TE OGH 1989/11/9 7Ob672/89

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Veröffentlicht am 09.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Jose T*** und 2.) Anni Jose T***, beide Angestellte, beide Wien 15., Tannengasse 4/14, beide vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1.) KommRat Gerhard M***, Immobilienverwalter, Wien 1., Bräunerstraße 4-6, und 2.) Z*** DER

H*** - H***, Wien 1.,

Landesgerichtsstraße 6, beide vertreten durch Dkfm. Dr. Heinrich Jandl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 71.135,04 samt Nebengebühren, infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.März 1989, GZ 13 R 288/88-41, womit infolge der Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5. August 1988, GZ 33 Cg 176/87-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich des Erstbeklagten sowie in seiner gesamten Kostenentscheidung dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, der Erstbeklagte sei schuldig, den klagenden Parteien S 71.135,04 samt 4 % Zinsen seit 30.4.1987 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der erstbeklagten Partei je die Hälfte der Verfahrenskosten erster Instanz, das sind S 6.565,42 (darin S 591,67 an Umsatzsteuer und S 57,- an Barauslagen), und der Kosten des Berufungsverfahrens, das sind S 5.570,05 (darin S 591,67 an Umsatzsteuer und S 2.020,- an Barauslagen), binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die Hälfte der Verfahrenskosten 1.Instanz, das sind S 9.864,42 (darin S 591,67 Umsatzsteuer und S 3.356,- Barauslagen) und der Kosten des Berufungsverfahrens, das sind S 3.570,05 (darin S 591,67 Umsatzsteuer und S 20,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 9.176,81 (darin S 779,46 an Umsatzsteuer und S 5.000,- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind seit 1.7.1981 Mieter der Wohnung Nr.14 im Haus Wien 15., Tannengasse 4. Die zweitbeklagte Partei ist Eigentümerin dieses Hauses. Der Erstbeklagte verwaltet das Haus im Auftrag der Zweitbeklagten seit 1978. Zwischen dem 11. und 13.8.1986 sind infolge von Regenfällen in der Wohnung der Kläger Schäden an Tapeten, an Bodenbelägen und an der Deckenverkleidung in der Höhe des Klagsbetrages entstanden. Die Kläger haben Schadensbehebung durch von den Beklagten bestellte Handwerker abgelehnt und den Schaden bisher nicht beheben lassen.

Die Kläger machen geltend, die Beklagten treffe an dem Wassereintritt grobes Verschulden. Die Beklagten hätten seit Jahren eine Reinigung der Dachrinne nicht veranlaßt und die ihnen zumutbaren Kontrollen des Bau- und Erhaltungszustandes - die dem Erstbeklagten als dem Hausverwalter übertragen worden seien - unterlassen. Dadurch und durch Schäden an der Dachrinne sei es zu einem Wassereinbruch gekommen. Den Klägern sei nicht zumutbar, die Schäden von nicht von ihnen bestellten Handwerkern beheben zu lassen.

Die Beklagten anerkennen grundsätzlich die Haftung für die Schäden und stellen diese auch der Höhe nach außer Streit. Das Ersatzbegehren der Kläger in Geld sei nicht fällig: Die Kläger hätten den von den Beklagten angebotenen Naturalersatz zu Unrecht ausgeschlagen und die Reparatur noch nicht durchgeführt, sondern wollen die Schäden erst in zwei bis drei Jahren beheben lassen. Der Erstbeklagte sei zur Klage passiv nicht legitimiert, weil er das Haus im Auftrag der Zweitbeklagten nur verwalte.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Der Erstbeklagte war im Rahmen der normalen Hausverwaltungstätigkeit für die zweitbeklagte Partei auch zur Durchführung der normalen Reparaturen und Erhaltungsarbeiten für das Haus beauftragt.

Die Kläger leben seit dem 1.7.1981 in dem Haus. Die Renovierung der von ihnen gemieteten Wohnung dauerte von ihrem Einziehen im Jahr 1981 bis zum Jahr 1984. Sie wurde langsam nach und nach vorgenommen. Der Erstkläger ließ die Wohnung ausmalen, tapezieren, Bodenbeläge machen und eine Deckenverkleidung herstellen. Durch den gegenständlichen Wassereinbruch entstanden an der Malerei, den Tapeten, den geklebten Bodenbelägen und der Deckenverkleidung Schäden. Schadensursache war nebst dem übereinstimmend behaupteten Blechschaden der Dachrinnen, daß der Abfluß der Dachrinnen blockiert gewesen war. Deswegen drang Regenwasser bis in die Wohnung der Kläger und verursachte dort die gegenständlichen Schäden. Der Erstbeklagte hat das Dach und die Verblechung des Hauses in periodischen Abständen von Dachdeckern und Spenglern kontrollieren lassen: Die Spenglerfirma K*** hatte zuletzt spätestens ein Jahr vor dem August 1986 dort gearbeitet. Sie hatte damals einen konkreten Schaden behoben, eine Verlötung vorgenommen. Es konnte nicht festgestellt werden, daß damals vom Spengler kontrolliert worden wäre, ob der Abfluß durch die Rohre gewährleistet sei. Der Erstbeklagte hatte damals nicht den Auftrag gegeben, das zu kontrollieren. Er hatte auch nicht den Auftrag zu Reinigungsarbeiten in bezug auf die Dachrinnen gegeben.

Naturalersatz wäre für die Kläger mit weiteren Unannehmlichkeiten verbunden. Der Erstbeklagte beauftragte ein Unternehmen, zu dessen Geschäftsgegenstand Malerarbeiten, Anstreicherarbeiten, Tapetenarbeiten und Teppicharbeiten gehören, mit der Behebung der Schäden in der Wohnung der Kläger. Der Erstkläger nahm jedoch das Anbot des Erstbeklagten, den Schaden durch dieses Unternehmen beheben zu lassen, nicht an. Er will die Arbeiten von dem vom Erstbeklagten beauftragten Unternehmen nicht machen lassen, weil der Zweitklägerin am 6.4.1987 von einer Mitarbeiterin des Unternehmens mitgeteilt wurde, die Kläger müßten zusätzlich zu dem, was die Versicherung ersetzen werde, S 8.000,-- zahlen und weil er weiters die Möglichkeit haben möchte, Anbote von verschiedenen Unternehmen einzuholen und den Auftrag demjenigen zu geben, das ihm am besten zusagt, und weil er schließlich befürchtet, daß das vom Erstbeklagten ausgesuchte Unternehmen in der Wohnung der Kläger ein heilloses Durcheinander zurückläßt und daß dies für seine beiden Kinder gefährlich wäre.

Die Kläger wollen nicht zusätzlich S 8.000,- zahlen. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die zweitbeklagte Partei habe ihre Pflichten nach § 1096 ABGB, der Erstbeklagte die ihm durch die Übertragung der Hausverwaltung obliegenden Schutzpflichten zugunsten der Mieter - die als Mieter vom Hausverwaltungsvertrag erkennbar mitgeschützt seien - verletzt. Der Schaden sei durch eine schadhafte Verblechung im Zusammenwirken mit einer Verstopfung entstanden. Der Erstbeklagte habe zwar das Dach regelmäßig kontrollieren lassen, habe aber Reinigungsarbeiten für die Dachrinnen nicht in Auftrag gegeben. Die Kläger seien nicht verpflichtet, Naturalersatz anzunehmen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO hinsichtlich des Erstbeklagten zulässig, hinsichtlich der zweitbeklagten Partei aber nicht zulässig sei. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als unbedenklich und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Gemäß § 1298 ABGB hätten die Beklagten zu behaupten und zu beweisen gehabt, daß sie alle schadensverhindernden Maßnahmen ergriffen haben. Dies hätten die Beklagten nicht getan. Sie hätten vielmehr die Haftung aus dem Schadensereignis dem Grund nach anerkannt. Die Revision sei hinsichtlich des Erstklägers zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Haftung des Hausverwalters auf Grund eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten der Mieter nicht vorliege.

Die Entscheidung der Vorinstanzen ist hinsichtlich der zweitbeklagten Partei unangefochten geblieben.

Der Erstbeklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren hinsichtlich seiner Person abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen die Zurückweisung, allenfalls Abweisung der Revision. Der Erstbeklagte führe nicht aus, worin eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liege, die vom Berufungsgericht unrichtig gelöst worden sei. Die einzige erhebliche Rechtsfrage sei die, ob der Vertrag zwischen dem Hauseigentümer und dem Erstbeklagten, mit dem diesem die Verwaltung des Hauses übertragen wurde, Schutzwirkungen zugunsten der Kläger umfasse; diese Frage aber hätten die Vorinstanzen richtig gelöst.

Rechtliche Beurteilung

Das Revisionsgericht schließt sich dieser Ansicht nicht an. Der Erstbeklagte hat, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, als von der zweitbeklagten Partei bestellter Hausverwalter die Stellung eines Erfüllungsgehilfen der zweitbeklagten Partei im Sinne des § 1313 a ABGB (MietSlg VI/12, SZ 59/209). Der Vertrag zwischen einem Geschäftsherrn und seinem Erfüllungsgehilfen aber ist regelmäßig keine Vereinbarung mit Schutzwirkungen zugunsten des Gläubigers des Geschäftsherrn. Der Erfüllungsgehilfe haftet dem geschädigten Gläubiger vielmehr grundsätzlich nur deliktisch. Die Lehre vom Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter wurde entwickelt, um dem Geschädigten, dem sonst nur deliktische Ansprüche zustünden, auch Ersatzansprüche wegen Verletzung einer rechtlichen Sonderverbindung zu verschaffen. In den Fällen der Schädigung des Gläubigers durch den Erfüllungsgehilfen hat der Gläubiger aber ohnehin vertragliche Ansprüche gegen den Geschäftsherrn, sodaß ihm ein ausreichender Schutz zukommt (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 90, SZ 51/176). Die Lehre von den Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber einem der Vertragsleistung nahestehenden Dritten dient nicht dazu, dem Erfüllungsgehilfen - auch wenn es sich hiebei um einen selbständigen Unternehmer handelt - die Vertragshaftung mit den Folgen der Beweislastumkehr des § 1298 ABGB aufzubürden (SZ 51/176).

Zwar erwägt Koziol (Österr. Haftpflichtrecht II2 90, JBl.1980, 41f), ob nicht dann, wenn der Gehilfe ein selbständiger Unternehmer ist und dieser die Erbringung der Leistung zugunsten des Gläubigers verspricht, auch Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten des Leistungsempfängers anzunehmen seien. Dafür spreche, daß der Anspruch des Geschädigten gegen den Gehilfen nur eine Abkürzung bedeute. Denn der Geschädigte hätte Ersatzansprüche gegen den Geschäftsherrn, und diesem stünden wiederum Rückgriffsmöglichkeiten gegen den Gehilfen zu, sodaß letzterer jedenfalls den Schaden zu tragen habe.

Nun ist es aber vorliegend so, daß die den Klägern geschuldete Leistung im Sinne des § 1096 ABGB, das Bestandstück in brauchbarem Zustand zu erhalten, und die Bestandinhaber in dem bedungenen Gebrauch nicht zu stören, nicht geradezu als die Hauptleistung des zwischen den beiden beklagten abgeschlossenen Vertrages über die Verwaltung des Hauses durch den Erstbeklagten angesehen werden kann (in der Art eines "unechten" Vertrages zugunsten Dritter - vgl. hiezu Koziol in JBl.1980, 42). Die Erwägung einer "praktischen Abkürzung" (vgl. auch hiezu Koziol in JBl. a.a.O.) scheidet dann, wenn wie hier, sowohl der Geschäftsführer (Zweitbeklagter) als auch der Erfüllungsgehilfe (Erstbeklagter) belangt werden, wohl von vornherein aus.

Ist aber der Erstbeklagte als Erfüllungsgehilfe anzusehen, treffen ihn, da er zu den Klägern (als den Gläubigern) in keinem Schuldverhältnis steht, nicht die Pflichten aus diesem Vertragsverhältnis. Eine Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kann nicht aus der rechtlichen Sonderverbindung zwischen Schuldner (zweitbeklagte Partei) und Gläubiger (Kläger) abgeleitet werden. Es kommt deshalb auch eine Haftung des Erfüllungsgehilfen wegen Verletzung der Pflichten aus dem Schuldverhältnis (vorliegend: im Sinne des § 1096 ABGB insbesondere dafür zu sorgen, daß der Regenabfluß nicht verstopft ist und die Dachrinnen keinen Blechschaden aufweisen, sodaß ein Wasserschaden nicht eintreten kann) nicht in Betracht. Der Erfüllungsgehilfe haftet dem Kläger vielmehr nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig ist, er also gegenüber dem Gläubiger deliktisch handelt (Koziol, Österr. Haftpflichtrecht II2 349f mit weiteren Nachweisen; Koziol-Welser, Grundriß I8 451; SZ 49/47).

Ein deliktisches Verhalten unabhängig von der Existenz des zwischen dem Zweitbeklagten und den Klägern bestehenden Schuldverhältnisses werfen die Kläger dem Erstbeklagten nicht vor. Die Revision erweist sich damit als berechtigt, sodaß das angefochtene Urteil dahin abzuändern war, daß das gegen den Erstbeklagten gerichtete Klagebegehren abgewiesen wird. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz erfolgte nach § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach den §§ 41 und 50 ZPO. Die Kläger haben gegenüber einem von zwei durch denselben Anwalt vertretenen Beklagten verloren; sie haben daher diesem die Hälfte seiner gesamten Kosten zu ersetzen.

Da sie nach dem Ergebnis des Revisionsverfahrens aber auch nur gegenüber einem der beiden Beklagten gewonnen haben, haben sie diesem Verfahrensergebnis entsprechend auch nur Anspruch auf Ersatz der halben ihnen entstanden Kosten.

Anmerkung

E19544

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00672.89.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19891109_OGH0002_0070OB00672_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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