TE OGH 1989/9/14 13Os76/89

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Veröffentlicht am 14.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachner, Dr. Brustbauer (Berichterstatter), Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Edelmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Florian R*** und Franz P*** wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 9.Mai 1989, GZ. 22 Vr 268/89-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Raunig, sowie der Verteidiger Dr. Otto Tuma und Dr. Gerold Ganzger, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Die beschäftigungslosen Florian R*** und Franz P*** wurden des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1 StGB (I), Florian R*** außerdem des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 und 15 StGB (II 1 und 2), Franz P*** überdies des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB (II 1) und des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB (III) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (IV) schuldig erkannt. Dem Schuldspruch zufolge haben in Bregenz

I. Florian R*** und Franz P*** am 1.März 1989 im

gewollten Zusammenwirken als Mittäter Christa H*** dadurch, daß Franz P*** sie an den Armen festhielt und zur zukünftigen Bezahlung eines täglichen "Standgeldes" von 500 S aufforderte, während Florian R*** jene Aufforderung durch Aufklappen eines Fixiermessers und dadurch unterstrich, daß er H*** androhte, sollte sie diesem Ansinnen nicht nachkommen, werde sie abgestochen und "eine Büste" aus ihr gemacht, durch gefährliche Drohung zu einer Handlung zu nötigen versucht, die diese am Vermögen schädigen sollte, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern und hiebei mit dem Tode drohten;

II. einen anderen durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung oder Unterlassung

1. zu nötigen versucht, und zwar

Florian R*** und Franz P*** in gewolltem

Zusammenwirken im Anschluß an die zu I. geschilderte Tat Christa H*** durch die an sie gerichtete Bemerkung, sie wisse, Franz P*** sei ein Mörder und wenn sie eine Anzeige wegen der Erpressung (I) erstatte, werde aus ihr "eine Büste" gemacht, dazu, eine Strafanzeige zu unterlassen;

2. genötigt, und zwar

Florian R*** am 25.Februar 1989 den Thomas K*** durch die an ihn gerichtete Aufforderung, sofort wegzufahren, sonst werde etwas passieren, wobei R*** dem K*** ein geöffnetes Fixiermesser an die Kehle hielt, zum Verlassen des Standorts des von K*** gelenkten Kraftwagens;

III. Franz P*** am 18.März 1988 es nach der zu IV.

genannten Tat unterlassen, dem von ihm verletzten Egon A*** (siehe IV) die erforderliche Hilfe zu leisten;

IV. Franz P*** am 18.März 1988 Egon A*** durch Versetzen eines Kopfstoßes, wodurch dieser bewußtlos zu Boden stürzte, eine Rißquetschwunde an dessen rechter Augenbraue, welche mit Kopfschmerzen verbunden war, zugefügt.

Das Urteil wird von beiden Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, wobei Florian R*** die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1, Z. 10, und 11 StPO, Franz P*** die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 5 a und 9 lit. a geltend macht.

Zur Beschwerde des Angeklagten R***:

In seiner Subsumtionsrüge (Z. 10) behauptet der Angklagte, daß die ihm angelasteten Nötigungshandlungen nicht gesondert strafbar seien; das Tatverhalten müßte entweder als bloßer Teilakt der versuchten schweren Erpressung angesehen werden, weil beide Taten gemäß dem Gesamtplan der Täter ausschließlich auf denselben Enderfolg, nämlich die Bezahlung eines Standgelds, abzielten und daher zueinander im Verhältnis scheinbarer Konkurrenz stünden, oder es sei dieses Verhalten, das sich ebenso wie die Erpressung gegen das Leben der Christa H*** richtete, zumindest als straflose Nachtat oder Deckungshandlung zu beurteilen.

Die Rüge versagt.

Mit seiner die Nötigung als bloße Begleittat der Erpressung hinstellenden Beurteilungsvariante setzt sich der Beschwerdeführer über jene Feststellungen hinweg, nach denen sowohl er selbst als auch sein Mittäter durch das den Fakten I und II 1 zugrunde liegende Verhalten die H*** zum einen zur Entrichtung eines sogenannten Standgelds und zum anderen zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige wegen der vorangegangenen Erpressung zwingen wollten. Die Beschwerdeeinwendungen stellen sohin isoliert auf das zwar primäre erpresserische Vorhaben ab, lassen aber den von den Tätern mit ihrem Verhalten neben dem Vermögensangriff verfolgten weiteren Zweck außer Betracht; sie gehen demnach nicht von den Urteilsannahmen in ihrer Gesamtheit aus und bringen damit die Subsumtionsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Darüber hinaus ist dem Angeklagten der in seiner Beschwerde einräumt, daß die Nötigungshandlungen eine "neuerliche" und auf einen anderen Taterfolg gerichtete Bedrohung der Frau darstellten, folgendes zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Maßgebend für die Annahme einer Begleittat als Fall der Konsumtion (scheinbare Idealkonkurrenz), die nicht dasselbe Rechtsgut wie die Haupttat zum Gegenstand haben muß, ist es, daß die betreffende Tatbestandsverwirklichung nach der Eigentümlichkeit des Angriffs als typische Begleiterscheinung zu werten ist und ihr schon der Natur nach erheblich geringerer Unrechtsgehalt, welcher der Haupttat gegenüber nicht ins Gewicht fällt, vom Unwert der Haupttat umfaßt wird (Pallin, WK, Vorbem. zu § 28 StGB, Rz 17;

Foregger-Serini-Kodek, § 28 StGB, Erl. V/3; ferner JBl. 1982 S. 438;

alle mit weiteren Nachweisen). Von einem derartigen Zusammentreffen kann hier keine Rede sein, zumal die Nötigungshandlungen nicht der Prolongierung der erpresserischen Einwirkung dienten, sondern darauf abzielten, das Tatopfer durch neuerliche Bedrohung zu einem weiteren, seine Selbstbestimmung in anderer Richtung beeinträchtigenden Verhalten zu veranlassen.

Ebensowenig handelt es sich um eine straflose Nachtat, nämlich um eine straflose Deckungshandlung. Dieser Fall einer scheinbaren Realkonkurrenz scheidet nämlich aus, wenn die zur Verschleierung der Vortat gesetzte Handlung ein anderes Rechtsgut als das durch diese beeinträchtigte verletzt und der Deliktstypus der Vortat nicht schon für sich allein dem deliktischen Gesamtunwert des zu beurteilenden Verhaltens voll erfaßt (Pallin, WK, § 28 StGB Vorbem. Rz 18 u.a.). Dies trifft hier auf die Erpressung und die Nötigung, durch welche jeweils ein anderes Rechtsgut geschädigt wurde, zu. Das Erstgericht hat daher die Nötigung zutreffend als selbständige Straftat beurteilt.

Eine Nichtigkeit nach Z. 11 erblickt der Beschwerdeführer in der Annahme der Voraussetzungen des § 39 StGB, weil seiner Ansicht nach die Erpressung als strafbare Handlung gegen Leib und Leben angesehen werden müsse und er erst ein einziges Mal wegen einer auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Tat, nämlich wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB, verurteilt worden sei.

Mit diesen Ausführungen macht der Beschwerdeführer, der ersichtlich den zweiten Anwendungsfall der Z. 11 im Auge hat, keine rechtsfehlerhafte Beurteilung einer für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsache geltend, weil die Erpressung zu den strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen gehört (Sechster Abschnitt des StGB), sodaß der Angeklagte zwei im Sinne des § 39 Abs. 1 StGB rückfallsbegründende Vorverurteilungen wegen Vermögensdelikten aufweist (11 und 12 der Strafregisterauskunft). Der erstrichterliche Hinweis auf das Vorliegen der formellen Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle ist damit sachlich zutreffend.

Zur Beschwerde des Angeklagten P***:

Die Tatsachenrüge (Z. 5 a) ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund gestattet nicht die Bekämpfung der Beweiswürdigung nach der Art einer Schuldberufung. Demnach ist der zunächst erhobene Einwand, nicht der Schilderung der Zeugin Christa H***, sondern seiner Einlassung wäre Glauben zu schenken gewesen, von vornherein untauglich: Er bekämpft ausschließlich den Wert der von den Tatrichtern gewürdigten Beweise, dem "aus den Akten" nichts entgegensteht.

Ebensowenig durchzudringen vermag P*** mit den weiteren Ausführungen derselben Rüge, die sich gegen den Schuldspruch III richten. Soweit der Angeklagte bestreitet, des Imstichlassens eines Verletzten geständig gewesen zu sein, setzt er sich zur Aktenlage in Widerspruch; hat er sich doch in der Hauptverhandlung vom 9.Mai 1989 zum diesbezüglichen Anklagevorwurf schuldig bekannt. Seine Behauptung aber, davon überzeugt gewesen zu sein, daß sich die im Kaffeehaus anwesenden Personen um den von ihm bewußtlos geschlagenen Egon A*** kümmern würden, betrifft keinen entscheidungswesentlichen Umstand. Die Notwendigkeit der Hilfeleistung durch den Täter wird nämlich nicht dadurch beseitigt, daß von anderen Personen Hilfe erwartet werden kann solange nicht tatsächlich Hilfe von anderer Seite geleistet wird, was im Tatzeitpunkt nicht der Fall war. Unter Bezugnahme auf Z. 9 lit. a (sachlich: Z. 10) wendet der Beschwerdeführer schließlich ein, daß das ihm als versuchte schwere Nötigung angelastete Verhalten bloß eine straflose Begleittat seiner vorangehenden Erpressung dargestellt habe. Da dieses Beschwerdevorbringen im wesentlichen den Ausführungen des Erstangeklagten in dessen Subsumtionsrüge gleicht, ist auf deren Erledigung zu verweisen.

Eine Nichtigkeit nach Z. 11 (erster Fall) behauptet der Zweitangeklagte der Sache nach im Rahmen seiner Berufung, und zwar deshalb, weil das Gericht die Obergrenze des durch die Bestimmung des § 39 StGB erweiterten Strafrahmens überschritten habe. Daß dies nicht geschehen ist, zeigt allein schon ein Vergleich der Strafdrohung des § 145 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) mit der über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe (sechs Jahre).

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Schicksal der Beschwerden teilen die Berufungen der beiden

Angeklagten.

R*** wurde zu vier, P*** zu sechs Jahren

Freiheitsstrafe, jeweils nach § 145 Abs. 1 StGB und unter Anwendung

von § 28 StGB, verurteilt.

Bei beiden Angeklagten wurden die Erschwerungsgründe der Verübung mehrerer strafbarer Handlungen, des raschen Rückfalls und die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen (welche sowohl bei R*** als auch bei P*** sogar die Anwendung des § 39 StGB ermöglicht hätten), gegen die Milderungsgründe des Teilgeständnisses und des Umstands, daß die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind, abgewogen. Auch Erwägungen über die erfolgreiche Zurückdrängung von Gewalttaten im Zuhältermilieu durch die gerichtliche Strafpraxis wurden angestellt.

§ 39 StGB, dessen Anwendung bei beiden Angeklagten jeweils eine Strafe bis zu 15 Jahren erlaubt hätte, wurde, wie die verhängten Sanktonen zeigen und auch schon anläßlich der Erledigung der Beschwerde des Angeklagten P*** (Z. 11) ausgeführt, nicht angewendet (§ 260 Abs. 1 Z. 4 StPO). Darüber hinaus ist der Berufung des Angeklagten R*** zu erwidern:

Von einem geringeren Unrechtsgehalt der schweren Erpressung und schweren Nötigung kann nicht die Rede sein. Im übrigen ist das Entwicklungsstadium der Taten durch den Milderungsgrund des jeweiligen Versuchs (§ 34 Z. 13 StGB) ausreichend berücksichtigt worden. Demgegenüber wäre noch zu erwähnen, daß als Begehungsmittel der Taten sowohl Gewalt als auch gefährliche Drohung eingesetzt wurden.

Entgegen den Berufungsausführungen des Angeklagten P*** ist darin kein Milderungsgrund zu finden, daß das bedrohte Opfer ihn persönlich kannte; denn angesichts seines durch Vorstrafen geprägten Lebenswandels mag dies eher zusätzlich einschüchternd wirken. Da, wie erwähnt, der Versuch als mildernd gewertet wurde, fällt ein mangelnder Schadenseintritt als weiterer Milderungsgrund weg (siehe § 34 Z. 13 StGB: "oder").

Der Schutz des Gesetzes gilt für alle, Prostituierte sind davon nicht ausgenommen, ganz abgesehen davon, daß Christa H*** nach den Feststellungen des Ersturteils zum Tatzeitpunkt gar nicht mehr der Prostitution nachgegangen ist. Ein Vergleich mit der über R*** verhängten Strafe bringt für P*** keine zusätzlichen Milderungsgründe. R*** hat weniger Vorstrafen und hat auch vorliegend weniger strafbare Handlungen zu vertreten. Die von P*** angestellten Erwägungen über sein zukünftiges Verhalten auf Grund fortschreitenden Alters zeigt keine geringere Schuld der jetzt von ihm zu verantwortenden Straftaten auf. Ein Blick auf sein Vorstrafenregister zeigt vielmehr eine steigende kriminelle Intensität.

Die verhängten Strafen erscheinen damit tat- und tätergerecht.

Anmerkung

E18429

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00076.89.0914.000

Dokumentnummer

JJT_19890914_OGH0002_0130OS00076_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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