TE OGH 1989/10/30 6Ob683/89

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Veröffentlicht am 30.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Walter L***, Kaufmann, Wien 23., Kaserngasse 4-6, vertreten durch Dr. Dietbert Helbig-Neupauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz H***, geboren am 30. Juni 1965, Installateurgeselle, Ybbs, Auhofstraße 12a, vertreten durch seine Sachwalterin Dr. Ingrid R***, Rechtsanwältin in Wien 1., Schottengasse 3a, wegen 143.356,20 S samt Nebenforderungen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8. März 1989, GZ 48 R 35/89-43, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 9. November 1988, GZ 5 C 354/86-36, im stattgebenden Teil abgeändert und im abweisenden Teil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung 1. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird im Umfang der Anfechtung des bestätigenden Teiles der Berufungsentscheidung zurückgewiesen.

und 2. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der Revision teilweise, und zwar in Ansehung des Teilbegehrens auf Zahlung von 79.190,30 S samt Nebengebühren, stattgegeben und in Ansehung des restlichen von der berufungsgerichtlichen Abänderung betroffenen Teiles des Streitgegenstandes nicht stattgegeben.

Der Urteilsspruch hat daher in der Hauptsache unter Einschluß des in Rechtskraft erwachsenen Teiles insgesamt zu lauten:

"1.) Das Klagebegehren besteht in Ansehung eines Betrages von 79.190,30 S samt 4 % Zinsen aus folgenden Beträgen: 1.087 S seit 1. Januar 1986, 10.001,20 S seit 1. Mai 1986, 7.500,90 S seit 1. Juli 1986, 5.000,60 S seit 16. September 1986 und je 2.530 S ab jedem Ersten der 22 Monate von Oktober 1986 bis einschließlich Juli 1988 zu Recht.

2.) Die eingewendeten Gegenforderungen bestehen bis zur Höhe des im Punkt 1 genannten Betrages nicht zu Recht.

3.) Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger den Betrag von 79.190,30 S samt 4 % Zinsen aus 1.087 S seit 1. Januar 1986, aus weiteren 10.001,20 S seit 1. Mai 1986, aus weiteren 7.500,90 S seit 1. Juli 1986, aus weiteren 5.000,60 S seit 16. September 1986 sowie aus jeweils 2.530 S ab jedem Ersten der 22 Monate vom Oktober 1986 bis einschließlich Juli 1988 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

4.) Das auf Zahlung eines weiteren Betrages von 64.165,90 S samt Nebengebühren gerichtete Begehren sowie das Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger an Gebühren und Sachwalterkosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Betrag von 18.220 S binnen 14 Tagen zu ersetzen." Im übrigen werden die Prozeßkosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz gegeneinander aufgehoben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger an Kosten des Revisionsverfahrens von den notwendigen Eingabengebühren in Höhe von 5.000 S einen Teilbetrag von 4.250 S und von den im übrigen mit 4.629,60 S bestimmten Kosten 70 %, das sind 3.240,72 S also insgesamt 7.490,72 S binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines städtischen Miethauses. Über die im

1. Stock gelegene, aus zwei Zimmern, Kabinett, Küche und Vorraum bestehende, mit der topographischen Nr. 4/5 bezeichneten Wohnung mit einer Nutzfläche von etwa 65 m2 sowie über die mit der topographischen Nr. 3 bezeichneten Räume schloß der Kläger am 5. Dezember 1984 mit dem damals 19 1/2 Jahre alten Beklagten einen einheitlichen Mietvertrag auf unbestimmte Dauer. Bereits drei Monate vorher hatte der Kläger die unter top.Nr.3 bezeichneten Räume dem Beklagten und zwei weiteren Personen als Geschäftslokal gegen einen wertgesicherten Hauptmietzins von 1.800 S monatlich in Bestand gegeben gehabt. Durch den Vertrag vom 5. Dezember 1984 sollten die Mitmieter des Beklagten aus dem Bestandverhältnis ausscheiden und dieses auf die Räume der Wohnung top.Nr.4/5 ausgedehnt werden. Der vertraglich ausgewiesene Hauptmietzins für die insgesamt neun Räume des mit den top.Nr.3, 4, 5 bezeichneten einheitlichen Mietgegenstandes betrug 3.600 S monatlich und war einer Wertsicherung unterworfen. (Das Betriebskostenakonto war mit 1.250 S, die Verwaltungskosten waren mit 133 S und die Umsatzsteuer mit 498,30 S, der monatliche Gesamtmietzins daher mit 5.481,30 S ausgewiesen.) Die Verhandlungen zum Abschluß des Vertrages vom 5. Dezember 1984 hatte für den Mieter dessen Vater geführt. Dabei hatte der Kläger für das Geschäftslokal und für die Wohnung jeweils einen gleich hohen Hauptmietzins von 1.800 S genannt. Der Vater des Beklagten hatte aber die Ausweisung eines einheitlichen Gesamtmietzinses gewünscht.

Der Vater des Beklagten veranlaßte diesen zur Unterfertigung der Mietvertragsurkunde vom 5. Dezember 1984.

Der Beklagte leidet an Schwachsinn leichteren Ausmaßes. Er zeigt Anzeichen einer neurotischen Entwicklung mit sehr schwachen Ich-Strukturen bei einer noch nicht abgeschlossenen Identitätsfindung. Er ist infolgedessen stark von seinem Vater abhängig. Der Beklagte wußte bei der Urkundenunterfertigung, daß es sich um einen Mietvertrag handle, er war aber wegen seines Geisteszustandes nicht imstande, die Bedeutung des Vertrages in einer realitätsgerechten Sicht zu erkennen. Der Beklagte wäre - nach der festgestellten Persönlichkeitsstruktur - nicht imstande gewesen, sich der Aufforderung seines Vaters (zur Unterfertigung der Vertragsurkunde) zu widersetzen.

Der Vater des Beklagten hatte den Zustand seines Sohnes dazu ausgenützt, ihn bei Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen vorzuschieben, so als Gesellschafter in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren weitere Gesellschafter die beiden ehemaligen Mitmieter des Beklagten nach dem Mietvertrag vom September 1984 über die Geschäftsräume top.Nr. 3 waren, und als geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes. Der Vater des Beklagten trat für die Handelsgesellschaft auf, er führte auch die Geschäfte der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes.

Das Geschäftslokal top.Nr.3 wurde bis zu der im April 1986 erfolgten Räumung für Zwecke des im Rahmen der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes betriebenen Unternehmens verwendet. In der Wohnung top.Nr.4/5 wohnten der Vater des Beklagten und dessen Familienangehörige, darunter auch der Beklagte selbst. Der Vater des Beklagten zahlte bis Ende 1984 den Mietzins, ab Beginn des Jahres 1985 leistete er nur noch Akontozahlungen. Für die ersten drei Monate des Jahres 1985 lief ein Rückstand von zusammen 1.443,90 S auf. Der Mietzins für die weiteren neun Monate des Jahres 1985 in der monatlichen Höhe von 5.481,30 S, daher ein weiterer Betrag von 49.331,70 S, blieb unbezahlt.

Die Handelsgesellschaft trug sich dem Kläger zur Verrichtung von Arbeiten an, um mit dem Entgelt Mietzinsschulden abzugelten. Für die verrichteten Arbeiten stellte sie dem Kläger insgesamt 48.360 S in Rechnung. Dieser Betrag wurde jeweils mit den ältesten Mietzinsforderungen des Klägers verrechnet. (Rechnerisch waren danach der Rückstand für das erste Quartal 1985 von 1.443,90 S, die Mietzinse für die Monate April bis November 1985 im Betrag von insgesamt 43.850,40 S und der Zins für Dezember 1985 im Teilbetrag von 3.065,70 S verrechnet, so daß für Dezember 1985 nur noch ein offener Betrag von 2.415,60 S verblieb.) Mitte März 1986 erteilte der Kläger der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, in deren Namen der Vater des Beklagten aufgetreten war, einen Auftrag zu Instandsetzungsarbeiten an einem anderen Haus mit einer Auftragssumme von 90.000 S. Dabei sollten 50 % des Entgeltes nach dem jeweiligen Arbeitsfortschritt bar bezahlt und die restlichen 50 % gegen die Mietzinsforderungen des Klägers aus dem Vertrag vom 5. Dezember 1984 verrechnet werden. Der Kläger leistete zwischen 14. März und 18. April 1986 zu Handen des Vaters des Beklagten acht Akontozahlungen von je 6.000 S. Die von der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes entsandten Arbeiter stellten nach zwei bis drei Wochen wegen Lohnzahlungsrückständen die Arbeit ein. Der Kläger drohte zweimal schriftlich den Rücktritt vom Werkvertrag an, zahlte am 24. April 1986 zu Handen des Werkmeisters 18.000 S, der damit die Arbeiter entlohnte, so daß diese wenigstens die Installateurarbeiten im wesentlichen fertigstellten, nicht aber auch die sonstigen vom Kläger in Auftrag gegebenen Instandsetzungsarbeiten. Diese blieben seitens der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes unausgeführt. Der Kläger ließ die Arbeiten wegen Säumnis der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes durch andere Unternehmer durchführen.

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes führte in dem Haus des Klägers, in dem der vom Beklagten benützte Bestandgegenstand liegt, Arbeiten an einem Wasseranschluß im Wert von 1.600 S durch. Eine Familienangehörige des Beklagten verrichtete dort im ersten Halbjahr 1986 Reinigungsarbeiten im Wert von 2.000 S. Dazu hielt das Prozeßgericht erster Instanz ausdrücklich fest, es habe nicht feststellen können, daß eine - auch nur teilweise - Verrechnung der Arbeitsentgelte mit Mietzinsforderungen des Klägers aus dem Vertrag vom 5.Dezember 1984 vereinbart gewesen wäre.

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes legte mit Schreiben vom 19. Oktober 1987 Rechnung. Die Rechnungssumme war nur im Teilbetrag von 92.400 S angemessen. Der Vater des Beklagten oder Gesellschafter der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft hatten im Namen des Klägers Werkzeuge um einen Kaufpreis von 33.797,41 S gekauft. Der Kläger hatte für Ersatzvornahmen 62.043,20 S zu bezahlen. Er antwortete auf die ihm übersandte Rechnung vom 19.Oktober 1987 mit Schreiben vom 25. November 1987, daß ihm unter Berücksichtigung seiner Akontozahlungen, der auf seinen Namen getätigten Werkzeugkäufe und der Kosten der Ersatzvornahme gegen die Rechnungslegerin noch eine Forderung von 69.440,61 S zustünde.

Ein vom Vater des Beklagten übernommener, gemeinsam mit dem Beklagten und seinem Bruder auszuführender Auftrag zu einem Baumschnitt im Garten des Klägers stieß auf Ausführungsschwierigkeiten und blieb unausgeführt.

Mit der Herstellung eines Anschlusses für Rasensprenger und Schwimmbecken beauftragte der Kläger nicht die Gesellschafter der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, den Vater des Beklagten oder diesen selbst, sondern einen Werkmeister und zahlte das Entgelt für diese Arbeiten auch zu Handen des Werkmeisters.

Für die ersten vier Monate des Jahres 1986 betrug der monatliche Mietzins für sämtliche in der Mietvertragsurkunde bezeichneten Räume 5.563,80 S, insgesamt daher 22.255,20 S.

Nach der im April 1986 erfolgten Räumung des Geschäftslokales top.Nr. 3 schrieb der Kläger für die Wohnung top.Nr. 4/5 in den Monaten Mai bis September 1986 je 2.500,30 S (daher zusammen 12.501,50 S) als Mietzins vor und in den folgenden 22 Monaten (Oktober 1986 bis Juli 1988) jeweils 2.530 S (daher insgesamt 55.660 S).

Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung des vertraglich festgelegten Mietzinses für das Geschäftslokal top.Nr. 3 und die Wohnung top.Nr. 4/5

für das erste Quartal im Restbetrag von 1.443,90 S für das zweite bis vierte Quartal 1985 im Betrag von 49.331,70 S für die ersten vier Monate 1986 im Betrag von 22.255,20 S sowie nur für die Wohnung top.Nr. 4/5 für die Monate Mai bis Juli 1986 im Betrag von 7.500,90 S und nach Klagsausdehnungen für August und September 1986

im Betrag von 5.000,60 S für Oktober und November 1986

im Betrag von 5.000,60 S für Dezember 1986 bis Juli 1988

im Betrag von insgesamt 50.600,-- S daher zusammen 141.132,90 S und überdies den vertraglich zugesicherten Ersatz der Rechtsgeschäftsgebühren für den Mietvertrag im Betrag von 2.223,-- S 143.355,90 S Aus einem Rechenfehler ergibt sich eine Differenz von 0,30 S Klagsbetrag: 143.356,20 S. Für den Fall der im Zuge des Rechtsstreites eingewendeten Geschäftsunfähigkeit des Beklagten stützte der Kläger sein gesamtes Leistungsbegehren hilfsweise auf den Rechtsgrund bereicherungsrechtlicher Ausgleichung im Sinne des § 877 ABGB. Der Beklagte wendete gegenüber dem auf den Mietvertrag gestützten Anspruch seine Geschäftsunfähigkeit zur Eingehung des Mietverhältnisses ein, gegenüber dem bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch brachte er wörtlich vor, "daß die Benützung nicht durch den Beklagten alleine erfolgt sei, sondern eine fünfköpfige Familie über Verfügung des Vaters dort gewohnt habe. Der Beklagte habe für den Unterhalt dieser Familie nicht aufzukommen. Unterhaltspflichtig sei ...." (sein Vater). Dieser habe in seiner Zeugenaussage die Wohnung auch als "seine" Wohnung bezeichnet. Das Prozeßgericht erster Instanz verneinte die Geschäftsfähigkeit des Beklagten zum Abschluß des vom Kläger seiner Mietzinsforderung zugrunde gelegten Mietvertrages. Es erachtete aber die Mitbenützung von Geschäftslokal und Wohnung durch den Beklagten als einen diesem zugekommenen Vorteil und den Beklagten daher als Schuldner des außervertraglichen Bereicherungsanspruches. Es bemaß diesen in der Höhe der vorgeschriebenen, weil als angemessen erachteten Mietzinse, nahm aber die Raumnutzung für die Zeit bis einschließlich November 1985 und die Raumnutzung im Dezember 1985

bis zu einem Wert von 3.065,70 S durch außergerichtliche Verrechnung im dreipersonalen Verhältnis als abgegolten an. Das Prozeßgericht erster Instanz erachtete demgemäß nur ein Benützungsenttelt für Dezember 1985 im restlichen Betrag von 2.415,60 S, für die ersten vier Monate des Jahres 1986 im Betrag von 22.255,20 S sowie für die Monate Mai 1986 bis Juli 1988 (für die Wohnung allein) von 68.102,10 S als berechtigt. Für den Anspruch auf Ersatz der Rechtsgeschäftsgebühren im Betrag von 2.223 S sah das Prozeßgericht erster Instanz offensichtlich weder einen vertraglichen noch einen außervertraglichen Anspruch als begründet an. Es verurteilte daher den Beklagten (wobei ein Rechenfehler im Ausmaß von 30 g unterlaufen ist) zur Zahlung eines Betrages von 92.773,20 S samt stufenweisen Zinsen und wies das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von 50.583 S - unter gleichzeitiger Feststellung des Nichtzurechtbestehens aufrechnungsweise eingewendeter Gegenforderungen - ab.

Der Kläger erhob gegen den abweislichen, der Beklagte gegen den stattgebenden Teil des erstinstanzlichen Urteiles Berufung. Das Berufungsgericht teilte die erstrichterliche Beurteilung über die Geschäftsunfähigkeit des Beklagten zum Abschluß des vom Kläger seinem Begehren zugrundegelegten Mietvertrages, verneinte aber auch den hilfsweise geltend gemachten Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten aus der Erwägung, dem Beklagten habe die Fähigkeit zum Besitzerwerb gemangelt (§ 310 ABGB), die tatsächliche Gewahrsame am Mietgegenstand habe der Vater des Beklagten "an sich gerissen" und den Beklagten nur als Mitglied seiner Familie die Wohnung mitbenützen lassen. Der Beklagte möge seinem Vater gegenüber anteilig ausgleichspflichtig geworden sein, unmittelbar bereichert erscheine gegenüber dem Kläger aus der Raumnutzung aber nur der Vater des Beklagten und nicht dieser selbst. Das Berufungsgericht verneinte damit nicht nur eine vertragliche, sondern auch eine außervertragliche Verpflichtung des Beklagten gegenüber dem Kläger zur Zahlung eines Ausgleiches für die Benutzung von Geschäftsräumen und Wohnung. Aus diesem Grunde bestätigte das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil in seinem abweislichen Teil und änderte es in seinem stattgebenden Teil im klagsabweisenden Sinne ab. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß die Zulassungsvoraussetzung nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO vorliege.

Der Kläger ficht das teils bestätigende und teils abändernde Berufungsurteil im vollen Umfang aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem Aufhebungsantrag an.

Der Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionszulässigkeit ist gemäß den Übergangsbestimmungen des Art. XLI Z 5 WGN 1989, BGBl. Nr. 343, nach § 502 ZPO in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983 zu beurteilen. Danach ist die Revision insoweit unzulässig, als der von der Bestätigung betroffene Teil des Streitgegenstandes 60.000 S nicht übersteigt. Das Berufungsgericht hat die Abweisung des Begehrens auf Ersatz der Rechtsgeschäftsgebühren im Betrag von 2.223 S sowie auf Zahlung eines Mietzinses oder Benützungsentgeltes für die Zeit bis November 1985 und für Dezember 1985 im Teilbetrag von 3.065,70 S (wenn auch aus einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Begründung, aber im Ergebnis spruchmäßig) bestätigt. Diese Bestätigung betrifft ein Teilbegehren auf Zahlung von 50.583 S. Die Revision gegen den bestätigenden Teil des Berufungsurteiles ist unzulässig. In diesem Umfang war sie zurückzuweisen. Die Revision gegen den abändernden Teil des Berufungsurteiles ist nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht, weil die für die zweitinstanzliche Entscheidung wesentliche Frage der Zurechnung eines Vorteiles im Sinne des § 877 ABGB vom Berufungsgericht nicht im Sinne einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gelöst werden konnte. Die Beschränkung der Beachtlichkeit von Revisionsgründen im Sinne des § 503 Abs. 2 aF ZPO gilt nicht mehr (Art. XLI Z 12 WGN 1989). Soweit die Revision nicht unzulässig ist, ist sie im überwiegenden Teil auch berechtigt.

Nach dem der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden Sachverhalt war der damals im 20. Lebensjahr gestandene Beklagte bei Abschluß des Mietvertrages vom 5.Dezember 1984 nach seinem Geisteszustand nicht in der Lage, die Rechtsfolgen und damit das Wesen eines Mietvertrages über Geschäfts- und Wohnräume richtig zu erfassen und infolge seiner Abhängigkeit vom Willen seines Vaters auch nicht imstande, eine freie rechtsgeschäftliche Willensentscheidung zu treffen. Die vom Kläger bekämpfte Beurteilung der Vorinstanzen, daß dem Beklagten zum Abschluß des dem Mietzinsbegehren zugrundegelegten Vertrages die Geschäftsfähigkeit gemangelt habe und aus diesem Grunde zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis begründet worden sei, trifft zu.

Dafür, daß etwa in der Folge jemals schlüssig ein Mietvertrag zwischen den Streitteilen begründet worden wäre, fehlt es schon an einem entsprechenden Parteivorbringen.

Es gebricht aber auch an schlüssigen Behauptungen und Feststellungen dazu, daß etwa zwischen dem Kläger und dem Vater des Beklagten oder einem sonstigen Rechtssubjekt schlüssig ein Mietvertrag begründet worden wäre, zumal der Kläger den Mietgegenstand in der Vorstellung überlassen und dessen Nutzung geduldet hat, der Beklagte (und niemand sonst) sei sein Mieter, an welcher Auffassung der Kläger im anhängigen Rechtsstreit noch in dritter Instanz festhält. Aus der Rechtsunwirksamkeit des Mietvertrages wegen Geschäftsunfähigkeit des Beklagten folgt die Verpflichtung zur Rückabwicklung im Sinne des § 877 ABGB. Dabei hat der Beklagte für eine zu seinem Vorteil gezogene Raumnutzung ein angemessenes Entgelt zu leisten.

Dem Beklagten kann aber mit Rücksicht auf seine nach dem festgestellten Sachverhalt bloß eingeschränkte Geschäftsfähigkeit nicht einfach der objektive Wert der ihm vom Kläger als Erfüllung des vermeintlich rechtswirksam zustandegekommenen Mietvertrages überlassene Raumnutzung als zugekommener und auszugleichender Vorteil zugerechnet werden, sondern im Rahmen dieses objektiven Mietwertes die Raumnutzung nur in jenem Ausmaß, als sie seinen an seinen persönlichen Verhältnissen zu messenden konkreten Bedürfnissen entsprach. Dabei sind Geschäftsraumnutzung und Wohnungsnutzung getrennt zu beurteilen. Die für die Zurechnung maßgebenden konkreten Tatsachen hatte als anspruchsbegründende Umstände der Kläger zu behaupten und zu beweisen.

Zur Nutzung der selbständigen Wohnung mit der Bezeichnung top.Nr. 4/5 stehen die Raumeinteilung, die Nutzfläche und der anteilige Hauptmietzins fest: Die Wohnung besteht aus zwei Zimmern, Kabinett, Küche und Vorzimmer, sie hat eine Nutzfläche von 65 m2 und der monatliche Mietzins lag bei einem Hauptmietzins von 1.800 S in der Größenordnung von 2.500 S. Auch ohne diesbezügliche ausdrückliche Parteienbehauptungen und Urteilsfeststellunegn ist davon auszugehen, daß der Beklagte nach Vollendung seines 19. Lebensjahres, Ablegung der Gesellenprüfung und praktischer Tätigkeit im erlernten Beruf eines Installateurs - ungeachtet seines festgestellten Geistes- und Gemütszustandes - voll selbsterhaltungsfähig war und blieb (mag er auch im Familienverband gelebt und gearbeitet und als formell selbständiger Gewerbsmann kein faßbares Einkommen bezogen haben). Als selbsterhaltungsfähiger Mann hatte er für die Deckung seines Wohnbedarfes selbst zu sorgen.

Entsprach nun die vom Beklagten in Benützung genommene Wohnung den seinen Lebens- und Einkommensverhältnissen angemessenen Bedürfnissen, ist es für die Zurechnung der Wohnraumnutzung zu seinem Vorteil dem durch vermeintliche Vertragszuhaltung in der Nutzung seines Eigentums verkürzten Kläger gegenüber unerheblich, daß der Beklagte die Wohnung gemeinsam mit Familienangehörigen (denen gegenüber ihn keine Unterhaltsverpflichtung getroffen hat) benützte. Die Wahl der beschriebenen Wohnung zur Deckung der Wohnbedürfnisse eines Installateurgesellen bewegte sich im Rahmen üblicher und vertretbarer Wohnversorgung und kann keinesfalls als unangemessener Luxus eingestuft werden. Die Wohnungsnutzung zur Befriedigung eigener Wohnbedürfnisse ist dem Beklagten daher als ein ihm zu Lasten des Klägers zugekommener Vorteil zuzurechnen. In der Zurechnung eines rein tatsächlich gezogenen Vorteiles außerhalb jeder vertraglichen oder gesetzlichen Berechtigung bleibt kein Raum für die vom Berufungsgericht angenommene Figur eines sogenannten Strohmannes.

Der Kläger hat die Fremdnutzung der im rechtsunwirksamen Vertrag bezeichneten Räume seines Hauses als vermeintlich dem Beklagten gegenüber geschuldete Vertragspflicht geduldet und in diesem Sinne seinem vermeintlichen Vertragspartner geleistet. Der Beklagte ist aus diesem Grunde im Rahmen des § 877 ABGB unter Bedachtnahme auf die durch die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit gezogenen Grenzen des anzunehmenden Vorteiles bereicherungsrechtlich Schuldner des verkürzten Klägers. Ob dem Kläger darüber hinaus (zur ungeteilten Hand mit dem Beklagten) auch weitere Wohnungsbenützer bereicherungsrechtlich für einen von ihnen unmittelbar gezogenen Nutzen haften, ist für die im anhängigen Rechtsstreit allein zu beurteilende Verpflichtung des Beklagten nicht von Belang. Daß die Nutzung der Geschäftsräume für Zwecke eines vom Beklagten im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes mitbetriebenen Unternehmens für ihn ein Vorteil im oben aufgezeigten Sinne gewesen sei, hätte der Kläger durch konkrete Behauptungen darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen gehabt. In dieser Hinsicht kam der Kläger seiner prozessualen Behauptungspflicht in keiner Weise nach. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Klägers gegen den Beklagten wegen der Nutzung der Geschäftsräume ist daher nicht anzuerkennen.

Die objektive Angemessenheit der vom Kläger als Mietzins jeweils vorgeschriebenen Beträge hat der Beklagte nicht bestritten. Er hat vielmehr die diesbezüglichen erstinstanzlichen Feststellungen auch in seiner Berufung unbekämpft gelassen. Ebenso hat der Beklagte gegen die ihm nachteilige Beurteilung über das Nichtzurechtbestehen der von ihm eingewendeten Gegenforderungen schon im Berufungsverfahren nichts ausgeführt.

Rein rechnerisch ergibt sich aus der dargelegten Einschätzung, daß es an den Voraussetzungen für eine Zurechnung der Geschäftsraumnutzung zum Vorteil des Beklagten fehlt, dagegen die Wohnraumnutzung dem Beklagten als Vorteil zuzurechnen ist (und zwar während der gesamten Dauer des vom Kläger zugrundegelegten Zeitraumes, weil im nicht als nichtig aufgehobenen Verfahren jedes konkrete Vorbringen über einen etwaigen Wegfall des Wohnbedarfes des Beklagten fehlt) sowie der weiteren Beurteilung der vorgeschriebenen Mietzinse als objektiv angemessenes Entgelt:

Über die Forderung für die Zeiten bis einschließlich November 1985 und für Dezember 1985 im Teilbetrag von 3.065,70 S ist rechtskräftig abgesprochen.

Der restliche für Dezember 1985 als Mietzins vorgeschriebene Betrag

von 2.415,60 S ist im Verhältnis 55 : 45 auf Geschäftsräume und Wohnung aufzuteilen (weil dies dem Verhältnis der für die folgenden Monate erfolgten Vorschreibungen entspricht). Danach entfällt auf die Wohnungsnutzung ein verbleibender Restwert von 1.087 S. Das Entgelt für die ersten vier Monate des Jahres 1986 entfällt im monatlichen Teilbetrag von 3.063,50 S auf die Geschäftsräumlichkeiten und im Restbetrag von 2.500,30 S auf die Wohnung. Daraus ergibt sich für die Monate Januar bis April 1986 ein Entgelt für die Wohnungsnutzung von 10.001,20 S.

Ab Mai 1986 wurde nur noch für die Wohnung Mietzins vorgeschrieben, und zwar bis September im monatlichen Betrag von 2.500,30 S und ab Oktober 1986 im monatlichen Betrag von 2.530 S.

Klageweise geltend gemacht wurde aber für die Monate Oktober und

November nur ein Betrag von je 2.500,30 S. Das für die

Wohnungsnutzung in den Monaten Mai 1986 bis Juli 1988 angemessene

Entgelt errechnet sich daher (7 x 2.500,30 S = 17.502,10 S und 20 x

2.530 S = 50.600 S) mit 68.102,10 S.

Die Summe der genannten Werte ergibt 79.190,30 S.

In diesem Betrag bestehen die Forderungen des Klägers für die Zeit vom Dezember 1985 bis Juli 1988 zu Recht, im weiteren Teilbetrag von 13.582,60 S (zuzüglich des Betrages des Rechenfehlers von 30 g) aber nicht zu Recht.

Daß die eingewendeten Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen, ist aus dem diesbezüglich nicht bekämpften Urteil erster Instanz zu übernehmen.

Das Urteil war im aufgezeigten Sinne teilweise abzuändern und teilweise zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs. 1 ZPO (in Ansehung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Zusammenhang mit § 50 ZPO). Dabei war unter Bedachtnahme auf die Nichtigerklärung eines Teiles des Verfahrens am 8.Oktober 1987 (AS 43) für folgende Verfahrensabschnitte von folgenden Kostenbemessungsgrundlagen,

Erfolgen und Erfolgsquoten auszugehen:

Im erstinstanzlichen Verfahren:

Für die Klage: 82.754,70 S / 18.589,10 S / rund 22,5 %

Tagsatzung vom 8.10.1987 bis vor der Tagsatzung vom 29.1.1988:

120.586,20 S / 56.420 S / rund 47 %

Tagsatzung vom 29.1.1988:

128.176,20 S / 64.010,30 S / rund 50 %

Tagsatzung vom 15.3.1988 bis vor Tagsatzung vom 8.7.1988:

133.236,20 S / 69.070,30 S / rund 52 %

Tagsatzung vom 8.7.1988:

143.356,20 S / 79.190,30 S / rund 55 %.

Bei diesem Schwanken der Erfolgsquote des Klägers um 50 % sind die Verfahrenskosten erster Instanz gegeneinander aufzuheben. Lediglich die vom Kläger getragenen Gerichtsgebühren in Höhe von 2.200 S sowie die mit 34.241,55 S bestimmten Kosten der Sachwalterin hat der Beklagte zur Hälfte, das ist im abgerundeten Betrag von 18.220 S zu ersetzen.

Im Berufungsverfahren:

Der Kläger hatte mit seiner Berufung keinen Erfolg, der Beklagte mit seinem Rechtsmittel nur einen solchen im Ausmaß von rund 15 %. Für die Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung ergeben sich dieselben Verhältnisse wie für die letzte erstinstanzliche Tagsatzung. Daher sind auch die Verfahrenskosten zweiter Instanz gegeneinander aufzuheben.

Im Revisionsverfahren:

Bemessungsgrundlage der zulässigen Anfechtung ist der Betrag von 92.773,20 S. Der Teilerfolg des Klägers entspricht rund 85 %, die Ersatzquote 70 %. Die Pauschalgebühr im notwendigen Ausmaß von 5.000 S hat der Beklagte zu 85 % zu ersetzen.

Anmerkung

E19084

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00683.89.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19891030_OGH0002_0060OB00683_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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