TE OGH 1989/10/11 1Ob18/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei David I***, Schriftsteller, 81 Duke Street, London W 1, Großbritannien, vertreten durch Dr.Erhard C.J.Weber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 166.549,55 samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Februar 1989, GZ 14 R 134/88-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29.Februar 1988, GZ 52 a Cg 1023/86-39, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändet, daß das Zwischenurteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist britischer Staatsbürger. Er verfügt über kein abgeschlossenes Studium der Geschichte, sondern erwarb sich seine Kenntnisse durch Selbststudium. 1963 erschien sein erstes Buch "The Destruction of Dresden". Seitdem veröffentlichte er eine Vielzahl von Büchern über Geschehnisse und Folgen des Zweiten Weltkrieges. Über die Person von Rudolf H*** vertritt der Kläger die Ansicht, Rudolf H*** habe bei seinem Alleinflug und Absprung über Schottland am 10.Mai 1941 mit Wissen und im Auftrag Adolf H*** in einer Friedensmission gehandelt. Er sei daher im völkerrechtlichen Sinn als Parlamentär zu betrachten. Seine Verurteilung durch das Internationale Militärtribunal in Nürnberg wegen Vorbereitung eines Angriffskrieges sei daher völkerrechtswidrig gewesen. Der Kläger plädierte in Vorträgen und Publikationen vehement für die Freilassung des damals in Spandau inhaftiert gewesenen Rudolf H***. Die Publikationen des Klägers sind in Österreich nicht verboten und im Buchhandel erhältlich. In der Zeit vom 6. bis 12.April und vom

16. bis 24.Juni 1984 hielt der Kläger bei Veranstaltungen der Deutschen Volksunion zum Thema "Das Geheimnis um Rudolf H***" Vorträge in der Bundesrepublik Deutschland. Geplante Vorträge am 18. Juni 1984 in Karlsruhe und am 19.Juni 1984 in Mannheim konnten wegen massiver Gegendemonstrationen nicht durchgeführt werden. Der Kläger sollte am 16.Juni 1984 in Salzburg und am 27. Juni 1984 in Wien Vorträge über das Thema "Rudolf H***: Sein Friedensflug im Spiegel britischer Geheimdokumente" halten. Veranstalter war eine vereinsbehördlich nicht gemeldete Arbeitsgemeinschaft für wahrheitsgemäße Zeitgeschichte. Die Vorträge wurden in den Nationaldemokratischen Informationen, Folge 8/84, deren Herausgeber die NDP ist, angekündigt. Der am 27.Juni 1984 im Großen Festsaal des Hotels Wimberger geplante Vortrag wurde als Großveranstaltung bezeichnet. Weitere Vorträge des Klägers zum selben Thema sollten über Einladung des Freiheitlichen Akademikerverbandes Graz am 28.Juni 1984 in Graz und über Einladung des Verbandes Freiheitlicher Akademiker Kärnten am 29.Juni 1984 in Klagenfurt stattfinden.

Der Bundesminister für Inneres Karl B*** wurde mit Schreiben des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes vom 1. Juni 1984 auf die angekündigte Großveranstaltung in Wien hingewiesen. Der Kläger sei für seine pronazistischen, wissenschaftlich völlig unhaltbaren Auffassungen (Kriegsschuld der Alliierten, Hitlerdeutschland Friedensmacht, H*** wußte nichts von Judenmord usw.) berüchtigt. Anläßlich seiner von der "Deutschen Nationalzeitung" veranstalteten Auftritte in der Bundesrepublik Deutschland sei es zu schweren Auseinandersetzungen mit Antifaschisten gekommen. Ähnliches sei für Österreich zu befürchten. Der Auftritt des Klägers wäre eine unerhörte Provokation der Opfer des Nationalsozialismus und ein eklatanter Verstoß gegen den Österreichischen Staatsvertrag. Der Bundesminister für Inneres wurde daher ersucht, alle rechtlichen Möglichkeiten einschließlich eines Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung dieser Veranstaltung wahrzunehmen.

Über Weisung des dafür zuständigen Gruppenleiters

MinRat Dr.Armin H*** wurde der Veranstalter der Vorträge in Salzburg und Wien darauf hingewiesen, daß gegen den Kläger ein Aufenthaltsverbot erlassen werde, sollte er versuchen, einzureisen und die Vorträge zu halten. Davon wurden auch die zuständigen Sicherheitsbehörden informiert. Die Arbeitsgemeinschaft für wahrheitsgemäße Zeitgeschichte meldete für den 26.Juni 1984 eine Pressekonferenz mit dem Kläger über die von ihm geplante Vortragsreihe im Cafe Landtmann in Wien zwischen 13,15 Uhr und 13,45 Uhr an. Darauf wurde vom Bundesministerium für Inneres die Weisung an die Bundespolizeidirektion Wien erteilt, die Kläger zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Schubhaft zu nehmen und seine Abschaffung zu veranlassen. An der Pressekonferenz im Cafe Landtmann nahmen der Kläger, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dr.Otto R***, Dr.Norbert B***, der erste Bundessprecher der NDP, einige weitere Mitglieder der NDP und über Weisung des Bundesministeriums für Inneres Beamte der Staatspolizei teil. Dr.Otto R*** stellte im Namen des Veranstalters den Kläger vor. Der Kläger präsentierte zunächst die von ihm verfaßten Bücher. Dann begann er, über Rudolf H*** zu sprechen. Dabei führte er ua aus, daß seiner Ansicht nach Rudolf H*** über seine Handlungsweise (gemeint im Zusammenhang mit seinem Flug nach Großbritannien) der Friedensnobelpreis gebühre. Der Kläger beabsichtigte, sich bei seinen weiteren Erörterungen über Rudolf H*** auf Abschriften von Dokumenten aus britischen Archiven zu stützen. Die Pressekonferenz wurde jedoch von den Beamten der Staatspolizei unterbrochen. Dem Kläger wurde um 13,46 Uhr ein bereits vorgefertigter Bescheid ausgehändigt, wonach über ihn gemäß § 5 Abs. 1 FrPolG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AVG die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde. Nach der Begründung stand der Kläger im Verdacht, nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten. Sein Aufenthalt laufe somit öffentlichen Interessen zuwider und sei geeignet, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu gefährden. Der Kläger wurde anschließend zur Bundespolizeidirektion Wien, Staatspolizeiliches Büro, gebracht. Dort wurde mit ihm eine von ihm nicht unterfertigte Niederschrift aufgenommen und ihm der Bescheid vom 26.Juni 1984 über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes übergeben. Mit diesem Bescheid wurde gegen den Kläger gemäß § 3 Abs. 1 FrPolG iVm § 4 FrPolG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen. Gemäß § 6 Abs. 1 FrPolG wurde ausgesprochen, daß der Kläger sofort Österreich zu verlassen habe; einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Nach der Begründung des Bescheides sei bei der Pressekonferenz im Cafe Landtmann der dringende Verdacht entstanden, daß der Kläger mit dem Thema "Rudolf H***: Sein Friedensflug im Spiegel britischer Geheimdokumente" nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten versuche. Der Aufenthalt eines derartigen Ausländers sei als den öffentlichen Interessen zuwiderlaufend anzusehen und geeignet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden. Im Interesse ihrer Aufrechterhaltung sei der Kläger auf Grund des vorliegenden Schubhaftbescheides in Verwahrung genommen worden. Wegen der drohenden Gefahr der Vereitelung der femdenpolizeilichen Maßnahmen sei einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Der Kläger wurde noch am selben Tag zwecks Abschiebung in die Bundesrepublik Deutschland der Bundespolizeidirektion Salzburg überstellt. Er fuhr von Salzburg mit der Bundesbahn um 21,45 Uhr nach München. Einer Berufung des Klägers gegen den Bescheid, mit dem ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 4.Jänner 1985, SD 572/84, keine Folge. Der Verwaltungsgerichtshof stellte ua auf Grund einer Beschwerde des Klägers gegen den Berufungsbescheid an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Bestimmung des § 3 FrPolG als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hob auch mit Erkenntnis vom 12. Dezember 1985, G 222-228/85, 245,246/85 und 248-257/85 (= VfSlg. 10.737/1985) § 3 FrPolG zur Gänze wegen Verfassungswidrigkeit auf. Der Verwaltungsgerichtshof gab darauf mit Erkenntnis vom 19.Februar 1986, Zl. 85/01/0064-7, der Beschwerde des Klägers Folge und hob den Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Die vom Verfassungsgerichtshof angeführten Voraussetzungen träfen auf die Beschwerde des Klägers zu. Damit sei dem angefochtenen Bescheid die rechtliche Grundlage entzogen worden. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gab mit Berufungsbescheid vom 17.April 1986, SD 227/86, der Berufung des Klägers gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes Folge und hob den angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf. Der Kläger begehrt aus dem Titel der Amtshaftung den Zuspruch des Betrages von S 170.549,55 samt Anhang. Er sei ein international bekannter und angesehener Historiker, der sich insbesondere mit der Periode des Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich und deren Auswirkung auf die übrige Welt befasse. Er habe bei früheren Aufenthalten in Österreich Vorträge gehalten und sei auch mehrmals Teilnehmer der Sendung des Fernsehens "Club 2" gewesen. Niemals habe es den geringsten Anlaß zum Einschreiten von Justizbehörden gegeben. Dies sei bereits vor dem 26.Juni 1984 vom Bundesminister für Justiz, Dr.Harald O***, dem Bundesminister für Inneres mitgeteilt worden. Der Kläger habe auch nie nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet, so daß kein konkreter Anhaltspunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 FrPolG bestanden habe. Die Einreise am 26.Juni 1984 sei ausschließlich zum Zwecke der Abhaltung ordnungsgemäß angekündigter Sachvorträge über die Person und die geschichtliche Rolle von Rudolf H*** erfolgt. Auch die Pressekonferenz am 26.Juni 1984 im Cafe Landtmann sei ordnungsgemäß angemeldet gewesen. Im Rahmen dieser Pressekonferenz habe der Kläger auf seine bevorstehende Vortragsreihe hinweisen wollen. Diese Pressekonferenz sei abrupt durch das Einschreiten von etwa acht Angehörigen der Staatspolizei unterbrochen worden, die den Kläger, der in keiner Weise wie immer geartete gesetzwidrige Äußerungen abgegeben habe, festgenommen und zur Bundespolizeidirektion Wien überstellt hätten. Der Kläger habe im Rahmen der Pressekonferenz ausgeführt, daß einige westliche Politiker, die in der Zeit seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bewaffnete Überfälle auf Nachbarländer durchgeführt bzw. veranlaßt hätten, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden seien, hingegen ein Mann wie Rudolf H***, der seit dem Jahr 1934 ununterbrochen für den Weltfrieden plädiert habe, dies im Jahr 1941 unter Einsatz seines Lebens, seit nunmehr 43 Jahren im Gefängnis, noch dazu davon die letzten 16 Jahre in Einzelhaft, angehalten werde. Diese Äußerungen könnten schon deshalb nicht zur Anordnung der Schubhaft und Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, weil der Bescheid über die Anordnung der Schubhaft schon in maschingeschriebener Ausfertigung in Händen des einschreitenden Beamten gewesen sei. Im Gegenteil, der Kläger habe in dieser Pressekonferenz die Verbrechen des Nationalsozialismus angeprangert. Seine Äußerungen in der Pressekonferenz hätten kein nationalsozialistisches Gedankengut enthalten; der Kläger habe nur historische Hintergründe aufdecken wollen und auf ein von ihm verfaßtes, bereits in Großbritannien und Italien erschienenes Buch mit dem Titel "Rudolf H***, gescheiterter Friedensbote" hinweisen wollen. Da weder die gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes noch für die hastig vorgenommene Abschiebung gegeben gewesen seien, stelle sich die Vorgangsweise von Organen der beklagten Partei als rechtswidriger behördlicher Willkürakt dar; die über Weisung erfolgte Vorgangsweise sei gesetzlich nicht gedeckt gewesen. Aus dem Vortragsthema könne keinesfalls entschuldbar die Annahme abgeleitet werden, der Kläger stünde im Verdacht, nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten. Durch diese rechtswidrige und schuldhafte Vorgangsweise von Organen der beklagten Partei seien dem Kläger Verdienstentgang, frustrierte Reisekosten und Auslagen für Vertretungskosten im Verwaltungsverfahren entstanden. Die beklagte Partei wendete ein, zu der Weisung an Beamte der Staatspolizei auf Verhängung der Schubhaft und Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei es gekommen, weil dem Bundesministerium für Inneres aus bundesdeutschen Pressemeldungen bekannt gewesen sei, daß die rechtsextreme deutsche Volksunion des Dr.Gerhard F*** eine Serie von Veranstel.ungen zum Thema "Das Geheimnis um Rudolf H***" durchgeführt habe, bei denen der Kläger als Hauptredner aufgetreten sei. Ein Teil dieser Veranstaltungen habe wegen massiver Gegendemonstrationen nicht durchgeführt werden können. Die Rechtsansicht der Behörde, das Verhalten des Klägers erfülle die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 FrPolG, sei nicht nur vertretbar, sondern richtig. Sowohl bei der Verhängung der Schubhaft als auch des Aufenthaltsverbotes sei der Behörde grundsätzlich freies Ermessen eingeräumt. Nach ständiger Judikatur werde im Rahmen der Amtshaftung bei Amtshandlungen, die vom Ermessen abhingen, nur für Ermessensmißbrauch gehaftet. Ein solcher liege jedoch nicht vor. Die Bestimmung des § 3 Abs. 1 FrPolG in der damals gültigen Fassung decke die Erlassung der Ausweisung als präventive Maßnahme, wenn aus dem bisherigen Verhalten der auszuweisenden Person die begründete Besorgnis bestanden habe, daß sie in ihrem künftigen Verhalten Taten setzen werde, die den Tatbestand des § 3 Abs. 1 FrPolG erfüllten. Im vorliegenden Fall sei es so gewesen, daß aus dem Verhalten des Klägers vor dem 26.Jänner 1984 der begründete Verdacht bestanden habe, der Kläger könnte nationalsozialistisches Gedankengut in Österreich bei seinen Vorträgen verbreiten. Der Kläger habe bei der Pressekonferenz ausgeführt, Rudolf H*** gebühre ein Friedenspreis. Dies stünde, da Rudolf H*** wegen Vorbereitung eines Angriffskrieges und Verschwörung gegen den Weltfrieden im Rahmen der Nürnberger Prozesse verurteilt worden sei, im Widerspruch zu Art. 9 des Staatsvertrages. Die zuständigen Organe seien daher nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen, gegen den Kläger ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihn abzuschieben. Der Staatspolizei sei aus den Schriften und den Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland seine Einstellung, seine subjektiv gefärbte Geschichtsauffassung, seine antisemitische Grundhaltung und seine Verherrlichung des Nationalsozialismus und die ständige Verunglimpfung seiner eigenen Heimat Großbritannien bekannt gewesen. Bei dieser Mentalität des Klägers sei kein anderer Schluß gerechtfertigt gewesen als der, daß der Kläger seinen Aufenthalt in Österreich zur Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut verwenden werde. Rudolf H*** sei bis zuletzt verstockt und uneinsichtig gewesen; er habe sich seiner Untaten als Nationalsozialist gebrüstet. Es sei klar, daß jeder Fremde, der in Österreich über eine Persönlichkeit wie Rudolf H***, ohne ihn neuerlich zu verurteilen, sprechen wolle, das Tatbild des § 3 g Verbotsgesetz setze und damit die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 3 Abs. 1 FrPolG gefährde. Sein Aufenthalt laufe allen öffentlichen Interessen, die in der verpflichtenden Bekämpfung von nationalsozialistischem Gedankengut bestünden, zuwider. Dem Kläger sei bei seiner Einreise am 26.Juni 1r84 bekannt gewesen, daß er als Aushänger bei rechtsorientierten Veranstaltungen verwendet werden sollte. Der Kläger sei nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes erneut nach Österreich eingereist und habe in der Zeit zwischen 24. und 28.November 1986 vier Vorträge gehalten, in denen sich seine Denkungsweise und Mentalität geoffenbart habe. Jeder einzelne dieser Vorträge habe Verunglimpfung von politischen Persönlichkeiten oder Staaten, mit denen die R*** Ö*** ausgezeichnete und sogar freundschaftliche Beziehungen unterhalte, enthalten. Bei dreien der Vorträge habe der Kläger typisch nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet. Bei jedem dieser Vorträge habe der Kläger den Tatbestand nach § 3 g VG verwirklicht. Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Begehren um Bezahlung des Betrages von S 4.000 für Reisekosten unangefochten ab. Im übrigen sprach es mit Zwischenurteil aus, daß die Klagsposten Verdienstentgang und Vertretungskosten im Verwaltungsverfahren dem Grunde nach zu Recht bestünden. Es stellte fest:

Die Motivation für die Erteilung der Weisung durch das Bundesministerium für Inneres und die darauf ergriffenen Maßnahmen sei darin gelegen, daß die Organe der zuständigen Behörde auf Grund der Mitteilungen aus der Bundesrepublik Deutschland über die Vorträge des Klägers, bei denen es teilweise zu massiven Gegendemonstrationen gekommen sei, befürchtet hätten, daß er sich nicht mit der Erörterung historischer Erkenntnisse über die Person des Rudolf H*** begnügen, sondern seine Vorträge mit politisch brisanten Ideen verbrämen wolle. Die Möglichkeit einer Gefährdung öffentlicher Interessen im Rahmen der vom Kläger abzuhaltenden Veranstaltungen sei jedoch ausschließlich aus der Persönlichkeit des Klägers in Verbindung mit dem von ihm wiederholt geäußerten Gedankengut abgeleitet worden. Die Äußerung des Klägers, daß Rudolf H*** ein Friedensnobelpreis gebühre, sei daher für die Behörde lediglich unter Berücksichtigung des sonstigen Umfeldes des Klägers und insbesondere wegen seiner mitreißenden Vortragsweise Anlaß für die Verhängung der Schubhaft und des nachfolgenden Aufenthaltsverbotes gewesen.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger habe eine subjektive Ansicht über den historischen Ablauf unter subjektiver Auswertung des recherchierten Materials vertreten. Wenn der Kläger aus seiner Tatsachenauffassung die Schlußfolgerung ziehe, Rudolf H*** gebühre der Friedensnobelpreis, so nehme er damit noch nicht eine Glorifizierung und Gutheißung von NS-Zielen oder eine Glorifizierung einer das NS-Regime verkörpernden Leitfigur vor. Er beschränke sich vielmehr darauf, ein Ereignis losgelöst von dem das Dritte Reich charakterisierenden Zeitgeist aus seiner Warte historisch darzustellen, ohne die Absicht zu verfolgen, die im Verbotsgesetz inkriminierte Gefährdung herbeizuführen. Somit habe der Kläger kein Verhalten gesetzt, das einen Tatbestand des Verbotsgesetzes erfülle. Verfehlt sei daher die Meinung der beklagten Partei, allein aus dem Thema Rudolf H*** hätte sich ergeben, daß der Kläger nationalsozialistisches Gedankengut habe verbreiten wollen und daher die Ergreifung von Maßnahmen notwendig gewesen wäre. Allein die Befürchtung, der Kläger könne durch seine emotionelle Vortragsweise nachteilige Wirkungen hervorrufen, reiche für sich allein nicht aus, eine Gefährdung öffentlicher Interessen zwingend anzunehmen, umso mehr, als die Bücher des Klägers, in denen er dieselbe Meinung vertrete, ungehindert erscheinen könnten. Die Ausführungen der beklagten Partei, der Kläger hätte nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes in Österreich nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet und dabei seine Denkweise und Mentalität offenbart, gingen ins Leere, da diese nachfolgenden Handlungen bei der Beurteilung des Anlaßfalles unberücksichtigt bleiben müssen. Ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Organe in Vollziehung der Gesetze sei daher zu bejahen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren abwies. Die Revision erklärte es für zulässig. Eine propagandistisch vorteilhafte Darstellung, die die zum Nutzen der geschichtlichen Wahrheit gebotene objektive Wertung der Ereignisse vermissen lasse, stelle eine Verherrlichung des Nationalsozialismus dar. Das Zuwiderhandeln gegen das Verbotsgesetz liege nicht nur in der klaren Verherrlichung und Glorifizierung, sondern auch in der einfachen unsachlichen, einseitigen und propagandistisch vorteilhaften Darstellung. Auch dann, wenn Handlungen für sich allein noch nicht typisch im Sinne einer nationalsozialistischen Betätigung wären, könnten sie gegen das Verbotsgesetz verstoßen, wenn sie objektiv und nach der Zielsetzung des Täters Teilakte eines nach dem Verbotsgesetz verpönten Gesamtverhaltens seien. Demnach sei zu prüfen, ob die Äußerung des Klägers im Zusammenhang mit den notorischen geschichtlichen Ereignissen die Bestimmungen des Verbotsgesetzes verletze. Die Glorifizierung von Rudolf H*** durch die Äußerung des Klägers als anerkanntem Historiker für Zeitgeschichte, Rudolf H*** gebühre für seinen Flug nach England der Friedensnobelpreis, habe beim unbefangenen Zuhörer den Eindruck erwecken müssen, der Versuch, mit England Frieden zu schließen, um den Angriff gegen die Sowjetunion wirksamer vortragen zu können, sei eine herausragende Heldentat für den Weltfrieden. Damit werde aber in Wahrheit jenes von Adolf H*** zur Ausweitung seiner Gewaltherrschaft benützte System der Blitzkriege gegen ein Land bei offenen oder versteckten Stillhalteabkommen mit anderen Ländern, die in der Folge je nach strategischem Gutdünken gebrochen worden seien, glorifiziert. Wenn dem Kläger auch zustehe, zu einzelnen geschichtlichen Vorgängen auf Grund seiner Forschungen zu abweichenden Ergebnissen zu gelangen, so berechtigten ihn solche Ergebnisse noch nicht dazu, diese aus dem Zusammenhang mit den übrigen historischen Ereignissen gerissen zu glorifizieren und sich damit zu rechtfertigen, er habe nur das Einzelereignis bewerten wollen. Dabei übergehe der Kläger geflissentlich, daß durch seine Forschungsergebnisse, Rudolf H*** sei mit heimlicher Zustimmung Adolf H*** nach England geflogen, Rudolf H*** weiterhin als engster Vertrauter Adolf H*** erscheine. In diesem Zusammenhang gesehen verstoße die Äußerung des Klägers als fundiertem Zeitgeschichtler und Historiker über die Zeit des Dritten Reiches objektiv gegen das Wiederbetätigungsverbot des § 3 VG. Durch die Ankündigung der beabsichtigten Vorträge über dieses Thema sei die Wiederholung und Ergänzung solcher Rudolf H*** verherrlichender Äußerungen zu befürchten gewesen. Damit habe sich aber die Verhängung des Aufenthaltsverbotes und die Schubhaft im Rahmen des weiten Ermessensspielraumes des damals geltenden § 3 Abs. 1 FrPolG gehalten. Demnach könne den Organen der belangten Behörde kein schuldhaftes Verhalten bei ihrer Vorgangsweise vorgeworfen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1986, Zl. 85/01/0064-7, wurde die Berufungsentscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben, was in weiterer Folge zur ersatzlosen Aufhebung des Bescheides über die Erlassung des Aufenthaltsverbotes führte. Sie ist aber nur die Folge der Aufhebung des § 3 FrPolG als verfassungswidrig und schließt zwar die Anwendung des § 11 AHG aus, kann aber für sich allein einen Amtshaftungsanspruch nicht begründen, weil die Organe der beklagten Partei bei Erlassung des Bescheides über das Aufenthaltsverbot zunächst verpflichtet waren, auch das verfassungswidrige Gesetz anzuwenden (Loebenstein-Kaniak, AHG2 247). Es kommt vielmehr allein darauf an, ob auch die Anwendung des dann als rechtswidrig aufgehobenen, aber noch als geltend anzusehenden § 3 FrPolG schuldhaft erfolgte und daher die Haftung der beklagten Partei nach sich ziehen muß. Rechtsträger haften nicht nur für grobes, sondern auch für leichtes, am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden ihrer Organe (SZ 55/36; SZ 53/83; SZ 52/86 ua; Loebenstein-Kaniak aaO 140, 142). Es begründet allerdings nicht jede objektiv unrichtige Entscheidung einen Amtshaftungsanspruch. Ein Verschulden eines Organes liegt nicht vor, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (ZVR 1988/15, SZ 59/83; JBl. 1985, 171 mwN). Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und damit Verschulden des Organes wird nur angenommen, wenn die Entscheidung von einer klaren Gesetzeslage oder einer ständigen Rechtsprechung ohne sorgfältige Überlegung und Darlegung der Gründe abweicht (EvBl. 1988/30; EvBl. 1987/179; JBl. 1986, 182 uva; Loebenstein-Kaniak aaO 142 f).

Der Kläger behauptet, daß Organe der beklagten Partei bei Anwendung der Vorschrift des später als verfassungswidrig aufgehobenen § 3 FrPolG von der klaren Gesetzeslage abgewichen wären. Nach § 3 FrPolG in der zum Zeitpunkt der Anwendung geltenden Fassung konnte gegen Fremde, deren Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdete oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderlief, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden. Nach dem Ausschußbericht, 237 BlgNr 7.GP, sollte durch die Formulierung des § 3 Abs 1. FrPolG zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Aufenthaltsverbot nur dann erlassen werden könne, wenn eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit vorliege oder andere öffentliche Interessen verletzt werden. Die bloße Tatsache, daß der Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet unerwünscht sei, rechtfertige die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht. Der Verwaltungsgerichtshof sprach daher aus, daß die Behörde insbesondere dann, wenn dem Fremden eine konkrete Verletzung einer Rechtsnorm nicht nachgewiesen werden könne, aufzeigen müsse, warum konkret der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde (ZfVB 1984/3/978; ZfVB 1981/2/452). Erst wenn eine solche konkrete Gefährdung angenommen werden kann, hat die das Aufenthaltsverbot erlassende Behörde eine Begründung dafür zu geben, warum sie ihr Ermessen zum Nachteil des Betroffenen ausübt und ein Aufenthaltsverbot erläßt (ZfVB 1985/1/74; ZfVB 1982/3/802; ZfVB 1980/1/57). Eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nahm der Verwaltungsgerichtshof etwa an, wenn einem Fremden, der an einer unangemeldeten Versammlung und Demonstration teilnimmt, die Rechtswidrigkeit dieser Veranstaltung an Hand der ausgegebenen Parolen (Tag der Rache, Terror auch in Wien) unmittelbar einsichtig ist (ZfVB 1984/2/472): Ein Bruch der Rechtsordnung stellte jedenfalls eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar; ein solches Verhalten widersprach öffentlichen Interessen (ZfVB 1987/3/1156; ZfVB 1985/3/959; ZfVB 1985/3/960).

Das gegen den Kläger erlassene Aufenthaltsverbot wurde darauf gestützt, daß der Kläger bei der Pressekonferenz im Cafe Landtmann nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten versucht habe, ein Tatbestand, der erst durch den mit 8.Mai 1986 in Wirksamkeit getretenen Art. IX Abs. 1 Z 7 EGVG subsidiär als Verwaltungsübertretung für strafbar erklärt wurde (BGBl. 1986 Nr. 248). Dem Kläger kann aber auch nicht vorgeworfen werden, seine Äußerung, Rudolf H*** gebühre der Friedenspreis bzw. der Friedensnobelpreis, erfülle den Tatbestand der Wiederbetätigung nach § 3 g VG. Durch diese Strafnorm wird insbesondere die Verherrlichung oder Anpreisung von Zielen, Einrichtungen oder Maßnahmen der NSDAP verpönt, mag dies auch nicht zum Zweck der Aufforderung zu von § 1 oder § 3 VG sonst verbotenen Handlungen geschehen (EvBl. 1969/230; EvBl. 1968/68). Eine solche Verherrlichung kann auch in einer unverkennbaren Glorifizierung der Person Adolf H*** und dem erkennbaren Gutheißen seiner Lebensaufgabe liegen (EvBl. 1969/230). Eine vergleichbare Glorifizierung der Person Rudolf H*** erfolgte durch die Äußerung des Beklagten in der von ihm abgehaltenen Pressekonferenz aber nicht. Die Darlegung des Klägers bezog sich ausschließlich auf die von Rudolf H*** mit seinem Flug und dem Absprung über Schottland am 10.Mai 1941 verfolgten Absichten. Historisch gesichert ist, daß Rudolf H*** Großbritannien zu Friedensverhandlungen mit Deutschland veranlassen wollte. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, sind hingegen die sonstigen Hintergründe des Unternehmens aus der Sicht des Historikers bis heute nicht geklärt. Adolf H*** hat sich jedenfalls niemals öffentlich zu den von Rudolf H*** verfolgten Absichten bekannt, so daß nicht einmal auszuschließen ist, daß Rudolf H***, dessen Stern 1941 eher im Sinken war, gegen die Intentionen Adolf H*** und der NSDAP gehandelt hat. Wie immer man sein Verhalten wertet, kann darin jedenfalls kein Anhaltspunkt für eine neonazistische Tätigkeit liegen. Die Behörde hatte also keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger gegen eine strafrechtliche Norm verstoßen hätte oder verstoßen würde.

Die Verletzung einer strafrechtlichen Norm war allerdings nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 3 FrPolG. Es war vielmehr ganz allgemein zu beurteilen, ob die bei der Pressekonferenz gemachten Äußerungen des Klägers über die Friedensbemühungen des hohen NS-Funktionärs und Staatsorganes Rudolf H*** konkret geeignet waren, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu gefährden oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderzulaufen. Auch dafür müssen, wie vom Verwaltungsgerichtshof in dem von der Revisionsbeantwortung zitierten Fall Dr.A*** (ZfVB 1981/2/452) dargelegt wurde, konkrete Anhaltspunkte bestanden haben (dort die Verbindung zu einer steckbrieflich gesuchten Terroristin). Solche konkrete Anhaltspunkte fehlten aber bei der Äußerung des Klägers anläßlich der Pressekonferenz. Auch wenn es verstiegen war, für ein Friedensvorhaben, das vor allem im Interesse des NS-Regimes liegen und keineswegs der Wiederherstellung des Weltfriedens dienen mußte, die Verleihung des Friedensnobelpreises als angemessen anzusehen, gab eine solche Bemerkung doch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, sie könnte die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderlaufen, handelte es sich doch um ein Jahrzehnte zurückliegendes Ereignis, das in Großbritannien keinen Widerhall gefunden hatte und daher historisch ohne Folgen blieb. Daß ein Standpunkt hiezu die Gemüter so erhitzen könnte, um eine Gefährdung der inneren Sicherheit oder öffentlicher Interessen annehmen zu können, war durch nichts angezeigt. Es mag sein, daß die Person des Klägers und die Personen, die seine Vorträge arrangierten, Anlaß zu Vermutungen gaben, man wolle mit der H***'schen Aktion auch ein wenig die Untaten des NS-Regimes rehabilitieren; deswegen aber die innere Sicherheit oder anerkennenswerte öffentliche Interessen gefährdet anzusehen, bestand angesichts der Tatsache, daß der Kläger vorher anscheinend sogar zu Rundfunkdiskussionen eingeladen gewesen war und jedenfalls seine Bücher frei in Österreich verkauft wurden, keinerlei Anlaß. Es gehen damit auch die in diese Richtung gehenden Argumente der Revisionsbeantwortung fehl.

Fehlten aber Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, verstieß der gegen den Kläger erlassene Bescheid auch gegen das verfassungsrechtlich geschützte Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 13 Abs. 1 StGG; Art. 10 MRK), das nur unter den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 MRK eingeschränkt werden darf (VfGH JBl 1989, 514; VfSlg 10.700/1985 ua) und nicht nur das Recht umfaßt, Ideen auszusprechen, die günstig aufgenommen oder als nichtverletzend oder gar als gleichgültig angesehen werden, sondern auch jene, die verletzen, schockieren und beunruhigen; dies verlangen Pluralismus, Toleranz und Weitsichtigkeit, ohne die es keine demokratische Gemeinschaft geben kann (EGMR im Fall Lingens, Ser A vol 103, Z 41; EuGrZ 1986, 424; vgl auch Ermacora, Grundriß der Menschenrechte in Österreich, Rz 657, 681). Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Rechte sind besonders sorgfältig abzuwägen, was im vorliegenden Fall auch nicht annähernd geschehen ist.

Die Organe der beklagten Partei vertraten damit bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine Rechtsansicht, die nach der Verfassungslage und dem Wortlaut des Gesetzes, aber auch mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es müßten konkrete spunkte für eine konkrete Gefährdung öffentlicher Interessen bestanden haben, unvereinbar war.

Auf die Gefahr möglicher Gegendemonstrationen wurde das Aufenthaltsverbot nicht gestützt. Die Veranstaltungen waren auch ordnungsgemäß angemeldet. Selbst dort, wo eine vereinsrechtlich nicht existierende Zweiggruppe der NDP als Veranstalter einschritt, wurden sie nicht verboten. Der Aktenlage nach fand die Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft am 27.Juni 1984 im Hotel Wimberger bei der Dr.Norbert B*** als Redner auftrat, auch statt. Zu Gegendemonstrationen kam es nicht. Wenn eine Versammlung nicht untersagt wird, kann in der Befürchtung von Gegendemonstrationen eine Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht erblickt werden. Anders als im Fall eines Fremden, der an einer unerlaubten Demonstration teilnahm und damit gegen Gesetze der R*** Ö*** verstieß (ZfVB 1984/2/472), wäre es vielmehr Sache der Sicherheitsorgane gewesen, Gegendemonstrationen zu unterbinden. Der Wunsch einer Organisation auf Abschaffung eines Fremden, der ihr aus welchen Gründen auch immer unbeliebt ist, bildet aber keine gesetzliche Grundlage für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Der Revision ist Folge zu geben, die angefochtene Entscheidung ist dahin abzuändern, daß das Zwischenurteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 393 Abs. 4, 52 Abs. 2 ZPO (SZ 23/243 uva).

Anmerkung

E18819

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00018.89.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19891011_OGH0002_0010OB00018_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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