TE OGH 1989/7/20 7Ob605/89

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Veröffentlicht am 20.07.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Erich W***, Angestellter, 2.) Roswitha W***, Hausfrau, beide Pölling 4, beide vertreten durch Dr.Hellmuth Schwartz, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wider die beklagte Partei Dr.Reinhold H***, Landwirt, Pökelitz, vertreten durch Dr.Christian Kleinszig und Dr.Christian Puswald, Rechtsanwälte in St.Veit/Glan, wegen Feststellung und Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert S 30.000) infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 19.April 1989, GZ 3 R 182/89-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirchen vom 19.Jänner 1989, GZ 2 C 87/88-20, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache dahin zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes bestätigt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 8.101,98 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 1.500,-- Barauslagen und S 1.100,33 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 155

KG Wachsenberg mit dem Grundstück 1243/4. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 107, zu der unter anderem das an das Grundstück der Kläger angrenzende Grundstück 1243/1 gehört. Die Streitteile haben ihre Grundstücke von Friederike und Andreas G*** gekauft. Die Kläger behaupten, die Voreigentümer hätten ihnen anläßlich ihres Bauansuchens das Fahrrecht über das Grundstück 1243/1 eingeräumt. Sie begehren die Feststellung der Dienstbarkeit des Fahrrechtes und den Beklagten schuldig zu erkennen, in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit einzuwilligen. Der Beklagte behauptet, daß den Klägern nur ein mit der Dauer der Bauführung zeitlich befristetes Recht eingeräumt worden sei. Mit der Erlangung einer eigenen Hauszufahrt von der Landesstraße sei das Fahrrecht jedenfalls erloschen. Keinesfalls stünde den Klägern ein Recht auf bücherliche Einverleibung zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen wurde das Grundstück 1243 der Ehegatten G*** aufgrund eines Teilungsplanes vom 18.August 1964 in die Grundstücke 1243/1 bis 4 geteilt. Die Kläger kauften das Grundstück 1243/4 im Jahre 1964. Lediglich das Grundstück 1243/1 blieb im Eigentum der Ehegatten G***. Bereits am 11.Dezember 1963 hatte der Erstkläger ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung für das spätere Grundstück 1243/4 gestellt. Die Bauverhandlung fand am 23. Juli 1964 in Anwesenheit der Ehegatten G*** statt. Bei dieser Bauverhandlung erteilten die Ehegatten G*** den Eigentümern der Grundstücke 1243/2 bis 4 das uneingeschränkte Recht der Ein- und Ausfahrt zu den Grundstücken über einen über das Grundstück 1243/1 führenden und parallel zur Landesstraße zu errichtenden Weg. Diese Zustimmung wurde uneingeschränkt erteilt. Es war nicht die Rede davon, daß die Zufahrt zu den Grundstücken 1243/2 bis 4 in Zukunft geändert werde. In der Folge wurde diese Zufahrt so, wie sie heute besteht und auf dem Lageplan des Dipl.Ing.Eberhard R*** vom 6.Juni 1988, GZ 1613/88, Beilage A, wiedergegeben ist, errichtet und von den Klägern seither in Anspruch genommen. Die Ehegatten G*** haben sich nie gegen die Benützung dieser Zufahrt durch die Kläger ausgesprochen. Bis zum Jahre 1972 erfolgte die Zufahrt zu den Grundstücken 1243/2 bis 4 ausschließlich über das Grundstück 1243/1. Im Jahre 1972 wurde die Goggausee-Landesstraße ausgebaut. Die Kläger und die Eigentümer der Grundstücke 1243/3 (Maria S***) und 1243/2 (Albin R***) erhielten von der Landesstraßenverwaltung die Genehmigung zur Schaffung von Zufahrten, die unmittelbar von der Landesstraße auf die jeweiligen Grundstücke führen. Die Kläger und Maria S*** errichteten an der Grenze zwischen ihren Grundstücken eine für beide Grundstücke dienende Zufahrt und verfaßten darüber einen wechselseitigen Dienstbarkeitsvertrag. Nach der Schaffung der eigenen Zufahrten von der Landesstraße benützten nur mehr die Kläger die über das Grundstück 1243/1 führende Zufahrt. Im Zuge der Ausbauarbeiten der Goggausee-Landesstraße wurde auch der Einfahrtsbereich zum Grundstück 1243/1 asphaltiert, um den Klägern die Zufahrt zu erleichtern. Der Erstkläger gab nie eine Erklärung dahin ab, daß er auf das Recht des Fahrens über das Grundstück 1243/1 verzichte. Im Zuge der Verkaufsgespräche fragte der Beklagte Friederike G***, ob die Kläger über das Grundstück 1243/1 fahren dürfen. Als Friederike G*** dies bejahte, erklärte der Beklagte, daß er das nicht mehr gestatten werde.

Die Kläger benötigen die Zufahrt über das Grundstück des Beklagten, um zu der auf ihrem Grundstück befindlichen Holzhütte zu gelangen, die über die unmittelbar von der Landesstraße geschaffene Zufahrt nicht erreichbar ist.

Nach der Ansicht des Erstgerichtes sei den Klägern das Fahrrecht über das Grundstück 1243/1 von den Voreigentümern ohne Einschränkung eingeräumt worden. Die Dienstbarkeit wirke infolge ihrer Offenkundigkeit auch gegenüber dem Beklagten ungeachtet des Umstandes, daß sie im Grundbuch nicht eingetragen worden sei. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes sei die Rechtsnatur des den Klägern eingeräumten Fahrrechtes ungeklärt geblieben. Das dingliche Recht einer Dienstbarkeit könne nur dann entstehen, wenn die Absicht der Parteien auf die Begründung eines dinglichen Rechtes gerichtet sei. Fehle diese Absicht, dann könne es sich nur um ein obligatorisches Recht handeln. Bloß obligatorische Vereinbarungen verschafften keinen Anspruch auf Verdinglichung. Die Absicht, daß ein dingliches Recht begründet werden sollte, habe derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sich darauf stütze. Das Vorliegen einer auf die Einräumung eines dinglichen Rechtes gerichteten Parteienabsicht hätten die Kläger nicht behauptet. Mangels einer solchen Behauptung sei ihr Klagebegehren unschlüssig. Die Unschlüssigkeit einer Klage führe aber nur dann zu ihrer Abweisung, wenn die klagende Partei ergebnislos zur Ergänzung ihres Vorbringens angeleitet worden sei. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die aufgezeigte Frage mit den Parteien zu erörtern haben. Sollte den Klägern der Beweis der Begründung eines dinglichen Rechtes nicht gelingen, müßte zwar das Klagebegehren laut Punkt 2 zur Gänze abgewiesen werden, nicht aber jenes nach Punkt 1. Die Feststellung des Bestehens eines obligatorischen Fahrrechtes wäre nämlich gegenüber dem derzeitigen Begehren nur ein minus.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der Kläger ist berechtigt.

Handelt es sich bei dem einem anderen eingeräumten Nutzungsrecht an einer fremden Sache um ein solches, das seinem Inhalt nach regelmäßig Gegenstand einer Dienstbarkeit ist, hat gemäß § 479 ABGB derjenige, der eine Abweichung von der Natur der Servitut behauptet, dies zu beweisen (1 Ob 40/80). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde von den Ehegatten G*** als Eigentümern des Grundstückes 1243/1 den Eigentümern der Grundstücke 1243/2 bis 4 das uneingeschränkte Recht der Einund Ausfahrt über den auf dem Grundstück 1243/1 parallel zur Landesstraße zu errichtenden Weg eingeräumt. Das Recht, über ein fremdes Grundstück zu fahren, ist typischer Inhalt der Dienstbarkeit des Wegerechts (Koziol-Welser8 II 153). Der Beklagte hätte daher behaupten und unter Beweis stellen müssen, daß ungeachtet des Inhalts dieser Vereinbarung die vertragschließenden Parteien nur die Absicht gehabt hätten, ein bloß obligatorisches Recht zu begründen (1 Ob 40/80). Die vom Berufungsgericht angezogenen Entscheidungen betrafen Nutzungsrechte, die zwar auch Gegenstand einer Dienstbarkeit sein können, aber nicht typische Servitutsrechte sind. Der § 479 ABGB enthält aber auch die Vermutung und Beweislastregel zugunsten regelmäßiger Dienstbarkeiten. Der Belastete muß daher beweisen, daß bei Einräumung einer dem Normaltyp der Grunddienstbarkeit entsprechenden Servitut bloß eine bestimmte Person begünstigt werden soll (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 479 mit Nachweisen auch aus der Rechtsprechung). Auch in dieser Richtung traf daher den Beklagten die Behauptungs- und Beweislast. Der Beklagte hat lediglich vorgebracht, daß den Klägern nur ein mit der Dauer der Bauführung befristetes Recht eingeräumt worden sei. Eine solche Befristung wurde jedoch von den Vorinstanzen nicht als erwiesen angenommen und festgestellt, daß die Einräumung des Fahrrechts ohne Beschränkung erfolgte. Daß die Kläger nunmehr auf ihr Grundstück auch von der Landesstraße zufahren können, führte nicht zum Erlöschen der Dienstbarkeit (MietSlg. 35.050, 31.047 mwN). Nur völlige Zwecklosigkeit oder gänzliche Unwirtschaftlichkeit für den Berechtigten könnte ein Erlöschen bewirken (Petrasch aaO Rz 4 zu § 524 mwN). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen, von denen der Oberste Gerichtshof auszugehen hat, benötigen die Kläger den Dienstbarkeitsweg, um zu ihrer Holzhütte zu gelangen, die über die von der Landesstraße geschaffene Zufahrt nicht erreichbar ist. Eine widersprüchliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verbücherung liegt entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht vor. Die Einräumung eines bloß obligatorischen Rechtes gibt keinen Anspruch auf Verbücherung (SZ 44/41; vgl. auch Petrasch aaO Rz 1 zu § 481 mwN). Die Einräumung einer Dienstbarkeit (d.i. das beschränkte dingliche Nutzungsrecht an einer fremden Sache; Koziol-Welser aaO 149) schließt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Verpflichtung des Belasteten zur Einverleibung im Grundbuch ein (1 Ob 40/80; 6 Ob 626/79; 5 Ob 605, 606/78; 5 Ob 74/73; so auch Petrasch aaO). Wurde im Sinne der obigen Darlegungen (bei Vereinbarungen mit typischem Inhalt eines Dienstbarkeitsbestellungsvertrages) der dem Belasteten obliegende Gegenbeweis nicht erbracht, liegt kein bloß obligatorisches Recht vor, und es besteht daher auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die Verpflichtung des Belasteten, in die grundbücherliche Einverleibung einzuwilligen.

Ein Belastungsverbot stünde einer Klagsstattgebung nicht entgegen. Dieses könnte lediglich, sofern es wirksam begründet wurde, für die Zeit seiner Wirksamkeit, sofern der Berechtigte nicht einwilligt (vgl. Spielbüchler in Rummel ABGB Rz 5 und 15 zu § 364 c) die bücherliche Eintragung hindern (vgl. SZ 59/42 mwN; Bydlinski in JBl 1968, 91).

Aus dem Gesagten folgt, daß die Streitsache zur Entscheidung reif und durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen ist (§ 519 Abs 2 Satz 2 ZPO).

Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18567

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00605.89.0720.000

Dokumentnummer

JJT_19890720_OGH0002_0070OB00605_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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