TE OGH 1989/9/6 1Ob642/89

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Veröffentlicht am 06.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Melitta T***, 2.) Herbert T***, beide Hotel- und Restaurantbesitzer, Podersdorf am See, beide vertreten durch Dr. Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Großgemeinde P*** AM SEE, 2.) Karl K***, 3.) Katharina K***, beide Gastwirte, Podersdorf am See, Seestraße 16, sämtliche vertreten durch Dr. Walter Boss, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wegen Entfernung und Unterlassung (Streitwert S 310.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17.April 1984, GZ 12 R 83/84-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 5.Jänner 1984, GZ 3 Cg 407/83-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit S 13.879,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.174,50 Umsatzsteuer und S 960 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die erstbeklagte Gemeinde ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 143 KG Podersdorf am See, zu deren Gutsbestand u.a. das Grundstück 6237/2 gehört. Mit Kaufvertrag vom 19.6.1965 verkaufte die erstbeklagte Partei den Rechtsvorgängern der Kläger Martin und Aloisia L*** das Grundstück 6237/83. Punkt VIII des Kaufvertrages lautet: "Das kaufgegenständliche Grundstück liegt in ungefähr 100 m Entfernung annähernd parallel zum Ufer des Neusiedler Sees. Die Verkäuferin verpflichtet sich und ihre Rechtsnachfolger im Besitze des Grundstückes 6237/2, derzeit eingetragen in Einlagezahl 143 Grundbuch Podersdorf am See, dem kaufgegenständlichen Grundstück 6237/83 im Sinne der beigehefteten Skizze in einer Breite von 20 m zum Seeufer das Licht, die Luft und die Aussicht in keiner Weise zu entziehen oder sei es durch Errichtung von Gebäuden und Einzäunungen oder Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern auch nur zu schmälern. Die Verkäuferin räumt daher dem Kaufobjekte die Dienstbarkeit der Aussicht im Umfange der Bestimmungen dieses Absatzes ein und die Käufer erklären die Vertragsannahme. Vereinbart wird, daß die auf der von der Servitutseinräumung betroffenen Grundfläche derzeit befindlichen Bäume und Sträucher weiterhin stehen bleiben können..."

Diese Dienstbarkeit ist in COZ 12 der EZ 143 KG Podersdorf am See einverleibt und im A 2-Blatt der EZ 2115 KG Podersdorf am See ersichtlich gemacht. Seit dem Jahre 1965 wurden auf dem 20 m breiten Servitutsstreifen keine Bäume und Sträucher gepflanzt. 1973/74 wurde auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses der erstbeklagten Partei etwa 3 m von der Grundstücksflucht der Kläger entfernt ein 1,2 m hoher, grün gestrichener Drahtmaschenzaun errichtet, der an je 2,5 m voneinander entfernten Stehern befestigt ist. Martin und Aloisia L*** wurden vor Errichtung des Zaunes über die Absicht der Gemeinde informiert bzw. befragt. Sie unternahmen aber dagegen nichts, weil sie es für aussichtslos hielten. Durch die Errichtung des Maschendrahtzaunes war ein freier Zugang vom Grundstück zum See nicht mehr möglich.

Die Kläger sind auf Grund des Übergabsvertrages vom 23.12.1975 je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 2115 KG Podersdorf am See mit dem Grundstück 6237/83. Im Jahre 1976 beabsichtigten die Kläger, von der erstbeklagten Partei einen anschließenden Grundstücksteil zu erwerben. Mit Schreiben vom 10.12.1976 teilte die erstbeklagte Partei den Klägern mit, daß sie bereit wäre, dieses Grundstück um den Preis von S 720 pro m2 zu verkaufen, bei Kauf des Grundstückes müßten die Kläger auf die bestehende Aussichtsservitut verzichten. Auch im Jahr 1981 erklärte sich die erstbeklagte Partei nur dann bereit, einen Grundstücksteil an die Kläger zu verkaufen, wenn diese auf die Dienstbarkeit zur Gänze verzichteten. Zum Ankauf des Grundstückes durch die Kläger kam es aber nicht. Im März 1978 führte die erstbeklagte Partei Gespräche über die Errichtung einer Fußgängerzone auf der Seezufahrtsstraße.

Die Kläger begehren mit der am 31.8.1983 eingebrachten Klage die Fällung des Urteiles, die erstbeklagte Partei sei schuldig, den quer zur freien Aussicht auf den Neusiedler See errichteten Zaun zu beseitigen und die seit 1965 gepflanzten Bäume und Sträucher abzureißen; der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte seien schuldig, sämtliche innerhalb des 20 m breiten Streifens befindlichen Kraftfahrzeuge zu entfernen; alle Beklagte seien schuldig, derartige Störungen in Hinkunft zu unterlassen. Die Errichtung des Zaunes verstoße gegen die Dienstbarkeit. Das Abstellen von Kraftfahzeugen sei nicht einvernehmlich erfolgt. Das Bestehen der Servitut sei noch 1981 von der erstbeklagten Partei anerkannt worden. Die beklagten Parteien wendeten ein, die Errichtung des Maschendrahtzaunes stelle keine Beeinträchtigung der Aussicht dar, Bäume oder Sträucher seien nach Einräumung der Dienstbarkeit nicht gepflanzt worden, das Abstellen von Kraftfahrzeugen sei einvernehmlich erfolgt, im übrigen wären allfällige Zuwiderhandlungen verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Maschendrahtzaun bewirke nach den persönlichen Wahrnehmungen des Gerichtes anläßlich des Augenscheines keine nennenswerte Beeinträchtigung der freien Aussicht zum Seeufer. Allerdings sei durch den Zaun der freie Zugang vom See zum Gastgarten der Kläger unterbunden. Mit dem Abstellen von Fahrzeugen durch die Zweit- und Drittbeklagten seien die Kläger einverstanden gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht folge. Erst mit seinem Berichtigungsbeschluß vom 27.7.1989 sprach es aus, der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden habe, übersteige sowohl beim Anspruch gegen die erstbeklagte Partei als auch bei dem gegen den Zweit- und gegen die Drittbeklagte je den Betrag von S 300.000. § 1488 ABGB bestimme, daß das Recht der Dienstbarkeit durch den Nichtgebrauch verjähre, wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung der Servitut widersetze und der Berechtigte durch drei aufeinanderfolgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht habe. Die Errichtung des Zaunes sei als Widersetzung zu werten. Ob die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger stillschweigend der Errichtung des Zaunes zugestimmt hätten, könne offen bleiben, wesentlich sei, daß sie sich dagegen tatsächlich nicht innerhalb der Frist des § 1488 ABGB zur Wehr gesetzt hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger, mit der zwar die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des gesamten Klagebegehrens beantragt wird, die aber inhaltlich nur Ausführungen zum Begehren auf Beseitigung des Maschendrahtzaunes (und dem damit im Zusammenhang stehenden Unterlassungsbegehren) enthält, ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat, wenn auch im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung, festgestellt, daß gemäß seinen Wahrnehmungen anläßlich des Augenscheines der errichtete Maschendrahtzaun keine nennenswerte Beeinträchtigung der Dienstbarkeit der freien Aussicht zum Seeufer bewirkt. Ist aber der Blick zum See durch den 1,2 m hohen Maschendrahtzaun nicht beeinträchtigt, liegt eine Störung in der Ausübung der eingeräumten Dienstbarkeit nicht vor (vgl. SZ 53/149); daß durch den Zaun Benützer des Badestrandes des Sees am direkten Zugang zum Gastgarten der Kläger gehindert werden, bildet keine Störung der Aussichtsservitut.

Im übrigen wäre ein Zuwiderhandeln der erstbeklagten Partei gemäß § 1488 ABGB auch verjährt. Auch Dienstbarkeiten, die nur ein Unterlassen zum Gegenstand haben, verjähren gemäß § 1488 ABGB, wenn auf dem dienenden Grundstück für den Berechtigten wahrnehmbar der Verpflichtung zuwidergehandelt wird, ohne daß von den Eigentümern des herrschenden Grundstückes das Recht auf Beseitigung geltend gemacht wird (SZ 28/94; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1488; Mader in Schwimann, ABGB, Rz 2 zu § 1488). Wird ein Hindernis errichtet, das die Ausübung der Dienstbarkeit nur beschränkt, so führt die Freiheitsersitzung zu einer Einschränkung der Servitut (MietSlg 34.304; SZ 48/74; Schubert aaO; Mader aaO Rz 4). Geltendmachen des Rechtes nach § 1488 ABGB bedeutet Anrufung des Gerichtes (RZ 1983/8; RZ 1966/88; Mader aaO Rz 7). Der Maschendrahtzaun wurde bereits 1974 errichtet, ohne daß die Kläger oder ihre Rechtsvorgänger ihr behauptetes Recht, seine Errichtung verstoße gegen die Aussichtsdienstbarkeit, gerichtlich geltend gemacht hätten. Die Voraussetzungen nach § 1488 ABGB lägen daher vor. Daß die erstbeklagte Partei ein Recht der Kläger, die Entfernung des Zaunes zu verlangen, anerkannt hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18477

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00642.89.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19890906_OGH0002_0010OB00642_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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