TE OGH 1989/9/28 7Ob674/89

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Veröffentlicht am 28.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Egermann, Dr.Angst und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Elfriede P***, Ranshofen, Wertheimerplatz 6, vertreten durch Dr.Manfred Lirk und DDr.Karl Robert Hiebl, Rechtsanwälte in Braunau, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Murat P***, Arbeiter, Kleinköstendorf 63, vertreten durch Dr.Gerhard Holzinger, Rechtsanwalt in Braunau, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 18.Juli 1989, GZ R 280/89-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 19.Mai 1989, GZ 1 C 7/89-14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende und gefährdete Partei hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen.

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei hat seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile haben am 27.September 1988 die Ehe geschlossen. Die Klägerin und gefährdete Partei (im folgenden nur Klägerin) begehrt die Nichtigerklärung dieser Ehe und im Zusammenhang mit diesem Verfahren einen einstweiligen Unterhalt von S 3.000 monatlich. Das Erstgericht sprach der Klägerin für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Unterhalt von S 2.300 monatlich zu und wies das Mehrbegehren (rechtskräftig) ab.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Begehrens ab und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Nach der Ansicht des Rekursgerichtes bleibe zwar die Unterhaltspflicht von einer allfälligen Nichtigkeit der Ehe unberührt, solange die Nichtigkeit nicht ausgesprochen worden sei. Dies gelte aber nur für den Unterhalt des Gegners desjenigen Ehegatten, der die Nichtigkeitsklage erhebe. Derjenige Ehegatte, der selbst auf Nichtigkeit klage, habe dagegen keinen Unterhaltsanspruch.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil die zu lösenden Fragen den Grund des Anspruchs betreffen. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Nach § 27 EheG kann sich niemand auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen, solange nicht die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist. "Berufen" bedeutet nicht mehr als die unmittelbare Ableitung von Rechtsfolgen aus der behaupteten Nichtigkeit (Pichler in Rummel ABGB Rz 1 vor den §§ 29 ff EheG). Dies gilt auch im Verhältnis der Ehegatten zueinander (6 Ob 171, 172/60). Dem entspricht auch die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die mit der Eheschließung entstehende Unterhaltspflicht des Ehemannes erst mit der rechtskräftigen Nichtigerklärung der Ehe erlischt und die Ehefrau auch während des Nichtigkeitsprozesses im Wege einer einstweiligen Verfügung Unterhalt ansprechen kann (GH 1930, 147; SZ 11/95; 6 Ob 171, 172/60; vgl. auch ZBl. 1929/160). Nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 27 EheG kann es hiebei nicht darauf ankommen, von wem die Ehenichtigkeitsklage erhoben wurde. Auch aus der Neufassung des § 382 Z 8 EO durch das Bundesgesetz vom 1.Juli 1975 BGBl. 412 über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe läßt sich für den gegenteiligen Standpunkt des Rekursgerichtes nichts gewinnen, weil danach ein Zusammenhang mit einem Verfahren auf Nichtigerklärung der Ehe genügt, ohne daß es nach dem Wortlaut des Gesetzes und den Gesetzesmaterialien darauf ankäme, von wem die Nichtigkeitsklage erhoben wurde. Das Argument des Beklagten, daß auch mit einer Klagsstattgebung gerechnet werden müsse, ist schon deshalb nicht tragfähig, weil dies auch in dem Fall gilt, daß die Nichtigkeitsklage vom Gegner der gefährdeten Partei erhoben wurde. Aus dem Gesagten folgt, daß auch derjenige Ehegatte, der selbst Nichtigkeitsklage erhebt, für die Dauer des Rechtsstreites einen einstweiligen Unterhalt beanspruchen kann.

Es kann aber auch dem Standpunkt des Beklagten nicht gefolgt werden, daß die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe. Eine Verwirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur bei besonders groben Eheverfehlungen anzunehmen, die die Geltendmachung des Anspruchs als Rechtsmißbrauch erscheinen lassen (EFSlg. 42.552 uva). Daß die Klägerin nicht zum Beklagten gezogen ist, würde eine solche Eheverfehlung nur dann darstellen, wenn der Beklagte die Klägerin ernsthaft aufgefordert hätte, zu ihm zu ziehen, und die Klägerin eine derartige Aufforderung ohne triftigen Grund abgelehnt hätte (1 Ob 568/82). Eine solche Aufforderung wurde aber nicht einmal behauptet.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der klagenden und gefährdeten Partei auf § 393 Abs. 1 EO, hinsichtlich des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei auf den §§ 78 und 402 EO und auf den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E18900

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00674.89.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19890928_OGH0002_0070OB00674_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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