TE OGH 1989/11/9 7Ob697/89

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Veröffentlicht am 09.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus H***, geboren am 24. Juni 1945, Offizier des österreichischen Bundesheeres, Stiftskaserne, Wien 7., Stiftgasse 2a, vertreten durch Dr.Klaus Schärmer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Annemarie H***, geboren am 27.Juli 1945, Hall in Tirol, Ziegelweg 13, vertreten durch Dr.Karl Eppacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14.April 1989, GZ 4 R 9/89-66, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24.Oktober 1988, GZ 9 Cg 301/86-60, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 617,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 23.Dezember 1968 miteinander die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen zwei Kinder im Alter von 9 und 11 Jahren.

Das Erstgericht hat die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden und hiebei einen Ausspruch über das Überwiegen des Verschuldens unterlassen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Berufungsgericht unter Aufrechterhaltung des Scheidungsausspruches ausgesprochen, daß das Verschulden des Klägers überwiegt.

Die Vorinstanzen sind von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen:

Schon seit Jahren verbringt der Kläger seine Freizeit hauptsächlich in seiner Werkstatt. Er kümmert sich nur im geringen Ausmaß um seine Familie. Seit einigen Jahren, insbesondere seit dem Jahre 1983, verdächtigt ihn die Beklagte ehebrecherischer Beziehungen zu anderen Frauen. Dieses Verhalten wurde vor allem dadurch verstärkt, daß die Beklagte beim Kläger an ihn gerichtete Briefe zweier Frauen fand, die den Schluß auf äußerst intensive Beziehungen zu diesen Frauen zuließen. Daß der Kläger tatsächlich sexuelle Beziehungen zu diesen oder zu anderen Frauen gehabt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Die durch die häufige Abwesenheit des Klägers und durch das Auffinden der beiden Briefe ausgelöste Eifersucht der Beklagten führte dazu, daß diese zahlreiche Anrufe an der Dienststelle des Klägers oder bei Frauen, die sie des Ehebruchs mit dem Kläger verdächtigte, tätigte. In manchen Fällen beschimpfte sie diese Frauen auch. Jedenfalls führte ihr Verhalten dazu, daß man an der Dienststelle des Klägers den Eindruck gewann, in der Ehe des Klägers stehe es nicht zum Besten. Verstärkt wurde das Verhalten der Beklagten auch dadurch, daß der Kläger häufig dienstlich abwesend war, hiebei aber, vor allem in den letzten Jahren, der Beklagten weder Mitteilung über den Ort seiner momentanen Dienstausübung noch das Ende der dienstlichen Abwesenheit machte. Er verständigte die Beklagte auch nicht davon, daß er im März 1986 nach Wien zum Dienst zugeteilt wurde. Als die Beklagte dies von dritter Seite erfuhr, ließ sie das Wohnungsschloß ändern, wobei ursprünglich die Absicht bestanden haben mag, dem Kläger das Betreten der Ehewohnung unmöglich zu machen, doch änderte sie unverzüglich diese Absicht und versuchte, den Kläger von der Änderung des Schlosses zu verständigen und ihm einen Schlüssel zukommen zu lassen. Dies gelang jedoch deshalb nicht, weil sie die Anschrift des Klägers nicht ausfindig machen konnte. Nach Aufnahme eines persönlichen Kontaktes bot sie ihm jedoch die Ausfolgung eines Schlüssels an. Der Kläger wollte jedoch nicht mehr in die eheliche Wohnung zurückkehren. Im Zuge von Auseinandersetzungen wurde die Beklagte vom Kläger öfter tätlich mißhandelt. Es kam hiebei auch zu Beschimpfungen des Klägers durch die Beklagte.

Im Jahre 1986 bezog der Kläger ein monatliches Nettoeinkommen von S 22.389,23 S. In den Jahren davor war sein Gehalt unter Berücksichtigung der bis dahin eingetretenen Gehaltssteigerungen und Vorrückungen etwas geringer. Darüber hinaus bezog der Kläger bis einschließlich Februar 1986 Einkünfte durch die von ihm durchgeführten PKWReparaturen. Während jener Zeiten, in denen er sich zu Truppenübungen oder Schulungen auswärts befand, fielen diese Einkünfte jedoch weg. Die Höhe dieser Einkünfte läßt sich nicht feststellen.

In den letzten Jahren der aufrechten häuslichen Gemeinschaft gab der Kläger der Beklagten ein Wirtschaftsgeld zwischen 4.000 S und 6.000 S monatlich, jeweils in Teilbeträgen. Daneben bezahlte er die Wohnungskosten (monatlich 1.516 S), die Stromkosten von monatlich 400 S bis 600 S, sowie die Radio- und Fernsehgebühren. Schließlich bezahlte er eine Krankenzusatzversicherung und eine Ausbildungsversicherung für den Sohn. Darüber hinaus finanzierte er jährlich zweimal einen gemeinsamen Urlaub.

Vom Wirtschaftsgeld mußte die Beklagte den Lebensunterhalt für sich und die Kinder bestreiten sowie die notwendige Kleidung anschaffen. Der Kläger nahm Frühstück und Mittagessen während der Woche regelmäßig in der Kaserne ein, das Abendessen bei dessen Mutter. Wenn sich die Familie des Klägers bei seiner Mutter aufhielt, nahm die Beklagte fallweise Lebensmittel für die Mahlzeiten mit, fallweise lud die Mutter des Klägers die Familie zum Essen ein.

Die nicht berufstätige Beklagte hat zwar regelmäßig für die Familienangehörigen die Mahlzeiten zubereitet und dafür gesorgt, daß die Wohnung nicht verschmutzte, doch machte die Wohnung oft einen unaufgeräumten Eindruck. Dies wurde auch dadurch bewirkt, daß es sich um eine kleine Wohnung (60 bis 65 m2), bestehend aus drei Zimmern, handelte.

Bezüglich der Feststellungen kann im übrigen auf die detaillierten Wiedergaben des Berufungsgerichtes auf den Seiten 364 bis 382 des Aktes verwiesen werden.

Während das Erstgericht aus dem festgestellten Sachverhalt ein beiderseitig etwa gleich hohes Verschulden an der Zerrüttung der Ehe ableitete, vertrat das Berufungsgericht die Rechtsansicht, es müsse ein Überwiegen des Verschuldens des Klägers ausgesprochen werden. Ein solcher Ausspruch nach § 60 Abs. 2 EheG setze voraus, daß das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer wiege als das des anderen. Es müsse ein offenkundiger gradueller Unterschied gegeben sein: Das Verschulden des minderschuldigen Teiles müsse bei Betrachtung des Gesamtverhaltens der Ehegatten und ihres auch verziehene oder verfristete Verfehlungen einschließenden Beitrages zum Eintritt der nicht mehr behebbaren Zerrüttung der Ehe fast völlig in den Hintergrund treten. Dies sei hier der Fall. Zwar sei der Beklagten vorzuwerfen, daß ihre Eifersuchtsreaktionen auf das Verhalten des Klägers zum Teil Überreaktionen darstellten, doch seien diese Reaktionen durch das Verhalten des Klägers, nämlich seine häufige und lange Abwesenheit, ohne die Beklagte über den Ort und die Dauer in Kenntnis zu setzen, sowie durch das Verhalten des Klägers im Umgang mit Frauen hervorgerufen worden. Schließlich seien die Überreaktionen hauptsächlich erst nach dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Beklagte zwei ihrem Inhalt nach recht zwielichtige Schreiben anderer Frauen an den Kläger gefunden habe. Der Beklagten sei zwar die mangelhafte Ordnung der Wohnung vorzuwerfen, doch habe der Kläger diesen Umstand erst nach weitgehender Zerrüttung der Ehe erstmals bemängelt. Den fallweisen Beschimpfungen des Klägers durch die Beklagte stünden Tätlichkeiten des Klägers gegenüber. Dazu komme eine Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Kläger. In ihrer Gesamtheit hätten die Verfehlungen des Klägers demnach wesentlich entscheidender zu der Zerrüttung der Ehe beigetragen als das Fehlverhalten der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision, mit der eine Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung angestrebt wird, ist nicht gerechtfertigt.

Die Voraussetzungen für einen Ausspruch nach § 60 Abs. 2 EheG hat das Berufungsgericht richtig dargelegt. Es kann demnach in diesem Punkt auf seine Ausführungen verwiesen werden. Dem Berufungsgericht ist aber auch bei der Beurteilung des beiderseitigen Verhaltens zu folgen. Soweit sich die Revision hier von den vorinstanzlichen Feststellungen entfernt, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Geht man von den getroffenen Feststellungen aus, so ist das Verhalten des Klägers an der Zerrüttung der Ehe tatsächlich wesentlich schwerer zu bewerten als das der Beklagten. Der Kläger verharmlost seine Kontakte zu Frauen. Ehebrüche konnten zwar nicht festgestellt werden, doch lassen vor allem die beiden von der Beklagten vorgefundenen Briefe einen Schluß in diese Richtung zu, den viele Personen als zwingend empfinden werden. Der Beklagten kann daher nicht vorgeworfen werden, daß sie bei dem sonstigen Verhalten des Klägers (häufige Abwesenheit und Fehlen fast jeder Information der Beklagten) einen Schluß in diese Richtung zog. Daß dieser Schluß eine nicht ganz unberechtigte Grundlage für ihre späteren Verdächtigungen bildete, ist verständlich. Aus diesem Grunde wurde vom Berufungsgericht das eifersüchtige Verhalten der Beklagten mit Recht nicht allzu streng beurteilt. Dagegen widersprach das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit seinen Abwesenheiten eindeutig dem Wesen der Ehe. Daß ein solches Verhalten über längere Zeit jede Ehe schwerstens zerrütten muß, ist klar. Die nicht perfekte Betreuung des Haushaltes durch die Klägerin fällt demgegenüber kaum ins Gewicht. Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß der Kläger diesen Umstand überhaupt erst zu einem Zeitpunkt ins Treffen führte, als die Ehe bereits weitgehend zerrüttet war. Daraus läßt sich aber der Schluß ableiten, daß die Vernachlässigung des Haushaltes durch die Beklagte vom Kläger nur als Vorwand für sein Bestreben, eine Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Beklagten zu erreichen, genommen wurde.

Es ist zwar richtig, daß die Beklagte im Zuge von Auseinandersetzungen den Kläger beschimpft hat, doch stehen dem Tätlichkeiten des Klägers gegenüber. Grundsätzlich sind Angriffe auf die körperliche Integrität eines Ehegatten durch den andern schärfstens zu verurteilen. Gewalttätiges Vorgehen wird daher in der Regel besonders schwer vorzuwerfen sein. Es kann heutzutage nicht mehr toleriert werden, daß Männer versuchen, ihre Probleme durch Gewalttätigkeiten gegenüber ihren Familienangehörigen zu lösen. Demnach wird man in der Regel in Tätlichkeiten gegenüber dem anderen Ehegatten, soweit sich diese nicht als bloße Notwehrhandlungen darstellen, besonders schwere Eheverfehlungen zu erblicken haben. Stellt man schließlich die festgestellten finanziellen Leistungen des Klägers für seine Familie seinem festgestellten Einkommen gegenüber, so ist der vom Berufungsgericht gegen den Kläger erhobene Vorwurf der Unterhaltsverletzung gerechtfertigt. Der Kläger hat für eine, unter Außerachtlassung seiner Person, dreiköpfige Familie bei weitem nicht die Hälfte seines verhältnismäßig hohen Einkommens aufgewendet. Jene Beträge, mit denen die Beklagte für sich und die beiden Kinder auskommen mußte, liegen weit unter dem Durchschnitt des sonst für eine dreiköpfige Familie zur Verfügung stehenden Betrages. Mit diesen Beträgen kann höchstens eine äußerst bescheidene Lebenshaltung erzielt werden. Da der Kläger ein hohes Einkommen bezog, hat er also seine Familie nicht annähernd an seinen Lebensverhältnissen beteiligt. Hiezu kommt, daß der Kläger unterdurchschnittliche Ausgaben hatte, weil er Mahlzeiten in der Kaserne einnahm und sich oft dienstlich auswärts befand, was ihm gerichtsbekanntermaßen sonst übliche Auslagen ersparte, weil bei solchen dienstlichen Anlässen oder in der Kaserne Mahlzeiten weit unter dem sonst üblichen Preis verabreicht werden. Der angefochtene Ausspruch nach § 60 Abs. 2 EheG durch das Berufungsgericht erfolgte daher zu Recht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E19311

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00697.89.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19891109_OGH0002_0070OB00697_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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