TE OGH 1989/9/12 4Ob71/89

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Veröffentlicht am 12.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***-S*** ZUR

F*** L*** W*** IM IN- UND A***, Salzburg,

Imbergstraße 17, vertreten durch Dr.Wolf Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg wider die beklagte Partei B*** Warenhandel Aktiengesellschaft, Wiener Neudorf, Industriezentrum NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16, vertreten durch Dr.Michael Auer und Dr.Ingrid Auer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert: 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11.Jänner 1989, GZ 3 R 262/88-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 5.Juli 1988, GZ 1 Cg 419/87-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.317,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.886,30 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt auch im Bundesland Salzburg in mehreren Filialen den Einzelhandel mit Waren (insbesondere mit Lebensmitteln), darunter auch eine solche Filiale in Saalfelden neben dem "Shopping-Center" und eine andere in St.Johann im Pongau. Sie hielt diese beiden Filialen am 24.September 1987 (dem sogenannten "Rupertitag") offen und beschäftigte dabei Handelsangestellte, die bei der Salzburger Gebietskrankenkasse gemeldet waren; in beiden Filialen entfaltete sie am 24.September 1987 ihre übliche Geschäftstätigkeit.

Punkt IV. des zwischen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg, Sektion Handel, und der Gewerkschaft der Privatangestellten, Landesgruppe Salzburg, Sektion Handel, Verkehr, Vereine und Fremdenverkehr, abgeschlossenen und mit 1.Jänner 1986 in Kraft getretenen "Zusatzkollektivvertrages für die Handelsangestellten Salzburg" lautet wie folgt:

"Beschäftigung an den Samstagen vor Weihnachten

Handelsbetriebe, die an mindestens einem der auf Grund der geltenden Ladenschlußregelung verkaufsoffenen Samstagnachmittage vor dem 24.Dezember ihren Betrieb offenhalten können, haben den am 24. September (Rupertitag) desselben Kalenderjahres im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern an diesem Tag ganztägig freizugeben. Damit sind die Dienstleistungen an den beiden letzten Samstagnachmittagen vor dem 24.Dezember abgegolten. Für die beiden anderen Samstagnachmittage vor Weihnachten erfolgt die Abgeltung durch Befreiung von der Dienstleistung an zwei Halbtagen im Jänner des folgenden Jahres.

Wenn Arbeitnehmer, die am Rupertitag des gleichen Jahres Freizeit erhalten haben, nur an einem verkaufsoffenen Samstagnachmittag vor Weihnachten bzw überhaupt nicht beschäftigt werden, haben sie einen bzw zwei Halbtage, unter Beachtung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr.461/69 einzuarbeiten. Fällt der Rupertitag auf einen Samstag, so ist für die Dienstleistungen an den letzten zwei Samstagen vor Weihnachten den Dienstnehmern im Jänner zusätzlich ein bezahlter freier Halbtag zu gewähren.

Fällt der Rupertitag auf einen Sonntag, so ist für Dienstleistungen an den letzten zwei Samstagnachmittagen vor Weihnachten an einem Wochentag im Jänner ein bezahlter freier Tag zu gewähren.

Diese Regelung gilt sinngemäß für Arbeitnehmer, die erst nach dem 24.September in den Betrieb eingetreten sind.

Neben dieser Freizeit ist für Dienstleistungen an den Samstagnachmittagen vor Weihnachten, soferne dadurch die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden überschritten wird, ein Überstundenzuschlag zu bezahlen.

Dieser Zuschlag beträgt gemäß dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs 100 % des Grundstundenlohnes. Der Grundstundenlohn selbst gilt durch die Freizeitgewährung nach den vorstehenden Absätzen als abgegolten."

Die kollektivvertragliche Regelung, daß am 24.September (Rupertitag) von den Handelsbetrieben als Ausgleich für das Offenhalten der Geschäfte an den beiden Samstagnachmittagen vor dem 24. Dezember freizugeben ist, besteht seit 1963.

Zumindest zwei Wochen vor dem 24.September 1987 wurde an alle Haushalte im Pinzgau mit einer Postwurfsendung die Eröffnung des "Shopping-Centers Saalfelden" für den 24.September 1987 (Rupertitag) angekündigt. Die Beklagte, deren Filiale in Saalfelden schon vor dem Neubau des "Shopping-Centers" bestanden hatte, schien in dieser Postwurfsendung neben zahlreichen anderen Unternehmen auf. Ihre Geschäftsleitung hatte zumindest 10 Tage vor dem 24.September 1987 Kenntnis von diesem Flugblatt.

Nachdem der klagende Verband von dieser Postwurfsendung erfahren hatte, versandte er am 17.September 1987 ein Rundschreiben, das auch die Geschäftsleitung der Beklagten erhalten hat. Darin wurde unter Hinweis auf Verlautbarungen und Rundschreiben der Salzburger Handelskammer - so auch in der Zeitschrift "Salzburger Wirtschaft" Nr.37 und 38 -, auf den Zusatzkollektivvertrag und eine seit 30 Jahren bestehende Branchenübung die Ansicht vertreten, daß das Offenhalten der Geschäfte am 24.September 1987 und die Ankündigung dieser Aktion gegen § 1 UWG verstoße. Die Beklagte wurde ersucht, von der Eröffnung des "Shopping-Centers" und dem Offenhalten der Geschäfte sowie von der Beschäftigung von Angestellten am kommenden Rupertitag Abstand zu nehmen und dies bis spätestens 22.September 1987 schriftlich zu bestätigen. Für den Fall des Zuwiderhandelns werde der Kläger alle ihm zur Verfügung stehenden Schritte zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruches einleiten. In den Ausgaben Nr.37 und 38 des Jahrganges 1987 der allen Mitgliedern der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg zugehenden Zeitschriften "Salzburger Wirtschaft" wies die Sektion Handel unter Bezugnahme auf den Zusatzkollektivvertrag darauf hin, daß als Ausgleich für zwei verkaufsoffene Samstagnachmittage im Dezember (u.a.) alle Handelsbetriebe in Stadt und Land Salzburg am Rupertitag geschlossen bleiben.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte durch das Offenhalten ihrer beiden Verkaufsstellen in Saalfelden und St.Johann im Pongau entgegen Punkt IV. des Zusatzkollektivvertrages und darüber hinaus auch entgegen einem seit ca 30 Jahren bestehenden Handelsbrauch, nach welchem sämtliche Handelsunternehmen im Bundesland Salzburg am Rupertitag ihre Geschäftslokale geschlossen hielten und den Handelsangestellten diesen Tag frei gäben, gegen § 1 UWG verstoßen habe, beantragt der klagende Wettbewerbsverband, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, ihre Handelsbetriebe im Bundesland Salzburg, insbesondere ihre Geschäftslokale im Shopping-Center in Saalfelden und in St.Johann im Pongau, am Salzburger Landesfeiertag (Rupertitag = 24.September) geöffnet zu halten und Geschäftstätigkeiten durchzuführen.

Für den Fall der Abweisung dieses Hauptbegehrens stellt der Kläger das Eventualbegehren, die Beklagte sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, in ihren Handelsbetrieben im Bundesland Salzburg, insbesondere in Saalfelden und in St.Johann im Pongau, am Salzburger Landesfeiertag (Rupertitag = 24.September) zur Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit in diesen Handelsbetrieben Dienstnehmer zu beschäftigen, auf deren Dienstverhältnis die Kollektivverträge für Handelsangestellte im Bundesland Salzburg, insbesondere der ab 1.Jänner 1986 gültige Zusatzkollektivvertrag, anzuwenden ist.

Sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Eventualbegehren verbindet der Kläger den Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im Textteil einer Sonntagausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung", Ausgabe Salzburg.

Die Beklagte stellt jeden Wettbewerbsverstoß in Abrede und beantragt die Abweisung der Klagebegehren. Ihr Verhalten sei durch Punkt IV. des Zusatzkollektivvertrages - welcher im übrigen keinen wettbewerbsregelnden Charakter aufweise - gedeckt; dies könne zumindest mit gutem Grund vertreten werden. Sie habe ihren Handelsangestellten anstelle des 24.September 1987 am Samstag, dem 19. Dezember 1987, ganztägig freigegeben und ihnen darüber hinaus in der Zeit vom 28.Dezember bis 31.Dezember 1987 variabel eine Arbeitszeit von zwei Stunden "geschenkt". Diese Vereinbarung sei für die Dienstnehmer günstiger gewesen als die Regelung des Zusatzkollektivvertrages. Ein Handelsbrauch über das Geschlossenhalten von Geschäften am 24.September bestehe nicht; er könnte im übrigen nur örtlich beschränkte Geltung haben. Läge ein solcher Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte tatsächlich vor, so hätte sich die Aufnahme des Rupertitages in den Zusatzkollektivvertrag erübrigt. Die Beklagte sei zum Offenhalten verpflichtet gewesen, "um noch größeren Schaden von sich abzuwenden, als wenn sie geschlossen gehabt hätte" (ON 4 S 38); sie sei ohne ihr Wissen und ihren Willen auf das Flugblatt des "Shopping-Centers Saalfelden" gesetzt worden (ON 4 S 37).

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, ihre Handelsbetriebe im Bundesland Salzburg, insbesondere ihre Geschäftslokale in Saalfelden und St.Johann im Pongau, am 24. September (sogenannter "Rupertitag") geöffnet zu halten und Geschäftstätigkeiten durchzuführen; der Kläger wurde zur Urteilsveröffentlichung im Textteil einer Ausgabe der "Pongauer Nachrichten" und einer Ausgabe der "Pinzgauer Nachrichten" ermächtigt. Das Erstgericht beurteilte den von ihm festgestellten, eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß die Beklagte durch die Mißachtung des Punktes IV. des - als an sich wettbewerbsneutrale Arbeitszeitvorschrift zu

wertenden - Zusatzkollektivvertrages gegen § 1 UWG verstoßen habe. Sie habe in zwei Fällen "und von langer Hand geplant" ihre Filialen am Rupertitag geöffnet gehalten, obwohl der überwiegende Teil der Mitbewerber seine Geschäfte - entsprechend einer seit 1963 bestehenden Übung - geschlossen hielt. Es bestehe daher kein Zweifel an der Absicht der Beklagten, sich mit ihrem Verhalten gegenüber den gesetzestreuen Mitbewerbern einen Vorsprung zu verschaffen. Das Berufungsgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren sowie das damit verbundene Urteilsveröffentlichungsbegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes bei jedem einzelnen Begehren 15.000 S und insgesamt 300.000 S übersteige. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als unbedenklich und ergänzte sie wie folgt:

Der "Rupertitag" - der 24.September - ist seit vielen Jahrzehnten der Landesfeiertag im Bundesland Salzburg. An diesem Tag wird das Gedenken an die beiden Landespatrone Rupert und Virgil feierlich begangen. Der Landesfeiertag wurde in früheren Jahrzehnten vor allem in den Landgemeinden als Feiertag gehalten, den auch ein großer Teil der Betriebe verschiedener Branchen arbeitsfrei hielt. Auf Wunsch des Erzbischofs und des Landeshauptmannes erklärte sich die Sektion Handel bereit, diesen auf dem Land schon lange üblichen Feiertag für den gesamten Einzelhandel als arbeitsfreien Tag festzulegen. Dies geschah erstmals im Jahr 1959 im Salzburger Zusatzkollektivvertrag für die Handelsangestellten. Seither halten alle Einzelhandelsbetriebe am "Rupertitag" ihre Betriebe geschlossen, und dieses Verhalten führte im Handel zu einem fest verankerten, allgemein bekannten Handelsbrauch. Auch Großhandelsbetriebe haben sich weitgehend dieser Übung angeschlossen. Die Beklagte schloß mit ihrem Zentralbetriebsrat eine Vereinbarung, derzufolge den am Rupertitag 1987 beschäftigten Dienstnehmern als Ausgleich der letzte lange Einkaufssamstag vor Weihnachten 1987, also der 19.Dezember 1987, ganztägig freigegeben wurde. Darüber hinaus wurden den betroffenen Dienstnehmern an einem Tag ihrer Wahl zwischen dem 28.Dezember und dem 31.Dezember 1987 zwei Stunden freigegeben.

Auf dem Flugblatt, mit dem die Eröffnung des "Shopping-Centers Saalfelden" angekündigt wurde, scheinen außer der Beklagten noch weitere sieben Geschäfte und ein Cafe-Pub auf; alle diese Geschäfte haben am Rupertitag 1987 offengehalten. Die Beklagte war ohne ihr Wissen auf dieses Flugblatt gesetzt worden.

Die Beklagte hielt ihre Filiale in St.Johann im Pongau am Rupertitag 1987 deshalb offen, weil der von ihr damals mit der Inspektion der Filialen in Salzburg betraute Wolfgang P*** damit rechnete, daß der örtliche SPAR-Markt ebenfalls offenhalten werde; das traf aber nicht zu. Wegen eines Zugunfalles, bei dem er verletzt worden war, erlangte Wolfgang P*** hievon erst nachträglich Kenntnis.

Mit Ausnahme ihrer Filialen in Saalfelden und St.Johann im Pongau waren alle übrigen Filialen der Beklagten einschließlich der gleichfalls zum "BILLA-Konzern" gehörigen "BIPA"- und "MERKUR"-Märkte im Bundesland Salzburg am Rupertitag 1987 geschlossen.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Berufungsgericht einen Verstoß der Beklagten gegen Punkt IV. des Zusatzkollektivvertrages. Dieser sei keine den Ladenschluß regelnde Norm und betreffe auch nur den Zeitausgleich für die beiden letzten Einkaufssamstage vor Weihnachten, nicht aber den Ladenschluß am Rupertitag. Davon abgesehen, habe die Beklagte mit ihrem Zentralbetriebsrat eine gemäß § 3 Abs 1 ArbVG zulässige Sondervereinbarung getroffen, die für ihre Dienstnehmer günstiger gewesen sei, sei ihnen doch anstelle eines Donnerstags im September ein ganzer Einkaufssamstag zuzüglich zweier Stunden zwischen Weihnachten und Neujahr freigegeben worden. Auch mit dem bewußten Verstoß gegen den Brauch, wonach im Bundesland Salzburg die Einzelhandelsgeschäfte am Rupertitag geschlossen sind, habe die Beklagte den guten Sitten im Sinne des § 1 UWG nicht zuwidergehandelt. Sie habe sich dadurch weder einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen wollen, noch könne ihr Verhalten als planmäßig bezeichnet werden; sie habe sich vielmehr nur lokal gegen einzelne Verstöße anderer zur Wehr setzen wollen. Reine Abwehrmaßnahmen seien milder zu beurteilen als Angriffshandlungen. Für den einzelnen Wettbewerber sei es aber unzumutbar, gemeinsame Bindungen zu beachten, wenn seine Mitbewerber diese abschüttelten und sich dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb verschafften.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Der Rechtsmittelwerber stellt den Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise im Sinne der Stattgebung des Eventualbegehrens oder einer Urteilsaufhebung.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit ihrer Mängel- und Aktenwidrigkeitsrüge vermag die Revision weder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens noch eine dem Gericht zweiter Instanz unterlaufene Aktenwidrigkeit aufzuzeigen. Der Kläger bekämpft damit vielmehr - noch dazu zum Teil unter Heranziehung unbeachtlicher Neuerungen - in Wahrheit nur die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes; das ist aber im Revisionsstadium unzulässig. Auch die von der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Mit seiner Rechtsrüge wendet sich der Kläger im wesentlichen gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, die Beklagte habe durch das Offenhalten zweier Filialen und die Beschäftigung ihrer Salzburger Dienstnehmer am Rupertitag 1987 weder gegen Punkt IV. des Zusatzkollektivvertrages verstoßen, noch sei ihr dem festgestellten Handelsbrauch widersprechendes Vorgehen sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Abgesehen davon, daß der Wortlaut des Zusatzkollektivvertrages eine abweichende Sondervereinbarung ausschließe, sei die von der Beklagten mit ihrem Zentralbetriebsrat abgeschlossene Sondervereinbarung für die Arbeitnehmer auch nicht günstiger gewesen; ebensowenig könne das Verhalten der Beklagten als reine Abwehrmaßnahme qualifiziert werden. Diesen Ausführungen ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Das Hauptbegehren des Klägers auf Unterlassung des Offenhaltens von Handelsbetrieben im Bundesland Salzburg sowie der Durchführung von Geschäftstätigkeiten am Rupertitag durch die Beklagte kann schon deshalb nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Bestimmungen des Punktes IV. des Zusatzkollektivvertrages gestützt werden, weil dieser lediglich anordnet, daß den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern an diesem Tag "ganztägig freizugeben" ist. Regelungsgegenstand dieser dem normativen Teil des Kollektivvertrages zugehörigen Bestimmung, der deshalb als einem Gesetz im materiellen Sinn die Qualität eines objektiven Rechtssatzes zukommt und die somit für die von ihr unmittelbar betroffenen Personen bzw Personengruppen rechtsverbindlich ist (§ 11 Abs 1 ArbVG; Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 II 96 und 116 f; derselbe, Komm z ArbVG Rz 1.3.1. zu § 11 ArbVG; Kinzel in Adametz-Basalka-Heinrich-Kinzel-Mayr-Meches, Komm z ArbVG Rz 1 zu § 11; vgl. Arb 9914, 10.030), ist nämlich nicht das Offen- oder Geschlossenhalten von Handelsbetrieben oder Betriebsstätten bzw die Ausübung von Geschäftstätigkeiten am Rupertitag, sondern nur das ganztägige Freigeben des 24.September für die in solchen Handelsbetrieben beschäftigten Arbeitnehmer, die an mindestens einem der auf Grund der geltenden Ladenschlußregelung verkaufsoffenen Samstagnachmittage vor dem 24. Dezember ihren Betrieb offenhalten können.

Nach den ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes besteht aber im Sinne des Vorbringens des Klägers innerhalb des Bundeslandes Salzburg im Handel ein fest verankerter, allegemein bekannter Handelsbrauch, wonach alle Einzelhandelsbetriebe am Rupertitag ihre Betriebe geschlossen halten. Es bedarf daher einer näheren Prüfung, ob die Beklagte nicht dadurch, daß sie sich über diesen Handelsbrauch bewußt hinweggesetzt hat, in Wettbewerbsabsicht gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG verstoßen hat. Ein zu Wettbewerbszwecken begangener Rechtsbruch verstößt deshalb gegen § 1 UWG, weil er dem Verletzer einen ungerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft und so die wettbewerbliche Ausgangslage zugunsten des Verletzers in unlauterer Weise verändert; das den Sittenwidrigkeitsvorwurf begründende Unlauterkeitskriterium liegt also im Erlangen eines ungerechtfertigten Vorsprunges durch Rechtsbruch (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 218 f Rz 118 EinlUWG und 854 f Rz 567 zu § 1 dUWG; vgl. auch Nordemann, Wettbewerbsrecht5, 206 Rz 477 ff). Zu Unrecht hat daher das Berufungsgericht mit dem von Baumbach-Hefermehl (aaO 855) zur Begründung gerade der Sittenwidrigkeit des durch Rechtsbruch erlangten Vorsprunges angeführten Argument, es werde für den einzelnen Wettbewerber unzumutbar, durch Gesetz oder Vertrag festgelegte gemeinsame Bedingungen zu beachten, wenn seine Mitbewerber diese Bindung abschütteln und sich dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb verschaffen, das Vorliegen einer reinen Abwehrhandlung der Beklagten begründet; auch wurde dabei übersehen, daß selbst ein Wettbewerbsverstoß von Mitbewerbern noch nicht das Recht gibt, selbst einen solchen Verstoß zu begehen (SZ 50/139; ÖBl 1978, 101; ÖBl 1980, 95 uva).

Ein Vorsprung durch Rechtsbruch ist jedoch nur dort denkbar, wo es sich um für den Handelnden verbindliches Recht handelt; das ist aber bei einem Handelsbrauch oder selbst bei einer allgemeinen Verkehrssitte keineswegs der Fall. Beide haben keine normative Kraft und sind daher nicht fähig, objektives Recht zu erzeugen. Im Rechtsverkehr kommt ihnen in erster Linie Bedeutung als Auslegungsregel und als Hilfsmittel (Geschäftsbestandteil) zur Vertragsergänzung zu (Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 I 44 f; Kramer in Straube, HGB, Rz 5 31 ff und 55 f zu § 346; siehe auch Rummel in Rummel, ABGB, Rz 13 ff zu § 914). Handelsbrauch und Verkehrssitte sind keine Rechtsquelle, sondern eine "faktische Ordnung" und daher gemäß § 10 ABGB nur dann rechtserheblich, wenn sich das Gesetz darauf beruft; sie gelten dann als mittelbarer Gesetzesinhalt (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 10; Hämmerle-Wünsch, aaO 43 und 45 f; Straube in Straube, HGB, Rz 44 Einführung; Kramer, aaO Rz 10 und 14 zu § 346). Daraus folgt aber, daß eine Wettbewerbshandlung nicht schon deshalb allein sittenwidrig sein kann, weil sie den Gewohnheiten des geschäftlichen Verkehrs widerspricht (Baumbach-Hefermehl, aaO 227 Rz 129 und 229 Rz 134 EinlUWG; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 223). Nicht jeder Verstoß gegen einen in der betreffenden Branche geübten Brauch ist unlauter (JBl 1954, 440); der Begriff der "Verkehrssitte" darf nicht mit dem der "guten Sitten" verwechselt werden (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 15).

Demgemäß wurde ein gegen einen Handelsbrauch verstoßendes Verhalten in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit überblickbar - auch nur in zwei Fällen (ÖBl 1985, 153 = RdW 1986, 44; ÖBl 1987, 74) als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gewertet, wobei aber jeweils besondere Begleitumstände gegeben waren: Im erstgenannten Fall ging es um das Unterbieten des kraft Handelsbrauches vom Verleger festgesetzten Ladenpreises durch einen Buchhändler. Der Oberste Gerichtshof erkannte dieses Verhalten deshalb als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG, weil der Handelsbrauch von der gesetzlichen Interessenvertretung des Buchhandels ihren Mitgliedern unter Androhung von sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Strafsanktionen für den Fall seiner Nichtbeachtung mitgeteilt worden war. Im Sinne der obigen Ausführungen lag dieser Entscheidung - wenngleich unausgesprochen - auch der Gedanke zugrunde, daß der Buchhändler durch seine Preisunterbietung gegen den mit dem Verleger - bzw dessen mit dem alleinigen Verkauf und der Auslieferung in Österreich betrauten Sortimenter - geschlossenen Kaufvertrag verstoßen hatte, dem der festgesetzte Ladenpreis kraft Handelsbrauches als Geschäftsbestandteil angehörte. Im zweiten Fall handelte es sich um die Mißachtung einer branchenüblichen Warenbezeichnung, mit der die Gefahr einer Irreführung des Publikums verbunden war. Da solche zusätzlichen Merkmale hier nicht zu erkennen sind, war die Beklagte nicht verpflichtet, den im Bundesland Salzburg für das Geschlossenhalten von Einzelhandelsbetrieben am Rupertitag bestehenden Handelsbrauch einzuhalten (vgl. Nordemann aaO 231 Rz 533), zumal sich aus den Feststellungen auch nicht der geringste Anhaltspunkt für eine entsprechende vertragliche Bindung der Beklagten ergibt.

Da sich schon aus diesen Gründen die Abweisung des Hauptbegehrens als gerechtfertigt erweist, bedarf es noch einer Prüfung des vom Kläger erhobenen Eventualbegehrens, weil die Beklagte den bei ihr als Dienstnehmer beschäftigten Salzburger Handelsangestellten den Rupertitag 1987 nicht ganztägig freigegeben hat und damit ein Verstoß gegen ein Gesetz im materiellen Sinn, nämlich gegen eine Bestimmung des normativen Teiles des Zusatzkollektivvertrages, vorliegen könnte. Hier hat aber das Berufungsgericht entgegen der Meinung des Klägers zutreffend erkannt, daß diese Regelung des Zusatzkollektivvertrages durch eine für die Arbeitnehmer der Beklagten günstigere Sondervereinbarung außer Kraft gesetzt worden ist:

Gemäß § 3 Abs 1 ArbVG wäre auf eine von Kollektivverträgen abweichende Sondervereinbarung nur dann nicht Bedacht zu nehmen, wenn deren Abschluß durch den Kollektivvertrag ausgeschlossen wurde; soweit ein Kollektivvertrag Sondervereinbarungen ausschließt, handelt es sich nämlich um zweiseitig zwingende Bestimmungen (Floretta-Strasser, ArbVG2 9, Anm 8 zu § 3). Der vorliegende Zusatzkollektivvertrag enthält jedoch keinerlei Bestimmung darüber, daß der Abschluß von Sondervereinbarungen ausgeschlossen wäre. Solches kann entgegen der Meinung des Klägers jedenfalls nicht schon aus der imperativen Anordnung der Freigabe des Rupertitages erschlossen werden, weil Bestimmungen in Kollektivverträgen gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 ArbVG stets einseitig zugunsten der Arbeitnehmer zwingende Wirkung haben (Strasser, Arbeitsrecht2 II 100 f). Der Ausschluß von Sondervereinbarungen muß daher immer ausdrücklich geschehen (Strasser aaO 101).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nach den Feststellungen mit ihrem Zentralbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen. Daß diese auch dem Formgebot der Schriftlichkeit (§ 29 ArbVG) entsprach, ist von keiner Seite in Zweifel gezogen worden (siehe dazu auch die Aussage des Zeugen Wolfgang P*** ON 7 S 54). Die Zulässigkeit des Abschlusses einer solchen Betriebsvereinbarung hängt aber im System des ArbVG noch weiters von der Zulässigkeit ihres Inhalts ab (Floretta-Strasser, Komm z ArbVG Anm 6 zu § 29; Schrammel in Tomandl, Probleme des Einsatzes von Betriebsvereinbarungen 46). Da die Betriebsvereinbarung generell, also für alle Dienstnehmer der Beklagten, den Abtausch der Arbeitszeit am 24.September 1987 gegen ganztägige Freigabe des 19. Dezember 1987 und die Freigabe zweier weiterer Stunden zwischen dem 28. und 31.Dezember 1987 zum Inhalt hatte, fällt sie in den Katalog der gemäß § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG durch Betriebsvereinbarung zu regelnden Angelegenheiten (Schrammel aaO 45) und ist demnach zulässig.

Die Sondervereinbarung, die eine in Punkt IV. des Zusatzkollektivvertrages geregelte Angelegenheit betraf, ist aber gemäß § 3 Abs 1 ArbVG nur gültig, soweit sie für die Arbeitnehmer der Beklagten günstiger war. Bei der praktischen Anwendung des Günstigkeitsprinzips ist grundsätzlich auf die Einzelfälle der betroffenen Arbeitnehmer abzustellen; maßgeblich sind nicht Meinung oder Vorstellungswelt der betroffenen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, sondern es ist nach objektiven sozialpolitischen Wertmaßstäben zu prüfen (Floretta-Strasser, Komm z ArbVG Anm 2.1.3. zu § 3). Auch der Kläger vermag nicht mehr ernstlich zu bestreiten, daß die Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmern der Beklagten jedenfalls mehr Freizeit verschafft hat, hat sie doch gegen die Arbeit an einem Wochentag, der nach dem Zusatzkollektivvertrag freizugeben gewesen wäre, den ganzen letzten langen Einkaufssamstag vor Weihnachten 1987 und zwei weitere Stunden nach freier Wahl zwischen 28. und 31. Dezember 1987 freigegeben. Mag auch dem Rupertitag im Bundesland Salzburg eine nicht unerhebliche kulturelle, aber auch religiös-historische Bedeutung zukommen, so gilt dies doch zumindest in gleichem Maße auch für die Weihnachtszeit und im besonderen für die Zeit knapp vor dem Weihnachtsfest. Das Berufungsgericht ist somit ohne Rechtsirrtum von der Gültigkeit der Betriebsvereinbarung ausgegangen, die damit im Jahre 1987 an die Stelle des diese Angelegenheit regelnden Punktes IV. des Zusatzkollektivvertrages getreten ist. Hat aber die Beklagte dadurch, daß sie ihre Dienstnehmer in zwei Salzburger Filialen am Rupertitag 1987 beschäftigte, dem Zusatzkollektivvertrag nicht zuwidergehandelt, dann hat sie auch insoweit keinen Verstoß gegen § 1 UWG begangen. Der Revision mußte aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18865

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00071.89.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19890912_OGH0002_0040OB00071_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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