 Kenntnis erlangt habe; daß er das Heft im September 1987 wieder aufgefunden hatte und ihm dabei der Leitartikel aufgefallen war, bedeute nicht, daß er den Leitartikel vorher nicht gekannt hätte. "Auffallen" bedeute nicht, daß derjenige, dem etwas auffalle, bisher davon nichts gewußt habe; die Urteilsfeststellungen seien daher auch nicht unvollständig. Für die als fehlend gerügte Feststellung, Dr.Amir A*** habe den Artikel erstmals im September 1987 gelesen, fehlten aber auch entsprechende Beweisergebnisse. Das Erstgericht habe daher zu Recht davon abgesehen, eine solche Feststellung zu treffen. Es habe auch nicht die Grundsätze der Beweislastverteilung verkannt, sondern sei richtig davon ausgegangen, daß der Beklagte für den Ablauf der Verjährungsfrist beweispflichtig sei. Dieser Beweis könne allerdings auch durch den sogenannten "prima-facie-Beweis" erbracht werden. Da die Beklagten bewiesen hätten, daß der Prokurist der Klägerin das maßgebende Zeitungsexemplar nach wettbewerbswidrigen Ankündigungen von Verkaufsausstellungen durchsucht und eine solche auf Seite 2 der Zeitung gelesen habe, dürfe nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch darauf geschlossen werden, daß er den auf derselben Seite veröffentlichten, nunmehr beanstandeten Artikel zumindest überfolgen habe. Damit habe der Prokurist der Klägerin von den darin aufgestellten Behauptungen Kenntnis erlangt. Sache der Klägerin wäre es gewesen zu beweisen, warum sie trotz dieses Durchschauens des gesamten Heftes und des genauen Durchlesens der Ankündigungen gerade von dem Leitartikel keine Kenntnis erlangt habe; diesen Beweis habe die Klägerin nicht angetreten. Die Kenntnis ihres Prokuristen von dem beanstandeten Artikel sei der Klägerin zuzurechnen. Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, hilfsweise beide Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht hat - entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung - nicht festgestellt, daß dem Prokuristen der Klägerin Dr.Amir A*** der beanstandete Artikel erstmals im September 1987 aufgefallen ist. Auch das Berufungsgericht ist daher nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen, wenn es ebenfalls davon ausgeht, daß Dr.Amir A*** diesen Artikel schon früher als im September 1987 gelesen hatte; es mußte daher die vom Erstgericht aufgenommenen Beweise nicht wiederholen. Der im Unterbleiben einer solchen Beweiswiederholung erblickte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor. Ob eine Feststellung fehlt, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung; die Klägerin zeigt daher mit ihren weiteren Ausführungen zum Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO, sie habe schon in der Berufung einen Feststellungsmangel gerügt, keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens auf.
Auch in ihrer Rechtsrüge geht die Klägerin vom Vorliegen einer Feststellung aus, wonach ihr Prokurist von dem beanstandeten Artikel erstmals im September 1987 Kenntis erlangt habe; die Vorinstanzen hätten daher - trotz gegenteiliger Ausführungen - für den Beginn der Verjährungsfrist in unzulässiger Weise darauf abgestellt, ob die Klägerin schon früher durch das Beziehen eines Exemplars der Kundenzeitung von dem beanstandeten Artikel Kenntnis hätte erlangen können. Auch habe das Berufungsgericht eine unzulässige Beweisthemenverschiebung vorgenommen, weil es den Beweis des ersten Anscheins für zulässig erachtet habe. Daraus, daß jemand eine Zeitung erhalten und (andere) darin begangene Wettbewerbsverstöße beanstandet habe, dürfe nicht geschlossen werden, daß ihm auch weitere, bisher nicht beanstandete Artikel schon anläßlich des ersten Durchlesens der Zeitung zur Kenntnis gelangt seien. Das Berufungsgericht habe aber auch zu Unrecht angenommen, daß durch den Beweis des ersten Anscheins eine Verschiebung der Beweislast eintrete.
Das Berufungsgericht hat die in der - ausdrücklich zwar nur auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten - Berufung der Klägerin enthaltene Tatsachenrüge, das Erstgericht hätte auf Grund der Aussage des Zeugen Dr.Amir A*** die Feststellung treffen müssen, daß er von dem beanstandeten Zeitungsartikel erstmals im September 1987 Kenntnis erlangt habe, behandelt und ist auf Grund im Tatsachenbereich liegender Überlegungen zum Ergebnis gelangt, daß dies nicht der Fall war. Dabei hat das Berufungsgericht auch zum Ausdruck gebracht, daß die Auffassung der Klägerin, das Erstgericht habe die gewünschte Feststellung ohnedies getroffen, nicht zutrifft. Das Berufungsgericht hat somit die bereits vom Erstgericht getroffene Feststellung, daß der Prokurist der Klägerin den beanstandeten Zeitungsartikel schon länger als sechs Monate vor der Erhebung der gegenständlichen Klage gelesen hat, übernommen. Dabei wurde aber nicht etwa - wie im Rahmen eines prima-facie-Beweises - das Beweisthema verschoben: Beweisthema war nicht eine leichter erweisliche Hilfstatsache, die mit der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht (Fasching, ZPR Rz 894), sondern die von der Beklagten zu beweisende Haupttatsache, wann die Klägerin von dem beanstandeten Zeitungsartikel Kenntnis erlangt hat. An Hand der vorliegenden Beweisergebnisse zu Hilfstatsachen (Indizien: Fasching aaO Rz 896) ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen unbedenklich sind. Die dabei getroffenen Überlegungen sind als Akt der Beweiswürdigung der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Auf die im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des prima-facie-Beweises in der Revision aufgeworfenen Fragen muß daher nicht eingegangen werden. Geht man aber von den übereinstimmenden Feststellungen der Vorinstanzen aus, dann hat der - mit dem Durchsehen der Kundenzeitung der Beklagten nach Wettbewerbsverstößen betraute - Prokurist der Klägerin auch den beanstandeten Artikel schon länger als sechs Monate vor der Geltendmachung des daraus abgeleiteten Unterlassungsanspruches "zumindest überflogen"; damit hat er aber auch von ihm Kenntnis erhalten. Die Kenntnisnahme durch den Bevollmächtigten im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabengebiets ist der Klägerin zuzurechnen (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1489; SZ 52/167).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17735European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00070.89.0613.000Dokumentnummer
JJT_19890613_OGH0002_0040OB00070_8900000_000