TE OGH 1989/6/28 9ObA142/89

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Veröffentlicht am 28.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Rudolf Randus als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Franz W***, Lehrer, Weiz, Sturmberg 59, vertreten durch Mag. Josef Zimmermann, Sekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Wien 1., Teilfaltstraße 7, dieser vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer und Dr. Martin Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 19.036,50 S netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Februar 1989, GZ 8 Ra 7/89-22, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. August 1988, GZ 34 Cga 10/88-15, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung:

Mit Dienstvertrag vom 4. März 1983 wurde die Beschäftigung des Klägers als Vertragslehrer im Entlohnungsschema II L bei der beklagten Partei (Verwendungsbereich des Landesschulrates für Steiermark) vom 21.Februar 1983 bis 8.Juli 1983 vereinbart. Mit Nachtrag vom 26.Mai 1983, der vom Kläger zwischen 27. Mai und 7.Juli 1983 unterschrieben wurde, vereinbarten die Streitteile mit Wirksamkeit vom 21.Februar 1983 ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit im Entlohnungsschema I L; festgehalten wurde, daß der Vorrückungsstichtag gesondert geregelt wird. Nach dem Bezugsschema II L erhielt der Kläger vom 21.Februar bis 30.Juni 1983 insgesamt 102.729,90 S brutto. Für diesen Zeitraum betragen seine Bezüge nach dem Schema I L 70.408,70 S brutto. Nach Feststellung eines günstigeren Vorrückungsstichtages erhielt der Kläger nach dem Schema I L für den Zeitraum 21.Februar bis 30.Juni 1983 noch 6.860,60 S und 6.150,60 S brutto Nachzahlung.

Im Zeitraum vom Juli 1983 bis März 1984 wurde vom Gehalt des Klägers insgesamt ein Betrag von 21.805,20 S netto einbehalten. Nach Abzug von Ersatzbeträgen wegen eines Fahrtkostenzuschußübergenusses von 2.202 S und einer reduzierten Lehrverpflichtung von 566,70 S ergibt sich der Klagsbetrag.

Zu Beginn des Jahres 1983 wurden vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport zum Abbau von Überstundenleistungen 32 Planstellen zur Verfügung gestellt. Da man von vornherein nicht wußte, ob die zusätzlich einzustellenden Lehrer im darauffolgenden Schuljahr noch benötigt werden, wurden die entsprechenden Verträge für das zweite Semester befristet nach dem Bezugsschema II L abgeschlossen. Auf Grund der vom zuständigen Ministerialbeamten am 23. Mai 1983 erteilten Genehmigung wurden diese Verträge in solche auf unbestimmte Zeit unter Zugrundelegung des Entlohnungsschemas I L abgeändert. Vor Unterfertigung des Nachtrages vom 26.Mai 1983 wurde dem Kläger nicht erklärt, daß er einen Übergenuß rückerstatten müsse. Erstmals im Juli 1983 stellte der Kläger an Hand des Gehaltszettels fest, daß ihm Beträge unter dem Titel "Ersatz" von seinem Gehalt abgezogen wurden.

Das Erstgericht gab der Klage mit einem Betrag von 19.309,70 S brutto samt 4 % Zinsen seit 16.Juli 1986 statt und wies das Mehrbegehren auf Leistung eines Betrages von 19.036,50 S netto abzüglich des zuerkannten Betrages von 19.309,70 S brutto ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger die höheren Bezüge nach dem Schema II L auf Grund seines ursprünglich befristeten Vertrages zu Recht empfangen habe. Bei Unterfertigung des geänderten Dienstvertrages sei nicht erklärt worden, daß er einen allfälligen Übergenuß rückerstatten müsse; überdies widerspreche eine rückwirkende bezugsmäßige Schlechterstellung dem Grundsatz von Treu und Glauben. Hingegen müsse sich der Kläger die auf Grund der rückwirkenden Änderungen des Dienstvertrages geleisteten Nachzahlungen von 13.011,20 S brutto anrechnen lassen. Das Berufungsgericht gab nur der von der beklagten Partei erhobenen Berufung statt, änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Vertragsänderung unter Mitwirkung des Klägers herbeigeführt worden sei. Dem Vertrag vom 26. Mai 1983 sei klar zu entnehmen gewesen, daß der Kläger von Beginn seines Vertragsbedienstetenverhältnisses an in das Schema I L eingestuft werde und danach zu entlohnen sei. Eines ausdrücklichen Hinweises der beklagten Partei, daß ein allfälliger Übergenuß rückzuerstatten sei, habe es daher nicht bedurft. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu Recht wendet sich der Revisionswerber aber gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Da der Kläger anläßlich der Unterfertigung des Nachtrages vom 26.Mai 1983 nicht darauf hingewiesen wurde, daß die rückwirkende Einstufung in das Entlohnungsschema I L zu einer Rückforderung von bereits empfangenen Bezügen führen werde, und ein Arbeitnehmer selbst bei rückwirkender Änderung eines zuvor schon gültig zustandegekommenen Arbeitsvertrages nicht damit rechnen muß, daß der Arbeitgeber bereits rechtmäßig empfangene Bezüge rückfordern werde, kann aus seinem Einverständnis zur rückwirkenden Vertragsveränderung gemäß § 863 ABGB nicht auf eine schlüssige Zustimmung des Klägers zur Verpflichtung erschlossen werden, allfällige Differenzbeträge zwischen den auf Grund der bisherigen Vereinbarungen zu Recht empfangenen Bezügen und den sich nach dem nunmehr vereinbarten Schema für die Vergangenheit ergebenden Bezügen rückzuerstatten. Da eine Vereinbarung als Grund für die Rückforderung der Bezüge durch die beklagte Partei daher ausscheidet, ist der auf Judikat 33 neu (SZ 11/86 = Arb. 3893) zurückgehende Grundsatz anzuwenden, daß zu Unrecht ausgezahlte Dienstbezüge dann nicht zurückgefordert werden können, wenn sie der Arbeitnehmer im guten Glauben verbraucht hat. Wie der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung Arb. 10.476 ausgesprochen hat, findet dieser Grundsatz auch dann Anwendung, wenn der Rechtsgrund für die zunächst rechtmäßige Auszahlung der strittigen Bezugsteile nachträglich weggefallen ist; das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers ist hier jedenfalls nicht geringer als bei einer irrtümlichen Mehrleistung des Arbeitgebers. Der geltend gemachte Anspruch ist daher dem Grunde nach berechtigt.

Zur Beurteilung der Höhe, insbesondere der strittigen Frage, ob sich der Kläger Nachzahlungen für den Zeitraum 21.Februar bis 30. Juni 1983 anrechnen lassen muß, sind Feststellungen darüber erforderlich, zu welchen Zeitpunkten die Nachzahlungen für diesen Zeitraum erfolgten und wann und in welcher Höhe der hier strittige Rückforderungsbetrag von 19.036,50 S netto - und nicht die nicht klagsgegenständlichen Ersätze von 2.202 S (Fahrtkostenzuschußübergenuß) und 566,70 S (Übergenuß infolge Nichtberücksichtigung der Reduktion der Lehrverpflichtung) - einbehalten wurde. Eine Anrechnung kommt nur soweit in Betracht, als Nachzahlung und Bezug im selben Gehaltszahlungszeitraum (Monat) erfolgten, weil dies wohl nicht anders zu behandeln ist als eine - zulässige - Aufrechnung der sich aus der Anwendung der neuen Regelung ergebenden Gehaltsnachzahlung mit den ausgezahlten höheren laufenden Bezügen nach der früheren Vereinbarung; überdies ist dann, wenn Nachzahlung und Abzug im selben Zeitraum erfolgen, ein gutgläubiger Verbrauch der Nachzahlung nicht anzunehmen bzw. gar nicht möglich.

Der Revision war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E17980

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00142.89.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19890628_OGH0002_009OBA00142_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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