TE OGH 1989/9/5 15Os81/89

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Veröffentlicht am 05.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.September 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert F*** wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Herbert F*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Februar 1989, GZ 6 e Vr 1959/88-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Herbert F*** und des Verteidigers Dr. Doschek zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert F*** (zu A.) des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB sowie der Vergehen (zu B.) des versuchten Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 15, 212 Abs 1 StGB, (zu C.) der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB, (zu D.) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, (zu E.) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und (zu F.) des (in insgesamt zwei Fällen) teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls (von Sachen im Gesamtwert von rund 1.600 S) nach §§ 127 und 15 StGB schuldig erkannt.

Den zuerst relevierten drei Schuldsprüchen zufolge hat er in Wien

A. versucht, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen, indem er die am 17.Juni 1975 geborene Claudia M*** dazu aufforderte, an ihm einen Mundverkehr vorzunehmen, und zwar

I. am 10.Februar 1988, indem er ihr zurief, sie solle ihm einen "blasen"; sie solle seinen "Guriz" in den Mund nehmen und daran lutschen; wenn sie ihm einen "blase", kaufe er ihr eine Stereoanlage; sowie

II. am 11.Februar 1988 durch die Aufforderung, ihm einen zu "blasen";

B. am 10. und 11.Februar 1988 durch die unter A. angeführten Handlungen versucht, eine seiner Aufsicht unterstehende minderjährige Person unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber zur Unzucht zu mißbrauchen; sowie

C. am 10.Februar 1988 versucht, Claudia M*** durch gefährliche Drohung, und zwar zumindest mit einer Verletzung am Körper, zu einer Unterlassung zu nötigen, indem er ihr einschärfte, über den unter A.I. angeführten Vorfall ihrer Mutter nichts zu erzählen, sonst würde er jene, sie selbst und ihre kleinen Geschwister umbringen.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen diese Schuldsprüche erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Von einer "aktenwidrigen" Urteilsannahme (Z 5) dahin, daß die Aussagen der Zeugin Claudia M*** "widerspruchsfrei" seien, kann schon deswegen keine Rede sein, weil das Erstgericht dementgegen die Würdigung der in den verschiedenen Verfahrensphasen deponierten Bekundungen der Genannten über das Tatgeschehen zu den Fakten A./B. und C. ohnehin bloß mit der Wendung resümierte, sie habe ihre Erlebnisse "im großen und ganzen" widerspruchsfrei geschildert (US 10).

Der Umstand, daß das Kind nicht durchwegs völlig gleichlautende Angaben gemacht hat, ist demnach sehr wohl in den Kreis der beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichtes eingeflossen; zu einer detaillierten Erörterung der insoweit - unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit des Urteils

(Z 5) - relevierten späteren Präzisierung der ersten Angaben des Tatopfers aber war das Erstgericht im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe nach Lage des Falles nicht verhalten (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S*** hinwieder, wonach bei der Untersuchung des Mädchens nicht nur keinerlei Hinweise darauf, daß es lüge oder phantasiere, sondern auch in sexueller Hinsicht eine besondere Erregtheit oder ein besonderes Interesse nicht exploriert wurden, konnte durchaus im Einklang mit den Denkgesetzen und mit allgemeiner Lebenserfahrung (Z 5) eines von mehreren Indizien für die Richtigkeit der den Beschwerdeführer belastenden Darstellung der Claudia M*** abgeleitet werden (US 9/10, 11).

Gleiches gilt für den guten persönlichen Eindruck, den das Erstgericht von der genannten Zeugin gewann (US 10); der gegen die darauf bezogene Urteilsbegründung erhobene Beschwerdeeinwand (Z 5) ist - ganz abgesehen davon, daß die in jenem Zusammenhang relevierte Passage (US 8) die Zeugin Ingrid M*** betrifft - jedenfalls deswegen nicht zielführend, weil sich ein derartiger Eindruck in aller Regel nicht vollständig mit Worten erfassen und rational begründen läßt, dementsprechend aber auch seinem Wesen gemäß keiner weiteren beweismäßigen Grundlage bedarf.

Die Mängelrüge geht demnach in jede Richtung hin fehl. Nicht gesetzmäßig ausgeführt jedoch ist die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gegen die Schuldsprüche zum Faktum A.I./B. insofern, als der Angeklagte bei der Beschwerdeansicht, seine erste Aufforderung an Claudia M*** zu einem Oralverkehr sei als straflose bloße Vorbereitungshandlung zu beurteilen, von der urteilsfremden Prämisse ausgeht, er habe mit dieser Aufforderung nicht auf eine noch für denselben Tag geplante Tatausführung abgezielt; hat doch das Schöffengericht dementgegen unmißverständlich als erwiesen angenommen, daß er die Unmündige damit zur sofortigen Begehung der Unzuchtshandlungen zu veranlassen trachtete, indem er seine Erlaubnis, um die sie ihn bat, mit einer Freundin reiten gehen zu dürfen, zunächst von ihrer vorherigen Mitwirkung am Oralverkehr abhängig machte, und daß er sich erst nach der mittlerweiligen Heimkehr ihrer Schwester mit ihrer nunmehrigen, in Wahrheit bloß vorgetäuschten Zusage, ihm am nächsten Tag willfährig zu sein, begnügte (US 6). Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können indessen nur durch einen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargetan werden.

Mit dem weiteren Einwand schließlich, die ihm angelasteten Aufforderungen an Claudia M*** zur Unzucht (A.I. und II./B.) hätten jeweils "überhaupt nicht zu einer Tatausführung dienen" können, weil während seiner ersten derartigen Äußerung ihre jüngere Schwester in die Wohnung gekommen sei und vor dem Haus ihre Freundin sowie deren Mutter auf sie gewartet hätten, weil ferner am folgenden Tag die kurzfristige Rückkehr ihres Bruders zu erwarten gewesen sei und weil demgemäß in beiden Fällen die Gefahr der Entdeckung bestanden hätte, reklamiert der Beschwerdeführer der Sache nach zu beiden Fakten eine absolute Untauglichkeit des Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB). Diese Rechtsansicht ist freilich verfehlt, weil die bloße Gefahr der Entdeckung einer Tat oder der Betretung des Täters bei ihrer Begehung keineswegs zur Folge hat, daß ihre Ausführung unter keinen Umständen möglich wäre.

Soweit aber der Angeklagte solcherart die Richtigkeit jener Urteilsfeststellungen in Zweifel zu ziehen trachtet, nach denen er mit seinen inkriminierten Aufforderungen zur Unzucht jeweils auf eine unmittelbar darauffolgende Tatausführung abgezielt hat, vermag er aus den Akten resultierende erhebliche Bedenken dagegen (Z 5 a) nicht zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 207 Abs 1 StGB zu fünfzehn Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es den Umstand, daß seine strafbare Handlung im Faktum A. beim Versuch geblieben ist, und sein Geständnis zum Faktum F. als mildernd, sein getrübtes Vorleben, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen sowie die Wiederholung des Unzuchtsversuchs und (obgleich nicht bis zur Vollendung) auch des Diebstahls hingegen als erschwerend. Eine bedingte Strafnachsicht zog es im Hinblick auf sein Vorleben und auf seinen Lebenswandel nicht in Betracht.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung sowie die Verhängung einer "teilbedingten Strafe" oder die Gewährung bedingter Strafnachsicht "zur Gänze" anstrebt, erweist sich gleichfalls als nicht zielführend.

Zwar ist dem Berufungswerber einzuräumen, daß sein strafbares Verhalten auch in den Fakten B., C. und F.II. beim Versuch geblieben ist, doch entspricht sein Wohlverhalten innerhalb eines Zeitraums von (nunmehr) rund neunzehn Monaten seit den abgeurteilten Straftaten keineswegs schon den Voraussetzungen des § 34 Z 18 StGB. Sein Geständnis zum Diebstahl aber hat ihm das Schöffengericht ohnehin als mildernd zugute gehalten.

Sachgemäßes Abwägen der darnach aktuellen Strafzumessungsgründe führt zum Ergebnis, daß das Erstgericht die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe trotz der (nunmehr korrigierten) unvollständigen Erfassung der Milderungsumstände im Hinblick auf seine acht sowohl in bezug auf seine Sittlichkeitsdelinquenz als auch in Ansehung seiner Gewalttätigkeit und seiner Eigentumsgefährlichkeit (in verschiedener Häufigkeit) einschlägigen, zum Teil empfindlichen Vorstrafen sowie auf die von ihm hier zu verantwortende Deliktshäufung innerhalb des bis zu fünf Jahren reichenden Freiheitsstraf-Rahmens mit fünfzehn Monaten keineswegs zu hoch ausgemessen hat.

Ebenso hat es die Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB), sei es auch nur in bezug auf einen Teil der Strafe (§ 43 a Abs 2 oder Abs 3 StGB), mit Rücksicht auf das Vorleben des Angeklagten aus Gründen der Spezialprävention mit Recht abgelehnt, weil darnach ungeachtet dessen, daß er im vorliegenden Verfahren bereits fünf Monate in Untersuchungshaft angehalten wurde, nicht anzunehmen ist, daß die bloße Androhung des Strafvollzuges allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E18252

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00081.89.0905.000

Dokumentnummer

JJT_19890905_OGH0002_0150OS00081_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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