TE OGH 1989/10/17 4Ob123/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** A***, Wien 9., Spitalgasse 31, vertreten durch

Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Erich S***, Inhaber des "Pecherhofes", Hernstein, Berndorfer Straße 15, vertreten durch Dr. Heidelinde Blum, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 372.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. März 1989, GZ. 1 R 31/89-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 4. November 1988, GZ. 3 Cg 636/87-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.602,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.267,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte vertreibt (auch) an Letztverbraucher das von ihm erzeugte Produkt "Kiefernbalsam". In der Zeitschrift "Sport und Toto" vom 8. September 1987 wurde hiefür unter Nennung der Bezugsquelle "Harzverwertung Hernstein, Pecherhof, 2560 Berndorf ......." mit folgendem Text geworben:

" Hilfe bei Sport-Schmerzen:

Kiefernbalsam.

Seit Jahrhunderten wird in der Gegend um Wr. Neustadt, im Schwarzkiefernwald, die Harznutzung betrieben. Das Pech der Schwarzföhre, der auch 'saurer Regen' oder Rauch- bzw. Abgasvergiftung nichts anhaben kann, wird wissenschaftlich als Harzbalsam bezeichnet.

Schon bei den Römern und Griechen wurden Harze als wertvolle Heilmittel verwendet.

Das Vorkommen der Kiefer um Wiener Neustadt, Neunkirchen und im Piestingtal gilt als österreichische Spezialität, da die Schwarzföhre eigentlich ein Baum des Mittelmeeres ist. Der 'Kiefernbalsam hat eine 200jährige Tradition und wird nach einem Rezept hergestellt, wie wir es von unseren Großeltern übernommen haben.

Für die Herstellung dieser handfreundlichen Creme werden ausschließlich nur Kiefernharz, Rindertalg, Lanolin und Bienenwachs verwendet - daher garantiert nur reine, unverfälschte Naturprodukte. 'Kiefernbalsam' gilt als vorzügliches Heilmittel gegen Entzündungen der Haut, der Muskeln und Gelenke, gegen Zerrungen, Quetschungen und Blutergüsse.

Durch Massage mit 'Kiefernbalsam' wird die Haut geschmeidig, die Durchblutung wird angeregt und die Spannkraft der Muskeln erhöht, sowie tiefliegende Verkrampfungen und Spannungen gelöst - ein ausgezeichnetes Mittel also um die 'Sport-Schmerzen' zu lindern."

Auf telefonische Bestellung eines Endverbrauchers lieferte ihm der Beklagte solchen Kiefernbalsam. Das Produkt war in einer kleinen runden Plastikdose abgefüllt; ein außen angebrachtes grünes Schildchen wies außer der Herstelleradresse noch den Text "Kiefern-Balsam aus Föhrenharz (Pech), Lanolin, Bienenwachs

u. Rindertalg" auf. Der Sendung war eine Produktenliste beigegeben, in welcher der Kiefernbalsam als milde, durchblutungsfördernde Hautcreme beschrieben war; als seine Bestandteile wurden Kiefernharz, Bienenwachs, Lanolin und Rindertalg genannt. Der Kiefernbalsam wurde auch als Handcreme "gegen rissige, schrundige Hände als Folge bei Arbeiten in ständig feuchten Materialien" angepriesen. Als Kontraindikation war angegeben, daß Kiefernbalsam nicht bei Ekzemen oder allergischen Reaktionen der Haut angewendet werden solle. Der letzte Absatz der Produktbeschreibung lautete:

"Unser K*** ist keine Wund- oder Heilsalbe im Sinne des Arzneimittelgesetzes und ist daher durch unseren Alleinvertrieb und ausschließlich nur über den Fachhandel, Reformhäuser oder Handlungen für gesunde, natürliche Lebensführung erhältlich".

In einem weiteren Inserat wurde K*** als Handcreme

sowie als Mittel zur allgemeinen Haut- und Körperpflege angepriesen und festgehalten, daß der Kiefernbalsam keine Wund- oder Heilsalbe im Sinne des Arzneimittelgesetzes sei.

Bereits mit Schreiben vom 16. Juni 1987 hatte der klagende Verband den Beklagten darauf aufmerksam gemacht, daß er durch seine Werbe- und Verkaufsmaßnahmen die arzneimittelrechtlichen Bestimmungen verletze, und ihn aufgefordert, die gesetzwidrige Tätigkeit einzustellen sowie eine Verpflichtungserklärung abzugeben.

Darauf hatte der Beklagte am 24. Juni 1987 geantwortet:

"Ich habe den K*** in letzter Zeit als Hautcreme

öffentlich angeboten und werde auch in Zukunft den K*** ohne medizinische Indikation oder Heilanpreisung auf den Markt bringen. Sollten irgendwelche Druckschriften aus der Vergangenheit in Umlauf sein, wird sich dieser Zustand jedenfalls in Ihrem Sinne ändern, da ich in Hinkunft keine Schriften mit einem Hinweis eines Arzneimittels verbreiten werde."

Mit der Behauptung, daß der Beklagte durch den Vertrieb des Kiefernbalsams, der infolge der ausdrücklichen Produktanpreisung als Arzneimittel zu werten sei, gegen den Apothekenvorbehalt (§ 57 AMG) und damit gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoße, begehrt der Kläger, dem Beklagten das Beliefern von Letztverbrauchern mit Arzneimitteln, deren Abgabe im Kleinverkehr ausschließlich Apotheken vorbehalten ist, insbesondere mit "Kiefernbalsam", zu unterlassen; ferner stellt er ein Urteilsveröffentlichungsbegehren.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Da der Kiefernbalsam auf Grund seiner Zusammensetzung und Zweckbestimmung ein kosmetisches Mittel sei, unterliege er nicht dem Arzneimittelgesetz und damit auch nicht dem Apothekenvorbehalt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm, abgesehen von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, als erwiesen an, daß Kiefernbalsam ein kosmetisches Mittel sei. Nach § 1 Abs 3 Z 2 AMG sei er daher trotz der Anpreisung seiner Heilwirkung kein Arzneimittel.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Nach einer Beweiswiederholung stellte es "ergänzend bzw. verdeutlichend" fest, daß es sich beim Kiefernbalsam um eine Hautcreme und damit objektiv um ein Kosmetikum im Sinne des § 5 LMG handle. Sei aber ein Produkt - wie der Kiefernbalsam - objektiv ein Kosmetikum, dann könne es nach § 1 Abs 3 Z 2 AMG nicht mehr dem Arzneimittelbegriff unterstellt werden; daran könne auch eine allenfalls gegebene subjektive Zweckbestimmung als Heilmittel nichts ändern. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 1 Abs 1 AMG sind "Arzneimittel" Stoffe oder

Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen

Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des

Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im

menschlichen oder tierischen Körper (u.a.)

1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte

Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,

.......

5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

Nach § 1 Abs 3 Z 2 AMG sind kosmetische Mittel im Sinne des § 5 LMG, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf den Bereich der Haut und ihre Anhangsgebilde und der Mundhöhle beschränkt sind, keine Arzneimittel.

Für die Beurteilung, ob ein Arzneimittel vorliegt, sind demnach grundsätzlich zwei Kriterien maßgeblich, nämlich einerseits die objektive Zweckbestimmung ("die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen .....") und andererseits die subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller, Depositeur, Großhändler odgl. ("nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind....."). Wenn auch im Regelfall beide Voraussetzungen gleichzeitig zutreffen werden, sind doch Fälle denkbar, in denen ein Mittel, das nach der Verkehrsauffassung arzneiliche Wirkungen entfaltet, nicht als Arzneimittel bezeichnet ist, oder umgekehrt ein Mittel, das keine derartigen Wirkungen entfalten kann, als Arzneimittel bezeichnet wird (EB zur RV des § 1 Abs 1 AMG, 1060 BlgNR 15. GP 26).

"Kosmetische Mittel" sind nach § 5 LMG Stoffe, die zur Reinigung, Pflege oder Vermittlung bestimmter Geruchseindrücke des Menschen, zur Beeinflussung des menschlichen Äußeren, zum Schutz der Haut oder zur Reinigung, Pflege oder Verbesserung des Gebrauches von Prothesen bestimmt sind.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der vom Beklagten vertriebene Kiefernbalsam eine zum Schutz der Haut bestimmte Creme; er fällt also unter den Begriff des kosmetischen Mittels und ist daher, wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, nach § 1 Abs 3 Z 2 AMG kein Arzneimittel, mag auch die Definition des § 1 Abs 1 AMG auf ihn zutreffen. Daß für das Produkt des Beklagten mit der Behauptung geworben wurde, es sei ein vorzügliches Heilmittel gegen verschiedene Entzündungen, Zerrungen, Quetschungen und Blutergüsse udgl., hätte nur dann zur Folge, daß dieses Mittel nach seiner subjektiven Zweckbestimmung als Arzneimittel zu werten wäre, wenn es nicht unter § 1 Abs 3 Z 2 AMG fiele.

Mayer-Michtner-Schober vertreten - entgegen den Revisionsausführungen - keine andere Auffassung; sie meinen nur, daß dann, wenn die objektive Zweckbestimmung eines Mittels den durch das Lebensmittelgesetz gezogenen Rahmen übersteigt - also ein Mittel nicht (bloß) ein Kosmetikum im Sinne des § 5 LMG ist -, dieses Produkt vom Arzneimittelgesetz nicht ausgenommen sei (Anm. 32 zu § 1 AMG). Der Kläger mißversteht den Begriff der objektiven Zweckbestimmung, wenn er darauf verweist, daß infolge der subjektiven Anpreisung des Kiefernbalsams als Heilmittel die objektive Zweckbestimmung dieses Mittels über den Rahmen des § 5 LMG hinausgehe; in Wahrheit kann diese subjektive Zweckbestimmung den objektiven Zweck des Mittels nicht ändern. Daß aber der Kiefernbalsam des Beklagten objektiv nicht nur dem Schutz der Haut (§ 5 LMG) diente, sondern tatsächlich geeignet wäre, Hautkrankheiten udgl. zu heilen, zu lindern usw. (vgl. § 1 Abs 1 Z 1 AMG), hat der Kläger nicht behauptet und wurde auch nicht festgestellt; die Feststellungen der Vorinstanzen müssen vielmehr dahin verstanden werden, daß das Produkt des Beklagten nur die Wirkungen eines kosmetischen Mittels hat.

Aus den Entscheidungen ÖBl. 1986, 45 (= EvBl 1986/368) und RdW 1986, 243 ist für den Kläger nichts zu gewinnen, weil es dort nicht um kosmetische Mittel, sondern um die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Verzehrprodukten (§ 3 LMG) gegangen war. Ist der Kiefernbalsam des Beklagten somit kein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes, dann kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf § 57 AMG berufen, wonach Arzneimittel (u.a.) vom Hersteller nur an die dort aufgezählten Unternehmen und Einrichtungen, nicht aber an Letztverbraucher abgegeben werden dürfen; mit Recht haben die Vorinstanzen daher das allein auf die Verletzung des Apothekenvorbehaltes gestützte Klagebegehren abgewiesen.

Ob der Beklagte in der Werbung unrichtige (§ 2 UWG) oder unzulässige gesundheitsbezogene Angaben (§ 9 Abs 1, § 26 Abs 2 LMG) gemacht hat, ist für das Revisionsverfahren ohne Bedeutung. Die Revision mußte mithin erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18853

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00123.89.1017.000

Dokumentnummer

JJT_19891017_OGH0002_0040OB00123_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten