TE OGH 1989/9/20 1Ob645/89

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Veröffentlicht am 20.09.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Erik F***, geboren am 4. Oktober 1980, infolge Revisionsrekurses der Mutter Andrea B***, Angestellte, Franzensgasse 17/2/1/1, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 27. Juni 1989, GZ 43 R 413/89-85, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13. März 1989, GZ 3 P 39/86-81, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde gemäß § 55 a EheG am 14. Februar 1986 geschieden; im Scheidungsvergleich wurden der Mutter die elterlichen Rechte und Pflichten für den Minderjährigen zugewiesen, die Regelung des väterlichen Besuchsrechtes blieb vorbehalten. Mit dem - unangefochten in Rechtskraft erwachsenen - Beschluß des Erstgerichtes vom 25. Juni 1986 (ON 16) wurde dem Vater - vorläufig im Rahmen der Zustimmung der Mutter - ein Besuchsrecht an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von 8,30 Uhr bis 18 Uhr zuerkannt. Die Mutter ist seit 4. März 1988 mit Anton B*** verheiratet; aus dieser Ehe stammt eine Tochter. Der Vater lebt mit Helga F***, einer ehemaligen Freundin der Mutter, in Lebensgemeinschaft.

Nach Vernehmung der Eltern und des Minderjährigen sowie Einholung eines Gutachtens der psychologischen Sachverständigen Dr. Angelika G*** entschied das Erstgericht im wesentlichen im Sinne des nach der Gutachtenserstattung erweiterten Besuchsrechtsantrages des Vaters und setzte dessen Besuchsrecht insgesamt auf jeden ersten Samstag von 8,30 Uhr bis 18 Uhr und jeden dritten Samstag von 8,30 Uhr bis zum darauffolgenden Sonntag 18 Uhr sowie eine - zwischen den Eltern festzulegende - Woche im Sommer fest. Die von der Mutter aus der Aufrechterhaltung oder gar Erweiterung des Besuchskontaktes des Minderjährigen zum Vater geäußerten Befürchtungen seien nicht berechtigt; es sei vielmehr Sache der Mutter, das Kind ihre mit dem Vater immer noch bestehenden, teilweise durch die Unterhaltsstreitigkeiten mitverursachten Spannungen nicht fühlen zu lassen und auf die Besuche beim Vater vorzubereiten. Die vom Minderjährigen vor Gericht und bei der Sachverständigen bekundete Weigerung, beim Vater zu übernachten, sei jeweils damit begründet worden, daß die Mutter nicht damit einverstanden sei; es sei daher Sache der Mutter, den Minderjährigen auch auf die - beim Vater mögliche - Übernachtung im Rahmen der Besuchsrechtsausübung vorzubereiten. Unter reifen Personen sollte es sich von selbst verstehen, das Kind nicht gegen den anderen Elternteil (negativ) zu beeinflussen. Zuletzt führte die Erstrichterin aus, zunächst sei eine Besuchsrechtserweiterung (mit Übernachtung) nur über Samstag/Sonntag einmal monatlich vorgenommen worden, obwohl die Sachverständige hier ein Wochenende von Freitag bis Sonntag vorgeschalgen habe. Diese Wiedergabe des Sachverständigen-Vorschlages entspricht nicht der Aktenlage (siehe Gutachten ON 74 S 11 = AS 183, weil die Sachverständige dort einen Vorschlag von Freitag Nachmittag bis Samstag Abend mit Übernachtung in vierwöchentlichen Abständen erstattet hat).

Infolge Rekurses der Mutter bestätigte das Gericht zweiter Instanz die Entscheidung des Erstgerichtes. Die Sachverständige habe keine Beeinträchtigung des Minderjährigen durch die Besuchskontakte zum Vater bekundet, sondern dargelegt, daß - vor allem nach der Geburt einer Halbschwester - eine Auseinandersetzung des Minderjährigen mit dem Vater für seine emotionale Entwicklung wichtig sei. Eine Beeinträchtigung des Minderjährigen könne sich nur dann ergeben, wenn er in einen Zwiespalt zwischen der ablehnenden Haltung der Mutter und seinen eigenen Wünschen nach Zuwendung zum Vater gerate. Zur Vermeidung einer solchen Konfliktsituation läge es an der Mutter, ihre negativen Gefühle gegenüber dem Vater zu "bearbeiten". Die Ausführung der Sachverständigen, für eine erweiterte Besuchsregelung sei ein Konsens zwischen den Eltern notwendig, sei nicht als tatsächliche Voraussetzung für eine Besuchsrechtserweiterung (wie von der Mutter unter Hinweis auf ihren fehlenden Konsens zur Übernachtungsregelung gesehen), sondern vielmehr als Appel der Sachverständigen an die (Vernunft der) Eltern zu verstehen, die - besonders von der Mutter noch - unverarbeiteten Spannungen gegenüber dem eindeutigen Kindeswohl zurücktreten zu lassen. Die Mutter habe in diesem Sinne dafür Sorge zu tragen, daß das Besuchsrecht mit der Übernachtung beim Vater vom Kind als ein gewünschtes Ereignis empfunden und der deutlich gegen eine Besuchsrechtserweiterung gerichtete Wille der Mutter beim Kind nicht verstärkt, sondern abgebaut werde. Das erweiterte Besuchsrecht sei auch dem Alter des Minderjährigen angepaßt.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Mutter gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes unter Nennung der Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG erhobene Rekurs ist nicht zulässig.

Die im Beschluß des Erstgerichtes enthaltene oben wiedergegebene aktenwidrige Darstellung des Vorschlages der Sachverständigen für das mit einer Übernachtung verbundene Wochenendbesuchsrecht kann den Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit der Rekursentscheidung schon deshalb nicht darstellen, weil das Rekursgericht ohne Übernahme des vom Erstgericht unrichtig dargestellten Sachverständigen-Vorschlages in der Sache entschieden hat und dabei von dem in der Aktenlage gedeckten Vorschlag der Sachverständigen ausgegangen ist, ohne diesen freilich zu übernehmen.

Ähnlich verhält es sich mit der Beurteilung der Aussage des Minderjährigen zur Frage, ob er beim Vater übernachten wolle, und der Empfehlung der Sachverständigen, für die Besuchsrechtserweiterung sei der Konsens der Eltern nötig, durch die Vorinstanz. Hier wurden in Erledigung dieser Einwände vom Rekursgericht Beweismittel einer Beurteilung (Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung) unterzogen, keineswegs aber aktenwidrige Feststellungen getroffen oder beurteilt. Die vom Gericht zweiter Intanz dazu vorgenommenen - oben erwähnten - Beurteilungen stellen keinen der im § 16 AußStrG vorgesehenen Anfechtungsgründe dar. Die Rechtsausführungen bewegen sich vielmehr innerhalb der von der Rechtsprechung herausgebildeten Kriterien über das Wesen des Besuchsrechtes und die bei dessen Durchführung den die Elternrechte ausübenden Elternteil treffenden Pflichten (EFSlg. 51.159; 51.171;

48.345 uva).

Da außerdem jede Besuchsrechtsentscheidung eine Ermessensentscheidung ist, weil das Gesetz (§ 148 Abs. 1 ABGB) Art und Dauer der Besuchszeiten nicht ausdrücklich regelt, sondern dabei allein auf das Wohl des Kindes (§ 178 a ABGB) abstellt, kann eine offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, die weder gegen Grundprinzipien des Rechtes verstößt noch als willkürlich oder mißbräuchlich anzusehen ist, und das Kindeswohl stets beachtet schon begrifflich nicht vorliegen (EFSlg. 52.777 uam).

Mangels Dartuung der im § 16 AußStrG vorgesehenen Anfechtungsgründe ist der Rekurs der Mutter zurückzuweisen.

Anmerkung

E18467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00645.89.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19890920_OGH0002_0010OB00645_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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