TE OGH 1989/7/20 7Ob628/89

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Veröffentlicht am 20.07.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef R***, Landwirt, Trins Nr. 63, vertreten durch Dr.Michael Leuprecht, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Josef G***, Pensionist, Mühlbachl, Statz 21, vertreten durch Dr.Ekkehard Beer und Dr.Kurt Bayr, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18.April 1989, GZ 3a R 143/89-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 2.Jänner 1989, GZ 14 C 3749/87s-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes 1472/1 in EZ 90032 KG Trins, während der Beklagte Eigentümer des angrenzenden Grundstückes 1473 in EZ 95 Trins ist. Zwischen den beiden Grundstücken verläuft ein Weg, der auch vom Beklagten benützt wird. Mit der Behauptung, der Beklagte habe den Weg über die Grundgrenze hinaus ausgedehnt und maße sich demnach auch Rechte an der Liegenschaft des Klägers an, begehrt der Kläger die Feststellung, daß dem Beklagten an einer bestimmten Fläche des Weges und einem weiteren Grundstreifen kein Eigentumsrecht oder sonst wie immer geartetes Recht zustehe, allenfalls die Feststellung, daß dem Beklagten an dieser Fläche weder das Recht des Mähens noch das Recht des Gehens zustehe.

Der Beklagte bestritt das behauptete Eigentum des Klägers an der strittigen Fläche und wendete hilfsweise Ersitzung ein. Das Erstgericht hat dem Hauptbegehren stattgegeben und hiebei im wesentlichen festgestellt, daß sich der Verlauf des Weges öfters geändert hat. Tatsächlich verläuft die Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile in einer geraden Linie, so daß durch die Veränderung des Weges dieser zum Teil auf der Liegenschaft des Klägers liegt. Ungeachtet dieses Umstandes benützt der Beklagte den Weg zumindest seit Beginn der 60er-Jahre auch zum Befahren mit Kraftfahrzeugen. Tatsächlich hat der Beklagte eine andere Möglichkeit, zu seinem Grundstück zu gelangen. Er hat keinerlei Bedarf an dem Weg.

Das Erstgericht ging davon aus, daß der Kläger sein Eigentum an der strittigen Fläche bewiesen habe. Der Beweis der Ersitzung eines Rechtes an dieser Grundfläche sei dem Beklagten nicht gelungen. Dazu komme, daß die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit auch voraussetze, daß sie für den potentiellen Dienstbarkeitsberechtigten nicht nur nützlich, sondern notwendig sei. Den diesbezüglichen Beweis habe der Beklagte nicht erbracht.

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren abgewiesen und hiebei ausgeführt, die vorliegende Streitigkeit gehöre auf den Rechtsweg. Es sei davon auszugehen, daß die Grundstücksgrenze noch nicht in dem nach dem Vermessungsgesetz 1968 neu anzulegenden allgemeinen Grenzkataster aufscheine, weshalb dem beweispflichtigen Kläger durch bloße Berufung auf den Grenzkataster der Beweis seines Eigentums nicht gelungen sei. Aus dem Verfahren ergebe sich, daß zwischen den Streitteilen eine Nutzungsgrenze gegolten habe, indem der Beklagte immer bergwärts, der Kläger aber talwärts gemäht habe. Das Ausmaß des Mähens sei vom jeweiligen Wegverlauf, nicht aber von der in der Natur mit Ausnahme der Grenzpunkte nicht ersichtlichen Mappengrenze abgehangen. Habe aber der Kläger den Beweis seines Eigentums nicht erbracht, so fehle seinem gesamten Begehren die Grundlage. Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Richtig sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß zur Entscheidung über die vorliegende Klage der Streitrichter berufen ist. Nur wenn nach den Behauptungen des eine gerichtliche Entscheidung Begehrenden eine unkenntliche Grenze nach dem letzten ruhigen Besitzstand, allenfalls nach billigem Ermessen festzusetzen ist, hat die Entscheidung im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen. Im streitigen Verfahren ist hingegen zu entscheiden, wenn eine bestimmte Grenze als richtig behauptet wird und deren Verlauf festgestellt werden soll (SZ 54/144). Von der Behauptung eines bestimmten Grenzverlaufes geht aber der Kläger aus. Er begehrt nicht etwa die Festsetzung einer unkenntlich gewordenen Grenze nach dem letzten ruhigen Besitzstand, allenfalls nach billigem Ermessen. Das Berufungsgericht hat auch die Beweislage richtig erkannt. Bei einer Klage nach § 851 Abs. 2 ABGB (§ 372 ABGB) muß der Kläger im Prozeßweg den Nachweis der von ihm behaupteten Grenze erbringen (SZ 57/47 ua). Richtig ist auch, daß die Grundbuchsmappe die Grenze nicht beurkundet, sondern nur ein Beweismittel wie jedes andere ist. Sie ist nur dazu bestimmt, die Lage der Liegenschaften zu veranschaulichen (SZ 56/141, SZ 51/64 ua). Bei der Entscheidung über das Klagebegehren konnte demnach nicht nur von der Grundbuchsmappe ausgegangen werden. Vielmehr war vom Kläger der Beweis seines Eigentums an der strittigen Grundfläche zu erbringen. Dies hat aber bereits das Erstgericht erkannt. Es hat nämlich aufgrund eines von ihm durchgeführten Beweisverfahrens, nicht nur allein aufgrund der Grundbuchsmappe, sondern aufgrund mehrerer Beweismittel das Eigentum des Klägers an der strittigen Fläche ausdrücklich festgestellt. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung negiert und ist feststellungsfremd davon ausgegangen, daß der Kläger sein behauptetes Eigentum nicht bewiesen hat. Damit hat es einen erheblichen Verfahrensverstoß begangen, weil es nicht berechtigt war, von erstrichterlichen Feststellungen ohne Beweiswiederholung abzugehen. Ein derartiger Verfahrensverstoß ist derart bedeutend, daß dadurch die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO erfüllt werden.

Der Kläger hat nun in seiner Revision nur den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht, während, wie bereits dargelegt wurde, das Abgehen von den erstrichterlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung ein Verfahrensverstoß ist. Bei der Beurteilung der Frage, welcher Rechtsmittelgrund herangezogen wird, ist jedoch nicht an der Bezeichnung im Rechtsmittel zu haften. Vielmehr muß das Rechtsmittel als Ganzes betrachtet und danach beurteilt werden, welchem Rechtsmittelgrund die in dem Rechtsmittel enthaltenen Rügen zuzuordnen sind.

In der vorliegenden Revision verweist der Kläger eingehend auf den Umstand, daß nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sein Eigentumsrecht an der strittigen Grundfläche bewiesen worden sei. Er macht geltend, daß die erstrichterlichen Feststellungen demnach das vom Berufungsgericht aufgestellte Erfordernis des Beweises des klägerischen Eigentums decken. Darin ist aber eine Rüge der verfahrensrechtlichen Vorgangsweise des Berufungsgerichtes zu erblicken, weshalb der Oberste Gerichtshof in der Lage war, den Verfahrensverstoß des Berufungsgerichtes aufzugreifen. Dieser ist entscheidend und derart schwerwiegend, daß er zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteiles führen muß. Sollte das Berufungsgericht tatsächlich Bedenken an den erstrichterlichen Feststellungen haben, so wird es seine Sache sein, das Beweisverfahren zu wiederholen und eigene Feststellungen zu treffen. Da derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden kann, wie die Eigentumsfrage zu lösen ist, war auf die weiteren Rechtsfragen nicht einzugehen. Insbesondere mußte sich der Oberste Gerichtshof derzeit nicht mit der Frage auseinandersetzen, aus welcher gesetzlichen Bestimmung das Berufungsgericht die Möglichkeit eines gewissermaßen fluktuierenden Eigentums nach der jeweiligen tatsächlichen Benützung ableiten will. Möglicherweise hatte das Berufungsgericht hier allerdings nicht die Eigentumsfrage, sondern nur die Frage eines allfälligen Benützungsrechtes im Auge. Wäre dies der Fall, dann wäre allerdings die Erledigung der Klage nur auf der Basis des Beweises des Eigentumsrechtes unverständlich. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E18108

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00628.89.0720.000

Dokumentnummer

JJT_19890720_OGH0002_0070OB00628_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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