TE OGH 1989/6/14 9ObA160/89

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Veröffentlicht am 14.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Johannes U***, Arzt, Böckstein, Südtirolerstraße 5, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** B*** B***, Badgastein, vertreten durch

Dr. Eckart Fussenegger und Dr. Alexander Hacker, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 482.775,98 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 516.911,66 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Jänner 1989, GZ 12 Ra 44/88-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Dezember 1987, GZ 37 Cga 24/87-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.371,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.895,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist als Stiftung konstituiert. Die Aufnahme und Abberufung des Anstaltsarztes obliegt nach der Satzung der aus sieben Personen bestehenden Verwaltungskommission. Die Verwaltungskommission tritt wenigstens zweimal im Jahr zu einer Sitzung zusammen, darüber hinaus ist eine Sitzung einzuberufen, wenn mindestens zwei Mitglieder der Verwaltungskommission oder die Stiftungsbehörde dies verlangen. Die Sitzungen sind vom Vorsitzenden unter Mitteilung der Tagesordnung durch persönliche schriftliche Einladungen der Mitglieder einzuberufen. Zwischen Einberufung und Tag der Sitzung soll ein Zeitraum von mindestens zehn Tagen liegen. Die Verwaltungskommission ist beschlußfähig, wenn die Mitglieder ordnungsgemäß eingeladen wurden und wenn wenigstens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Zur Beschlußfassung ist die einfache Mehrheit erforderlich. Beschlüsse der Verwaltungskommission können auch im Umlaufwege eingeholt werden. Der Kläger war aufgrund des Dienstvertrages vom 8. Mai 1984 für die Zeit vom 2. April bis 1. Juli 1984 als Hausarzt bei der beklagten Partei beschäftigt. Mit Nachtrag zum Dienstvertrag vom 6. Juli 1984 wurde das Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert. Auf das Dienstverhältnis finden die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 Anwendung. Mit Schreiben vom 26. August 1986, dem Kläger zugekommen am 29. August 1986, wurde die Kündigung des Dienstverhältnisses ausgesprochen, wobei zur Begründung mehrere Verstöße des Klägers gegen seine sich aus dem Dienstverhältnis ergebenden Verpflichtungen angeführt wurden. Die Kündigung des Klägers erfolgte durch Umlaufbeschluß. Vor Ausspruch der Kündigung stimmten für die Kündigung von den sieben Kuratoriumsmitgliedern vier durch eigenhändige Unterschrift, nämlich der Vorsitzende Dipl.Ing. DDr. Hans L***, Direktor Rudolf V***, Christine M*** und der Pfarrer Peter H***.

Letztere machte unter seiner Unterschrift den Vermerk "pro". Er fügte seiner Unterschrift hinzu: "Berichte zur Kenntnis genommen, eine einvernehmliche Lösung möge angestrebt werden". Für das Kuratoriumsmitglied Hofrat Dr. Ulf P*** unterschrieb im Auftrag N. P*** am 25. August 1986 (ebenfalls "Pro-Stimme"). Die Mitglieder Josef O*** und Dr. Johann S*** waren zu dieser Zeit auf Urlaub. Nach Abfertigung des Kündigungsschreibens, das vom Vorsitzenden der Verwaltungskommission unterfertigt war, der nach der Satzung die Stiftung nach außen hin gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten hat, stimmten nachträglich mit eigenhändiger Unterschrift für die Kündigung noch Josef O*** am 7. Oktober 1986, Dr. Johann S*** am 5. September 1986 und Dr. Ulf P*** am 29. September 1986. Der Kläger hatte bereits, als ihm die Kündigung in Aussicht gestellt wurde, erklärt, sie nicht hinzunehmen. Nach Erhalt des Kündigungsschreibens nahm der Kläger im Laufe des Monats September fünf Tage zur Postensuche entsprechend den Bestimmungen des VBG in Anspruch.

Der Kläger begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Dienstverhältnisses sowie die Zahlung eines Betrages von S 482.775,98 brutto sA an weiterlaufendem Entgelt. Ein Grund, der die beklagte Partei im Sinne des § 32 VBG zur Kündigung berechtigen würde, liege nicht vor. Die Kündigung sei überdies durch die Verwaltungskommission nicht wirksam beschlossen worden. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Beschlußfassung über die Kündigung habe der Satzung entsprochen. Die geltend gemachten Kündigungsgründe seien gegeben. Im übrigen habe der Kläger durch die Inanspruchnahme von Postensuchtagen die Kündigung anerkannt.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Der Beschluß der Verwaltungskommission über die Kündigung sei satzungsgemäß zustandegekommen. Die zur Begründung der Kündigung geltend gemachten Umstände seien wohl zum überwiegenden Teil nicht geeignet, die Kündigung im Sinne des VBG zu rechtfertigen, doch habe der Kläger durch wiederholte Unpünktlichkeit - er sei trotz Abmahnung mehrmals um 15 bis 30 Minuten zu spät zum Dienst gekommen, wodurch der Tagesablauf im Betrieb der beklagten Partei verzögert worden sei - gravierend gegen die Dienstvorschriften verstoßen, habe durch barsche Äußerungen gegenüber dem Dienstvorgesetzten die diesem gebührende Achtung verletzt und durch Unhöflichkeit gegenüber Patienten - trotz Abmahnung sei hier keine Änderung eingetreten - ein Verhalten eingenommen, das dem Ansehen und den Interessen des Dienstes abträglich gewesen sei. Diese Verstöße des Klägers gegen seine Dienstpflichten rechtfertigten die Kündigung des Dienstverhältnisses.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte die angefochtene Entscheidung, nachdem es nach Beweiswiederholung teilweise neue Feststellungen getroffen hatte, im Sinne des Klagebegehrens ab. Das Kündigungsschreiben sei jedenfalls von dem im Außenverhältnis befugten Vorsitzenden der Verwaltungskommission unterfertigt worden. Ob die Willensbildung im Innenverhältnis statutengemäß zustandegekommen sei, sei ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der Vertretungshandlung. Abgesehen davon hätten vor Ausspruch der Kündigung jedenfalls vier Mitglieder der Verwaltungskommission den Umlaufbeschluß unterfertigt; eine allenfalls mangelhaft zustandegekommene Willensbildung im Innenverhältnis wäre aber auch durch die nachträgliche Zustimmung der weiteren drei Mitglieder der Verwaltungskommission saniert worden. Das Berufungsgericht erachtete jedoch das Verhalten des Klägers nicht als so gravierend, daß es einen Kündigungstatbestand erfüllte. In der Inanspruchnahme von Postensuchtagen komme kein Anerkenntnis der Kündigung zum Ausdruck.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zu prüfen ist vorweg die Wirksamkeit der Kündigungserklärung. Der Rechtsansicht, daß der Frage, ob die Willensbildung in der Verwaltungskommission in einer den Statuten entsprechenden Weise zustandekam, für die Wirksamkeit der Erklärung des im Außenverhältnis vertretungsbefugten Vorsitzenden der Verwaltungskommission keine Bedeutung zukomme, kann nicht zugestimmt werden. Der Oberste Gerichtshof hat zu dieser Frage im Zusammenhang mit Vertretungshandlungen von Organen eines Vereines ausgeführt, daß die Statuten eines Vereines, die dieser sich selbst gebe, die den Verein konstituierende normative Ordnung bilden und durch einen in der staatlichen Rechtsordnung bestimmten Akt in Geltung gesetzt werden. Da der Verein eine juristische Person sei, müßten die Statuten auch Bestimmungen darüber enthalten, welche Personen für den Verein zu Handlungen befugt seien. Diese Bestimmungen gäben darüber Auskunft, ob ein bestimmtes Handeln eines Organwalters dem Verein zugerechnet werden könne. Ein Verhalten des Organwalters sei dem Verein zurechenbar, soweit es in der dem Verein konstituierenden Ordnung als Bedingung oder Folge bestimmt sei. Die Statuten eines Vereines hätten die Organe der Vereinsleitung (den Vorstand) und deren Aufgaben anzugeben. An die "Verfassung" des Vereines, wie sie in den Statuten zum Ausdruck komme, seien die Vereinsorgane gebunden. Behaupte der Verein, daß er durch die Tätigkeit eines Organwalters Rechte erworben habe, so sei anhand der Statuten zu prüfen, ob der Organwalter zur Vornahme der in Rede stehenden Handlung berechtigt gewesen sei und ob diese daher dem Verein zugerechnet werden könne (EvBl 1982/177).

Stiftungen sind gemäß § 2 Abs 1 des Bundes-, Stiftungs- und FondsG 1974, BGBl 1975/11, durch eine Anordnung des Stifters dauernd gewidmete Vermögen mit Rechtspersönlichkeit, deren Erträgnisse der Erfüllung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke dienen. Gemäß § 13 des Salzburger Stiftungs- und FondsG, LGBl 1976/70, unterliegen Stiftungen nach Maßgabe dieses Gesetzes der Aufsicht der Stiftungsbehörde (Landesregierung - § 40 leg cit). Die Stiftungssatzung bedarf gemäß § 10 Abs 4 leg cit der Genehmigung der Stiftungsbehörde. Die im Sinne dieser Bestimmung genehmigte Satzung der Stiftung bildet die im Hinblick auf die bei ihrer Erlassung obwaltende staatliche Beteiligung besonders qualifizierte normative Ordnung, an der die Rechtswirksamkeit des Handelns der Stiftungsorgane zu messen ist. Die für Vereine entwickelten Grundsätze haben auch hier Anwendung zu finden. Es ist anhand der Satzung zu prüfen, ob der Organwalter zur Vornahme einer bestimmten Rechtshandlung berechtigt war und dadurch für die Stiftung Rechte und Pflichten begründet wurden.

Gemäß Art V Abs 3 lit c der von der Salzburger Landesregierung genehmigten Satzung der beklagten Partei (im folgenden kurz: Satzung) obliegt die Bestellung bzw Abberufung des Anstaltsarztes der Verwaltungskommission. Gemäß Art V Z 4 der Satzung sind die Sitzungen vom Vorsitzenden unter Mitteilung der Tagesordnung durch persönliche schriftliche Einladung der Mitglieder einzuberufen. Die Verwaltungskommission ist beschlußfähig, wenn die Mitglieder ordnungsgemäß eingeladen wurden und wenigstens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist, wobei zur Beschlußfassung die einfache Mehrheit erforderlich ist. Beschlüsse der Verwaltungskommission können gemäß Art V Z 6 der Satzung auch im Umlaufweg eingeholt werden. Wohl wird gemäß Art IX Z 1 die Stiftung nach außen hin durch den Vorsitzenden der Verwaltungskommission oder dessen Stellvertreter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, doch entfaltet eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Vorsitzenden in Angelegenheiten, deren Entscheidung in die Zuständigkeit der Verwaltungskommission verwiesen ist, nur dann Wirksamkeit für die beklagte Partei, wenn sie durch eine wirksame Beschlußfassung durch die Verwaltungskommission gedeckt ist. Ist eine Personenmehrheit zur Entscheidung einer bestimmten Angelegenheit berufen, so entspricht es dem Grundprinzip einer demokratischen Willensbildung, daß sämtliche Beteiligte vor der Abstimmung Gelegenheit zur Stellungnahme haben. So wird etwa in Angelegenheiten der Gesellschaft mbH ein Umlaufbeschluß (§ 34 GmbHG), der nur so lange unter den Gesellschaftern kreist, bis die absolute Mehrheit aller möglichen Stimmen erreicht wird, nicht für zulässig erachtet (Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 324; Kostner, Die Gesellschaft mbH3, 94). Ebenso wird für die Beschlußfassung nach § 14 Abs 3 WEG wie auch nach § 833 ABGB gefordert, daß alle Teilhaber der Gemeinschaft mit der Sache befaßt werden müssen, damit sie Gelegenheit haben, ihre Meinung zu äußern; eine Beschlußfassung bloß der Mehrheit unter Ausschluß der Minderheit ist nicht rechtswirksam (SZ 18/11; MietSlg 35.070, 36.622 ua). Das Verfahren für die Beschlußfassung im Umlaufverfahren ist wohl hier in der Satzung nicht näher geregelt, doch ergibt sich aus den Bestimmungen über die Beschlußfassung in der Sitzung, daß die Satzung in Beachtung dieser Grundsätze davon ausgeht, daß alle Mitglieder der Verwaltungskommission mit der Angelegenheit zu befassen sind. Es ist vorgesehen, daß die Verwaltungskommission wohl beschlußfähig ist, wenn zumindest die Hälfte der Mitglieder erschienen ist, doch ist Voraussetzung einer wirksamen derartigen Beschlußfassung, daß die Mitglieder ordnungsgemäß (unter Mitteilung der Tagesordnung) eingeladen wurden. Es soll damit sichergestellt werden, daß alle Mitglieder mit der Sache befaßt werden und Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen. Eine Beschlußfassung in einer unter Übergehung einzelner Mitglieder einberufenen Sitzung stünde im Widerspruch zur Satzung und wäre auch dann nicht wirksam, wenn sie die Zustimmung von mehr als der Hälfte der Mitglieder der Verwaltungskommission fände.

Dies gilt aber auch für den Umlaufbeschluß. Feststeht, daß im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nur vier Mitglieder der Verwaltungskommission ihre Zustimmung zu dieser Maßnahme erteilt haben - für ein weiteres Mitglied hat ein Vertreter die Unterschrift geleistet, dessen Vertretungsbefugnis nicht näher geklärt ist -, während die übrigen Mitglieder hievon keine Kenntnis hatten. Damit lag aber ein wirksamer Beschluß des zuständigen Organs der beklagten Partei zur Kündigung nicht vor. Der Ausspruch der Kündigung erfolgte daher nicht wirksam. Eine nachträgliche Sanierung einer ursprünglich fehlerhaften Kündigung kommt aber im Hinblick darauf nicht in Betracht, da durch den Ausspruch der Kündigung unmittelbar Rechtswirkungen ausgelöst werden; bezogen auf den Zeitpunkt der Erklärung bestimmt sich insbesondere die Zulässigkeit der Kündigung im Hinblick auf die geltende Kündigungsfrist zum gewählten Kündigungstermin. Daß aber nach dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Beschlußfassung in der Verwaltungskommission vorlag, die Kündigung neuerlich erklärt worden wäre, wurde von der beklagten Partei nicht einmal behauptet.

Da sohin eine wirksame Kündigungserklärung nicht vorliegt, ist das der Höhe nach nicht bestrittene Begehren schon aus diesem Grund berechtigt und es bedurfte keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob das von den Vorinstanzen festgestellte Verhalten des Klägers einen Kündigungstatbestand im Sinne des VBG 1948 erfüllte. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18162

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00160.89.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19890614_OGH0002_009OBA00160_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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