TE OGH 1989/8/30 9ObA221/89

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Veröffentlicht am 30.08.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Fellner und Dr.Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Stefanie R***, Arbeiterin, Gartenau, Josef-Weißkindstraße 8, vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei N*** R*** Gesellschaft mbH & Co KG, Salzburg, Hannakstraße 1, vertreten durch Dr.Helmut Renner und Dr.Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 2.523,50 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.April 1989, GZ 13 Ra 18/89-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 17.November 1988, GZ 20 Cga 115/88-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.767,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 274,56 Umsatzsteuer und S 120,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

§ 11 Abs 5 und 6 des maßgeblichen Kollektivvertrages sehen eine Aliquotierung der Weihnachtsremuneration nur im Fall der Begründung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Kalenderjahres entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit vor. Der Kollektivvertrag stellt daher eindeutig nur auf die Dauer des Dienstverhältnisses ab. Die von der beklagten Partei vertretene Auffassung, daß als Dienstzeit nur die Zeiten der aktiven Arbeitsleistung, nicht jedoch Krankenstandszeiten zu werten seien und dementsprechend eine Aliquotierung vorzunehmen sei, läßt sich aus den Bestimmungen des Kollektivvertrages nicht begründen. § 12 KV bezieht sich nur auf Zuschüsse zum Krankengeld. Aus dieser Norm, die im übrigen in wesentlichen Teilen durch das EFZG überholt ist, kann zur Frage der Berechtigung des hier geltend gemachten Anspruches nichts abgeleitet werden. Eine extensive Interpretation der Aliquotierungsvorschrift des Kollektivvertrages auf innerhalb eines Kalenderjahres liegende Krankenstandszeiten kommt nicht in Betracht, weil diese Normen ausschließlich auf Beginn und Ende des Dienstverhältnisses Bezug nehmen und daher andere Sachverhalte zum Gegenstand haben. Aus den Bestimmungen des Kollektivvertrages läßt sich kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß die Aliquotierungsvorschriften auf Zeiten eines Krankenstandes oder auch nur ähnliche Fälle Anwendung zu finden hätten. Auf die Frage, ob eine solche allfällige Kollektivvertragsbestimmung zwingendes Recht des EFZG verletzt und daher nichtig ist, braucht daher nicht eingegangen zu werden. Auch eine Analogie zu § 14 Abs 4 MSchG kann nicht mit Erfolg gezogen werden. Nach dieser Norm bestehen gegenüber dem Arbeitgeber in einem Kalenderjahr, in das Zeiten des Wochengeldbezuges fallen, nur der aliquote Anspruch auf Sonderzahlung. Für die Zeiten des Wochengeldbezuges werden die anteiligen Sonderzahlungen gemäß § 162 Abs 3 und 4 ASVG in dieses einbezogen; eine gleichartige Regelung findet sich für die Bemessung des Krankengeldes im § 125 Abs 3 ASVG. Die Regelung des § 14 Abs 4 MSchG hat zum Ziel, eine Doppelliquidierung der Sonderzahlungen - einerseits durch den Zuschlag zum Wochengeld gemäß § 162 Abs 4 ASVG und andererseits durch Berücksichtigung der Zeiten auch bei Leistung der Sonderzahlungen durch den Dienstgeber - zu verhindern. Primäre Voraussetzung einer ergänzenden Rechtsfindung durch Analogie ist das Vorliegen einer Gesetzeslücke (Bydlinski in Rummel Rz 2 zu § 7 ABGB). Eine Lücke im Rechtssinn ist dann gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müßte. Eine Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürfig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (Koziol-Welser8 I 24). Ist eine Lücke festgestellt, so ist die Lückenfüllung durch Gesetzesanalogie zulässig. Hier wird die für einen bestimmten Einzeltatbestand angeordnete Rechtsfolge auf einen dem Wortlaut nach nicht geregelten Sachverhalt erstreckt, weil nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung anzunehmen ist, daß der geregelte und der ungeregelte Fall in der maßgeblichen Voraussetzung übereinstimmen (Koziol-Welser aaO 25). Der Umstand, daß es sich bei § 14 Abs 3 MSchG um eine Sonderbestimmung handelt, stünde grundsätzlich einer Analogie nicht im Weg. Auch Ausnahmebestimmungen sind der analogen Rechtsanwendung zugänglich, soweit der Rahmen der engeren ratio der Ausnahmeregel eingehalten wird (SZ 52/148 mwH). Nun trifft es wohl zu, daß § 125 Abs 3 ASVG und § 162 Abs 4 ASVG bezüglich der Berücksichtigung der Sonderzahlungen im Zuschlagsweg gleichartige Regelungen enthalten. Auch im Fall des Krankengeldbezuges werden die Sonderzahlungen durch einen Zuschlag zum Krankengeld berücksichtigt. Bei Einbeziehung dieser Zeiten als Dienstzeiten für die Frage der Sonderzahlungen entsteht ein Doppelbezug, dessen Verhinderung die Norm des § 14 Abs 4 MSchG für den Fall des Wochengeldbezuges zum Ziel hat. Der entscheidende Unterschied besteht aber darin, daß der Anspruch auf Wochengeldbezug für einen gesetzlich vorbestimmten längeren Zeitraum besteht, wobei überdies die Höhe des Wochengeldes (gem § 162 Abs 3 ASVG gebührt dieses in der Höhe des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes in den letzten 13 Wochen) für unselbständig Erwerbstätige über der des Krankengeldes liegt, sodaß hier ein besonderes Regelungsbedürfnis vorhanden war. Daraus, daß der Gesetzgeber für den Fall des Bezuges des Wochengeldes, das für einen Zeitraum von 16 Wochen und 1 Tag zusteht, eine Nichtberücksichtigung der Zeiten dieses Bezuges für die Gewährung der Sonderzahlungen vorschreibt, kann nicht abgeleitet werden, daß er eine Aliquotierung für alle Fälle vorsehen wollte, in denen es zufolge der Zuschlagsregelung des § 125 Abs 3 ASVG zu Doppelbezügen kommt, zumal das auch betragsmäßig geringere Krankengeld häufig nur für erheblich kürzere Zeiträume bezogen wird. Der Fall des Wochengeldbezuges unterscheidet sich daher vom Fall des Krankengeldbezuges in den wesentlichen Voraussetzungen in einem Maß, das eine Analogie nicht zuläßt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18319

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00221.89.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19890830_OGH0002_009OBA00221_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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