TE OGH 1989/9/13 14Os106/89

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Veröffentlicht am 13.09.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat am 13.September 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ulrike P*** wegen des Vergehens der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 Abs 1 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 28.November 1988, GZ 7 U 2.580/88-3, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit der oben bezeichneten rechtskräftigen Strafverfügung wurde die am 13.Oktober 1967 geborene Studentin Ulrike P*** des Vergehens der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 11.Oktober 1988 in Wien aus Unbesonnenheit versucht hat, eine Sache geringen Wertes, nämlich einen Plastikwecker im Wert von 89,90 S Verfügungsberechtigten der Firma L*** Warenhandel GmbH mit dem Vorsatz zu entziehen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Nach Ansicht des Generalprokurators verletzt diese Strafverfügung mangels Strafwürdigkeit der Tat das Gesetz in der Bestimmung des § 42 StGB In der darum erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird ausgeführt:

"Von den für die Anwendung des § 42 StGB geforderten Voraussetzungen bedarf angesichts der im § 141 Abs 1 StGB normierten Strafdrohung, der im Versuchsstadium gebliebenen Tat sowie der Einmaligkeit der aus Unbesonnenheit begangenen Verfehlung der bisher unbescholtenen Täterin allein die Frage des Grades der Schuld (§ 42 Z 1 StGB) sowie die Notwendigkeit der Bestrafung aus generalpräventiven Erwägungen (§ 42 Z 3 zweiter Fall StGB) einer genauen Prüfung.

Geringe Schuld im Sinn des § 42 Z 1 StGB setzt nach gefestigter Judikatur voraus, daß das Gewicht der Einzeltat hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt erheblich zurückbleibt (SSt. 47/55, 51/21 uva), wobei neben dem Schuldgrad die Sozialschädlichkeit und der Störwert für die Umwelt, insbesondere auch die besonderen Eigenschaften des Täters und die Umstände der Tatbegehung Berücksichtigung zu finden haben (Pallin WK § 42 Rz 9). Im vorliegenden Fall hat die bisher unbescholtene, als Studentin über kein Einkommen verfügende Verurteilte offenkundig impulsiv eine äußerst geringwertige Sache, die sie (ihrer unwiderlegten Verantwortung folgend) dringend benötigte, ohne Bezahlung an sich zu nehmen versucht; sie hat die Tat bei der Anhaltung an der Kassa sofort eingestanden und sich auch in der Folge uneingeschränkt geständig verantwortet. Diese schuld- und unrechtsmindernden Faktoren lassen die Annahme geringer Schuld zu. Auch den Bedürfnissen generalpräventiver Art, die grundsätzlich anhand sämtlicher Tatfaktoren (Vorleben, Ausmaß der Schuld, Beutewert, Ausmaß der Zurechnungsfähigkeit, Intensität des deliktischen Verhaltens - vgl. Burgstaller, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung im österreichischen Strafrecht, 66 ff) zu prüfen sind, wurde im vorliegenden Fall hinreichend Genüge getan, da insbesondere die sofortige polizeiliche Amtshandlung am Tatort jede Irritation des allgemeinen Rechtsbewußtseins hintangehalten hat (vgl. dazu 11 Os 51/89 sowie Pallin aaO Rz 17)".

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Der Tatsache der Unbescholtenheit der Ulrike P*** kommt bei der spezifischen Bewertung ihrer Schuld keine entscheidende Bedeutung zu, weil dieser Umstand für Entwendungstäter geradezu typisch ist und regelmäßig schon als Indiz für das privilegierende Tatbestandsmerkmal der Unbesonnenheit Berücksichtigung findet. Ist doch insoweit zu fordern, daß die Tat einem augenblicklichen Willensimpuls entspringt, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters, die eben in seinem bisher ordentlichen Lebenswandel zum Ausdruck kommt, in der Regel unterdrückt worden wäre. Aus diesem Grund ist bei der vorzunehmenden Prüfung auch unbeachtlich, daß die Verurteilte "offenkundig impulsiv" gehandelt hat, denn gerade darin besteht ja die privilegierende Handlungsmodalität. Daß Ulrike P*** als Studentin kein (eigenes) Einkommen bezieht, fällt deshalb nicht als besonders schuldmindernd ins Gewicht, weil sie angegeben hat, bloß zu wenig Geld "bei sich" gehabt zu haben, also keineswegs eine chronische Mittellosigkeit behauptete, die es ihr überhaupt unmöglich gemacht hätte, diesen billigen Wecker redlich zu erwerben. Ihr angeblich dringendes Bedürfnis nach diesem verdient gleichfalls keine besondere Beachtung, weil insoweit nur ein solcher Mangel relevant wäre, der die Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse empfindlich beeinträchtigt. Auch unter Bedachtnahme auf die Art der Verantwortung, die freilich infolge Betretung auf frischer Tat durchaus nahelag, kann daher keine Rede davon sein, daß das Gewicht dieser Straftat hinter dem im Gesetz typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt erheblich zurückgeblieben wäre (vgl. 11 Os 51/89). Da somit schon eine der kumulativ geforderten Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat fehlt (§ 42 Z 1 StGB), erübrigt sich eine Erörterung der Frage des Bestrafungsgebots aus generalpräventiver Sicht (§ 42 Z 3 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Anmerkung

E18443

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00106.89.0913.000

Dokumentnummer

JJT_19890913_OGH0002_0140OS00106_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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