TE OGH 1989/10/10 4Ob83/89

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Veröffentlicht am 10.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** DES Ö***

O***, Wien 1., Graben 30/5, vertreten durch

Dr. Franz J. Salzer und Dr. Gunter Granner, Rechtsanwälte in Wien,

wider die beklagten Parteien 1.) K***-, V***- und

V*** mbH (vormals K***-Gesellschaft mbH), Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 57, 2.) Kurt B***, Auktionator, Innsbruck, Erzherzog-Eugen-Straße 20, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Steidl und Dr. Harald Burmann, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,-) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 11. April 1989, GZ 2 R 124/89-17, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 1. März 1989, GZ 8 Cg 75/89-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 15.643,98 (darin enthalten S 2.607,33 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Erstbeklagte betreibt das Gewerbe der Versteigerung beweglicher Sachen (§ 295 GewO 1973); der Zweitbeklagte ist Geschäftsführer und "Auktionator" der Erstbeklagten. Die Beklagten kündigten in einer Reihe von Zeitungsannoncen - am 16. August und 19. August 1988 im "Kurier", am 10. September und 28. September 1988 in den "Oberösterreichischen Nachrichten", am 15. September 1988 in der "Linzer Rundschau" - den freihändigen "Pfandverkauf gemäß Art.8 Nr. 14 EVHGB gepfändeter Orientteppiche im Wert von mehreren Millionen S bis zu 50 % unter dem Listenpreis des Pfandschuldners" sowie in einer an Haushalte in Linz verteilten Postwurfsendung den freihändigen "Pfandverkauf verpfändeter Orientteppiche bis zu 50 % unter dem Listenpreis des Pfandschuldners" an. Weitere gleichartige Ankündigungen der Beklagten - am 3. November 1988 in den "Vorarlberger Nachrichten" und in der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung", am 22. November, 25. November und 6. Dezember 1988 im "Kurier", am 22. November, 27. November, 6. Dezember, 9. Dezember, 10. Dezember, 16. Dezember, 17. Dezember 1988 sowie am 9. Jänner, 13. Jänner und 14. Jänner 1989 in der "Presse", am 30. November 1988 in den "Salzburger Nachrichten" "- enthielten unter der Überschrift "Pfandverkauf von gepfändeten Orientteppichen" oder "Freihandverkauf von gepfändeten Orientteppichen" den weiteren Hinweis, daß dieser Verkauf "auf Grund eines gerichtlichen Exekutionstitels im Auftrag des Rechtsanwaltes des Pfandgläubigers gemäß Art. 8 Nr. 14 EVHGB" erfolge. Die Anzeigen waren jeweils mit "K*** Gesellschaft m.b.H." (d.i. die frühere Firma der Beklagten) und mit "Auktionator: K. B***" gekennzeichnet.

Zur Sicherung inhaltsgleicher Unterlassungsansprüche beantragt der klagende Verband, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,

1. einen Freihandverkauf bzw. Pfandverkauf, bei dem freihändig verkauft wird, von Orientteppichen zu Preisen, die bis zu 50 % unter dem Listenpreis des Pfandschuldners, einem Schätzpreis oder einem ähnlichen Vergleichspreis liegen, anzukündigen und/oder durchzuführen;

2. einen Freihandverkauf bzw. Pfandverkauf gepfändeter Orientteppiche auf Grund eines gerichtlichen Exekutionstitels anzukündigen, wenn es sich dabei nicht um eine exekutive Verwertung der zu verkaufenden Ware, sondern um eine sonstige im Gesetz als Freihandverkauf bezeichnete Veräußerung, zB einen Freihandverkauf im Sinne des Art. 8 Nr. 14 EVHGB, handelt".

Freihandverkäufe seien - im Gegensatz zu gewöhnlichen Verkaufsgeschäften - bestimmte gesetzlich geregelte Fälle der Pfandverwertung; dabei müßten die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Wegen der Bezugnahme ihrer Ankündigungen auf Art. 8 Nr. 14 EVHGB seien die Beklagten gezwungen, die dafür geltenden Bestimmungen - insbesondere § 1221 BGB, wonach der Freihandverkauf zum laufenden Preis zu erfolgen habe, wenn das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis habe - einzuhalten. Börsenpreise kämen für Orientteppiche nicht in Betracht. Hätten nun die den Ankündigungen zugrunde gelegten "Listenpreise" des Pfandschuldners tatsächlich den Marktpreisen entsprochen - was dem Kläger nicht bekannt sei -, dann verstoße der Verkauf 50 % unter diesem Preis gegen § 1221 BGB und damit auch gegen § 1 UWG. Erfolge hingegen der Verkauf - entgegen der Ankündigung "bis zu 50 % unter dem Listenpreis" - zum laufenden Marktpreis, dann werde eine günstige Erwerbsmöglichkeit vorgegaukelt, die tatsächlich nicht gegeben sei; in diesem Fall wäre die Ankündigung irreführend im Sinne des § 2 UWG. Der Konsument erwarte nämlich, daß die Listenpreise des Pfandschuldners den Marktpreisen entsprechen. Die Ankündigungen der Beklagten verstießen daher - ohne Rücksicht darauf, welcher Art die angeblichen "Listenpreise" tatsächlich seien - gegen das UWG. Aber auch die weitere - zum Teil blickfangartig

hervorgehobene - Ankündigung, daß der Freihandverkauf bzw. Pfandverkauf "auf Grund eines gerichtlichen Exekutionstitels erfolge", sei irreführend. Grundlage einer Pfandverwertung gemäß Art. 8 Nr. 14 EVHGB seien nur vertraglich verpfändete, nicht aber im Zuge eines gerichtlichen Exekutionsverfahrens gepfändete Gegenstände. Durch die Bezugnahme auf einen - möglicherweise vorliegenden - Exekutionstitel werde bei den Interessenten die den Kaufentschluß beeinflussende, unrichtige Vorstellung erweckt, daß der Verkauf unter Mitwirkung des Gerichtes stattfinde und dadurch sichergestellt sei, daß alles ordnungsgemäß durchgeführt werde. Da der Kauf von Orientteppichen Vertrauenssache sei, werde durch diesen Hinweis die Vorstellung einer besonderen - tatsächlich aber nicht gegebenen - Sicherheit bei den Qualitätsangaben und den Angaben über die Preisangemessenheit erzeugt.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Beklagten. Durch ihre Ankündigungen hätten die Beklagten den unrichtigen Eindruck erweckt, daß ein größeres Warenlager kurzfristig weit unter seinem Wert verkauft werde, um exekutive Forderungen befriedigen zu können. Eine exekutive Versteigerung habe jedoch nicht stattgefunden; die Teppiche seien vielmehr "preislich frei und ungebunden" verkauft worden. Die Ankündigungen der Beklagten seien geeignet gewesen, Mißverständnisse bei den Kauflustigen hervorzurufen. Im übrigen sei die Gewerbeberechtigung der Beklagten auf die öffentliche Versteigerung und den Handel mit Teppichen beschränkt; Freihandverkäufe bzw. Pfandverkäufe seien davon nicht erfaßt. Auch die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit ohne entsprechende gewerbliche Berechtigung verstoße aber gegen § 1 UWG; sie werde durch Punkt 1 des Sicherungsantrages gleichfalls erfaßt.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteige. Der Kläger ziehe gar nicht in Zweifel, daß die angekündigten Pfandverkäufe im Auftrag eines Pfandgläubigers durchgeführt worden und die Voraussetzungen dafür vorgelegen seien; er sehe aber in der Ankündigung des Verkaufes "bis zu 50 % unter dem Listenpreis des Pfandschuldners" einen Verstoß gegen § 1221 BGB und damit auch gegen § 1 UWG. Da jedoch § 1221 BGB nicht den Wettbewerb regle, sei ein allfälliger Verstoß dagegen nicht schon schlechthin sittenwidrig. Trotz der zahlreichen Ankündigungen der Beklagten biete die Klage auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte die angeführte Form in einer Vielzahl von Geschäftsfällen, somit planmäßig, übertreten hätten. Daß die Beklagten zu derartigen Pfandverkäufen nicht befugt wären, sei in der Klage nicht geltend gemacht worden. Der Kläger habe auch darin keinen Wettbewerbsverstoß erblickt, daß eine prozentmäßige Preisherabsetzung von einem nicht näher erläuterten Listenpreis angekündigt wurde. Auf alle diese Umstände hätte daher das Erstgericht nicht eingehen dürfen.

Auch der Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß durch den Hinweis auf einen "gerichtlichen Exekutionstitel" irreführende Vorstellungen erweckt worden seien, könne nicht gefolgt werden. Das Ankündigen eines Pfandverkaufes bzw. eines Freihandverkaufes auf Grund eines gerichtlichen Exekutionstitels und der gleichzeitige Hinweis auf Art. 8 Nr. 14 EVHGB seien zwar rechtlich nicht vereinbar; durch die Bezugnahme auf einen gerichtlichen Exekutionstitel würden aber keine für den Kaufentschluß erheblichen irreführenden Vorstellungen erweckt. Im Vordergrund stehe vielmehr die Ankündigung einer durch die besondere Zwangslage des Schuldners bedingten, besonders günstigen Kaufgelegenheit.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Kläger bekämpft in erster Linie die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß § 1221 BGB keine wettbewerbsregelnde Norm sei und daher nur eine - im konkreten Fall nicht anzunehmende - dauernde und planmäßige Verletzung dieser Bestimmung den Sittenwidrigkeitsvorwurf begründen könnte. § 1221 BGB sei den gesetzlichen Vorschriften über die Berechtigung zur Ausübung bestimmter gewerblicher Tätigkeiten gleichzuhalten; auch ein einmaliger Verstoß dagegen bewirke somit, einen Verstoß gegen § 1 UWG. Im übrigen müsse aber angesichts der zahlreichen Ankündigungen der Beklagten sehr wohl von einem dauernden und planmäßigen Verstoß gegen § 1221 BGB ausgegangen werden.

Dem ist folgendes zu erwidern:

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Mißachtung gesetzlicher Bindungen durch einen Wettbewerber einen Verstoß gegen § 1 UWG begründen kann (siehe dazu zuletzt etwa ÖBl 1989, 77), ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht streitentscheidend, weil der Freihandverkauf von Waren mit einem Börsen- oder Marktpreis um einen Preis, der unter dem "laufenden Preis" liegt, nicht schlechthin gegen § 1221 BGB verstößt. Die gemäß Art. 8 Nr. 14 Abs 1 EVHGB auf den Verkauf im Rahmen beiderseitiger Handelsgeschäfte erworbener Pfänder anzuwendende Bestimmung des § 1235 Abs 2 BGB, wonach beim Verkauf von Waren mit einem Börsen- oder Marktpreis § 1221 BGB anzuwenden ist, ist nicht zwingend; sie kann vielmehr gemäß § 1245 Abs 1 BGB, der durch Art. 8 Nr. 14 Abs 1 EVHGB ebenfalls rezipiert wurde, durch eine - allerdings erst nach dem Eintritt der Verkaufsberechtigung rechtlich mögliche (§ 1245 Abs 2 BGB) - Vereinbarung zwischen dem Eigentümer der Pfandsache und dem Pfandgläubiger abgeändert werden. Eine derartige Vereinbarung bedarf keiner besonderen Form; Vereinbarungen, die den Pfandverkauf erleichtern, sind jedoch im Zweifel eng zugunsten des Eigentümers auszulegen (Damrau im Müncher Komm. Z. BGB2, Rz 3 und 4 zu § 1245). Im Rahmen dieser Bestimmung zulässige Vereinbarungen können insbesondere auch darin bestehen, daß der Pfandgläubiger berechtigt wird, den Freihandverkauf einer Ware mit einem Börsen- oder Marktpreis bis zu einem bestimmten Ausmaß unter dem laufenden Preis zu bewirken. Der Kläger, den die Beweislast für das Vorliegen einer Gesetzesverletzung trifft, hätte daher behaupten und bescheinigen müssen, daß im vorliegenden Fall eine derartige Abweichung von § 1221 BGB zwischen dem Eigentümer der Teppiche und dem Pfandgläubiger nicht vereinbart wurde. Kann aber schon aus diesem Grund kein Verstoß gegen § 1221 BGB und damit auch gegen § 1 UWG angenommen werden, dann durfte es der Kläger auch nicht offen lassen, ob entweder ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliegt, weil unter dem laufenden Marktpreis verkauft wurde, oder - obzwar ein Verstoß gegen § 1 UWG beim Verkauf der Teppiche zu einem laufenden Marktpreis nicht vorliegt - gegen § 2 UWG verstoßen wurde, weil durch die Ankündigung "bis zu 50 % unter dem Listenpreis des Pfandschuldners" liegender Preise eine in Wahrheit nicht gegebene, besonders günstige Kaufgelegenheit vorgetäuscht wurde. Schon auf Grund dieser Erwägung ist Punkt 1 des Sicherungsantrages nicht berechtigt.

Die in einer Reihe von Zeitungsanzeigen enthaltene weitere Angabe, daß der Pfandverkauf "auf Grund eines gerichtlichen Exekutionstitels" erfolge, bekämpft der Kläger nicht deshalb als unrichtig, weil der Pfandgläubiger in Wahrheit keinen Exekutionstitel besessen habe; nach Ansicht des Klägers werde dadurch aber der irreführende Eindruck erweckt, der Pfandverkauf erfolge unter Mitwirkung des Gerichtes. Nun trifft es zwar zu, daß auch wahre Angaben einen unrichtigen Eindruck vermitteln und daher irreführend im Sinne des § 2 UWG sein können (ÖBl 1962, 71; ÖBl 1984, 70 uva); auch ist es richtig, daß der Pfandverkauf gemäß Art. 8 Nr. 14 EVHGB keinen Exekutionstitel, sondern - außer im Falle drohenden Verderbs (§ 1219 BGB) - nur die Fälligkeit der durch das Vertragspfand gesicherten Forderung voraussetzt (§ 1228 Abs 2 BGB). Ein solcher Pfandverkauf findet daher regelmäßig ohne gerichtliche Hilfe statt. Der Verkauf der Pfandsache auf Grund eines unter Kaufleuten erworbenen Pfandrechtes kann aber auch nach den für den Verkauf einer gepfändeten Sache geltenden Vorschriften bewirkt werden, wenn der Pfandgläubiger für sein Recht zum Verkauf einen vollstreckbaren Titel gegen den Eigentümer erlangt hat (§ 1233 Abs 2 BGB). Alle diese Vorschriften werden aber den - bei der Ermittlung der Verkehrsauffassung

maßgebenden - Durchschnittsinteressenten regelmäßig nicht bekannt sein. Daß ein gerichtlicher Verkauf stattfinde, wurde nicht ausdrücklich angekündigt; in den Ankündigungen ist vielmehr ausdrücklich davon die Rede, daß der Pfandverkauf in den Räumen der erstbeklagten Auktionsgesellschaft durch den zweitbeklagten Auktionator erfolge. Hinweise darauf, daß ein Gericht die Teppiche geschätzt habe und daher die Qualitäts- und Preisangaben einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen worden seien, enthalten die Anzeigen der Beklagten nicht; sie können aber auch der - nicht als unrichtig bekämpften - Mitteilung über das Vorliegen eines gerichtlichen Exekutionstitels nicht entnommen werden. Die behauptete Eignung der Ankündigungen, irrige Vorstellungen zu erwecken, liegt daher auch insoweit nicht vor.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E18856

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00083.89.1010.000

Dokumentnummer

JJT_19891010_OGH0002_0040OB00083_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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