TE OGH 1989/10/19 7Ob657/89

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Veröffentlicht am 19.10.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Natascha S***, geboren am 11. Juli 1974, Michael S***, geboren am 24. August 1975, und Melanie S***, geboren am 25. Oktober 1977, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Juni 1989, GZ 43 R 392/89-69, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3. Mai 1989, GZ 8 P 273/81-65, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit den Beschlüssen vom 13. Juni 1984, ON 49, 50 und 51, gewährte das Erstgericht gemäß § 4 Z 3 UVG den minderjährigen Kindern Natascha, Michael und Melanie S*** einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von je S 1.439,-- für die Zeit vom 1. April 1984 bis 31. Mai 1984.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien stellte den Antrag, den Vater der Kinder als den Unterhaltsschuldner nach § 29 UVG zur Rückzahlung zu verpflichten (ON 61 bis 63).

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Gemäß § 29 UVG sei der Unterhaltsschuldner zur Zurückzahlung von gemäß § 4 Z 3 UVG ausbezahlten Unterhaltsvorschüssen zu verpflichten, wenn dies unter Berücksichtigung seiner gesamten Lebensverhältnisse aus Billigkeitsgründen möglich erscheine. Diesbezüglich seien keine Behauptungen aufgestellt worden und es sei auch nichts aktenkundig. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. In den EBzRV 276, Beil. NR. 15. GP, 17, zur Novelle zum UVG, BGBl. 1980/278, seien sehr eindeutige Vorstellungen zur Ermessensübung iS des § 29 Abs 1 UVG entwickelt worden. Die Unterhaltspflicht nach dem ABGB ruhe während der Haftzeit des Unterhaltsschuldners im Regelfall, weil Einkommen und Vermögen nicht vorhanden sei. Der Unterhaltsschuldner solle nur in "Ausnahmsfällen", nämlich wenn ihm ein "größeres Vermögen" zufalle oder er "ein besonders hohes Einkommen" beziehe, zur Rückzahlung verpflichtet werden, ansonsten nicht. Nach der Aktenlage seien Ermessensumstände, die eine Rückersatzpflicht iS des § 29 UVG rechtfertigen könnten, nicht gegeben. Im letzten Unterhaltsfestsetzungsbeschluß (ON 11) sei das monatliche Einkommen des Vaters als Hilfsarbeiter mit S 7.000,-- angeführt worden. Es könne daher nicht angenommen werden, daß die in den Gesetzesmaterialien angeführten Ausnahmsfälle gegeben seien. Auch der erstinstanzlichen Antragstellung und den Rekursausführungen könne dergleichen nicht entnommen werden.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien. Der angefochtene Beschluß sei offenbar gesetzwidrig, weil er die Bestimmung des § 2 Z 5 AußStrG außer Acht lasse, wonach alle Umstände, welche auf die richterliche Entscheidung Einfluß haben, von Amts wegen zu untersuchen sind. Die Unterlassung der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mache die Entscheidung der Untergerichte unüberprüfbar, so daß Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Nichtigkeit iS des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist gegeben, wenn die Fassung der Entscheidung so mangelhaft ist, daß deren Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, wenn die Entscheidung mit sich selbst in Widerspruch ist oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. All dies ist nicht gegeben. Die angefochtene Entscheidung läßt klar und eindeutig erkennen, daß und aus welchen Gründen nach Ansicht der zweiten Instanz die Abweisung des gemäß § 29 UVG gestellten Antrages des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien durch das Erstgericht zu Recht erfolgte.

Offenbare Gesetzwidrigkeit iS des § 16 Abs 1 AußStrG liegt vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bildet keine offenbare Gesetzwidrigkeit. Eine Verletzung der Stoffsammlungspflicht stellt nur einen verfahrensrechtlichen Verstoß dar und kann daher keine offenbare Gesetzwidrigkeit begründen. Einen Anfechtungsgrund nach § 16 Abs 1 AußStrG bilden Verfahrensverstöße nur dann, wenn sie das Gewicht einer Nichtigkeit haben; Verstöße gegen die Stoffsammlungspflicht aber haben grundsätzlich nicht das Gewicht einer Nichtigkeit. Der Untersuchungsgrundsatz hat auch nicht zur Folge, daß es für die Partei, insbesondere in Antragssachen des außerstreitigen Verfahrens, keine Beweislast gäbe. Die Unterlassung der Heranziehung weiterer, vom Revisionswerber gar nicht benannter und beantragter Auskunftsmittel durch die Vorinstanzen bildet daher keinen Verfahrensverstoß, dem das Gewicht einer Nichtigkeit beizumessen wäre. Werden keine Behauptungen aufgestellt, besteht kein Anlaß zu Nachforschungen (172).

Da ein Anfechtungsgrund iS des § 16 Abs 1 AußStrG sohin nicht gegeben ist, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E18902

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00657.89.1019.000

Dokumentnummer

JJT_19891019_OGH0002_0070OB00657_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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