TE OGH 1989/11/15 3Ob79/89

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Veröffentlicht am 15.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Holger H***, Schüler, Düsseldorf 12, Rathelbeckstraße 332, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Norman Dick u.a., Rechtsanwälte in Salzburg, wider die verpflichtete Partei Günter H***, Angestellter, 3554 Applewood Lane, Muskegon/Michigan, 49441 USA, vertreten durch Dr. Michael Lackner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterhalt (Betreibung: 187.440 S, Sicherung: 68.160 S), infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 25. April 1989, GZ 2 R 78/89, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 3. November 1988, GZ 2 Nc 414/88-1, teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit einem Versäumnisurteil des Amtsgerichtes Düsseldorf wurde die verpflichtete Partei mit Aufenthalt in den USA verurteilt, der betreibenden Partei für die Monate März bis November 1986 einen rückständigen Unterhaltsbetrag von 7.200 DM und einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 800 DM spätestens bis zum Fünften eines jeden Monates zu zahlen.

Offenbar (wenn verschiedene Fehler im Exekutionsantrag hier übergangen werden; hiezu siehe unten) zur Hereinbringung des rückständigen Unterhaltes von 7.200 DM und für die Zeit vom 1. Dezember 1986 bis 30. November 1988 (24 Monate x 800 DM = 19.200 DM), zusammen 26.400 DM, das sind (umgerechnet zu einem Kurs von 1 DM = 7,1 S) 187.440 S, und des laufenden Unterhaltes ab 1. Dezember 1988 beantragte die betreibende Partei auf Grund dieses Exekutionstitels die Exekution durch Pfändung und Überweisung einer Forderung von 250.000 S mehr oder weniger und nur für den Rückstand durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung auf einer Liegenschaft des Verpflichteten, sowie zur Sicherung des Unterhaltes für die Zeit vom 1. Dezember 1988 bis 30. November 1989 die bücherliche Vormerkung eines Pfandrechtes von 68.160 S (= 12 x 800 DM x 7,1). Die betreibende Partei hatte dem Exekutionsantrag folgende Urkunden angeschlossen:

1. Ausfertigung des Versäumnisurteiles des Amtsgerichtes Düsseldorf vom 18. August 1987 enthaltend eine Rechtskraftbescheinigung und die Bestätigung, daß das Urteil vorläufig vollstreckbar ist, sowie versehen mit dem Vermerk, daß die Ausfertigung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt werde und daß dem Beklagten (verpflichtete Partei) eine Ausfertigung am 21. September 1987 öffentlich zugestellt worden sei;

2. Eine Ausfertigung des Beschlusses des Amtsgerichtes Düsseldorf vom 2. Juni 1987, wonach in der zu 1. angeführten Familienrechtssache die öffentliche Zustellung der Klage und die Ladung zum Termin bewilligt wurde;

3. Eine Bestätigung des Amtsgerichtes Düsseldorf vom 5. September 1988, daß die öffentliche Zustellung der Klage vom 21. November 1986 und der Ladung zum Termin am 18. August 1987 durch richterliche Verfügung vom 2. Juni 1987 genehmigt wurde. .... Die öffentliche Zustellung durch Einrücken in den Bundesanzeiger Ausgabe 115/87 und Aushang an die Gerichtstafel in der Zeit vom 15. Juni 1987 bis 29. Juni 1987 erfolgt sei;

4. Eine Kursbestätigung der Österreichischen Nationalbank. Das Erstgericht bewilligte die beantragte Forderungspfändung sowie die zwangsweise Pfandrechtsbegründung und die Vormerkung eines Pfandrechtes. Die Überweisung der gepfändeten Forderung wurde dem Exekutionsgericht vorbehalten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes, ausgenommen die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung künftigen Unterhalts (die Abweisung dieses Mehrbegehrens erwuchs in Rechtskraft).

Zur Widerlegung der von der verpflichteten Partei vorgetragenen Einwände vertrat das Gericht zweiter Instanz folgende Rechtsansicht:

Die Höhe des betriebenen Anspruches ergebe sich aus dem Zusammenhalt aller angeführten Daten und Ziffern, auch wenn infolge mehrerer Schreib- oder Rechenfehler gewisse Widersprüchlichkeiten gegeben seien.

Der Versagungsgrund nach Art. 2 Z 3 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, nämlich der ausschließlichen Zuständigkeit eines österreichischen Gerichtes oder eines Gerichtes in einem Drittstaat, liege nicht vor. Es komme nicht darauf an, ob das österreichische Prozeßrecht den im deutschen Prozeßrecht geltenden Gerichtsstand kenne, sondern nur, ob nach österreichischem Recht für Unterhaltsklagen ein ausschließlicher Zwangsgerichtsstand bestehe, was nicht der Fall sei.

Die vorgelegten Nachweise über die erfolgte Zustellung der verfahrenseinleitenden Verfügung im Sinne des Art. 7 Abs 2 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages seien ausreichend und daher der Versagungsgrund nach Art. 2 Z 2 lit a des Vollstreckungsvertrages nicht gegeben. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der vorgelegten Bescheinigungen seien nicht gegeben und könnten vom Verpflichteten auch wegen des Neuerungsverbotes nicht im Rekurs vorgetragen werden. Gleiches gelte für den Versagungsgrund nach Art. 2 Z 2 lit b des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, ob nämlich der Verpflichtete von der Ladung rechtzeitig Kenntnis erlangt habe. Die Anwendung des deutschen Prozeßrechtes über die Möglichkeit der Vorladung durch öffentliche Bekanntmachung ohne die nach österreichischem Prozeßrecht notwendige Bestellung eines Kurators verletze das inländische Rechtsempfinden nicht in einem Maße, daß ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Versagungsgrundes nach Art. 2 Z 1 des Vollstreckungsvertrages gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist nicht berechtigt.

Zutreffend verweist zwar die verpflichtete Partei in ihrem Revisionsrekurs auf verschiedene Formulierungsfehler im Exekutionsantrag der betreibenden Partei. Wie aber das Gericht zweiter Instanz richtig erkannt hat, war im Zusammenhalt mit dem vorgelegten Exekutionstitel klar, auf welchen Betrag sich der Exekutionsantrag der betreibenden Partei erstreckte. Beim Unterhaltsrückstand ging es um den im Exekutionstitel unmittelbar ausgewiesenen Rückstandsbetrag von 7.200 DM (März bis November 1986) und zusätzlich um den Rückstand für die Zeit vom 1. Dezember 1986 bis 30. November 1988, das sind genau zwei Jahre, somit 24 Monate a 800 DM = 19.200 DM, was zusammen mit den 7.200 DM die im Kopf des Antrages genannten 26.400 DM = 187.440 S ergibt. Der im Text unterlaufene Fehler, den Unterhaltsrückstand von März bis November 1986 mit dem perplexen Zeitraum März 1986 bis November 1986 zu bezeichnen und zu sagen, der Rückstand für die Zeit vom Dezember 1986 bis November 1988 betrage bei einem monatlichen Betrag von 800 DM 9.600 DM (das sind ein Jahr statt zwei Jahre), weshalb die Summe der beiden Beträge den begehrten Pfandrechtsbetrag von 187.440 S ergebe, war daher ein so offenkundiger Fehler, daß aus ihm keine Unklarheit entstehen konnte.

Gemäß Art. 2 Z 3 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, BGBl. 1960/105, ist die Anerkennung einer Entscheidung zu versagen, wenn nach dem Rechte des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird (das ist hier Österreich), die Gerichte dieses Staates oder eines dritten Staates kraft Gesetzes ausschließlich zuständig wären. Diese Bestimmung ist im Grunde ein Sonderfall der Beachtung des inländischen ordre public. Die Entscheidung des Erststaates (hier: BRD) kann also im Zweitstaat (hier: Österreich) nur dann nicht vollstreckt werden, wenn der Zweitstaat eine ausschließliche (gesetzliche) Zuständigkeit der eigenen Gerichte in Anspruch nimmt oder die ausschließliche Zuständigkeit von Gerichten eines Drittstaates (hier allenfalls: USA) vorbehält (ausführlich Matscher, JBl. 1979, 182 und 239;

Geimer-Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Band II 102, 103;

Schoibl in Anw. 1989, 121 [126, 127]).

Anders ist hier zum Beispiel die Rechtslage nach Art. 18 Z 1 des österreichisch-türkischen Rechtshilfevertrages (Gegenstand der Entscheidung JBl. 1987, 734), wo eine Entscheidung des ausländischen Staates im Inland nur vollstreckt werden kann, wenn sie in Anwendung der sogenannten "österreichischen Jurisdiktionsformel" von einer zuständigen Gerichtsbehörde gefällt wurde, gemeint, wenn die Entscheidung des ausländischen Staates von irgend einer Gerichtsbehörde eines ausländischen Staates nach irgend einem österreichischen Zuständigkeitstatbestand abstrakt zuständig gewesen wäre. Nur bei einer solchen Regelung kommt es darauf an, ob es nach österreichischem Recht einen Fall gibt, bei den hier gegebenen Voraussetzungen den Unterhalt vor dem ausländischen Gericht geltend zu machen. Bei der für die BRD geltenden Regelung spielt es hingegen keine Rolle, ob der deutsche Zuständigkeitstatbestand (hier § 23 a dZPO) dem österreichischen Recht fremd ist.

Eine ausschließliche Zuständigkeit etwa des Wohnsitzgerichtes ist aber nach österreichischem Recht für Unterhaltsklagen nicht normiert.

Gemäß Art. 7 Abs 2 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages hat der betreibende Gläubiger, wenn sich die unterlegene Partei auf das Titelverfahren nicht eingelassen hat, nachzuweisen, daß ihr die das Verfahren einleitende Ladung oder Verfügung ordnungsgemäß zugestellt worden ist; dieser Nachweis ist nach dem Vertrag durch eine beglaubigte Abschrift der Zustellurkunde oder durch eine gerichtliche Bestätigung über den Zustellvorgang zu erbringen. Bei einem Versäumnisurteil kann in der Regel angenommen werden, daß sich der Unterlegene nicht in das Verfahren eingelassen hat.

Die betreibende Partei hat eine solche Bestätigung über den Zustellungsvorgang beigebracht. Es wurde nicht nur dargetan, daß die öffentliche Zustellung erfolgt ist, sondern darüberhinaus bestätigt, daß die öffentliche Zustellung durch richterliche Verfügung genehmigt und wie sie vollzogen wurde. Die vorliegende Sache unterscheidet sich damit von den Fällen der Entscheidungen EvBl. 1970/183, wo nur bestätigt worden war, daß die Zustellung erfolgt sei, und EvBl. 1972/130, wo nur die Vornahme einer postamtlichen Hinterlegung ohne nähere Angaben bestätigt worden war (vgl. dazu auch Thoma, NJW 1966, 1057 [1059] mit dem Hinweis, es genüge nicht, nur allgemein zu bestätigen, daß ordnungsgemäß zugestellt wurde oder daß eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt sei). Eine Überprüfung der tatsächlichen Voraussetzungen des bestätigten Zustellungsvorganges hat nach Ansicht des erkennenden Senates im Rahmen eines Rekursverfahrens nicht stattzufinden, sondern wenn eine iSd Vollstreckungsvertrages ordnungsgemäße und ausreichende Bestätigung über die Zustellung vorliegt, ist bei der Exekutionsbewilligung vom Inhalt dieser Bestätigung auszugehen.

Der Versagungsgrund nach Art. 2 Z 2 a des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, daß der unterlegenen Partei, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, die Ladung oder Verfügung, durch die das Verfahren eingeleitet wurde, nicht nach dem Recht des Staates, in dem die Entscheidung ergangen ist, zugestellt wurde, kann vielmehr wegen des im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbotes nur mittels Widerspruchs nach § 83 EO geltend gemacht werden (Hoyer-Loewe in Heller-Berger-Stix 889).

Der Versagungsgrund nach Art. 2 Z 2 b des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages erfordert den Nachweis, daß die unterlegene Partei von der in lit a angeführten Ladung oder Verfügung nicht so zeitgerecht zur Kenntnis nehmen konnte, um sich auf das Verfahren einlassen zu können. Wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend erkannt hat, kann auch ein solcher Nachweis wegen des Neuerungsverbotes nicht mit Rekurs geltend gemacht werden; denn es ist keineswegs auszuschließen, daß die verpflichtete Partei von der öffentlichen Bekanntmachung in der BRD rechtzeitig Kenntnis erlangte. Hier steht nur das von der verpflichteten Partei ohnedies eingeleitete Widerspruchsverfahren offen (Hoyer-Loewe aaO). Es kann schon an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß dieser Versagungsgrund auch dann gegeben sein kann, wenn die Zustellung selbst gesetzmäßig war, da er geradezu darauf aufbaut, daß trotz rechtsgültiger Zustellung keine Kenntnis vom Verfahren bestehen konnte (Geimer-Schütze aaO 99 f). Der Versagungsgrund des Art. 2 Z 1 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, wonach eine Entscheidung nicht anzuerkennen ist, die der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widerspricht, kann bei richtigem Verständnis nur angenommen werden, wenn dem Exekutionstitel der inländischen Rechtsordnung vollkommen unvereinbare ausländische Rechtsgedanken zugrunde liegen und daher die Vollstreckung des ausländischen Titels mit der inländischen Rechtsordnung völlig unvereinbar wäre (Hoyer-Loewe in Heller-Berger-Stix 782; EvBl. 1983/84). Ein solcher Fall ist nicht gegeben:

Auch das österreichische Recht kennt Versäumungsurteile, die ergehen, ohne daß die betroffene Partei Kenntnis von der Ladung hatte. Die hier im Gegensatz zum deutschen Recht erforderliche Bestellung eines Prozeßkurators verbessert in gewisser Hinsicht die Rechtsstellung des von der Zustellung Betroffenen, aber etwa bei der Ersatzzustellung kann es auch nach österreichischem Recht vorkommen, daß ein für die betroffene Partei überraschendes Versäumungsurteil ergeht. Die deutsche Prozeßordnung hat dazu wie die österreichische geeignete Rechtsbehelfe, zB die Wiedereinsetzung nach § 233 dZPO (vgl. dazu etwa Rosenberg-Schwab ZPR14 444). Der Unterschied in den beiden Rechtsordnungen ist damit nicht so gravierend, daß die Grundwerte des österreichischen Rechtes verletzt würden, wenn ein ausländisches Versäumungsurteil vollstreckt wird, das nur auf einer Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ohne Bestellung eines Prozeßkurators beruht.

Ebensowenig verstößt es gegen die Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung, daß für Unterhaltsklagen ein Hilfsgerichtsstand wie nach § 23 a dZPO herangezogen wird. Dem österreichischen Prozeßrecht ist es nicht fremd, daß auch am Wohnort des Klägers geklagt werden kann, was auch für Unterhaltsklagen eine sinnvolle Regelung ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 40, 50 ZPO und § 78 EO.

Anmerkung

E19743

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00079.89.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19891115_OGH0002_0030OB00079_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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