TE OGH 1989/9/12 10ObS43/89

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Veröffentlicht am 12.09.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Elmar Peterlunger (AG) und Mag.Walter Holub (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Robert A***, Pensionist, 1404 57th St.West, Bradenton, Florida 34209, USA, vertreten durch Dr.Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Alterspension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Oktober 1988, GZ 32 Rs 190/88-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16.November 1987, GZ 19 Cgs 1654/87-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 514,50 S Umsatzsteuer mit 3.087 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 5.8.1987 anerkannte die beklagte Partei unter Berücksichtigung der Begünstigungsvorschriften der §§ 500 ff ASVG (bei den folgenden bloßen Pragraphenzitaten handelt es sich um solche des ASVG) den Anspruch des Klägers auf die am 17.3.1987 beantragte Alterspension nach § 270 iVm § 253 ab 1.4.1987 und setzte die Höhe der Leistung mit monatlich 2.475,70 S fest. Dabei ging sie von einer Bemessungsgrundlage (§ 238) von 5.448 S und von 287 österreichischen Versicherungsmonaten nach dem ASVG sowie von einem Steigerungsbetrag von 45,442 % (§ 261) aus.

Die rechtzeitige Klage richtete sich auf eine Alterspension im gesetzlichen Ausmaß (ab 1.4.1987), wobei den Beitragsgrundlagen für Versicherungszeiten nach § 502 Abs 5 ein durchschnittlicher Arbeitsverdienst im Sinne des § 251 Abs 4 von 200 S aus dem Jahr 1946 zugrundezulegen sei. Im Bemessungszeitraum lägen 39 Monate der freiwilligen Weiterversicherung mit Beitragsgrundlagen zwischen 5.591 S (1975) und 13.520 S (1984) und 81 Beitragsmonate nach § 502 Abs 5 (Emigrationszeiten), deren Beitragsgrundlagen nach § 251 Abs 4 aus dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Versicherungsmonate vor Eintritt der sozialversicherungsrechtlichen Schädigung zu ermitteln seien. Dies seien die letzten drei Beschäftigungsmonate im Jahr 1946 mit monatlich 200 S, die auch für die Berechung der freiwilligen Weiterversicherung herangezogen worden seien, und nicht die letzten drei Beschäftigungsmonate der Lehrzeit im Jahr 1938. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie gestand zu, daß die Zeiten vom 16.7.1938 bis 23.8.1945 nach § 502 Abs 1 und Abs 4 und vom 28.1.1947 bis 31.3.1959 nach Abs 5 leg cit beitragsfrei begünstigt angerechnet wurden, daß der Kläger vom 1.4. bis 15.7.1938 als Angestellter der Firma Franz N*** mit einem monatlichen Entgelt von 53,33 Reichsmark zur Versicherung gemeldet war und daß nach seiner vorübergehenden Rückkehr im Jahre 1945 und vor seiner Auswanderung am 28.1.1947 eine Versicherungsanmeldung für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.1946 und vom 1.6. bis 15.11.1946 aufgrund einer Tätigkeit beim Landesfürsorgekomitee bzw beim KZ-Verband vorliegt, wobei in den letzten drei Monaten eine Beitragsgrundlage von monatlich 200 S vorgemerkt war, aus der die Beitragsgrundlage für die freiwillige Weiterversicherung berechnet wurde. Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage kämen nach § 238 Abs 2 die letzten 120 Versicherungsmonate vor dem Stichtag in Betracht. Die Bemessungsgrundlage sei daher aus den Beitragsgrundlagen der aus der Zeit vom 1.1.1952 bis 31.12.1984 erworbenen 120 Versicherungsmonate zu bilden. Für die wegen der Begünstigung beitragsfrei berücksichtigte Beitragszeit der Pflichtversicherung in den Jahren 1952 bis 1959 sei die Beitragsgrundlage nach § 251 Abs 4 zu ermitteln, der hinsichtlich des Eintritts des Nachteils in den versicherungsrechtlichen Verhältnissen auf § 500 verweise. Da dieser durch die ab dem 16.7.1938 nachgewiesene Arbeitslosigkeit, Auswanderung und Haft aus Gründen der Abstammung und aus religiösen Gründen eingetreten sei, gelte als Beitragsgrundlage für die Emigrationsjahre von 1952 bis 1959 der mit 53,33 Reichsmark vorgemerkte Arbeitsverdienst der vom April bis Juni 1938 erworbenen Beitragsmonate. In der Spätemigration im Jahr 1947 könne kein Nachteil im Sinn des § 500 erblickt werden.

Der Kläger replizierte, daß die Opfer aus den Konzentrationslagern aus psychischen Gründen nicht in der Lage gewesen seien, nach 1945 in Österreich weiterzuleben, als ob sich zwischen 1938 und 1945 nichts ereignet hätte. Ihr Emigrationswunsch habe daher auch nach der Befreiung seine Wurzeln in den Ereignissen der Jahre 1938 bis 1945 gehabt, weshalb die Emigration diesen Personenkreis am weiteren Erwerb inländischer Versicherungszeiten gehindert habe und deshalb der maßgebende sozialversicherungsrechtliche Nachteil sei. Durch die "Spätemigration" sei daher ein neuer sozialversicherungsrechtlicher Nachteil entstanden, den der Gesetzgeber durch die 32.ASVG-Nov beseitigen wollte. Beim Kläger liege erst nach dem 9.5.1945 eine Auswanderung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften vor. Er habe sich zwar schon vorher im Ausland befunden, sei aber dort von der nationalsozialistischen Verfolgung eingeholt worden.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Es ging von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger beantragte am 20.11.1972 unter anderem die begünstigte Anrechnung nach den §§ 500 ff, am 18.2.1977 die ergänzende Begünstigung nach der 32.ASVG-Nov.

Nach der vom Amt der Wiener Landesregierung am 25.10.1977 nach § 506 Abs 3 ausgestellten Bescheinigung hat der Kläger glaubhaft dargetan, daß er aus religiösen Gründen und aus Gründen der Abstammung vom 3.8.1938 bis 14.11.1943 in Belgien und Frankreich emigriert war und im Jänner 1947 von Wien aus in die USA ausgereist und bis heute nicht zurückgekehrt ist. Vom 16.7. bis 3.8.1938 war er in Wien arbeitslos, vom 1.8.1940 bis 6.8.1942 in St.Cyprien und Gurs in Haft und vom 15.11.1943 bis 27.1.1945 im KZ Auschwitz in Haft. Mit Bescheid vom 23.6.1978 berücksichtigte die beklagte Partei die Zeiten vom 16.7.1938 bis 23.8.1945 nach § 502 beitragsfrei in der Pensionsversicherung der Angestellten unter Ablehnung einer weitergehenden Begünstigung wie folgt:

Die Zeit vom 16.7.1938 bis 6.8.1942 und vom 15.11.1943 bis 27.1.1945 nach § 502 Abs 1 als Pflichtbeitragszeit mit der höchstzulässigen Beitragsgrundlage, die Zeit der Auswanderung nach Belgien und Frankreich vom 7.8.1942 bis 14.11.1943 und vom 28.1. bis 23.8.1945 nach § 502 Abs 4. In dem über die Beschwerde des Klägers über die Ablehnung der Begünstigung für die Zeit vom 28.1.1947 bis 31.3.1959 ergangenen Erkenntnis 08/3146/79 ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß der Kläger 1938 Belgien und 1940 Frankreich erreichen konnte. Nach der Besetzung Frankreichs durch das Deutsche Reich wurde er 1940 Opfer einer Verfolgungsmaßnahme aus Gründen der Abstammung. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat die Rechtsmeinung, unter einer Auswanderung im Sinne des § 502 Abs 4 sei eine solche zu verstehen, die den Auswanderer endgültig aus der Gefahr der Verfolgung aus den im § 500 angeführten Gründen durch das Deutsche Reich gebracht habe. Hole die Verfolgung den Ausgewanderten später ein, sei eine neuerliche begünstigte Auswanderung im Sinne des § 502 Abs 5 durchaus denkbar, wenn diese aus Gründen, auf die der Betreffende keinen Einfluß gehabt habe, erst nach dem 9.5.1945 möglich gewesen sei. Dies sei bisher nicht geprüft worden. Nachdem die beklagte Partei erklärt hatte, wegen der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes einer begünstigten Anrechnung der Zeit vom 28.1.1947 bis 31.3.1959 nach § 502 Abs 5 zuzustimmen, rechnete der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid auch diesen Zeitraum nach der zitierten Gesetzesstelle in der Pensionsversicherung der Angestellten als beitragsfreie Begünstigungszeit an. Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes kämen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Alterspension nach § 238 Abs 2 die letzten 120 Versicherungsmonate vor dem Stichtag in Betracht. Die Bemessungsgrundlage sei daher aus den Beitragsgrundlagen der vom 1.1.1952 bis 31.12.1984 erworbenen 120 Versicherungsmonate zu bilden. Die Beitragsgrundlage für die freiwillige Weiterversicherung ab Februar 1975 sei nach § 76 a aus den zuletzt im Jahr 1946 erworbenen Beitragszeiten der Pflichtversicherung zu bilden. Für die aufgrund der Begünstigung nach § 502 Abs 5 beitragsfrei berücksichtigten Beitragszeiten der Pflichtversicherung der Jahre 1952 bis 1959 sei die Beitragsgrundlage nach § 251 Abs 4 zu ermitteln, der bezüglich des Nachteils in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen auf § 500 verweise. Der Tag des Eintritts dieses Nachteils werde durch den Begünstigungsbescheid für das Gericht bindend festgestellt. Daher könnten nur vor diesem Zeitpunkt liegende Versicherungsmonate für die Feststellung der Beitragsgrundlage herangezogen werden. Der Kläger habe einen Nachteil am 16.7.1938 durch seine erste Emigration erlitten, der durch seine Rückkehr nach Österreich weggefallen sei. Ein weiterer Nachteil sei am 28.1.1947 eingetreten. Daß die Begünstigung nach § 502 Abs 5 nur deshalb möglich gewesen sei, weil der Kläger den sozialversicherungsrechtlichen Nachteil (auch) in der Zeit vom 4.3.1938 bis 9.5.1945 erlitten habe, ändere nichts daran, daß als Beitragsgrundlage für Versicherungszeiten nach § 502 Abs 5 der durchschnittliche Arbeitsverdienst der letzten drei Beitragsmonate der Pflichtversicherung vor Eintritt des neuen Nachteils heranzuziehen sei. Dafür spreche auch § 251 Abs 4 Satz 1. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die 32.ASVG-Nov habe einen eigenständigen Begünstigungstatbestand geschaffen, durch den von den Ereignissen der NS-Zeit besonders schwer betroffene Personen durch die Anrechnung der bis 31.12.1949 erfolgten Auswanderung zu einer österreichischen Pensionsleistung kommen könnten. Die EB führten ausdrücklich jene Personen an, die nach der Befreiung aus dem KZ nach Österreich zurückgekehrt seien, um hier bis zur endgültigen Auswanderung in das Bestimmungsland ihren Aufenthalt zu nehmen. Der Grund für die Anerkennung der Emigration nach dem 9.5.1945 liege nicht in einer allfälligen Verfolgung im Zeitpunkt der Auswanderung, sondern sei eine Nachwirkung der vor dem genannten Zeitpunkt erlittenen Verfolgungen. Der sozialversicherungsrechtliche Nachteil, den der Kläger durch die Emigration vom 28.1.1947 erlitten habe, liege nicht darin, daß er vor dem Krieg seinen Arbeitsplatz als Lehrling verloren habe, sondern darin, daß er die im Jahr 1946 ausgeübte Erwerbstätigkeit, während der er 200 S verdient habe, nicht habe fortsetzen können. Deshalb seien die Beitragsgrundlagen der Emigrationszeiten nach § 502 Abs 5 nicht aus Arbeitsverdiensten der Lehrzeit im Jahr 1938, sondern aus den der Auswanderung (unmittelbar) vorangegangenen Beitragsgrundlagen zu ermitteln. Dagegen richtet sich die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit dem Antrag, das Berufungsurteil im klageabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Leistungen aus dem Versicherungsfall des Alters ... bestehen aus dem Steigerungsbetrag ..., der ein Hundertsatz der Bemessungsgrundlage ist (§ 261 Abs 1).

Bemessungsgrundlage für die Leistungen aus der Pensionsversicherung ist der Betrag, der sich aus der Teilung der Summe der in die Bemessungszeit (Abs 3) fallenden Beitragsgrundlagen nach Maßgabe des § 242 durch die um ein Sechstel erhöhte Zahl der die Bemessungszeit bildenden Versicherungsmonate ergibt. Die Bemessungsgrundlage ist auf volle Schilling aufzurunden (§ 238 Abs 1). Für die Ermittlung der Bemessungszeit kommen die letzten 120 Versicherungsmonate aus allen Zweigen der Pensionsversicherung in Betracht, die vor dem Kalenderjahr liegen, in das der Bemessungszeitpunkt fällt .... Bemessungszeitpunkt ist der Stichtag (§ 238 Abs 2). Die Bemessungszeit umfaßt die nach Abs 2 in Betracht kommenden Beitragsmonate und Ersatzmonate nach § 229 (§ 238 Abs 3). Im vorliegenden Fall umfaßt die Bemessungszeit die im Zeitraum vom 1.7.1952 bis zum 31.12.1984, gelegenen 120 Beitragsmonate, und zwar 81 Begünstigungsmonate vom 1.7.1952 bis 31.3.1959 und 39 freiwillige Beitragsmonate vom Februar 1975 bis 31.12.1984. Die durchschnittlichen Beitragsgrundlagen der 39 freiwilligen Beitragsmonate vom Februar 1975 bis 31.12.1984 wurden von der beklagten Partei mit 446.409 S errechnet (insbesondere Stücke 177 und 178 des Pensionsaktes).

Als Beitragsgrundlage der 81 Monate vom 1.7.1952 bis 31.3.1959, die auf Grund des § 502 Abs 4 und 5 beitragsfrei berücksichtigt wurden und daher nach § 251 Abs 4 Satz 1 als Beitragszeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten gelten, gilt nach Satz 2 dieser Gesetzesstelle der Arbeitsverdienst, der im Durchschnitt der letzten drei Beitragsmonate der Pflichtversicherung bzw Ersatzmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit (§ 229 Abs 1) vor dem Kalendermonat, in dem der Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen (§ 500) eingetreten ist, vorgemerkt ist; ....

Personen, die in der Zeit vom 4.3.1933 bis 9.5.1945 aus .....religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten haben, werden nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 501, 502 Abs 1 bis 3 und 5 und 506, Personen, die aus den angeführten Gründen ausgewandert sind, nach den §§ 502 Abs 4 bis 6, 503 und 506 begünstigt (§ 500 in der seit 1.1.1979 geltenden Fassung der 33. ASVG-Nov, BGBl 1978/684).

Personen, die in der im § 500 angeführten Zeit (also vom 4.3.1933 bis 9.5.1945) aus einem der dort angeführten Gründen ausgewandert sind und die vorher in der Zeit seit dem 1.7.1927 Beitragszeiten gemäß § 226 oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 zurückgelegt haben, können für die Zeit der Auswanderung, längstens aber für die Zeit bis 31.3.1959, Beiträge nachentrichten (§ 502 Abs 4 in der vor der 44.ASVG-Nov BGBl 1987/609 geltenden Fassung). (Der zitierte) Absatz 4 gilt entsprechend auch für Personen, die sich nach dem 9.5.1945 in Österreich aufgehalten haben und danach ausgewandert sind, sofern diese Auswanderung aus Gründen, auf die der (die) Betreffende keinen Einfluß hatte, nicht früher möglich war und sie nicht später als am 31.12.1949 erfolgt ist (§ 502 Abs 5 in der seit 1.1.1986 geltenden Fassung der 41.ASVG-Nov BGBl 1986/111). Dieser Absatz wurde durch die 32.ASVG-Nov BGBl 1976/704 angefügt und durch die schon erwähnte 41.ASVG-Nov geändert. In der RV zur

32. ASVG-Nov (181 Blg NR 14.GP 78 f) wurde dazu ausgeführt, das American Council for Equal Compensation of Nazi Victims from Austria Inc habe darauf hingewiesen, daß der (im § 500 und durch die Verweisung auch im § 502 Abs 4 vorgesehene) Endtermin 9.5.1945 in der Praxis nicht ausreiche und vor allem jene Personen benachteilige, die nach ihrer Befreiung aus den Konzentrationslagern nach Österreich zurückgekehrt seien, um hier bis zur endgültigen Auswanderung in das Bestimmungsland ihren Aufenthalt zu nehmen. Um den Zielsetzungen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Begünstigung nach § 502 Abs 4 zu entsprechen, solle dem § 502 ein neuer Absatz 5 angefügt werden, wonach Personen, bei denen nachweislich eine rechtzeitige Auswanderung aus Gründen, auf die der zu Begünstigende keinen Einfluß gehabt habe, erst nach dem 9.5.1945 möglich gewesen sei, so behandelt werden sollen, wie Begünstigte, die den Erfordernissen des § 500 entsprechen. Der Ausschuß für soziale Verwaltung (388 Blg NR 14.GP) ergänzte diese Regierungsvorlage dadurch, daß der Endtermin für die begünstigte Auswanderung mit 31.12.1949 festgesetzt wurde.

Eine Auswanderung vor dem 9.5.1945 schließt die Anwendung der Begünstigung nach § 502 Abs 5 nur dann aus, wenn die Auswanderung erfolgreich in dem Sinne war, daß der Emigrant endgültig von der Gefahr einer nationalsozialistischen Verfolgung gerettet war. Wurde das Auswanderungsland in der Folge aber vom Deutschen Reich besetzt und setzten dort Verfolgungsmaßnahmen ein, die zur Anhaltung des Begünstigungswerbers führten, so kann auch eine weitere Auswanderung nach dem 9.5.1945 zu einer Begünstigung führen (so auch VwGH 25.1.1980 3256/78 Slg 10.023 (A); 24.4.1981, 08/3146/79 über die Beschwerde des Klägers; MGA ASVG 49.ErgLfg. 1948 ff FN 11). Deshalb wurde der Kläger auch mit rechtskräftigem Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 1.3.1982 durch beitragsfreie Anrechnung des Zeitraumes vom 28.1.1947 bis 31.3.1959 in der Pensionsversicherung der Angestellten nach § 502 Abs 5 begünstigt. Nur wer Begünstigungen nach den §§ 501, 502 Abs 1 bis 3 und 5 beantragt, hat glaubhaft darzutun, daß ihm aus einem der im § 500 bezeichneten Gründen in seinen sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisses ein Nachteil im Sinne der §§ 501 bis 504 erwachsen ist (§ 506 Abs 3 S 1). Ein Begünstigungswerber, der seinen Anspruch iS des § 502 Abs 4 nur aus einer Auswanderung (in der Zeit vom 4.3.1933 bis 9.5.1945) aus Gründen des § 500 ableitet, ist dagegen nicht verhalten, eine Bescheinigung iS des § 506 Abs 3 beizubringen. Die Verwaltungsbehörde hat vielmehr in einem solchen Fall die Tatsache der eine Begünstigung bewirkenden Auswanderung aus den Gründen des § 500 von Amts wegen zu ermitteln (MGA ASVG 48.ErgLfg 1954/4 FN 3; VwGH 29.2.1980 SVSlg 26.583). Bei Personen, die in der im § 500 angeführten Zeit aus einem der dort angeführten Gründe ausgewandert sind und die vorher in der Zeit seit dem 1.7.1927 Beitragszeiten gemäß § 228 oder Ersatzzeiten gemäß § 228 oder 229 oder Zeiten nach dem ARÜG zurückgelegt haben, wird eben vermutet, daß sie durch die erzwungene Auswanderung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten haben (ähnlich Kaltenbrunner,

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Begünstigung der Emigranten DRdA 1965, 114 /115/).

Zeiten, für die nach § 502 Abs 4 und 5 Beiträge entrichtet oder die auf Grund dieser Bestimmung beitragsfrei berücksichtigt wurden, gelten - wie schon erwähnt - nach § 251 Abs 4 S 1 als Beitragszeiten der Pflichtversicherung in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem der Versicherte vor der Auswanderung zuletzt Beitrags- oder Ersatzzeiten nachweist; lassen sich auf Grund dieser Bestimmung die Beitragszeiten keinem Zweig der Pensionsversicherung zuordnen, gelten sie als Beitragszeiten der Pensionsversicherung der Angestellten.

Diese Beitragszeiten der Pflichtversicherung unterscheiden sich bei der Leistungsbemessung von den sonstigen Beitragszeiten dadurch, daß als Beitragsgrundlage nach Satz 2 der zit Gesetzesstelle der Arbeitsverdienst gilt, der im Durchschnitt der letzten drei Beitragsmonate der Pflichtversicherung bzw Ersatzmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit (§ 229 Abs 1) vor dem Kalendermonat, in dem der Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen (§ 500) eingetreten ist, vorgemerkt ist.

Daraus, daß die Zeiten der Auswanderung nach § 502 Abs 4 und 5 gemäß § 251 Abs 4 S 1 als Beitragszeiten der Pflichtversicherung in dem Zweig der Pensionsversicherung gelten, in dem der Versicherte vor der Auswanderung zuletzt Beitrags- oder Ersatzzeiten nachweist, und aus der schon dargelegten Erwägung, daß bei der erzwungenen Auswanderung der Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen mit der Auswanderung eintritt, folgt, daß es nach § 251 Abs 4 S 2 primär auf den Arbeitsverdienst ankommt, der im Durchschnitt der letzten drei Beitragsmonate der Pflichtversicherung bzw Ersatzmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit (§ 229 Abs 1) vor dem Kalendermonat der Auswanderung vorgemerkt ist.

Urbanetz, Die Beseitigung sozialversicherungsrechtlicher Nachteile begünstigter Personen DRdA 1967, 203 (205) führt daher zutreffend aus, diese Regelung gelte auch dann, wenn zwischen dem Ende der Beschäftigung und der Emigration beispielsweise eine Haftzeit liege, die nach § 502 Abs 1 zum Erwerb einer Pflichtbeitragszeit mit der höchstzulässigen Beitragsgrundlage führe. Der im § 251 Abs 4 S 2 der Wortgruppe "Nachteil in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen" beigesetzte Klammerausdruck "(§ 500)" bedeutet daher bei Personen, die - wie der Kläger - aus den im § 500 angeführten Gründen nicht nur ausgewandert sind, sondern schon vorher in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen auch auf andere Weise (§ 502 Abs 1 bis 3) einen Nachteil erlitten haben, nicht, daß es hinsichtlich der Beitragsgrundlage nach § 251 Abs 4 S 2 auf den im Durchschnitt der letzten drei Beitragsmonate der Pflichtversicherung bzw Ersatzmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit (§ 229 Abs 1) vor dem Kalendermonat, in dem die im § 502 Abs 1 bis 3 bezeichneten schädigenden Ereignisse (zB Untersuchungshaft, Verbüßung einer Freiheitsstrafe, Anhaltung, Arbeitslosigkeit, Ausbürgerung) eingetreten sind, ankäme. Der erwähnte Klammerausdruck weist vielmehr nur darauf hin, daß der Nachteil durch einen der im § 500 bezeichneten Gründe veranlaßt worden sein muß.

Der unbegründeten Revision war daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

Anmerkung

E18767

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00043.89.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19890912_OGH0002_010OBS00043_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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