TE OGH 1989/9/20 1Ob659/89

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Veröffentlicht am 20.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** G***-M*** UND U***, reg. Gen.m.b.H., Klopeiner

Straße 4, 9131 Grafenstein, vertreten durch Dr. Karl Safron, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Adolf H***, Pensionist, St. Johann 14, 9131 Grafenstein, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 67.400,-- s.A. infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26. Mai 1988, GZ 5 R 212/87-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 31. Juli 1987, GZ 21 Cg 358/86-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte war früher Landwirt und ist ledig. 1970 ging er mit Josefine F*** eine Lebensgemeinschaft ein. Josefine F*** erkrankte im März 1985 und mußte sich in Spitalsbehandlung begeben. Bis zu ihrem Ableben am 27. November 1985 war sie stets - mit Ausnahme einer achttägigen Unterbrechung - im Krankenhaus. Der Beklagte eröffnete am 10. Jänner 1978 bei der klagenden Partei das Girokonto Nr. 638. Bei der Kontoeröffnung wurde ein Unterschriftsprobenblatt sowohl vom Beklagten als Kontoinhaber als auch von der einzelzeichnungsberechtigten Josefine F*** jeweils in Kurrentschrift mit "H*** Adolf" gefertigt. Den Angestellten der klagenden Partei Hildegard P*** und Charlotte R*** sowie dem Geschäftsleiter Josef T*** war bekannt, daß Josefine F*** die Lebensgefährtin des Beklagten war. Auf dem Girokonto wurden die Eingänge des Beklagten im Zusammenhang mit Erträgnissen des landwirtschaftlichen Betriebes wie Treibstoffrückvergütungen, Jagdpacht, Lagerhauszahlungen, Molkereizahlungen verbucht. Von der Kontoeröffnung bis 31. Dezember 1979 ergab sich kein Minussaldo. Abbuchungen erfolgten stets in der Höhe von Eingängen; der Beklagte führte bis 1980 Abhebungen selbst durch. Vom 30. November 1981 bis Februar 1985 schritt ausschließlich Josefine F*** bei Überweisungen und Behebungen auf diesem Konto ein. Sie legte dabei auch Zahlscheine für Betriebsversicherungen, Steuern des landwirtschaftlichen Betriebes, die Sozialversicherungsanstalt der Bauern und das Finanzamt vor. Solche Sammelüberweisungen wurden von ihr bei der klagenden Partei gezeichnet und über das Girokonto des Beklagten abgewickelt.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die klagende Partei vom Beklagten die Bezahlung des offenen Debetsaldos auf dem Girokonto 638 von S 67.400,-- s.A. der durch Barabhebungen und Überweisungen zu Lasten des Kontos entstanden sei. Jedenfalls seien diese Beträge zugunsten des Beklagten verwendet worden, so daß er selbst in der Höhe des Klagsbetrages bereichert sei. Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er habe auf dem bei der klagenden Partei eröffneten Girokonto stets nur in der Höhe der Kontoeingänge Belastungen vorgenommen bzw. durch seine Lebensgefährtin Josefine F*** vornehmen lassen. Eine Überziehungsmöglichkeit im Sinne einer Kreditgewährung sei zwischen den Streitteilen nicht vereinbart worden. Auch habe er Josefine F*** nicht zu solchen Geschäften mit der klagenden Partei bevollmächtigt. Diese habe allenfalls ohne Berechtigung zu Lasten seines Kontos Überziehungen herbeigeführt. Der Beklagte hafte daher nicht für die von der klagenden Partei auf dem Konto unzulässigerweise der Josefine F*** gewährten Kredite, welche ihm nicht zugutegekommen seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:

Eine Überziehung von Girokonten werde von der klagenden Partei bis zu einem Debetstand von rund S 100.000,-- dann gewährt (betriebsintern zugelassen), wenn es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb (wie beim Beklagten) handle und nicht zu befürchten sei, daß es bei der Eintreibung zu Schwierigkeiten komme. Durch Funktionäre der klagenden Partei sei der Geschäftsleiter Josef T*** über die Familienverhältnisse des Beklagten informiert worden. Er habe gewußt, daß für die Einbringung von Forderungen beim Beklagten keine Gefahr bestehe. Vierteljährlich seien vom Girokonto Abschlüsse hergestellt und mit der Post auf den Namen des Beklagten - allerdings nicht eingeschrieben - zugemittelt worden. Seit November 1981 habe sich das Girokonto ständig im Minus befunden, Ende 1984 mit S 102.700,--. Am 1. Februar 1985 habe Josefine F*** bei der klagenden Partei die kurzfristige Ausweitung des Kredites (der Überziehung) vorgenommen, nachdem sie der Angestellten Charlotte R*** und sodann dem Geschäftsleiter Josef T*** erklärt hatte, den weiteren Kredit bis zur Verpachtung der Landwirtschaft des Beklagten zu benötigen. Josef T*** habe auf Grund der Tätigkeit der Josefine F*** angenommen, daß sie verfügungsberechtigt gewesen sei. Er habe ihr eine Kreditausweitung mit einem Rahmen von S 150.000,-- zugesichert; die Abwicklung sollte über das Girokonto 638 erfolgen. Über die Ausweitung des Kreditrahmens sei keine Vertragsurkunde errichtet und auch keine Rücksprache mit dem Beklagten geführt worden. Josef T*** habe lediglich einen Aktenvermerk verfaßt, der als "Internkredit" vom Aufsichtsrat der klagenden Partei genehmigt worden sei. Auch davon sei der Beklagte schriftlich nicht verständigt worden. Am 1. Februar 1985 habe Josefine F*** S 15.000,-- behoben, so daß der Debetstand danach S 117.611,22 betragen habe. Am 8. Februar 1985 habe Josefine F*** noch Überweisungen an die Gemeinde Poggersdorf und an die Sozialversicherungsanstalt der Bauern durchführen lassen, danach habe sie vom Konto keine Beträge mehr behoben. Das Einschreiten der Josefine F*** für den Beklagten bei der klagenden Partei sei mit Zustimmung des Beklagten erfolgt. Auch die Einzelzeichnungsberechtigung der Josefine F*** sei auf sein Einverständnis zurückzuführen. Das Ansuchen der Josefine F*** um Darlehenserweiterung am 1. Februar 1985 sei im Einverständnis mit dem Beklagten erfolgt. Dieser habe auch die Kontoauszüge und vierteljährlichen Abschlüsse erhalten. Am 18. September 1985 sei an den Beklagten eine Mahnung und Aufforderung der klagenden Partei ergangen, den Debetstand von S 115.349,22 zu bereinigen. Danach habe der Beklagte Josef T*** über die Entwicklung des Kontostandes befragt. Dieser habe ihn auf die vierteljährlichen Kontoabschlüsse und darauf verwiesen, daß Josefine F*** die Abhebungen durchgeführt habe. Damals habe der Beklagte keine Äußerung darüber gemacht, daß Josefine F*** nicht berechtigt gewesen sei, Geldbeträge zu beheben. Der Beklagte habe am 24. September 1985 S 10.620,-- und am 26. September 1985 S 68.157,16 vom Konto behoben, am 1. Oktober 1985 auf dieses Konto einen Betrag von S 50.000,-- eingezahlt und letztlich noch am 23. Dezember 1985 S 4.266,-- vom Konto abgehoben.

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung schloß das Erstgericht aus der langen Dauer der gut verlaufenen Lebensgemeinschaft des Beklagten mit Josefine F*** und deren alleinigem Auftreten bei der klagenden Partei, in Verbindung mit der langen Inaktivität des Beklagten in den geschäftlichen Beziehungen zur klagenden Partei, daß der Beklagte Josefine F*** die Verfügungsermächtigung über das Girokonto 638 in Form der Einzelzeichnungsberechtigung erteilt habe. Weiters folgerte das Erstgericht aus der Darstellung des Beklagten über den Verlauf der Lebensgemeinschaft mit Josefine F*** und die Erledigung seiner Zahlungen im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb durch Erlagscheine sowie aus der exakten Schilderung der Josefine F*** über den kurzfristigen weiteren Kreditbedarf gegenüber dem Geschäftsleiter der klagenden Partei am 1. Februar 1985 die Ermächtigung der Josefine F*** durch den Beklagten, die Kreditausweitung zu bewirken. Es liege daher eine - auf das Konto 638 bezogene - offene Vollmachtserteilung des Beklagten an Josefine F*** gemäß §§ 1007, 1017 ABGB vor. Die von Josefine F*** getroffenen Verfügungen über das Konto 638 hätten sohin den Beklagten auch im Umfang der Barabhebungen verpflichtet. Die Kreditaufstockung (um S 50.000,-- am 1. Februar 1985) habe eine besondere Vollmacht gemäß § 1008 ABGB erfordert, welche der Beklagte auch mündlich in ausreichender Weise erteilt habe, so daß weder ein Vollmachtsmißbrauch noch eine Vollmachtsüberschreitung der Josefine F*** vorgelegen sei. Auch seien die Überweisungen am 8. Februar 1985 ausdrücklich im Interesse der Wirtschaftsführung des Beklagten erfolgt.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten nach Beweiswiederholung nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Ergänzend zu den sonst als unbedenklich übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes stellte das Berufungsgericht noch fest:

Der Beklagte sei nach Erhalt der Mahnung vom 18. September 1985 über das Ausmaß der Kontoüberziehung verwundert gewesen und habe erklärt, mit (seiner im Krankenhaus befindlichen Lebensgefährtin) Josefine F*** deshalb Rücksprache zu halten, sowie weiters, daß Josef T*** mit den vom Beklagten vorgenommenen Abhebungen von S 10.620,-- am 24. September 1985 und von S 68.157,16 am 26. September 1985 einverstanden gewesen sei.

Die zum Abschluß von Darlehens- und Kreditverträgen erforderliche Gattungsvollmacht nach § 1008 ABGB könne auch schlüssig erteilt werden. Das Verhalten des Beklagten, welcher im fraglichen Zeitraum alle sein Konto bei der klagenden Partei betreffenden Angelegenheiten seiner Lebensgefährtin Josefine F*** überlassen und sich um die Kontoauszüge usw. nicht gekümmert habe, habe deutlich seine Absicht erkennen lassen, diese zu Verfügungen über das Konto zu bevollmächtigen. Damit habe der Beklagte auch einen äußeren Tatbestand gesetzt, der die klagende Partei bzw. deren Angestellte und deren Geschäftsleiter auch zur Annahme einer Vertretungsbefugnis der Josefine F*** berechtigt habe. Dies könne vor allem im ländlichen Bereich angenommen werden, wenn der Kontoinhaber seine Lebensgefährtin mit Abhebungen und Abbuchungen von seinem Konto betraue und solches jahrelang ohne Reklamationen geschehe.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist berechtigt.

Die vom Erstgericht getroffenen, vom Berufungsgericht übernommenen und teilweise ergänzten Feststellungen können nur im Zusammenhang mit den Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung verstanden werden, da sie für sich allein nicht erkennen lassen, auf welcher Grundlage die rechtliche Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof vorzunehmen ist. Das Erstgericht stellte so fest, das Ansuchen der Josefine F*** um Darlehenserweiterung am 1. Februar 1987 (richtig 1985) sei im Einverständnis mit dem Beklagten erfolgt. Keine Feststellung erfolgte hingegen zur vorherigen Kreditausweitung. Eine solche wurde dann im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung (S 13 des Urteils) getroffen, aber nur daraus abgeleitet, daß Josefine F*** bei der Führung des landwirtschaftlichen Betriebes des Beklagten mithalf, die Erlagscheine, die sich auf Zahlungen im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb bezogen, durch Zahlung regelte und die Umstände bei der Ausweitung des Kredites dem Geschäftsführer der klagenden Partei gegenüber exakt schilderte. Daß daraus keine Ermächtigung durch den Beklagten, Josefine F*** hätte eine Kreditausweitung für ihn, also zu seinen Lasten, erwirken dürfen, abgeleitet werden kann, bedarf keiner näheren Begründung. Daß der Beklagte am 1. Oktober 1985 S 50.000,-- zahlte, besagt aber überhaupt nichts, hatte er doch kurz vorher selbst höhere Beträge abgehoben. Inwieweit das Berufungsgericht Feststellungen des Erstgerichtes wirklich übernehmen wollte, ist aus seinen Ausführungen hiezu ebenfalls nicht erkennbar; es stellte aber doch ergänzend fest, der Beklagte sei über das Ausmaß der Kontoüberziehung verwundert gewesen. Von welchen Feststellungen das Berufungsgericht wirklich ausgehen wollte, ergibt sich aus seinen Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung. Eine ausdrückliche Bevollmächtigung der Josefine F*** durch den Beklagten nahm das Berufungsgericht nicht an, sprach es doch nur von schlüssiger Vollmachtserteilung. Die Schlüssigkeit erblickte es aber allein darin, daß der Beklagte alle Angelegenheiten, die sein Konto betrafen, seiner Lebensgefährtin Josefine F*** überlassen und sich um Kontoauszüge usw. nicht gekümmert hatte. Daraus soll deutlich seine Absicht zu erkennen gewesen sein, Josefine F*** zu "Verfügungen" über das Konto zu bevollmächtigen. Das Recht zu Verfügungen über ein Girokonto berechtigt aber noch keineswegs zu Kreditaufnahmen. Im übrigen meinte das Berufungsgericht der Beklagte habe einen äußeren Tatbestand gesetzt, der die klagende Partei zur Annahme berechtigte, daß Josefine F*** zur Vertretung des Beklagten berechtigte. Von Vertrauen auf den äußeren Tatbestand wird nach einhellig herrschender Auffassung aber nur dann gesprochen, wenn jemand zu schützen ist, dem trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt der wahre Sachverhalt verborgen blieb, und der äußere Tatbestand von jenem gesetzt wurde, gegen den er sich auswirken soll (JBl 1988, 733; ÖBA 1988, 839; SZ 57/209 uva). Die Rechtsfigur des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand setzt damit voraus, daß in Wahrheit keine Bevollmächtigung vorlag. Daß das Berufungsgericht also seiner rechtlichen Beurteilung die Tatsachenfeststellung zugrundelegen wollte, der Beklagte habe Josefine F*** zur Aufnahme eines Kredites auf das für ihn eröffnete Girokonto bevollmächtigt gehabt, ist nach seinen Ausführungen nicht zu erkennen. Die Vertretungsbefugnis bei Verfügungen über das Girokonto und die Berechtigung zu Abhebungen und Abbuchungen hievon berechtigt aber noch nicht zum Vertrauen, Josefine F*** sei auch zur Kreditaufnahme für den Beklagten berechtigt gewesen. Im vorliegenden Fall ist damit davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen also nur ein Girovertrag mit der Errichtung des Girokontos 638 geschlossen wurde und die Lebensgefährtin des Beklagten Josefine F*** über dieses Konto zeichnungsberechtigt war.

Der Girovertrag verpflichtet die Bank, ihr aufgetragene Leistungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (die Gutschrift eingehender Beträge, die Besorgung von Überweisungen zugunsten und zu Lasten des Kontos) im Rahmen des aktiven Kontostandes durch buchmäßige Umschreibungen zu bewirken (SZ 59/51 mwH; EvBl 1976/79; Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 76). Der Girovertrag ist als Geschäftsbesorgungsvertrag und entgeltliches Dauerschuldverhältnis anzusehen (SZ 59/51; EvBl 1976/79; Koziol in Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 6/11). Ein mit Zustimmung des Kontoinhabers und der Bank bestellter Zeichnungsberechtigter kann - unabhängig davon, ob er nun im eigenen oder fremden Namen handelt - über die Forderungen des Kontoinhabers gegen die Bank, nicht aber über dessen Vertragsposition (etwa die Erteilung oder den Entzug von weiteren Zeichnungsberechtigungen; die Schließung des Kontos uam) verfügen (Iro in Avancini-Iro-Koziol aaO Rz 4/56 ff, insb. 62). Ohne Erteilung einer besonderen Befugnis durch den Kontoinhaber kann der Zeichnungsberechtigte keine Verfügungen über das Konto vornehmen, wenn dieses debitorisch ist oder dadurch debitorisch würde, weil damit keine Verfügung über eine Forderung des Kontoinhabers aus dem Girovertrag vorläge. Eine solche Forderung könnte nur im Wege einer Krediteinräumung und -bereitstellung auf dem Konto entstehen. Zum Abschluß eines Kreditvertrages für den Kontoinhaber ist aber der Zeichnungsberechtigte grundsätzlich, dh ohne spezielle Vollmacht, nicht berechtigt (Iro aaO Rz 4/63; Canaris, Bankvertragsrecht2 Rz 165). Eine Kreditaufnahme zählt nicht zu den gewöhnlich mit Verfügungen über das Girokonto verbundenen Geschäften, weil sie den Kontoinhaber mit Rückzahlungspflichten belasten kann, die er möglicherweise aus seinem sonstigen Vermögen erfüllen müßte. Ein dennoch von der Bank auf Grund bloßer Verfügung des Zeichnungsberechtigten gewährter und auf dem Konto gutgeschriebener Kredit (Überziehung) ist für den Kontoinhaber, wenn er die Vorgangsweise des Zeichnungsberechtigten nicht genehmigt, nicht wirksam. Die Bank könnte nur einen Bereicherungsanspruch gegen den Kontoinhaber geltend machen, wenn und soweit dieser aus den Verfügungen des Zeichnungsberechtigten einen Nutzen erlangt hat (Iro aaO). Nur wenn dem Kontoinhaber selbst auf Grund eines Krediteröffnungsvertrages ein Kredit auf seinem Konto eingeräumt wäre, könnte der Zeichnungsberechtigte im allgemeinen auch Verfügungen über diesen Betrag treffen.

Vorliegend war zwischen den Parteien kein Krediteröffnungsvertrag (Überziehungsmöglichkeit auf dem Girokonto) geschlossen worden; die über das Girokonto verfügungsberechtigte Lebensgefährtin des Beklagten war auch nicht zu einer solchen Kreditaufnahme (Erwirkung einer Überziehungsmöglichkeit) vom Beklagten bevollmächtigt; vielmehr gewährte die klagende Partei von sich aus, ohne das Einvernehmen mit dem Beklagten herzustellen, auf Grund von Verfügungen der nur für das Girokonto zeichnungsberechtigten Josefine F*** eine Überziehung des Girokontos bis S 100.000,--, weil ihr der Beklagte für dieses Debet "gut erschien". Dieses Verhalten der klagenden Partei war völlig bankunüblich; nach der Bankenpraxis werden vielmehr vor Abschluß eines Kreditvertrages persönliche Kontakte mit dem Kreditwerber hergestellt oder wird zumindest dafür Sorge getragen, daß der Kreditwerber Gelegenheit hat, vor Eingehung der Verbindlichkeit der Bank gegenüber das Anbot persönlich zu prüfen (SZ 54/161 mwN; vgl. EvBl 1987/179). Es kann nur angenommen werden, daß dem über ein Girokonto Zeichnungsberechtigten auch die Befugnis zusteht, das Konto im Verhältnis zur Kontobewegung geringfügig und für voraussichtlich kurze Zeit überziehen zu dürfen, weil es nicht im Interesse des Kontoinhabers gelegen sein kann, daß Verfügungen des Zeichnungsberechtigten bei jeder noch so geringfügigen Überziehung blockiert wären und daher etwaige Zahlungen an Dritte für den Kontoinhaber (vorläufig) unterbleiben müßten; eine solche Überziehungsbefugnis besteht aber nur in engen Grenzen (Iro aaO Rz 4/64; vgl. Canaris aaO) und kann daher nicht für eine Kreditgewährung durch mehrere Jahre und für letztlich über S 100.000,-- gelten. Im Schweigen des Kunden auf die Anzeige oder Abrechnung durch die Bank kann aber nach herrschender Ansicht, der sich auch der erkennende Senat anschließt, nicht die Genehmigung der darin bezogenen Geschäftsfälle, die auf keinem gültigen Auftrag des Kunden beruhen, erblickt werden (Iro aaO Rz 4/139 mwN in FN 188; Canaris aaO Rz 2641 f). Ist der Bank der Mangel des Abschlusses eines formellen Kreditvertrages bekannt, kann sie also nicht annehmen, der Kunde wolle durch sein bloßes Schweigen die bislang fehlende rechtsgestaltende Wirkung eines korrekten Vertragsabschlusses ersetzen. Daraus, daß der Beklagte sich um die Kontoauszüge nicht kümmerte, sind also keine Schlüsse zugunsten der klagenden Partei zu ziehen, insbesondere nicht dahin, der Beklagte habe dadurch seine Absicht zu erkennen gegeben, Josefine F*** nicht nur zu Verfügungen über das Girokonto, sondern auch zu Kreditaufnahmen oder längerdauernde und größere Kontoüberziehungen zu ermächtigen.

Die Sache ist aber noch nicht spruchreif, weil die klagende Partei als weiteren Klagegrund einen Bereicherungsanspruch in der Höhe des Klagsbetrages gegen den - aus den Verfügungen der Josefine F*** begünstigten - Beklagten behauptet hat, der im Sinne der obigen Ausführungen berechtigt sein kann, im bisherigen Verfahren aber ungeprüft blieb. Dies erfordert die Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Sache an das Prozeßgericht erster Instanz.

Der Revisionskostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E18475

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00659.89.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19890920_OGH0002_0010OB00659_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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