TE OGH 1989/9/20 1Ob619/89

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Veröffentlicht am 20.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolfine H***, Private, Wien 18., Starkfriedgasse 11, vertreten durch Dr. Erhard C.J. Weber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Josef H***, öffentlicher Notar, Wien 1., Riemergasse 6, vertreten durch Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme (Streitwert S 900.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14. März 1989, GZ 47 R 2077/86-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 31. März 1988, GZ 7 C 5/87-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die als Revisionsrekurs zu wertende Revision wird zurückgewiesen. Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind verheiratet, über eine vom Beklagten eingebrachte Scheidungsklage wurde noch nicht entschieden. Im wiederaufzunehmenden Verfahren 2 C 26/83 des Bezirksgerichtes Döbling begehrte die Klägerin mit der am 28.7.1983 eingebrachten Klage vom Beklagten, einem Notar, vorerst mit der Behauptung, der Beklagte verdiene monatlich S 70.000, den Zuspruch eines monatlichen Unterhaltes von S 20.000. Sie sei zwar Eigentümerin zweier Miethäuser, diese würfen aber keine Erträgnisse ab. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12.9.1983 dehnte sie ihr Unterhaltsbegehren mit der Behauptung, der Beklagte habe ein monatliches Einkommen von S 100.000, auf monatlich S 25.000 aus. Der Beklagte wendete ein, er erbringe an die Klägerin ausreichende Unterhaltsleistungen. Die Klägerin beziehe neben einem Gehalt von der B*** mbH Einkünfte aus den Erträgnissen zweier Zinshäuser. Der Beklagte weigerte sich, auch nur einen Teil seiner Buchhaltungsunterlagen einem sachverständigen Wirtschaftsprüfer zur Verfügung zu stellen.

Das Bezirksgericht Döbling wies im Vorprozeß nach Schluß der Verhandlung gemäß § 193 Abs. 3 ZPO am 21.11.1984 das Begehren der Klägerin mit Urteil vom 17.12.1984, ON 41, ab. Es stellte fest, es sei das Einkommen des Beklagten derart hoch, daß, hätte die Klägerin kein eigenes Einkommen, der Zuspruch eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 25.000 berechtigt wäre. Die Klägerin habe aber im Jahr 1983 aus Erträgnissen ihrer Häuser den Betrag von S 88.000, im Jahre 1984 von mindestens S 70.000 bezogen. Für das Jahr 1983 habe sie in der Zeit vom September bis Dezember vom Hausverwalter Beträge von insgesamt S 70.000 erhalten, die nach außen hin zwar als Darlehen deklariert, in Wahrheit ihrem Einkommen zuzurechnen seien.

Das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin mit Urteil vom 3.4.1986, 47 R 2002/85-61, nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung.

Mit der am 3.6.1987 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens 2 C 26/83 des Bezirksgerichtes Döbling, die Aufhebung der dort ergangenen Urteile und die Stattgebung des dort gestellten Begehrens. Sie erklärte ausdrücklich, daß sie die im Vorverfahren getroffenen Feststellungen über ihre Einkommenssituation nicht bekämpfe. Durch einen ebenso unerwarteten wie außerordentlich glücklichen Umstand sei ihr aber vor wenigen Tagen die tatsächliche Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1984 samt sämtlichen Kenndaten betreffend die im Alleineigentum des Beklagten stehende Notariatskanzlei in Wien 1., Riemergasse 6, in Fotokopie zugegangen. Diese Gewinn- und Verlustrechnung 1984 wurde als Beilage ./A zum Akt gegeben. Aus diesem neuen Beweismittel ergebe sich unter Berücksichtigung der sich auf Grund dieser Gewinn- und Verlustrechnung hinzuzurechnenden Beträge ein für die Unterhaltsbemessung relevantes Einkommen nach Abzug der Einkommensteuer für 1984 von insgesamt S 1,583.798,40. Wäre ein solches Einkommen des Beklagten im Vorprozeß festgestellt worden, wäre dem Unterhaltsbegehren stattgegeben worden. Das Erstgericht wies das Begehren der Wiederaufnahmsklage ab. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung traf es die Feststellung, eine eindeutige Zuordnung der Gewinn- und Verlustrechnung Beilage ./A zur Kanzlei des Beklagten auf Grund der Unterlagen sowie des Umstandes, daß es sich dabei offensichtlich um eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung eines Freiberuflers handle, sei nicht möglich. Aber selbst unter der Annahme, daß es sich dabei um eine auf die Kanzlei des Beklagten beziehende Gewinn- und Verlustrechnung handle, sei die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig. Ausgehend vom Schluß der Verhandlung erster Instanz im Vorprozeß (21.11.1984) zeige sich, daß das Jahreseinkommen des Beklagten für das Jahr 1984 noch gar nicht (jedenfalls nicht zur Gänze) entstanden gewesen sei. Somit hätte das Jahresnettoeinkommen 1984 des Beklagten der Entscheidung des Erstgerichtes im Vorprozeß mangels Existenz niemals zugrundegelegt werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt habe, könne vor Ende des Geschäftsjahres 1984 weder der Gesamtumsatz des Beklagten noch auch dessen für die Gewinnermittlung steuerliche Bewertung beurteilt werden. Die als Wiederaufnahmsgrund angeführte Tatsache der Höhe des Jahreseinkommens 1984 habe bei Schluß der Verhandlung erster Instanz im Vorprozeß daher noch nicht existiert. Es sei dem Erstgericht daher beizupflichten, daß der behauptete Wiederaufnahmsgrund (Jahreseinkommen des Beklagten im Jahre 1984) kein novum repertum, sondern ein novum productum darstelle, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu rechtfertigen vermöge.

Rechtliche Beurteilung

Die als Revisionsrekurs zu wertende Revision der Klägerin ist unzulässig.

Die Vorinstanzen haben das Wiederaufnahmebegehren übereinstimmend im Sinne der Abweisung mit Urteil sachlich erledigt, der Sache nach jedoch das Vorliegen eines gesetzlichen Wiederaufnahmsgrundes verneint. Gemäß § 538 Abs.1 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über eine Wiederaufnahmsklage ua zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt ist; mangelt es daran, so hat es die Klage zurückzuweisen. Gemäß § 543 ZPO hat dies auch zu geschehen, wenn sich dies erst bei der mündlichen Verhandlung herausstellt.

Nach § 530 Abs.1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Parteien günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Es kommt darauf an, ob die Außerachtlassung der neuen Tatsachen oder Beweismittel im Vorprozeß einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage darstellt (SZ 59/14). Es muß sich also immer um Tatsachen handeln, die bereits vor dem für die Entscheidungsfällung maßgeblichen Zeitpunkt entstanden sind. Tatsachen, die erst nach Schluß der Verhandlung in erster Instanz im Vorprozeß eingetreten sind, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs.1 Z 7 ZPO (SZ 19/95; 8 Ob 66/74; vgl. JBl. 1988, 793; Fasching, Zivilprozeßrecht 1722 f, 2062). Auf die Frage der Eignung des angebotenen Beweismittels ist daher nicht einzugehen, wenn damit nur Tatsachen unter Beweis gestellt werden sollen, die nach dem maßgeblichen Zeitpunkt entstanden sind. Die vom Erstgericht gegebene Eventualbegründung (Entstehen der neuen Tatsachen nach Schluß der Verhandlung erster Instanz im Vorprozeß) trägt daher in Wahrheit als Hauptbegründung die richtigerweise in Beschlußform zu ergehende Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage. Auch das Berufungsgericht, das sich nur mit der Frage beschäftigte, wann die von der Klägerin behaupteten neuen Tatsachen entstanden sind, vertrat die Rechtsansicht, daß es sich bei dem von der Klägerin behaupteten Jahreseinkommen des Beklagten für das Jahr 1984 um eine solche erst nach Schluß der Verhandlung der ersten Instanz im Vorprozeß entstandene Tatsache gehandelt hat. Hat das Erstgericht die Klage dennoch mit Urteil abgewiesen, so hat es sich hiebei in der Entscheidungsform vergriffen. Dieses Versehen konnte der Klägerin kein Berufungsrecht eröffnen. Ihre Berufung wäre vom Gericht zweiter Instanz vielmehr als Rekurs zu behandeln gewesen (Fasching aaO Rz 1686). Nach seiner Rechtsansicht hätte es dem als Rekurs zu behandelnden Rechtsmittel der Klägerin in Beschlußform den Erfolg versagen und die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigen müssen. Haben sich beide Instanzen somit in der Entscheidungsform vergriffen und mit Urteil erkannt, ist dennoch die Zulässigkeit des Rechtsmittels und seine Behandlung an der wahren Verfahrenslage zu messen und gemäß § 84 ZPO die richtige Entscheidungsform der Erledigung zugrundezulegen (Fasching aaO Rz 1686; derselbe, Kommentar IV 21 f). Die Revision der Klägerin ist daher als Revisionsrekurs zu behandeln und damit ein gemäß § 528 Abs.1 Z 1 ZPO unzulässiges Rechtsmittel gegen eine den erstinstanzlichen Beschluß bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes zurückzuweisen (SZ 18/56; 6 Ob 596/88, 1 Ob 175/74 ua). Die Richtigkeit der von den Vorinstanzen vertretenen Standpunkte kann dann nicht geprüft werden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO. Dem Beklagten gebührt deshalb kein Kostenersatz, weil er auf den konkret vorliegenden Grund der Unzulässigkeit des Rechtsmittels in seiner "Revisionsbeantwortung" nicht hingewiesen hat.

Anmerkung

E18465

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00619.89.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19890920_OGH0002_0010OB00619_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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