TE OGH 1989/11/9 7Ob43/89

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Veröffentlicht am 09.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtsache der klagenden Partei Ing. Karl K***, Garten- und Landschaftsarchitekt, Klagenfurt, Völkermarkterstraße 294, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei R*** Ö*** A*** V***-A***, Wien

1, Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr. Wilfried Aichinger, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 111.855,80 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 16. März 1989, GZ 2 R 35/89-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28. November 1988, GZ 27 Cg 300/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Inhaber des Gärtnergewerbes, beschränkt auf die Garten- und Grünflächengestaltung, und des Handelsgewerbes gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973, eingeschränkt mit den in das Gärtnergewerbe einschlägigen Waren sowie mit Stoffen und Artikeln, die bei der Ausübung des Gärtnergewerbes regelmäßig bearbeitet und verarbeitet werden. Er ist berechtigt, Erd- und Materialbewegungen durchzuführen. Der Kläger hat bei der beklagten Partei am 23. September 1986 den Antrag auf eine Bündelversicherung für seinen Betrieb gestellt. Für die Betriebshaftpflicht wurde eine Versicherungssumme von S 5 Mio. für die Risken Garten-, Landschafts- und Sportanlagenbau, Begrünung aller Art, Handel mit Gartenzubehör und Geräten, Erdbewegungen für Landschaftsbau etc. vorgesehen. Der Antrag des Klägers wurde in diesem Sinne angenommen. Der Kläger wurde von der Gemeinde Krumegg mit der Errichtung eines Tennisplatzes beauftragt. Im Zuge des Baues der Anlage mußte ein Hang mit 10 Grad Neigung angeschnitten werden. Die hiefür notwendigen Stützungen haben eine Höhe zwischen einem Meter und drei Metern. Über Auftrag des Klägers hat die Baufirma Tiber im November 1986 die Aushubarbeiten durchgeführt. Daran anschließend wurde die Hangbefestigung vom Kläger vorgenommen. Nach dem Setzen der Hangbefestigung trat eine Verformung des Hanges ein, die sich im Februar 1987 derart verstärkte, daß im Obstbaubetrieb der Familie Wagner Obstbaumreihen und eine Erdbeerkultur verschoben wurden. Diese Hangrutschung hat ihre Ursache in den Aushubarbeiten des Klägers. Der Hang wurde in einer Breite von ca. 40 m ausgehoben. Die Aushubtiefe betrug 0,5 m bis ca. 2,5 m. Den durch die Hangrutschung entstandenen Schaden in der Höhe von S 111.855,80 hat der Kläger der beklagten Partei gemeldet. Die beklagte Partei stellte sich auf den Standpunkt, der gemeldete Schade finde im Versicherungsvertrag keine Deckung.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der beklagten Partei die Bezahlung des genannten Betrages. Die Gemeinde Krumegg habe diesen Betrag von der Schlußrechnung des Klägers einbehalten. Das eingetretene Schadensereignis sei durch die abgeschlossene Betriebshaftpflichtversicherung gedeckt.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, Erdbewegungen dieser Art vorzunehmen. Der Schaden sei an dem vom Kläger bearbeiteten Hang entstanden, worauf sich der Versicherungsschutz nicht erstrecke. Den Kläger treffe ein grobes Verschulden, da er Absicherungsmaßnahmen nicht getroffen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Hauptsache statt. Der Schaden sei durch eine den Betriebsinteressen dienende Tätigkeit des Klägers verursacht worden. Hinsichtlich des versicherten Risikos seien keinerlei Einschränkungen vorgenommen worden. Der Kläger sei daher auch berechtigt gewesen, "Erd- und Materialbewegungen" durchzuführen. Dem Kläger sei ein grobes Verschulden nicht anzulasten. Der Versicherungsfall sei auch eingetreten, obwohl die klagende Partei die Erdbewegungsarbeiten von einem anderen Unternehmen habe durchführen lassen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Gegenstand der Haftpflichtversicherung sei unter anderem die Tätigkeit des Klägers im Garten-, Landschafts- und Sportanlagenbau, wobei ausdrücklich als versichertes Risiko auch "Erdbewegungen für Landschaftsbau" vereinbart worden seien. Bei dem versicherten Risiko "Erdbewegungen" sei von der beklagten Partei keinerlei Einschränkung auf die Art und den Umfang dieser "Erdbewegungen" vorgenommen worden. Es wäre Sache des Versicherers gewesen, ausdrücklich in den Vertrag aufzunehmen, daß Erdbewegungen (Abgrabungen, Zu- und Anschüttungen), die (wie in der Berufung ausgeführt werde) über 1,25 m Höhe hinausgehen und die statische Kenntnisse erfordern, vom Versicherungsvertrag nicht umfaßt seien. Die Berechtigung des Klägers, Erd- und Materialbewegungen durchzuführen, sehe keine Einschränkung vor. In dem von der Landesinnung Wien der Gärtner herausgegebenen Unternehmensverzeichnis für Kärnten der Garten-, Landschafts- und Sportplatzbauer seien als Tätigkeiten unter anderem Abtragen, Auftragen von Boden sowie Hang- und Böschungsverbau, ohne jede Einschränkung, angeführt. Die vom Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt erteilte Berechtigung zur "Erd- und Materialbewegung" sehe ebenfalls keine Einschränkung auf solche Arbeiten vor, die nicht dem § 156 der GewO (Baugewerbe) unterliegen. Wenn auch die Bundesinnung der Baugewerbe in ihrem - im Berufungsverfahren vorgelegten - Schreiben vom 19. Feber 1982 darauf hinweise, daß das "freie Gewerbe des Erdbewegers" (Deichgräber) nur dazu berechtige, Aus- und Abgrabungen, Zu- und Anschüttungen bis höchstens 1,25 m durchzuführen, könne diese Einschränkung - eine ausdrückliche gesetzliche Regelung bestehe nicht - hier nicht auf den Kläger bezogen werden, da dieser nicht als Inhaber des freien Gewerbes des "Erdbewegers" in Erscheinung getreten sei, sondern die gegenständlichen Erdbewegungsarbeiten als Sportplatzbauer habe durchführen lassen. Die Beschreibung des Risikos und dessen Festhalten im Vertrag könne nur dahin ausgelegt werden, daß bezüglich der Erdbewegungen keine Einschränkung vorgesehen gewesen und vereinbart worden sei. Die beklagte Partei habe dem Kläger daher Deckung auf Grund des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages zu gewähren. Die Revision sei nicht zuzulassen gewesen, da die zu entscheidenden Rechtsfragen nicht über den Einzelfall hinausgingen.

Die beklagte Partei bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen; in eventu, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Die Entscheidung hänge unter anderem von der Lösung der Rechtsfrage ab, ob der Inhalt eines Versicherungsvertrages ausschließlich aus dem Wortlaut der Vertragsurkunde zu beurteilen, oder ob die Frage des Versicherungsschutzes im Rahmen einer Betriebshaftpflichtversicherung auch vom Umfang der Gewerbeberechtigung des versicherten Unternehmens dahingehend abhängig sei, daß über die Gewerbeberechtigung hinausgehende Tätigkeiten nicht zum versicherten Risiko gehörten und demnach vom Versicherungsschutz ausgenommen seien. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hiezu fehle. Dieser Rechtsfrage komme Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu. Der Kläger verfüge über keine Konzession iS des § 156 GewO. Lediglich Erdarbeiten aber, die statische Kenntnisse nicht erfordern, seien gemäß § 156 Abs 3 GewO von der Konzessionspflicht ausgenommen und könnten im Rahmen eines freien Gewerbes ausgeführt werden. Die Bundesinnung der Baugewerbe habe eine Abgrenzung dahin empfohlen, daß im Rahmen des freien Gewerbes nur Aus- und Abgrabungen, Zu- und Anschüttungen von geringer Tiefe und Höhe, das sei bis höchstens 1,25 m Höhe, ausgeführt werden dürfen, sofern hiefür keine Stützungen (Pölzungen) und sonstige Sicherheitsvorkehrungen ausgeführt werden müssen und auch konstruktive, statische und andere baugewerbliche Kenntnisse nicht erforderlich seien.

Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung (§ 508 a Abs 2 ZPO) erstattet und vertritt darin den Standpunkt, es wäre Sache der beklagten Partei gewesen, ausdrücklich in den Vertrag aufzunehmen, daß Erdbewegungen, die über 1,25 m Höhe hinausgehen und die statische Kenntnisse erfordern, vom Versicherungsvertrag nicht umfaßt seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Bedeutung der Rechtsfrage, von deren Lösung die Entscheidung abhängt, nicht auf den Einzelfall beschränkt ist und eine Rechtsprechung des Revisionsgerichtes hiezu fehlt. Sie ist auch berechtigt.

Es wurde unbekämpft festgestellt, daß der Kläger entsprechend seinem Antrag hinsichtlich der Risken Garten-, Landschafts- und Sportanlagenbau, Begrünungen aller Art, Handel mit Gartenzubehör und Geräten, Erdbewegungen für Landschaftsbau etc. versichert ist, und daß er Inhaber der Berechtigungen

1. Gärtnergewerbe, beschränkt auf die Garten- und Grünflächengestaltung,

2.

Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973, und

3.

Erd- und Materialbewegung ist.

Bei der Befugnis des Klägers zu Erdbewegungen für den Landschaftsbau und in dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag wurde hinsichtlich des Ausmaßes der Erdbewegungen zwar keine (ausdrückliche) Einschränkung vorgenommen. Das Revisionsgericht schließt sich gleichwohl der Ansicht der Vorinstanzen, es sei unerheblich, ob der Kläger zur Durchführung von Abgrabungen im hier gegenständlichen Ausmaß nach der Gewerbeordnung berechtigt gewesen sei, maßgebend sei allein, daß Einschränkungen im Versicherungsvertrag nicht gemacht worden seien, nicht an. Nach § 156 Abs 1 GewO unterliegen die Tätigkeiten der Baumeister ... der Konzessionspflicht. Nach Abs 3 der genannten

Gesetzesstelle unterliegen der Konzessionspflicht nicht ... solche

Erdarbeiten, die statische Kenntnisse nicht erfordern. Derartige Erdarbeiten sind vielmehr Gegenstand des freien Gewerbes (Anm. 7 zu § 156 GewO in der 5. Auflage der Ausgabe von Mache-Kinscher). Als freies Gewerbe wird ein Anmeldungsgewerbe - das ist ein Gewerbe, das bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen auf Grund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes ausgeübt werden darf (§ 5 Z 1 GewO), im Gegensatz zum konzessionierten Gewerbe, das erst nach Erlangung einer Bewilligung ausgeübt werden darf - bezeichnet, wenn kein Befähigungsnachweis als Voraussetzung für die Gewerbeausübung vorgeschrieben ist (§ 6 Z 3 GewO).

Der Kläger ist demnach mangels Konzession nur berechtigt, solche Erdarbeiten durchzuführen, die statische Kenntnisse nicht erfordern. Darf der Kläger aber Erdarbeiten, die statische Kenntnisse erfordern, nicht durchführen, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß nur solche Erdarbeiten von der Versicherung umfaßt sind, zu denen er berechtigt ist, zumal für Baumeister, deren Berechtigung auch Erdarbeiten umfaßt, die statische Kenntnisse erfordern, ein Abschnitt der Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung vorgesehen ist, der jedoch zwischen den Streitteilen nicht vereinbart wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Kläger zur Durchführung der Erdarbeiten einen Erfüllungsgehilfen herangezogen hat; sofern dieser nicht in einem Bereich tätig war, für den er selbst versichert war. Daß der Kläger in seinem Versicherungsantrag eine Einschränkung seiner Befugnis zu Erdarbeiten nicht angeführt, und daß die beklagte Partei den Versicherungsantrag antragsgemäß angenommen hat, vermag daran nichts zu ändern.

Ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtansicht, haben die Vorinstanzen Feststellungen darüber, ob die vom Kläger vorgenommene Erdabgrabung bei der Errichtung der Tennisplätze für die Gemeinde Krumegg statische Kenntnisse erfordert hätte, nicht getroffen. Es erweist sich deshalb als notwendig, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren werden die fehlenden Feststellungen nach Ergänzung des Beweisverfahrens, insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, nachzuholen sein. Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E19320

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00043.89.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19891109_OGH0002_0070OB00043_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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