TE OGH 1989/10/24 10ObS268/89

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Veröffentlicht am 24.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Raimund Kabelka und Dr. Karlheinz Kux in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hedwig B***, Zöbing, Urbanig. 10, vertreten durch Dr. Otto Tuma, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

S*** DER B***, Ghegastraße 1, 1031 Wien,

wegen Alterspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.April 1989, GZ 34 Rs 269/88-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems/D. vom 21.September 1988, GZ 15 Cgs 149/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Das Verfahren wird gemäß § 74 (1) ASGG unterbrochen und die Einleitung des Verfahrens vor der beklagten Partei über die Frage der Versicherungspflicht der Klägerin während des Zeitraumes, während der sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten Edmund B*** den landwirtschaftlichen Betrieb in Zöbing 1 führte, angeregt.

Text

Begründung:

Die am 17.8.1925 geborene Klägerin erwarb bis Mai 1948 99 Versicherungsmonate nach dem ASVG. Am 23.11.1948 ehelichte sie vor dem Standesamt Langenlois den am 14.3.1922 geborenen Landwirt Edmund B***. Mit Notariatsakt vom 18.3.1952 übernahmen die Klägerin und ihr Gatte von dessen Eltern die Landwirtschaft Nr 100 in Zöbing ins gleichteilige Eigentum mit sofortiger Übernahme aller Rechte und Pflichten. Die Beitragszahlungen an die Landwirtschaftliche Zuschußrentenversicherungsanstalt bzw an die Österreichische Bauernkrankenkasse erfolgten durch den Ehegatten der Klägerin, der am 3.11.1974 verstarb. Der Nachlaß wurde der Klägerin zur Gänze eingeantwortet. Am 10.12.1974 schloß die Klägerin mit ihrem Sohn Edmund B*** einen Übergabsvertrag hinsichtlich des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes in Zöbing 100. Der Übernehmer trat mit diesem Tag unter Übernahme von Nutzen, Gefahr, Last und Vorteil in den Besitz und Genuß des Vertragsobjektes. Ab 1.1.1975 wurde der Klägerin die Witwenpension gewährt. Mit einem am 8.9.1987 bei der beklagten Partei eingelangten Schreiben beantragte die Klägerin die Zuerkennung einer Alterspension ab August 1985. Gegen den ablehnenden Bescheid erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Leistung der Alterspension zu verpflichten. Die beklagte Partei habe zu Unrecht die Zeiten, während der sie gemeinsam mit ihrem Gatten den landwirtschaftlichen Betrieb geführt habe, nicht als Versicherungszeiten angerechnet.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Die Zeiten der gemeinsamen Betriebsführung seien für die Klägerin als Versicherungsmonate nicht zu zählen, die außerhalb dieses Zeitraumes erworbenen Versicherungsmonate reichten zur Erfüllung der Wartezeit nicht aus. Dem Begehren auf Anrechnung von Versicherungsmonaten für die Dauer der gemeinsamen Betriebsführung komme keine Berechtigung zu, da die Klägerin aufgrund der jeweiligen Gesetzeslage keinerlei Versicherungsmonate habe erwerben können. Das am 1.1.1958 in Kraft getretene LZVG (BGBl 1957/293) habe im § 3 Abs 2 bestimmt, daß dann, wenn Ehegatten ein und denselben Betrieb auf gemeinsame Rechnung und Gefahr führten, die Ehegattin von der landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherung ausgenommen sei, sofern nicht für den Ehegatten ein Ausnahmsgrund nach Abs 1 vorliege. Entsprechende Bestimmungen seien im § 2 Abs 2 BPVG (BGBl 1970/28) und im § 5 Abs 4 des am 1.1.1979 in Kraft getretenen BSVG enthalten gewesen. Erst mit der 4.Novelle zum BSVG BGBl 1981/284 sei eine geschlechtsneutrale Regelung eingeführt worden. Während der gesamten Dauer der gemeinsamen Betriebsführung habe die Klägerin nach der damals bestandenen Rechtslage Beitragszeiten nicht erwerben können, sodaß auch ihrem Vorbringen, daß sie tatsächlich die überwiegende persönliche Mitarbeit geleistet habe, keine Bedeutung zukomme. In der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung ging die Klägerin von der vom Erstgericht dargestellten Rechtslage aus, vertrat jedoch die Ansicht, daß diese Rechtslage den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verletze. Mit Rücksicht auf die Behinderung ihres Mannes habe tatsächlich sie die Wirtschaft geführt. Im Hinblick darauf wären die Bestimmungen, die ungeachtet dessen die Versicherungspflicht ihres Mannes normiert hätten, verfassungswidrig gewesen. Da sie den Betrieb geführt habe, sei davon auszugehen, daß sie versichert gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, wobei es eine Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze durch die bis zur 4. BSVG-Novelle bestehenden Bestimmungen über die Versicherungspflicht im Fall der gemeinsamen Betriebsführung durch Ehegatten verneinte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache an eine der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

In der Revision wiederholt die Klägerin im wesentlichen ihre bereits in der Berufung vorgetragenen Argumente gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen, die vor der 4. BSVG-Novelle vorsahen, daß in Fällen, in denen zwei Ehegatten einen landwirtschaftlichen Betrieb führen, nur der Mann der Pflichtversicherung unterlegen ist. Dies widerspräche bereits für sich dem Gleichheitsgrundsatz, ganz besonders aber im vorliegenden Fall, zumal die Klägerin mit Rücksicht auf die Behinderung ihres Ehegatten allein den Betrieb geführt habe. Es wäre daher erforderlich gewesen, die genauen Umstände der Wirtschaftsführung zu prüfen. Dabei hätte sich ergeben, daß tatsächlich sie den Betrieb geführt habe. Diesfalls sei jedoch davon auszugehen, daß sie versichert gewesen sei.

Die Klägerin begründet sohin das von ihr erhobene Begehren ausschließlich damit, daß vom Bestehen einer Pflichtversicherung während des fraglichen Zeitraumes bzw vom Bestehen der Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung für die Zeit vor Inkrafttreten des LZVG, die zur Berücksichtigung entsprechender Ersatzzeiten führen würde, auszugehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß der nach § 182 BSVG auch für den Bereich dieses Bundesgesetzes anzuwendenden Bestimmung des § 355 Z 1 ASVG gehört die Feststellung der Versicherungspflicht ebenso wie der Versicherungsberechtigung zu den Verwaltungssachen. Gemäß § 74 Abs 1 ASGG ist in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1 (eine solche liegt hier vor) dann, wenn die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung, der Beginn oder das Ende der Versicherung (§ 355 Z 1 ASVG), die maßgebende Beitragsgrundlage oder die Angehörigeneigenschaft (§ 410 Abs 1 Z 7 ASVG) als Vorfrage strittig ist, das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens. Ist im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig, so hat das Gericht die Einleitung des Verfahrens beim Versicherungsträger anzuregen. Die Frage der Versicherungspflicht bzw Versicherungsberechtigung ist damit den Gerichten auch im Vorfragenbereich zur Gänze entzogen. Da die Klägerin ihr Begehren auf die Behauptung stützt, daß die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung im fraglichen Zeitraum gegeben gewesen seien und daher vom Bestehen von Pflichtversicherungszeiten auszugehen sei, sind die Voraussetzungen des § 74 Abs 1 ASGG gegeben, sodaß entsprechend dieser Gesetzesbestimmung vorzugehen war.

Die Übermittlung einer Ausfertigung dieser Entscheidung mit der Anregung zur Einleitung des Verwaltungsverfahrens obliegt dem Erstgericht.

Anmerkung

E19368

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00268.89.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19891024_OGH0002_010OBS00268_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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