TE OGH 1989/11/15 3Ob620/89

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Veröffentlicht am 15.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanne L***-R***, Private, Wien 23., Haymogasse 49/3/5, vertreten durch Dr. Peter Ponschab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien,

1)

Gertrude S***, Wien 23., Rudolf Zellergasse 67/1/3,

2)

Margarethe K***, 3) Dr. Maximilian P***, 4) Hubert F***,

5)

Gertrud F***, 6) Otto K***, 7) Alois P***, 8) Peter S***,

9)

Wolfgang T***, 10) Karin B***, 11) Heimo Ernst W***,

12)

Adelheid K***, 13) Robert P***, 14) Verena V***, 15) Helga S***, 16) Walter S***, 17) Brigitte S***, 18) Ing. Anton K***, 19) Johanna K***, 20) Dipl.-Ing. Michael M***,

              21)              Dipl.-Ing. Theodora M***, sämtliche Wohnungseigentümer in 1238 Wien, Haymogasse 49, vertreten durch Dr. Rudolf Holzer (zu 2, 3, 7-9, 12-17, 20 und 21), Dr. Gottfried Zandl ua (zu 4 und 5), Dr. Erich Proksch (zu 6), Dr. Peter Lambert (zu 10) und Dr. Hellmuth Boller (zu 11), alles Rechtsanwälte in Wien, wegen Gewährung des Zutritts und der Benützung eines WC infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Jänner 1989, GZ 45 R 784/88-59, womit infolge Berufung der beklagten Parteien (2-17 und 20-21) das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 11. August 1988, GZ 2 C 492/88a-50, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die zweit- bis siebzehnt- und die zwanzigst- und einundzwanzigstbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen die mit 7.395,07 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 964,57 S Umsatzsteuer) und die mit 6.130,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 771,75 S Umsatzsteuer und 1.500,-- S Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und die 21 Beklagten sind Miteigentümer einer Wohnanlage mit begründeten Wohnungseigentum. Zur Eigentumswohnung der Klägerin im zweiten Stock gehört ein ebenerdig gelegener Hobbyraum (Werkstätte). Streit herrscht über die Art der Benützung des der allgemeinen Benützung der Miteigentümer dienenden WC unmittelbar neben diesem Hobbyraum.

Die Klägerin behauptet, es bestehe für dieses WC keine Benützungsvereinbarung. Es werde seit vielen Jahren von allen Miteigentümern, insbesondere aber auch von ihr, benützt. Seit dem Jahr 1985 werde ihr aber durch die Sperre des WC und Ablehnung der Übergabe eines Schlüssels von den beklagten Parteien die Benützung des WC verwehrt. Sie begehrt, die Beklagten zu verurteilen, ihr den Zutritt zum WC zu gewähren, dessen Benützung zu dulden und ihr zu diesem Zweck einen passenden Schlüssel zur Tür des WC auszufolgen. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wenden ein, daß das WC gemäß einer alten, nie widerrufenen Benützungsvereinbarung zusammen mit einigen anderen Räumen als Hausbesorgerwohnung gewidmet sei. Wenn auch derzeit kein Hausbesorger vorhanden sei, so hätten die Miteigentümer doch das Recht, die zur Sicherung dieser Widmung dienlichen Schritte zu setzen. Sie hätten auch der Klägerin die Ausfolgung eines Schlüssels angeboten, wenn sie sich verpflichte, den Hobbyraum nicht zweckentfremdet zu verwenden. Die Klageführung sei daher schikanös. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab.

Beide Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Vor fast dreißig Jahren beschlossen die seinerzeitigen Miteigentümer, das WC als Teil einer Hausbesorgerwohnung zu verwenden. In den Jahren 1963 bis 1968 erfolgte auch eine solche Benützung. Seither war aber nie mehr ein Hausbesorger vorhanden. Faktisch wurden die Wohnräume der früheren Hausbesorgerwohnung als Abstellraum benützt und das nicht in diese Räume integrierte WC wurde abgeschlossen, im Gang aber allgemein zugänglich ein Schlüssel aufgehängt, sodaß die Wohnungseigentümer zB auch die Möglichkeit hatten, im WC etwas auszuschütten.

Seit 1976 ist die Klägerin Miteigentümerin. Sie benützte des öfteren das strittige WC, wenn sie sich im Hobbyraum aufhielt. Seit dem Jahr 1980 hatte sie den Hobbyraum immer wieder auch vermietet. Ein Anbot der Klägerin, für die Benützung des WC ein Benützungsentgelt zu zahlen, wurde im Jahr 1981 abgelehnt. Probleme mit den Beklagten ergaben sich im Jahr 1984, als die Klägerin den Hobbyraum einer Jugendgruppe vermietete, was zu Unzukömmlichkeiten auch im Zusammenhang mit dem WC führte. Die Klägerin trug dem dadurch Rechnung, daß sie den Hobbyraum anderweitig vermietete. Im Jahr 1985 brachten die Beklagten am WC ein neues Schloß an und beschlossen in der Hausversammlung, zu der auch die Klägerin geladen, aber nicht erschienen war, ihr nur dann einen Schlüssel zum "Hausbesorger-WC" auszuhändigen, wenn sie sich verpflichte, in ihrem Hobbyraum nur Hobbyarbeiten durchzuführen und keine Nächtigungen oder Versammlungen mit größeren Menschenansammlungen vorzunehmen. Das Erstgericht war der Ansicht, daß durch den Wegfall des Gebrauchs als Hausbesorgerwohnung wieder die frühere, allgemeine Benützung festgelegt sei. Die Mehrheitseigentümer seien daher nicht berechtigt gewesen, die Minderheitseigentümerin im Jahre 1985 ohne ihre Zustimmung von der weiteren Benützung dieses wieder der Allgemeinheit dienenden Teiles der Liegenschaft auszuschließen. Schikane der Klägerin liege nicht vor.

Das Berufungsgericht ging hingegen vom Fortbestand der alten Benützungsregelung, nämlich der Widmung der fraglichen Räume einschließlich des strittigen WC als Hausbesorgerwohnung, aus. Die Behauptung der klagenden Partei, es fehle überhaupt an einer Benützungsvereinbarung, sei nicht erwiesen; daß die alte Regelung in der Folge abgeändert worden sei, werde von der klagenden Partei gar nicht behauptet. Wegen des Kaufes des Miteigentumsanteiles mit allen alten Rechten und Pflichten sei die klagende Partei an die von ihrem Rechtsvorgänger abgeschlossenen Benützungsregelung gebunden. Die nur faktische Benützung des WC zu anderen Zwecken habe nicht zu einer Änderung der alten Benützungsregelung geführt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Berufungsgericht verneinten Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO idF vor der WGN 1989 sind gegeben, weil ein nicht untypischer Streit zwischen Wohnungseigentümern vorliegt, der vom Berufungsgericht entgegen den Regeln über die Bedeutung schlüssigen Verhaltens entschieden wurde. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist damit zulässig und berechtigt.

Die Klägerin, war allerdings, als sie ihren Anteil mit allen bestehenden Rechten und Pflichten des Verkäufers im Jahr 1976 erwarb, an eine von ihrem Rechtsvorgänger abgeschlossene frühere Benützungsvereinbarung gebunden (MietSlg. 25.058, 37.055/20). Es ist aber nicht richtig, daß sie ihren Anspruch nur darauf stützte, daß es überhaupt keine sie bindende Benützungsvereinbarung gebe; sondern sie hat schon in der Klage auch auf die jahrelange tatsächliche Benützungsart hingewiesen und damit den konkludenten Abschluß einer neuen Benützungsvereinbarung bzw die Beendigung einer allfälligen früheren Benützungsvereinbarung behauptet, wobei es nicht erforderlich war, daß sie sich dabei ausdrücklich auf § 863 ABGB bezog.

Die jahrelange unwidersprochen gehandhabte Übung aller Miteigentümer ist erwiesen. Sie bedeutet in der Regel ein schlüssiges Verhalten im Sinne des § 863 ABGB, das nur als der Abschluß einer neuen Benützungsvereinbarung oder hier als die Beendigung der früheren Benützungsvereinbarung gewertet werden kann (MietSlg. 31.070). Hinweise dafür, daß die Miteigentümer entgegen ihrer faktischen Vorgangsweise nach wie vor die Absicht der Sicherung einer Hausbesorgerwohnung kundtaten, liegen bis zum Jahr 1985 nicht vor. Die Ablehnung des Anbotes der Klägerin durch die Beklagten, für das WC ein Benützungsentgelt zu vereinbaren, ist auch damit erklärbar, daß die Beklagten die allgemeine Benützbarkeit des WC beibehalten wollten, und daher kein Indiz dafür, daß sie an die Sicherung einer Hausbesorgerwohnung dachten. Wenn nun schon an die zwanzig Jahre kein Bedarf nach einer Hausbesorgerwohnung besteht, ist es auch nicht naheliegend, daß die Beklagten noch an diesen Verwendungszweck dachten. Ein konkretes Vorbringen über eine bevorstehende Wiedereinstellung eines Hausbesorgers liegt nicht vor, sodaß in diesem Zusammenhang auch nicht der in der Revisionsbeantwortung der zweit- und fünftbeklagten Partei geltend gemachte Feststellungsmangel gegeben ist.

Im Jahre 1985, als die Beklagten dann allerdings erstmals wieder auf die alten Widmung zur Hausbesorgerwohnung zurückkamen, waren daher alle Streitteile an die schlüssig zustandegekommene Benützungsvereinbarung gebunden, daß die Räume der ehemaligen Hausbesorgerwohnung und das ebenerdige WC der allgemeinen Benützung dienen sollten, also allen Miteigentümern und damit auch der Klägerin zugänglich sein müssen. Gerade auch die Erklärung der Bereitschaft, auch der Klägerin für den Fall gewisser Zusagen (dazu s. unten), aber ohne zeitliche Beschränkung einen Schlüssel auszufolgen, ist ein zusetzliches Indiz dafür, daß keine Absicht zu einer Rückwidmung in eine Hausbesorgerwohnung besteht. Von dieser Benützungsvereinbarung konnten die Miteigentümer nur einstimmig abgehen. Eine Majorisierung der klagenden Partei in diesem Bereich war ausgeschlossen (MietSlg. 30.065/17 mwN). Die Beklagten durften das Benützungsrecht der Klägerin auch nicht davon abhängig machen, daß sie bestimmte Erklärungen über die Verwendung ihres Hobbyraums abgebe, deren Benützung ihr in jeder nicht zweckwidrigen Weise freisteht. Einer widmungswidrigen Verwendung müßten die Beklagten durch andere rechtliche Schritte begegnen. Die Klägerin kann daher von den Beklagten begehren, wieder in den Genuß ihres Benützungsrechtes auch am strittigen WC gesetzt zu werden. Für einen solchen Klagsanspruch ist der streitige Rechtsweg zulässig, und im Regelfall, wenn der Zutritt verweigert oder von nicht gerechtfertigten Bedingungen abhängig gemacht wird, liegt hier auch keine Schikane vor (MietSlg. 31.055).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 46 und 50 ZPO. Die erst-, achtzehnt- und neunzehntbeklagte Partei haben sich am Berufungs- und Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Anmerkung

E19469

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00620.89.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19891115_OGH0002_0030OB00620_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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