TE OGH 1989/9/26 10ObS282/89

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Veröffentlicht am 26.09.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard D*** (AG) und Walter Benesch (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann F***, Pensionist, 8924 Wildalpen, Hinterwildalpen 39, vertreten durch Dr.Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei A*** U*** (Landesstelle G***),

1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Adolf Fiebich, Dr.Vera Kremslehner und Dr.Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Entziehung einer Versehrtenrente infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Mai 1989, GZ 8 Rs 42/89-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 24.November 1988, GZ 22 Cgs 99/88-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die einschließlich der Umsatzsteuer von 514,50 S mit 3.087 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 7.9.1982 anerkannte die beklagte Partei die Erkrankung, die sich der Kläger als Forstarbeiter im Betrieb der Forstverwaltung Wildalpen der Österreichischen Bundesforste zugezogen hatte, nach § 177 ASVG Anlage 1 Nr 20 als Berufskrankheit und gewährte ihm ab 17.10.1980 bis auf weiteres eine (Dauer)Rente von 25 vH der Vollrente. Nach der Bescheidbegründung waren für die Entschädigung folgende ärztlich festgestellte Folgen der Berufskrankheit maßgebend: Neigung zu Gefäßkrämpfen in den Fingern mit Durchblutungsstörungen, soweit diese Beschwerden durch die berufliche Tätigkeit mit Motorsägen verursacht wurden. Die deformierende Arthrose der Acromioclaviculargelenke bds wurde nicht als Folge der Berufskrankheit anerkannt.

Mit Bescheid vom 11.3.1988 entzog die beklagte Partei dem Kläger diese Rente unter Berufung auf § 99 Abs 1 und 3 ASVG ab 1.5.1988, weil die Durchblutungsstörungen in den Fingern abgenommen hätten. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage behauptete der Kläger, daß sich die zur Gewährung der Rente führenden Beschwerden nicht gebessert hätten und begehrte die Weitergewährung der Renta ab 1.5.1988.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit nur mehr 15 vH betrage. Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Weitergewährung der Versehrtenrente ab 1.5.1988.

Es stellte im wesentlichen fest, daß beim Kläger seit etwa 1970 ein sekundäres Raynaudsyndrom (Weißfingerkrankheit) besteht, das durch die Kälteexpositionen und das Arbeiten mit der Motorsäge im Rahmen der Erwerbstätigkeit verursacht wurde. Die klinische Symptomatik und die arterielle Durchblutung der bds Fingerarterien haben sich gegenüber dem Gewährungsgutachten durch Wegfall der auslösenden Ursachen (Kälteexposition und Motorsägenarbeit) - der Kläger arbeitet seit Jänner 1987 nicht mehr und bezieht seit 1.4.1987 eine Invaliditätspension - gebessert. Die vasospastischen Anfälle (Gefäßkrämpfe) wurden zunächst seltener und hörten dann ganz auf, wodurch die betroffenen Gebiete ständig besser arteriell durchblutet wurden. Dennoch wurde die Weißfingerkrankheit nicht geheilt. Wäre der Kläger neuerlich auch nur mit einem krankheitsauslösenden Faktor (Kälte oder Vibration) ausgesetzt, würde dies wieder zu Gefäßkrämpfen bzw zu dem für die Rentenbewährung führenden Zustand der Fingerarterien führen. Die berufskrankheitsbedingte Minderung der Erwerbstätigkeit beträgt wie bisher 25 vH.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Nach den rechtlich zu beurteilenden Feststellungen handelt es sich bei der für die Rentengewährung maßgebenden Berufskrankheit (LfdNr 20 der Anlage 1 zum ASVG) um eine Erkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten zwingt, die für ihre Entstehung oder Verschlimmerung oder ihr Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können. Solche Krankheiten, die bei Fortsetzung oder (Wieder)Aufnahme schädigender Erwerbsarbeit wieder ausbrechen können, sind auch während der Latenz Berufskrankheiten, deren Folgen die Erwerbsfähigkeit mindern, weil sich dadurch die Fähigkeit des Versicherten, auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens einen Verdienst zu erwerben (SSV-NF 1/64 ua), einengt (so auch die der beklagten Partei - allerdings erst nach Erhebung dieser Revision zugestellte E 23.5.1989, 10 Ob S 125/89).

Während Hauterkrankungen (LfdNr 19 der Anlage 1) und Erkrankungen an Asthma bronchiale (LfdNr 30 dieser Anlage) überhaupt nur als Berufskrankheiten gelten, wenn und solange sie zur Aufgabe schädigender Erwerbsarbeit zwingen, worunter die letzte Erwerbstätigkeit zu verstehen ist (SSV-NF 1/65), wobei allerdings auch die Auswirkungen der Aufnahme anderer Erwerbstätigkeiten auf die Entwicklung dieser Krankheiten zu prüfen ist (SSV-NF 2/104), ist bei den übrigen (latenten) Berufskrankheiten die Aufgabe der schädigenden Erwerbstätigkeit keine Voraussetzung der Anerkennung als Berufskrankheit (so auch 10 Ob S 125/89).

Daher sind die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Berufskrankheit nach LfdNr 20 der Anlage 1 nach wie vor um 25 vH gemindert ist, weshalb von einem Wegfall der Voraussetzungen des Anspruches auf die seit 17.10.1980 gewährte laufende Versehrtenrente und damit für die Entziehung dieses Leistungsanspruches nach § 99 ASVG keine Rede sein kann.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

Anmerkung

E18367

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00282.89.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19890926_OGH0002_010OBS00282_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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