TE OGH 1989/6/15 7Ob19/89

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Veröffentlicht am 15.06.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl H***, Angestellter, Hallein, Krautgasse 6, vertreten durch Dr. Herbert Troyer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei W*** S*** W***

V***, Wien 1., Ringturm, vertreten durch Dr. Herbert Hübel, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 268.125,-- s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. Februar 1989, GZ. 3 R 194/88-16, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 19. April 1988, GZ. 8 Cg 267/87-12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der am 8. September 1987 eingelangten Klage begehrt der Kläger aus einem mit der beklagten Partei abgeschlossenen Versicherungsvertrag zur Abgeltung einer 10 %-igen Invalidität die Bezahlung eines Betrages von S 200.000,-- sowie die Leistung von Taggeldern bzw. Spitaltaggeldern von S 162.625,-- abzüglich einer von der beklagten Partei geleisteten Teilzahlung von S 94.600,--. Er sei am 10. September 1984 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden. Auf Grund des Unfalls sei der Kläger monatelang zur Gänze oder doch teilweise arbeitsunfähig gewesen und auf Dauer mit 10 % invalid. Die mit der beklagten Partei am 23. September 1983 abgeschlossene Unfallversicherung sei - nach zwischenzeitiger Vereinbarung von Unfallversicherungen auch mit anderen Versicherungsgesellschaften - am 7. November 1983 durch eine Erhöhung der Versicherungssumme, der Prämien und auch der Laufzeit geändert worden. Der Kläger sei nie nach dem Abschluß weiterer, gleichartiger Versicherungsverträge gefragt worden. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der Kläger habe am 7. November 1983 einen Antrag auf Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages als Ersatz für den am 23. September 1983 abgeschlossenen gestellt und dabei arglistig verschwiegen, daß er inzwischen bereits bei zumindest vier Versicherungsgesellschaften gleichartige Unfallversicherungen abgeschlossen gehabt habe. Er habe eine entsprechende Frage in seinem Antrag verneint und dadurch das Zustandekommen des Versicherungsvertrages begünstigt. Die beklagte Partei fechte den Versicherungsantrag wegen arglistiger Täuschung gemäß § 22 VersVG an und erkläre gemäß § 16 VersVG den Rücktritt vom Vertrag. Den Betrag von S 94.600,--, den sie auf Grund der unrichtigen Angaben des Klägers irrtümlich ausgezahlt habe, wende die beklagte Partei für den Fall des auch nur teilweisen Zurechtbestehens der Klageforderung aufrechnungsweise ein. Der Anspruch des Klägers sei jedenfalls dadurch verwirkt, daß er den Eintritt des Versicherungsfalles nicht unverzüglich angezeigt habe, und sei überdies gemäß § 12 VersVG verjährt. Die vom Kläger behaupteten Verletzungsfolgen würden bestritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:

Der Kläger suchte am 23. September 1983 den ihm bis dahin nicht bekannten Roland K*** auf, einen Angestellten der beklagten Partei, der auf Provisionsbasis auch im Außendienst tätig ist, und beantragte bei ihm den Abschluß einer Einzelunfallversicherung mit einer Versicherungssumme für Invalidität von S 1,200.000,-- und Taggeld sowie Spitalgeld von jeweils S 300,--. Anläßlich der Aufnahme des Versicherungsantrages fragte Roland K*** den Kläger entsprechend dem Formularvordruck, ob er auch bei einem anderen Versicherungsunternehmen eine Unfall- oder Lebensversicherung abgeschlossen oder beantragt habe. Der Kläger verneinte dies. Der Antrag wurde von der beklagten Partei angenommen.

In der Folge beantragte der Kläger noch weitere Unfallversicherungen, die auch angenommen wurden, und zwar am 11. Oktober 1983 bei der W*** A*** (hier sollten für den Fall der Invalidität S 1,600.000,-- ausbezahlt werden), am 18. Oktober 1983 bei der I*** (S 2 Mio.), am 27. Oktober 1983 bei der E*** A*** Versicherung AG (S 1,600.000,--), am 20. November 1983 bei der G*** W*** Versicherung

(S 1,950.000,--) und am 28. November 1983 bei der V*** J*** Allgemeine Versicherungs-AG (S 2 Mio.).

Am 7. November 1983 stellte der Kläger bei Roland K*** neuerlich einen Antrag für eine Einzelunfallversicherung, um damit die Versicherungssumme auf S 2 Mio. für Invalidität und auf jeweils S 500,-- für Tag- und Spitalsgeld zu erhöhen. Auch beim Ausfüllen dieses Antrages fragte Roland K*** den Kläger, ob er bei anderen Versicherungsunternehmungen eine Unfall- oder Lebensversicherung abgeschlossen oder beantragt habe. Der Kläger verneinte dies wahrheitswidrig. Die beklagte Partei hat auch den Antrag des Klägers vom 7. November 1983 angenommen.

Am 10. September 1984 hatte der Kläger einen Verkehrsunfall. Er meldete ihn am 24. September 1984 der beklagten Partei und ersuchte um Zusendung der notwendigen Formulare. Am 21. Jänner 1985 wurde der Bericht des behandelnden Arztes für die beklagte Partei ausgestellt, am 19. März 1985 unterfertigte der Kläger den Kraftfahrzeug-Schadensbericht. Mit 2. April 1985 ersuchte die beklagte Partei den Kläger um Unterfertigung eines übersendeten Formulars und schlug Dr. M*** als Gutachter vor. In weiterer Folge leistete die beklagte Partei eine Zahlung von S 94.000,--. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Kläger habe am 7. November 1983 nicht nur aus Unachtsamkeit, sondern arglistig den Abschluß weiterer Unfallversicherungen verschwiegen. Die beklagte Partei sei deshalb berechtigt gewesen, gemäß § 22 VersVG bzw. § 870 ABGB die Unwirksamkeit des Vertrages wegen listiger Irreführung mit Wirkung ex tunc geltend zu machen, so daß sie zur begehrten Leistung an den Kläger nicht verpflichtet sei.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die Feststellungen des Erstgerichtes seien unbedenklich. Dem Kläger wäre eine Verletzung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht durch die wahrheitswidrige Beantwortung der an ihn am 7. November 1983 gestellten Frage nach Vorversicherungen nur anzulasten, wenn durch den Vertragsabschluß vom November 1983 das bestehende Versicherungsverhältnis aufgehoben und ein neues begründet worden wäre. Durch die bloß quantitative Erweiterung eines bestehenden Versicherungsvertrages erfolge jedoch nicht der Abschluß eines selbständigen Neuerungsvertrages. Es werde nur eine Änderung des bestehenden Versicherungsvertrages vorgenommen. Die Identität des Versicherungsverhältnisses sei daher gewahrt geblieben, so daß dem Kläger Versicherungsschutz im Rahmen des Vertrages vom 23. September 1983 zustehe. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht ausgehend von einem grundsätzlichen Versicherungsschutz des Klägers die weiteren Einwendungen der beklagten Partei gegen den Klageanspruch zu prüfen haben. Die beklagte Partei bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragt, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt - weiterhin - den Standpunkt, der Versicherungsvertrag vom 7. November 1983 sei nicht als Vertragsänderung, sondern als Neuerungsvertrag anzusehen, durch den der Vertrag vom 23. September 1983 aufgehoben worden sei. Der Kläger könne daher daraus keine Ansprüche mehr geltend machen. Eine Novation iS des § 1376 ABGB ist die Umänderung des Schuldverhältnisses, die in der Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes einer Forderung besteht. Eine Änderung des Rechtsgrundes liegt vor, wenn der Entstehungsgrund des Anspruches geändert wird; Hauptgegenstand ist der primäre Leistungsinhalt. Die bloße Vereinbarung einer Nebenbestimmung ohne Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes hat keine Novationswirkung. In diesem Fall liegt vielmehr eine bloße Schuldänderung (§ 1379 ABGB) vor, welche das ursprüngliche Schuldverhältnis mit ganz bestimmten Änderungen hinsichtlich des Inhalts der Verpflichtung fortbestehen läßt und nicht wie bei der Novation das ursprüngliche Schuldverhältnis durch ein neues ersetzt (Ertl in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1376). Die Novation begründet zwar eine eigene Verbindlichkeit, doch ist diese nicht unabhängig von der alten. War die frühere Schuld ungültig, ist es auch die neue. Umgekehrt erlischt die alte Schuld nur, wenn die neue gültig entstanden ist (Ertl aaO, Rz 2 zu § 1377; Wolff in Klang2 VI 267 f. und 268 f.).

Eine Änderung des Hauptgegenstandes des Schuldverhältnisses tritt ein, wenn ein wesentlich anderer an seine Stelle tritt. Es muß eine artliche Verschiedenheit sein, eine bloß maßliche genügt nicht; eine bloße Vermehrung oder Verminderung ist nicht "Verwechslung" iS des § 1376 ABGB (Wolff aaO 265; Mayerhofer/Ehrenzweig3, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 632 und 634; SZ 44/179).

Schuldänderungen lassen das ursprüngliche Schuldverhältnis fortbestehen, auch wenn es, eben weil es geändert ist, in manchen Beziehungen doch als neues zu behandeln ist. Es gilt die gesetzliche Fiktion der Nichtveränderung der Schuld mit den gleichen Folgen, als wäre die alte Verbindlichkeit nicht untergegangen. Bestehen Zweifel, ob durch einen neuen Vertrag der Hauptgegenstand oder nur Nebenbestimmungen geändert wurden, spricht die Vermutung für den Fortbestand des alten Vertrages. Der neue Vertrag wird zum Zusatzvertrag, solange er mit dem alten noch wohl bestehen kann (SZ 44/179).

Bei einem Versicherungsverhältnis spricht für die Neubegründung, wenn die für einen Versicherungsvertrag wesentlichen Punkte, nämlich das Versicherungsobjekt, die Gesamtversicherungssumme, die Prämienzahlung und die Versicherungsdauer völlig neu vereinbart sind (SZ 57/123, Bruck-Möller, VVG8 137), wenn und soweit der Versicherer ein erkennbares und anzuerkennendes Interesse daran hat, die Gefahrenlage zum Zeitpunkt der Änderung zu berücksichtigen (Prölss/Martin, VVG24 Anm. 3 zu § 17). Nicht als Abschluß eines neuen Vertrages ist daher (zum Beispiel) die Erhöhung der Versicherungsleistung im Krankheitsfall anzusehen (Prölss/Martin aaO).

Der Änderungsvertrag kann selbständig angefochten werden (Bruck-Möller aaO 141).

Durch die über Antrag des Klägers vom 7. November 1983 erfolgte Erhöhung der Versicherungssumme ist keine artliche, sondern nur eine maßliche Verschiedenheit des Hauptgegenstandes eingetreten. Es ist keineswegs ein wesentlich anderer Hauptgegenstand an die Stelle des bisherigen getreten. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht in dem (zweiten) Vertrag, den die Streitteile im November 1983 abgeschlossen haben, keine Novation, sondern eine bloße Änderung des bereits bestehenden, im September 1983 ordnungsgemäß abgeschlossenen Vertrages gesehen, die das ursprüngliche Schuldverhältnis mit Änderung der Versicherungssumme fortbestehen ließ. Die Einwendungen der beklagten Partei vermögen sich daher nur gegen die Änderung, nicht auch gegen den zunächst, im September 1983, abgeschlossenen Vertrag zu richten.

Auf die Notwendigkeit der Prüfung der weiteren Einwendungen der beklagten Partei hat daher die zweite Instanz zutreffend hingewiesen. Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E18584

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00019.89.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19890615_OGH0002_0070OB00019_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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