TE OGH 1989/9/28 7Ob670/89

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Veröffentlicht am 28.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Egermann, Dr.Angst und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing.Anton S***, Raitis Nr. 38a, 2.) Dr.Angelika W***-MAY, Innsbruck, Höhenstraße 90, 3.) Elisabeth M***, Innsbruck,

Schneeburggasse 42, sämtliche vertreten durch DDr.Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Herta R***, Steuerberaterin, Innsbruck, Schneeburggasse 24, vertreten durch Dr.Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27.April 1989, GZ 1 a R 216/89-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20.Dezember 1988, GZ 11 C 774/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 4.262,14 (darin enthalten S 710,36 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist seit 1.September 1975 Mieterin eines Geschäftslokales im Hause Innsbruck, Schneeburggasse 24. Das Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Der am 5. eines jeden Monats fällige Mietzins betrug im Jahre 1988 monatlich S 4.788. Bis 1981 führte die Beklagte in diesem Bestandobjekt selbst einen Kaffeehausbetrieb. Seit 1981 hatte die Beklagte dieses Unternehmen jedoch verpachtet. Sie erzielt seit 1.April 1987 einen monatlichen Pachtschilling von S 12.000 zuzüglich Umsatzsteuer. Mit Wirkung Juni 1987 wurde diese Pachtschillingsforderung der Beklagten im Zuge einer vom Finanzamt Innsbruck gegen die Beklagte zur Hereinbringung einer Abgabenschuld von S 500.000 geführten Forderungsexekution gepfändet und dem Finanzamt überwiesen. Schon im Jahre 1984 wurde gegen die Beklagte eine Bestandzins- und Räumungsklage eingebracht. In diesem Verfahren trat Ruhen ein. Die Beklagte geriet mit dem Bestandzins für Jänner 1987, Februar 1988 sowie von April 1988 bis Dezember 1988 in Verzug. Am 20. Dezember 1988 (Schluß der Verhandlung erster Instanz) betrug der Mietzinsrückstand S 47.480. An diesem Tag zahlte die Beklagte an die Klägerin S 52.500, sodaß der gesamte Mietzinsrückstand (einschließlich Zinsen) abgedeckt war.

Die Beklagte ist als Steuerberaterin tätig und erzielt ein monatliches Einkommen von ca. S 15.000 netto. Für ihre Wohnung hat sie eine monatliche Miete von S 7.000 zu zahlen. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten geriet die Beklagte schon mehrmals mit ein oder zwei Monatsmieten in Zahlungsrückstand. Sie teilte den Hauseigentümern jedoch nie ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit und versuchte auch nicht, eine Zahlungsvereinbarung zu treffen. Sie hat den Mietzins jeweils dann gezahlt, wenn es ihr möglich war. Für die Abdeckung des Mietzinsrückstandes am 20.Dezember 1988 hat die Beklagte ein Darlehen aufgenommen.

Mit der vorliegenden Klage begehrten die Kläger (bzw. ihre Rechtsvorgänger) die Zahlung des rückständigen Bestandzinses und - gestützt auf § 1118 zweiter Fall ABGB - die Räumung des Bestandgegenstandes. Nach der Zahlung des Zinsrückstandes in der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung schränkten die Kläger das Zahlungsbegehren auf Kosten ein, hielten jedoch das Räumungsbegehren aufrecht. Die Beklagte treffe an dem Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden, weil sie bereits vor der Pfändung des Pachtschillings durch das Finanzamt Innsbruck mit dem Bestandzins für die Monate Jänner 1987, Februar und April 1988 in Rückstand geraten sei. Die Beklagte erziele mehr als das Dreifache des Mietzinses an Pachtschilling. Bei entsprechenden Bemühungen hätte sie eine andere Regelung finden können, als den Mietzins schuldig zu bleiben. Die Beklagte habe aber auch kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses, weil sie den Kaffeehausbetrieb als Steuerberaterin ohnehin nicht selbst betreiben dürfe. Die ungünstige Entwicklung der Steuerberatungskanzlei dürfe nicht auf die Vermieter abgewälzt werden und dazu führen, daß der Bestandzins jahrelang verspätet gezahlt werde.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Räumungsbegehrens. Ohne ihr Verschulden habe sie im Rahmen ihrer Steuerberatungskanzlei Forderungsausfälle erlitten. Ihre Schulden hätten stets zugenommen. Es sei ihr nicht gelungen, diese negative Entwicklung zu verhindern, weil sie von einem Dienstnehmer geschädigt worden sei. Zur Hereinbringung einer Abgabenschuld sei die Pachtschillingforderung gepfändet und dem Finanzamt Innsbruck überwiesen worden. Die Beklagte sei daher nicht mehr in der Lage gewesen, den monatlichen Bestandzins pünktlich zu zahlen. Sie habe Zahlungen jedoch im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten geleistet. Auch durch die für den Kaffeehausbetrieb getätigten notwendigen Investitionen hätten sich ihre Schwierigkeiten verschärft. Die Beklagte treffe daher kein grobes Verschulden an dem Zahlungsrückstand.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, einen dem Bestandzins entsprechenden Teil des Pachtschillings für die Vermieter zur Seite zu legen. Ein solches Vorgehen wäre trotz der Pfändung des Pachtschillings auch zumutbar und möglich gewesen. Die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis des mangelnden groben Verschuldens nicht erbracht. Da die Beklagte es nicht einmal der Mühe wert gefunden habe, sich wegen ihrer angeblichen Zahlungsschwierigkeiten mit den Vermietern ins Einvernehmen zu setzen und eine für beide Teile tragbare Lösung zu suchen, könne auch nicht davon gesprochen werden, daß sie den Mietzins in vertretbarer Verkennung der Rechtslage oder in noch tolerierbarer Fehleinschätzung der Beweislage schuldig geblieben sei. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Es verneinte die in einem Verstoß gegen § 182 ZPO von der Beklagten erblickte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Die Rechtsprechung anerkenne zwar grundsätzlich auch allgemeine, selbst längere Zeit anhaltende wirtschaftliche Schwierigkeiten des Mieters als einen grobes Verschulden an dem Zahlungsrückstand ausschließenden Grund, selbst wenn der Mieter infolge seiner bedrängten Situation nicht alle Schulden rechtzeitig bezahlen konnte und andere Verbindlichkeiten statt des Mietzinsrückstandes befriedigt hat. Der vorliegende Fall sei jedoch dadurch gekennzeichnet, daß die längere Zeit dauernde Zahlungsstörung nicht die erste gewesen sei und die Beklagte vor der Einbringung der Zinsklage schon 8 fällige Monatsmieten nicht beglichen habe. Dennoch habe die Beklagte es nicht für notwendig befunden, die Kläger von ihren zumindest als mittelfristig einzustufenden Zahlungsschwierigkeiten in Kenntnis zu setzen und eine Regelung zu erwirken. Die Beklagte hätte auch versuchen müssen, mit dem Finanzamt zu einer die Zahlung der Mietzinse ermöglichenden Zahlungsvereinbarung zu gelangen. Dies wäre im Hinblick darauf, daß die Erhaltung des Bestandobjektes auch im Interesse des Finanzamtes gelegen sei, leicht möglich gewesen. Schließlich handle es sich hier nicht um eine Wohnraummiete. An das Verhalten der Beklagten als aktiv im Wirtschaftsleben stehende Geschäftsfrau sei daher unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten als Steuerberaterin bei der Beurteilung des Verschuldensgrades ein strenger Maßstab anzulegen. Die Beklagte habe auch nicht dargetan, warum die Aufnahme eines Darlehens zur Begleichung des Mietzinsrückstandes nicht schon früher möglich gewesen sei. Sie habe daher die Interessen des Vermieters in besonders leichtsinniger Weise verletzt. Daher liege grobes Verschulden an dem Zahlungsrückstand vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Abweisung des Räumungsbegehrens abzuändern. Hilfsweise stellte die Beklagte auch Aufhebungsanträge.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In ihrer Rechtsrüge führt die Beklagte im wesentlichen aus, die Beurteilung des Grades ihres Verschuldens an dem Zahlungsrückstand beschränke sich auf die Frage, ob schlechter Geschäftsgang und die Pfändung einer laufenden Forderung (Pachtschilling) geeignet seien, grobes Verschulden an ihrem Zahlungsrückstand auszuschließen. Die Beklagte habe (ausgenommen den Zins für Jänner 1987) trotz der im Juni 1987 erfolgten Pfändung des Pachtschillings den Bestandzins bis Jänner 1988 gezahlt und sei erst dann im Februar 1988 und ab April 1988 mit den jeweils fällig gewordenen Mietzinsen in Rückstand geraten. Daraus ergebe sich aber, daß sie nur durch schlechten Geschäftsgang ihrer Steuerberatungskanzlei an der rechtzeitigen Zinszahlung gehindert worden sei. Dieser schlechte Geschäftsgang dürfe nicht als grobes Verschulden gewertet werden, weil im allgemeinen davon ausgegangen werden müsse, daß ein selbständig erwerbstätiger Unternehmer danach trachte, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. Von dem im Rahmen ihrer Steuerberatungskanzlei erzielten Einkommen seien der Beklagten nur S 8.000 im Monat verblieben, die für ihre Lebensführung erforderlich gewesen seien. Verhandlungen mit dem Finanzamt über günstigere Zahlungsbedingungen wären im Hinblick auf das laufende Exekutionsverfahren nicht zielführend gewesen. Die Unterlassung derartiger Verhandlungen könne ihr daher nicht als Verschulden angelastet werden. Daß sich die Beklagte nicht mit den Klägern ins Einvernehmen gesetzt habe, sei nicht auf Leichtsinnigkeit zurückzuführen. Die Kläger hätten die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten ohnedies gekannt.

Dem ist folgendes zu erwidern: § 33 Abs 2 und 3 MRG räumen (wie schon früher § 21 Abs 2 und 3 MG) dem wegen Säumigkeit mit der Zinszahlung auf Aufhebung der Miete und Räumung des Bestandgegenstandes geklagten, an dem Zinsrückstand kein grobes Verschulden treffenden Mieter das Recht ein, durch die Nachzahlung des geschuldeten Betrages vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Abweisung der Räumungsklage zu erwirken. Die Behauptungsund Beweislast für das Fehlen eines groben Verschuldens (Begründung für die Unterlassung der Zinszahlung) trifft allerdings den Mieter (Würth in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 33 MRG und dort angeführte Judikatur). Die Beklagte hat jedoch konkrete Umstände, die sie an der Zahlung des Zinses für Jänner 1987 ohne ihr Verschulden gehindert hätten, nicht vorgetragen. Die erst im Juni 1987 erfolgte Pfändung ihrer Pachtschillingsforderung kann nicht die Ursache für den Eintritt dieses Zahlungsverzuges gewesen sein. Welche sonstigen geschäftlichen Schwierigkeiten gerade diesen Zahlungsrückstand verursacht haben, ist ebenfalls nicht ersichtlich, zumal die Beklagte in der Folge bis Februar 1988 offensichtlich in der Lage war, der Zinszahlungspflicht nachzukommen. Der Zinsrückstand für Jänner 1987 ist aber unbestrittenermaßen "qualifiziert" im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB gewesen. Schon wegen dieses Rückstandes ist das Räumungsbegehren berechtigt. Ob die Beklagte auch den Verzug mit den im Februar 1988 und von April bis Dezember 1988 fällig gewordenen weiteren Mietzinsen nicht grob fahrlässig verschuldet hat, ob also in diesem Zeitraum die Pfändung der Pachtschillingsforderung der Beklagten und der schlechte Geschäftsgang ihrer Steuerberatungskanzlei grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Mietzinses auszuschließen geeignet waren, muß daher gar nicht beurteilt werden.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18569

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00670.89.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19890928_OGH0002_0070OB00670_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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