TE OGH 1989/10/31 2Ob77/89

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Veröffentlicht am 31.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Petrus S***, Maurermeister, NL 4043 Purmerend, Zweerstraat 126, Niederlande, vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1) Maria Walpurga A***, Hausgehilfin, 4753 Taiskirchen, Jedetsberg 9, 2) Margarethe K***, Hausfrau, 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 43, und 3) I*** U***- UND S*** AG, 1010 Wien,

Tegetthoffstraße 7, alle vertreten durch Dr. Alexander Puttinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen S 326.372,80 und hfl 94.923,71 je s.A. und Feststellung (Streitwert S 100.000, Gesamtstreitwert S 1,018.696,75), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13. Februar 1989, GZ. 2 R 274/88-38, womit das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 20. Mai 1988, GZ. 2 Cg 201/86-27, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Am 15. Juli 1982 ereignete sich auf der Peter-Rosegger-Straße in Ried im Innkreis ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter seines in den Niederlanden zugelassenen PKWs Honda Accord und die Erstbeklagte als Lenkerin des von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKWs VW 11 beteiligt waren. Der Kläger fuhr auf der Rosegger-Straße, die Erstbeklagte auf der Schwimmbadstraße. Sie mißachtete das Vorrangzeichen "Halt" vor der Rosegger-Straße und fuhr in die Rosegger-Straße ein, ohne auf den Vorrang des Klägers zu achten. Es kam daher trotz einer sofortigen Reaktion des Klägers zu einem für ihn nicht mehr vermeidbaren Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt.

Die Drittbeklagte bezahlte dem Kläger schon vor Klagseinbringung S 8.000, wodurch seine unfallskausalen Telefonkosten (S 1.269), Übernachtungskosten (S 1.288), ärztliche Behandlungskosten in Österreich (S 450,80) und ein Teil der merkantilen Wertminderung des PKWs des Klägers abgegolten wurden. An merkantiler Wertminderung des PKWs wurden ihm S 3.000 bisher nicht bezahlt.

Der Kläger war bereits im Jahre 1975 wegen eines sogenannten thoracic outlet-Syndroms behandelt und operiert worden. Im Jahre 1979 traten daraufhin eigenartige, nicht kontrollierbare Bewegungen des linken Arms und des Kopfs auf. Im Jahre 1980 wurde er neuerlich mit einer Resektion der 1. Rippe operiert. Im Zuge der beiden Operationen kam es zur Durchtrennung des Nervus supraclavicularis, wobei sich an einem Stumpf ein Neurom entwickelte. Dieses Neurom wurde dann im Jahre 1983 operativ entfernt. Der Operateur Dr. KAM sprach von einem traumatischen Neurom.

Mit der am 10. Oktober 1986 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger von den Beklagten den Ersatz seines unfallskausalen Schadens von insgesamt S 326.372,80 und hfl 94.923,71 je samt 4 % Zinsen seit dem Tag der Klagszustellung (14. Oktober 1986), und zwar S 300.000 an Schmerzengeld, hfl 94.923,71 an Verdienstentgang einschließlich Zinsen und sonstiger Kosten, S 8.000 an merkantiler Wertminderung und S 26.372,80 an weiteren Spesen - abzüglich der bereits bezahlten S 8.000 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden des Klägers aus dem Verkehrsunfall, die Drittbeklagte beschränkt mit dem Betrag des bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrags.

Der Kläger brachte dazu vor, daß er beim Unfall am 15. Juli 1982 durch den Anprall heftig in den Sicherheitsgurt geschleudert worden sei. Dadurch sei es wiederum zu starken Beschwerden und einem brennenden Gefühl auf der Vorderseite der Brust unter dem Schlüsselbein im Bereich der früheren längst ausgeheilten Beschwerden gekommen. Deshalb habe er im Jahre 1983 neuerlich operiert werden müssen. Bei dieser Operation habe sich dann herausgestellt, daß an der Narbe unter dem linken Schlüsselbein ein Neurom entstanden sei, das die Beschwerden in Form einer Verletzung des Nervus supraclavicularis herbeigeführt habe. Nach dieser Operation hätten die Beschwerden teilweise abgenommen, seien aber nach einiger Zeit mit aller Heftigkeit wieder zurückgekehrt. Schließlich habe dann eine Nervenplastik durchgeführt werden müssen. Auch diese Operation habe nur eine vorübergehende Besserung bewirkt. Aufgrund der unfallbedingten Verletzungen sei eine Versteifung des linken Schultergelenks entstanden, die künftig auch zu einer Korrektur des linken Ellenbogens führen werde. Der Kläger sei daher nicht in der Lage, seine linke Körperseite zu benützen; er sei vollkommen arbeitsunfähig. Es sei daher ein Schmerzengeld von S 300.000 angemessen und er habe bis einschließlich 1986 einen Verdienstentgang von hfl 87.800 erlitten, wozu ein weiterer Schaden von hfl 7.101,71 komme.

Die Beklagten bestritten das Alleinverschulden der Erstbeklagten am Verkehrsunfall vom 15. Juli 1982 nicht, sie anerkannten der Höhe nach auch ärztliche Behandlungskosten von hfl 22, Telefonkosten von S 1.269, Behandlungskosten in Österreich von S 450,80 und eine merkantile Wertminderung von S 5.000, die aber mit dem Betrag von S 8.000 bezahlt worden seien. Sie beantragten die Abweisung der Klagebegehren und wendeten im wesentlichen ein, daß die Schadenersatzforderungen des Klägers verjährt seien. Der Kläger habe nach dem Unfall überhaupt keine Beschwerden angegeben und sei auch nicht verletzt worden. Seine als Grundlage der Schadenersatzforderung behaupteten Beschwerden seien daher nicht unfallskausal, sondern auf vor dem Unfall erlittene Erkrankungen und Operationen zurückzuführen. Auch das in weiterer Folge im Operationsfeld aufgetretene Neurom - ein verletzter und wild wachsender Nerv - sei nicht auf Unfallsverletzungen zurückzuführen. Am 17. Juli 1982 sei der Kläger nur wegen eines Peitschenschlagtraumas von Dr. B*** behandelt worden; diese Behandlung habe mit den nunmehr vom Kläger behaupteten Verletzungen nichts zu tun. Die Drittbeklagte habe bereits mit ihrem Schreiben vom 23. Juni 1986 die Ersatzforderungen des Klägers mangels Kausalität abgelehnt; von diesem Standpunkt sei sie in der Folge nicht mehr abgegangen.

Der Kläger erwiderte, daß er seine Ersatzforderungen vor Ablauf der Verjährungsfrist bei der Drittbeklagten geltend gemacht habe; diese habe seine Ansprüche erst mit ihrem Schreiben vom 18. August 1986 abgelehnt. Vorher hätten ständig Verhandlungen zwischen den Parteien und ihren Vertretern stattgefunden. Die Drittbeklagte habe auch nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist weiterverhandelt. Der Kläger habe sich bereits am 17. Juli 1982, also zwei Tage nach dem Unfall, in Österreich in ärztliche Behandlung begeben; dabei sei eine unfallskausale Verletzung festgestellt worden.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 6.500 s.A. zu; das Mehrbegehren von S 319.872,80 und hfl 94.923,71 je s.A. sowie das Feststellungsbegehren wurden abgewiesen.

Das Erstgericht traf über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus noch folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger befand sich beim Unfall am 15. Juli 1982 auf dem Weg von Holland zu seinem Urlaubsort in Filzmoos in Österreich. Er näherte sich mit seinem PKW der Unfallskreuzung mit etwa 45 km/h. Am Beifahrersitz befand sich seine mittlerweile verstorbene Ehegattin. Er war mit einem Dreipunktgurt angegurtet. Als er das benachrangte Beklagtenfahrzeug sah, leitete er sofort eine Bremsung ein. Bei der Kollision betrug die Winkelstellung der Fahrzeuge etwa 90 Grad, die Überdeckung an der Stirnseite des Klagsfahrzeugs etwa 60 cm. Durch den exzentrischen Anstoß wurden die Fahrzeuge in ihrer Fahrtrichtung in einem Winkel von etwa 45 Grad nach links (Klagsfahrzeug) und nach rechs (Beklagtenfahrzeug) abgedrängt.

Der Kläger griff bei Erkennen der Gefahr noch nach rechts, um seine am Beifahrersitz befindliche Ehegattin abzustützen. Diese Bewegung und das Herankommen des Beklagtenfahrzeuges von rechts bewirkten, daß er in seiner Sitzposition durch den Zusammenstoß schräg nach rechts vorne gedrückt und abgeschleudert wurde. Die Haltefunktion des Sicherheitsgurts konnte daher nicht voll wirksam werden, weil er seitlich aus dem Gurt nach rechts herausrutschte. Wenn der Anstoß der Fahrzeuge mit voller Überdeckung stattgefunden hätte, wäre bei den vorhandenen Kollisionsgeschwindigkeiten (Beklagtenfahrzeug zwischen 25 und 30 km/h und Klagsfahrzeug zwischen 30 und 35 km/h) im Fahrzeug des Klägers eine Verzögerung von etwa 3,6 g spürbar gewesen. Da aber der Kläger schräg nach vorn gedrückt wurde, wirkten sich die Verzögerungskräfte im Sicherheitsgurt mit einer Größenordnung von unter 2 g aus. Eine "normale Versuchsperson" ist ohne weiteres in der Lage, Verzögerungskräfte von 5 bis 8 g mit den Händen abzustützen.

Nach dem Unfall klagte der Kläger weder gegenüber der Erstbeklagten noch gegenüber den Gendarmeriebeamten über Schmerzen. Auch die Ehegattin des Klägers und die Erstbeklagte wurden nicht verletzt. Der Kläger begab sich erst im Urlaubsort in ärztliche Behandlung, wo eine Nervenwurzelentzündung nach Prellung der Halswirbelsäule festgestellt wurde.

Der Druck eines Sicherheitsgurts wäre prinzipiell geeignet, die eingangs dargestellten Beschwerden des Klägers zu verstärken, dazu müßten jedoch sehr hohe Verzögerungskräfte wirksam werden. Beim Unfall am 15. Juli 1982 habe der kranke Nerv nicht verletzt werden können, da der Körper des Klägers nach rechts versetzt worden sei. Der Sicherheitsgurt konnte nicht jene Stelle getroffen haben, wo beim Kläger später das Neurom entfernt wurde, so daß eine unfallbedingte Auslösefunktion für das später beim Kläger aufgetretene Neurom auszuschließen ist.

Verletzungen von tieferliegenden Gefäßen oder Nerven entstehen erst bei Verzögerungskräften des Gurts ab etwa 10 bis 15 g. Es erscheint daher praktisch ausgeschlossen, daß durch den Sicherheitsgurt ein solcher Druck gegen die linke Schulter des Klägers ausgeübt wurde, daß dadurch die von ihm behaupteten Beschwerden entstanden sind. Diese Beschwerden sind vielmehr als unfallunabhängige anzusehen und auf die bereits im Jahre 1975 diagnostizierte Erkrankung zurückzuführen, die in weiterer Folge mehrfach behandelt werden mußte.

Nach dem Unfall korrespondierten die Streitteile wegen einer vergleichsweisen Regelung; der Kläger brachte die Klage nach dem Scheitern der vergleichsweisen Regelung ein.

Das Fahrzeug des Klägers erlitt unfallbedingt eine Wertminderung, die am österreichischen Automarkt etwa S 5.000 ausmachen würde. Die Mietwagenkosten des Klägers bezahlte die drittbeklagte Partei an die Mietwagenfirma. Mit dem weiter bezahlten Betrag von S 8.000 wurden alle Spesen des Klägers abgegolten. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die Beklagten wegen der Vorrangverletzung der Erstbeklagten dem Kläger nur die durch diesen Unfall verursachten Schäden zu ersetzen haben. Durch den Unfall sei der PKW des Klägers beschädigt worden, so daß ihm die Wertminderung von S 6.500 (§ 273 ZPO) ersetzt werden müsse. Durch diesen Unfall sei aber nicht der Krankheitszustand des Klägers herbeigeführt worden. Diese Krankheit wäre in derselben Weise eingetreten, wenn sich der Unfall in Österreich nicht ereignet hätte. Die Kräfte, die bei diesem Unfall auf den Körper des Klägers einwirkten, seien nicht geeignet gewesen, seine nachträglichen Beschwerden herbeizuführen. Da somit ein Kausalzusammenhang zwischen den geltend gemachten Beschwerden des Klägers und dem Unfallsgeschehen nicht bestehe, seien das Leistungsbegehren im Umfang des Schmerzengelds (S 300.000) und des Verdienstentgangs einschließlich weiterer Zinsen und Kosten (hfl 94.923,71) sowie das Feststellungsbegehren abzuweisen gewesen. Für die "Spesen" seien dem Kläger bereits S 8.000 bezahlt worden; dadurch seien seine Auslagen zur Gänze abgegolten. Mietwagenkosten habe er nicht gehabt. Infolge Berufungen des Klägers und der Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz die Entscheidung des Erstgerichtes mit Teilurteil dahin ab, daß dem Kläger S 3.000 s.A. zugesprochen und ein Mehrbegehren von S 23.372,80 s.A. abgewiesen wurde; im übrigen, nämlich hinsichtlich der Abweisung eines Zahlungsbegehrens von S 300.000 und hfl 94.923,71 je s.A. sowie der Abweisung des Feststellungsbegehrens wurde das Urteil des Erstgerichts unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen. Das Rekursgericht bejahte die Anwendung österreichischen Rechts hinsichtlich des Grundes des Klagsanspruchs; es traf nach Beweiswiederholung folgende ergänzende Feststellungen:

Die Drittbeklagte wies mit ihrem Schreiben vom 23. Juni 1986 die vom Kläger aus seinem Unfall vom 15. Juli 1982 erhobenen Schadenersatzforderungen zur Gänze als rechtlich unbegründet zurück, da seine körperliche Schädigung nicht in Zusammenhang mit diesem Unfall gebracht werden könne. Die für den Kläger einschreitende Schadensregulierungsgesellschaft nahm dann mit dem Schreiben vom 11. August 1986 Bezug auf das Schreiben der Drittbeklagten vom 4. August 1986, in dem wiederum alle Forderungen des Klägers als unbegründet abgewiesen wurden, und wollte noch eine Untersuchung des Klägers durch einen medizinischen Sachverständigen in Österreich erreichen. Die Drittbeklagte teilte dann mit ihrem Schreiben vom 18. August 1986 dieser Schadensregulierungsgesellschaft mit, daß sie eine weitere medizinische Untersuchung des Klägers nicht in Betracht ziehe.

Zur Rechtsfrage der Berufung der Beklagten führte das Berufungsgericht aus, Schadenersatzansprüche verjährten in drei Jahren ab der Kenntnis des Schadens und der Person des Schädigers. Vergleichsverhandlungen, die bis zum Ende der Verjährungszeit oder darüber hinaus geführt würden, bewirkten die von der Rechtsprechung herausgebildete Ablaufshemmung der Verjährungsfrist, wenn die Klage in angemessener Zeit nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen eingebracht wurde. Eine Frist von drei Monaten für die Klagseinbringung sei jedenfalls angemessen. Bei den Besonderheiten des gegenständlichen Falles - der Kläger wohne in Holland - sei die Klage beim Kreisgericht Ried im Innkreis jedenfalls in angemessener Frist nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen mit dem Schreiben vom 23. Juni 1986 eingebracht worden, sodaß schon deshalb keine Verjährung vorliege. Auf die Hemmung der Verjährung nach § 63 Abs. 2 KFG (Fortlaufshemmung der ziffernmäßig angemeldeten Schadenersatzforderungen bis zur Zustellung der schriftlichen Ablehnungserklärung des Haftpflichtversicherers) müsse daher nicht mehr eingegangen werden.

Zur Berufung des Klägers erachtete das Berufungsgericht, dieser erblicke eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, daß das Erstgericht seine bei der Tagsatzung am 18. April 1988 gestellten Beweisanträge zum Nachweis der Unfallskausalität seiner Schulterverletzung und der darauf beruhenden Beschwerden und Schäden nicht aufgenommen habe.

Ein Stoffsammlungsmangel sei dann ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn die Untersuchung der Beweisaufnahme abstrakt geeignet sei, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen. Die Kausalität sei eine Voraussetzung für die Zurechnung eines Schadens. Die natürliche Kausalität sei dann gegeben, wenn aus einer Tatsache (Verhalten des Schädigers) der eingetretene Erfolg zu erschließen sei. Von der Rechtsprechung werde der Nachweis der Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs als ausreichend angesehen, wobei es in das Gebiet der Beweiswürdigung gehöre, ob überwiegende Gründe für die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs - nicht nur für die bloße Möglichkeit und Zweifelhaftigkeit - vorliegen; die Wertung dieser Tatsachenfeststellungen, ob damit der erforderliche Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht sei, falle in das Gebiet der Beweislastverteilung und damit auch der rechtlichen Beurteilung. Im vorliegenden Fall behaupte der Kläger, daß er beim Unfall am 15. Juli 1982 gegen den Sicherheitsgurt geschleudert worden sei, wodurch er starke Beschwerden und ein brennendes Gefühl auf der Vorderseite der Brust unter dem Schlüsselbein im Bereich der früheren, längst ausgeheilten Beschwerden erlitten habe. Er habe sich dazu als Beweismittel auch auf einen medizinischen Sachverständigen, den Zeugen Dr. Ernest B***, der ihn schon am 17. Juli 1982 behandelt habe, auf das Gutachten eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Physik und eine elektromyographische Untersuchung berufen. Die Beklagten hätten die Kausalität des Unfalls für die Schäden aus den geltend gemachten körperlichen Beschwerden des Klägers bestritten. Die Beweislast für den Kausalitätsverdacht und seinen Umfang treffe den Schadenersatzkläger; den Beklagten stehe die Widerlegung dieses Kausalitätsverdachts offen. Auch die Behauptungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der überholenden Kausalität, also einer Schadensanlage, sodaß der Schaden ohne Unfall ungefähr zur gleichen Zeit, in gleicher Weise und im gleichen Umfang eingetreten wäre, treffe den Schädiger. Wenn eine Schadensanlage bereits vorhanden war, hafte der Schädiger nach Lehre und Rechtsprechung nur für die Vorverlegung des Schadens. Wenn man von diesen Grundsätzen im vorliegenden Fall ausgehe, könne es dem Kläger nicht verwehrt werden, die Kausalität des Unfalls für seine nach dem Unfall auftretenden körperlichen Beschwerden und seine darauf beruhenden Ersatzansprüche durch weitere Beweismittel unter Beweis zu stellen, selbst wenn diese Beweismittel nur abstrakt geeignet seien, Voraussetzungen und Anhaltspunkte für den Kausalitätsverdacht zu liefern. Der Zeuge Dr. Ernest B*** sei vom Kläger ausdrücklich dazu geführt worden, daß die von ihm unmittelbar nach dem Unfall angegebenen Verletzungsfolgen dem Bereich der linken vorderen Schulter (Klage: Vorderseite der Brust unter dem Schlüsselbein) zugeordnet worden seien. Ein Sachverständigengutachten könne zwar - der Natur der Sache nach - durch eine Zeugenaussage nicht widerlegt werden, doch seien die Grundlagen für einen Sachverständigenbeweis häufig nur durch andere Beweisergebnisse wie Zeugenaussagen zu erbringen. Beim Zeugen Dr. B*** handle es sich um den praktischen Arzt am Urlaubsort, von dem der Kläger zwei Tage nach dem Unfall behandelt wurde. Dieser sachverständige Zeuge könnte sowohl aus der Erinnerung (Anknüpfungspunkt: Unfall eines Urlaubsgasts) als auch aufgrund seiner Karteikarte noch Angaben darüber machen, ob er die damals vom Kläger angegebenen Verletzungsfolgen dem Bereich der linken vorderen Schulter oder aber einem Peitschenschlagsyndrom zugeordnet habe. Vom Erstgericht sei das Gutachten des Sachverständigen Ing. Dr. Robert L*** eingeholt worden, bei dem es sich um einen allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen für das Kraftfahrwesen handle. Dieser habe ausgehend von den vorliegenden Beweisergebnissen, die Verzögerungskräfte des Sicherheitsgurtes beim Kläger mit etwa 2 g (seitliche Komponente) bis etwa 3,6 g (Auffangen im Gurt bei Abschleuderung nach vorne) ermittelt. Es könne nicht übersehen werden, daß für die Ermittlung der exakten Verzögerungskräfte am Sicherheitsgurt - bei einer unnatürlichen Verdrehung des Klägers nach rechts - Spezialkenntnisse erforderlich sein könnten, die nur ein Sachverständiger aus dem Spezialgebiet der experimentellen Verkehrsunfallsforschung und Fahrzeugsicherheit haben könne. Als solcher käme z.B. Prof. Dr. Ing. Max D***, ALLIANZ-ZENTRUM für Technik, in Ismaning bei München, in Frage, der u.a. durch einschlägige Veröffentlichungen bekannt geworden sei (vgl. die Bücher "Gurt oder Tod" und "Technische Analyse von Verkehrsunfällen"). Ein solcher Sachverständiger gehöre in das Fachgebiet der Physik, Spezialgebiet Verkehrsunfallsforschung und Fahrzeugsicherheit; ein solcher Sachverständiger sei offensichtlich vom Kläger beantragt worden. Wenn sich der Sachverständige Dr. L*** bei der mündlichen Erörterung seines Gutachtens auf Versuche von Prof. Dr. F*** an der Universität Berlin im Jahre 1968 bezogen habe, so könnten diese durch die notorisch praxisnahen wie wissenschaftlich fundierten Versuche am A***-ZENTRUM für Technik in Ismaning überholt sein. Vom Erstgericht sei dem medizinischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. S*** aufgetragen worden, bei der Gutachtenserstellung Univ.Prof. Dr. D*** als neurochirurgischen Konsulararzt beizuziehen. Das schriftliche Gutachten des medizinischen Sachverständigen, in dem die Kausalität zwischen dem Unfall vom 15. Juli 1982 und den später beim Kläger aufgetretenen Beschwerden verneint wird, sei auch von Univ.Prof. Dr. D*** unterfertigt worden. In diesem Gutachten werde aber auch ausgeführt, daß der Druck durch einen Sicherheitsgurt prinzipiell geeignet wäre, bestehende Beschwerden zu verstärken, jedoch dazu sehr hohe Verzögerungskräfte wirksam werden müßten. Der medizinische Sachverständige habe daher auch angeregt, ein kraftfahrzeugtechnisches Gutachten über die Geschwindigkeiten und die Verzögerungskräfte einzuholen. Nach Einholung des kraftfahrtechnischen Gutachtens (Ing. Dr. L***) sei das medizinische Gutachten nur mit dem Sachverständigen Univ.Prof. Dr. S*** erörtert worden. Auch dazu müsse bedacht werden, daß unter Umständen nur ein besonderes neurochirurgisches Fachwissen geeignet sein könnte, einen Kausalitätsbeweis im Sinne der Behauptungen des Klägers zu erbringen, zumal das schriftliche Gutachten unter der Mitwirkung des neurochirurgischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. D*** erstellt wurde.

Es lägen daher durch die Nichtdurchführung der vom Kläger beantragten Beweise - Zeuge Dr. B***, Sachverständiger aus dem Fachgebiet Physik, Spezialgebiet Verkehrsunfallsforschung und Fahrzeugsicherheit, und Erörterung des medizinischen Gutachtens mit dem Neurochirurgen Univ.Prof. Dr. D*** - wesentliche Verfahrensmängel - vor, die eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Kausalitätsverdachts verhindern. Die Würdigung nicht aufgenommener Beweismittel sei unzulässig. Im Falle der Ergänzung des Verfahrens durch das Berufungsgericht wäre ein erheblicher Mehraufwand an Kosten zu besorgen, so daß das Urteil im Umfange des noch nicht erledigten Zahlungsbegehrens (S 300.000 und hfl 94.923,71 je samt Zinsen) und das Feststellungsbegehren aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen sei. Im neuen Rechtsgang werde das Erstgericht den Zeugen Dr. Ernest B*** zu den Behauptungen der Parteien über die Verletzungsfolgen und geäußerten Beschwerden nach dem Unfall zu vernehmen haben. Falls der vom Kläger zu fordernde Kostenvorschuß erlegt werde, werde das Erstgericht auch das weitere Gutachten des Sachverständigen aus dem Spezialgebiet der Verkehrsunfallsforschung und Fahrzeugsicherheit einzuholen haben; dann oder noch besser gleichzeitig werde das medizinische Gutachten - ausgehend von den neuen Beweisergebnissen - auch mit dem neurochirurgischen Sachverständgien Univ.Prof. Dr. D*** zu erörtern sein. Bei der mündlichen Erörterung werde dieser Sachverständige auch die Angaben des Zeugen Petrus S*** jun. und die Parteiaussage des Klägers über seine Beschwerden und Schmerzen unmittelbar nach dem Unfall zu berücksichtigen haben. Wenn die Kausalität zwischen dem Unfallsgeschehen und den streitgegenständlichen Beschwerden des Klägers ausreichend wahrscheinlich wäre - und dazu genüge im vorliegenden Fall die Erbringung des Anscheinsbeweises, dessen Widerlegung wiederum in die Beweislast der Beklagten falle -, müßte das Erstgericht auch die beantragten Beweise zur Höhe des Schadens (Schmerzengeld und Verdienstentgang) und zum Feststellungsinteresse (mögliche Spätfolgen) aufnehmen.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts wendet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Was zunächst vom Berufungsgericht zutreffend bejahte Anwendung des österreichischen Rechts auf den vorliegenden Rechtsfall anlangt, folgt diese schon aus Art. 3 des Haager Straßenverkehrsübereinkommens BGBl. 1975/387, dessen Bestimmungen durch das IPRG nicht berührt wurden (§ 53 IPRG, vgl. Duchek-Schwind, IPR, S. 118, A, 9).

Die Beklagten führen in ihrem Rechtsmittel aus, die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klage sei in angemessener Frist nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen eingebracht worden, sei unrichtig. Die vom Berufungsgericht zitierte E. WBl. 1987/94 stelle als Maximum für die Verzögerung der Klagseinbringung für diesen Fall eine Frist von drei Monaten auf. Im vorliegenden Fall sei die Klage aber erst dreieinhalb Monate nach dem Schreiben der Drittbeklagten vom 23. Juni 1986, nach welchem dem Kläger klar sein mußte, daß die Beklagten zur Zahlung nicht bereit seien, weil die Kausalität des Anspruchs verneint werde, eingebracht worden; richtigerweise wäre der Anspruch des Klägers daher als verjährt zu beurteilen gewesen. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Die im vorliegenden Fall nach § 1489 ABGB nach drei Jahren eintretende Verjährung wird durch die Erhebung der Klage nur dann unterbrochen, wenn die Klage "gehörig fortgesetzt wird" (§ 1497 ABGB). "Nicht gehörige Fortsetzung" bedeute eine - im Einzelfall zu beurteilende - Nichtbetätigung des Klägers (SZ 45/97 uva.); dabei kommt es nicht auf die Dauer der Untätigkeit, sondern darauf an, ob die Untätigkeit gerechtfertigt war, wofür den Kläger die Behauptungs- und Beweislast trifft (SZ 36/50 uva.). Es muß eine ungewöhnliche Untätigkeit des Klägers vorliegen, aus der entnommen werden kann, daß es ihm an dem erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozeßziels fehlt (EvBl. 1973/17 uva.).

Ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung des Anspruches noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Falles zu beurteilen (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1497). Die Gründe für die Untätigkeit müssen im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein (Schubert aaO, JBl. 1983, 148). Für die Frage, ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, kommt es nicht nur auf die Dauer, sondern auch auf die Gründe der Untätigkeit an (SZ 52/30). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Klägers auf sein mangelndes Interesse an der Verfahrensfortsetzung schließen läßt (Schubert aaO). Vergleichsverhandlungen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist rechtfertigten nach der älteren Rechtsprechung, gegenüber der Verjährungseinrede die Replik der Arglist. Nach der neueren Rechtsprechung liegt ein Hemmungsgrund eigener Art, nämlich eine Ablaufhemmung vor. Werden Vergleichsverhandlungen bis zum Ende der Verjährungszeit oder darüber hinaus geführt, wird der Ablauf der Verjährungsfrist hinausgeschoben. Die Verjährung tritt nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen unverzüglich, d.h. in angemessener Frist, die Klage eingebracht wird (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1501; Bydlinski, Vergleichsverhandlungen und Verjährung, JBl. 1967, 130 f, insbes. 134; SZ 38/72; EvBl. 1974/158; SZ 48/33; ZVR 1979/287 ua.). Die im § 63 Abs. 2 KFG, der im Unfallszeitpunkt in Geltung stand, besonders angeordnete Fortlaufshemmung der Verjährung ist in diesem Falle nicht anzuwenden (vgl. SZ 48/33 ua.).

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet und wird berücksichtigt, daß der Kläger seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat, das Schreiben der Drittbeklagten vom 23. Juni 1986, mit welchem nach Vergleichsverhandlungen die Forderungen des Klägers als unbegründet zurückgewiesen wurden, bei der für den Kläger einschreitenden niederländischen Rechtsschutzversicherung "interjura n.v." am 26. Juni 1986 einlangte und die "interjura n.v." nach weiterer Korrespondenz zwischen der von ihr namens des Klägers beauftragten österreichischen Schadensregulierungsgesellschaft AVUS und der Drittbeklagten mit dem Ziel, eine Untersuchung des Klägers durch einen medizinischen Sachverständigen in Österreich zu erreichen (11. August 1986, Ablehnung durch die Drittbeklagte am 18. August 1986), mit Schreiben vom 23. September 1986, bei der AVUS eingelangt am 29. September 1986, den Auftrag zur Klagserhebung erteilte, ist in der Auffassung des Berufungsgerichts, daß die vom Klagevertreter am 10. Oktober 1986 beim Erstgericht eingebrachte Klage unter Bedachtnahme auf diese besonderen Umstände noch als in angemessener Frist nach dem endgültigen Scheitern der Vergleichsverhandlungen erhoben zu beurteilen ist, keine unrichtige rechtliche Beurteilung zu erblicken.

Die Beklagten führen in ihrem Rekurs weiter aus, das Berufungsgericht habe zu Unrecht in der Ablehnung der Beweisanträge des Klägers auf Vernehmung des Zeugen Dr. B***, auf Erörterung des Gutachtens des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. S*** mit dem Sachverständigen Univ.Prof. Dr. D*** sowie auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Physik hinsichtlich der durch den Sicherheitsgurt beim Kläger aufgetretenen Verzögerungskräfte durch das Erstgericht einen Verfahrensmangel erblickt. Diese Beweisanträge seien unerheblich gewesen bzw. nicht geeignet, bereits vorliegende Beweisergebnisse zu entkräften. Mit diesen Ausführungen bekämpft die Beklagte jedoch nicht die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, sondern unternimmt in Wahrheit den auch im Rekursverfahren unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts (vgl. JBl. 1959, 134 ua.). Wenn aber das Berufungsgericht der Auffassung ist, daß hinsichtlich der Frage der Unfallskausalität der vom Kläger geltend gemachten Beschwerden noch zu wenig Beweise durchgeführt worden sind und daher eine Verfahrensergänzung für notwendig hält, dann kann dies vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht weiter überprüft werden, wenn, wie hier, die dem Aufhebungsbeschluß zu Grunde liegende Rechtsansicht richtig ist. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E19045

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00077.89.1031.000

Dokumentnummer

JJT_19891031_OGH0002_0020OB00077_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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