TE OGH 1989/11/15 1Ob30/89

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Veröffentlicht am 15.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm P***, Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH & Co KG, Bad Goisern, Bahnhofstraße 218, vertreten durch Dr. Walter Kerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 910,612.457,68 samt Anhang, infolge Rekurse der klagenden und der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11. Mai 1989, GZ 2 R 67/89-17, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 16. Dezember 1988, GZ 6 Cg 309/88-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Das Kreisgericht Wels eröffnete mit Beschluß und Wirksamkeit vom 17. Juli 1985, S 45/85 (zuständiger Richter Mag. Werner H***), über das Vermögen der klagenden Partei den Konkurs. Antragsteller waren die B***-U*** Wien (23. Mai 1985), die Firma

Ing. Paul T*** Baumeister Gesellschaft mbH & Co KG

(11. Juli 1985), Johann M*** (11. Juli 1985) und die Firma Wilhelm H*** & Co (15. Juli 1985). Der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft Dipl.Ing. Wilhelm P*** wurde zu diesen Anträgen am 4. Juni und 16. Juli 1985 vernommen. Die klagende Partei bekämpfte den Konkurseröffnungsbeschluß nicht mit Rekurs. Ein von der klagenden Partei am 17. Juli 1985 beim Kreisgericht Wels eingebrachter Antrag auf Eröffnung des Vorverfahrens gemäß § 79 AO wurde von diesem Gericht mit der Begründung zurückgewiesen, er sei erst nach der Konkurseröffnung eingelangt.

Die klagende Partei begehrt aus dem Titel der Amtshaftung den Zuspruch des Betrages von S 910,457.612,68 samt Anhang zu Handen der Konkursmasse S 45/85 des Kreisgerichtes Wels. Die Konkurseröffnung sei gesetzwidrig erfolgt, die klagende Partei sei weder überschuldet noch zahlungsunfähig gewesen. Bereits durch die Konkurseröffnung sei der geltend gemachte Schaden verursacht worden; er hätte durch eine allfällige erfolgreiche Bekämpfung des Eröffnungsbeschlusses nicht mehr abgewendet werden können. Der beschlußfassende Richter Mag. Werner H*** sei, wie sich aus dem Strafverfahren 16 Vr 1070/82 des Kreisgerichtes Wels ergebe, ausgeschlossen bzw. befangen gewesen. Davon habe die klagende Partei erst nach Konkurseröffnung Kenntnis erlangt. Auf Grund der Befangenheit des Mag. Werner H***, die sich kausal auf die Eröffnung des Konkurses ausgewirkt habe, hätte der Konkurs in der Folge von Amts wegen aufgehoben werden müssen.

Die beklagte Partei wendete ua ein, ein allfälliger Ersatzanspruch bestehe schon deshalb nicht zu Recht, weil die klagende Partei den Konkurseröffnungsbeschluß nicht angefochten habe (§ 2 Abs.2 AHG). Eine allfällige Befangenheit von Mag. Werner H*** sei niemals geltend gemacht worden, der Konkurs sei rechtmäßig eröffnet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Konkurseröffnungsbeschluß wäre anfechtbar gewesen. Gemäß § 2 Abs.2 AHG wäre die klagende Partei verpflichtet gewesen, den ihrer Meinung nach gesetzwidrigen Eröffnungsbeschluß mit Rekurs zu bekämpfen. Die Unterlassung des Rechtsmittels sei auch schuldhaft erfolgt. Die klagende Partei habe keine Gründe angeführt, warum ihr die Einbringung eines Rekurses gegen den Konkurseröffnungsbeschluß nicht zumutbar gewesen wäre. Es sei davon auszugehen, daß ein Rechtsmittel der klagenden Partei mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Falles unverzüglich erledigt worden wäre. Im Falle einer positiven Erledigung des Rechtsmittels wäre ein Schaden vermieden worden. Die klagende Partei habe selbst vorgebracht, daß auch bei Einbringung eines Rechtsmittels, das dann nach allenfalls sechs Monaten oder später positiv erledigt worden wäre, der Ruin der klagenden Partei nicht mehr aufzuhalten gewesen wäre. Daß dieser Ruin auch bei einer sofortigen Erledigung des Rechtsmittels eingetreten wäre, habe die klagende Partei nicht behauptet, dies könne von ihr auch nicht bewiesen werden. Wäre aber dem Rechtsmittel der klagenden Partei gegen den Konkurseröffnungsbeschluß infolge dessen Gesetzwidrigkeit Folge gegeben worden, dann wäre damit auch eine allfällige Befangenheit des Konkursrichters miterledigt gewesen, weil der Konkursrichter keine weitere Tätigkeit mehr zu entfalten gehabt hätte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Neben dem Inhalt des Beschlusses über die Konkurseröffnung stellte es fest, der Richter Mag. Werner H*** habe sich in bezug auf Dipl.Ing. Wilhelm P*** nicht für befangen erklärt, es liege auch kein Grund für eine Befangenheit vor. Im Schreiben des Präsidenten des Kreisgerichtes Wels vom 9. September 1988 werde festgehalten, daß Mag. Werner H*** sich im Verfahren betreffend Dipl.Ing. Wilhelm P*** nicht für befangen erklärt habe. Ein Ausschlußgrund des Mag. Werner H*** im Konkursverfahren S 45, 46/85 des Kreisgerichtes Wels im Sinn des § 20 JN sei nicht vorgelegen. Der Behauptung, der Schaden der klagenden Partei sei durch eine Befangenheit des Konkursrichters mitverursacht worden, sei daher der Boden entzogen. Die klagende Partei habe allerdings behauptet, der Schaden sei bereits durch die Konkurseröffnung entstanden, so daß die Erhebung eines Rekurses gegen den Konkurseröffnungsbeschluß sinnlos gewesen sei. Es sei zwar richtig, daß nach § 2 Abs.2 AHG ein Ersatzanspruch nicht bestehe, wenn der Geschädigte durch ein Rechtsmittel, das möglich und zulässig gewesen wäre, den Schaden in abstracto hätte abwenden können. Ein Amtshaftungsanspruch sei insofern subsidiär, daß ein durch eine Entscheidung Geschädigter zunächst verpflichtet sei, die ihm vom Rechtsstaat zur Verfügung gestellten und eine Abwendung des Schadens noch ermöglichenden Rechtsbehelfe auszunützen. Amtshaftung könne nur eintreten, wenn die von den Gesetzen zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe nicht ausreichten, den Schaden noch zu verhindern. Die vorherige erfolglose Ergreifung der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe oder die Aussichtslosigkeit, daß diese Rechtsbehelfe den Schaden noch hätten abwenden können, seien daher anspruchsbegründende Elemente für die Amtshaftung. Da die klagende Partei aber Beweise zur Behauptung angeboten habe, daß die Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Konkurseröffnungsbeschluß deshalb aussichtlos gewesen wäre, weil der Schaden schon mit der Konkurseröffnung selbst eingetreten sei und durch ein Rechtsmittel daher nicht mehr habe abgewendet werden können, könne der Amtshaftungsanspruch nicht unter Hinweis auf § 2 Abs.2 AHG abgelehnt werden. Dem Gericht sei es allerdings verwehrt, die Frage zu prüfen und zu beurteilen, ob ein Rechtsmittel gegen den Konkurseröffnungsbeschluß allenfalls erfolgreich gewesen wäre. Wenn der klagenden Partei der Nachweis einer schuldlosen Unterlassung der Erhebung eines Rekurses gegen den Konkurseröffnungsbeschluß nicht gelinge und sie auch nicht beweisen könne, daß der Schaden durch einen gesetzwidrigen Konkurseröffnungsbeschluß bereits mit der Konkurseröffnung eingetreten sei, sei die Rechtssache im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens spruchreif.

Die von beiden Streitteilen erhobenen Rekurse sind nicht berechtigt.

Der Gemeinschuldner kann Amtshaftungsansprüche aus einem angeblich rechtswidrigen Verhalten des Konkursgerichtes auch ohne Überlassung der Forderung nach § 119 Abs.5 KO im eigenen Namen geltend machen; das Begehren hat auf Zahlung an die Konkursmasse zu lauten (JBl. 1965, 323 mwN ua; zuletzt 5 Ob 308/87; Loebenstein-Kaniak aaO 266).

Gemäß § 2 Abs.2 AHG besteht kein Ersatzanspruch gegen einen Rechtsträger, wenn der Geschädigte seinen Schaden durch Rechtsmittel (oder Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof) hätte abwenden können. Die Absicht des Gesetzes geht dahin, nur für jene Eingriffe Ersatz zu gewähren, für deren Folgen keine verfahrensrechtlich mögliche Abhilfe in Betracht kam. Der Amtshaftungsanspruch ist also insofern subsidiär, als ein durch hoheitliches Handeln eines Rechtsträgers potentiell Geschädigter zunächst verpflichtet ist, die ihm vom Rechtsstaat zur Verfügung gestellten und eine Abwendung des Schadens noch ermöglichenden Rechtsbehelfe auszunützen. Amtshaftung hat nur einzutreten, wenn das von den Gesetzen primär zur Verfügung gestellte Sicherheitsnetz an Rechtsbehelfen nicht ausreicht oder ausreichen könnte, den Schaden zu verhindern. Die vorherige erfolglose Ergreifung der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe oder die Aussichtlosigkeit, daß diese Rechtsbehelfe den Schaden noch hätten abwenden können, ist also anspruchsbegründendes Element. Nur für unverbesserliche Vollzugsakte soll Ersatz geleistet werden (SZ 55/81; SZ 54/86; SZ 53/61; RZ 1980/18; Loebenstein-Kaniak, AHG2 166). Ein Amtshaftungsanspruch kann demnach, wenn ein Rechtsmittel zur Verfügung steht und (schuldhaft) nicht ergriffen wurde nur entstehen, wenn der Schaden durch dieses Rechtsmittel nicht mehr abgewendet werden kann, weil er schon entstanden ist, ehe der Rechtsbehelf Abhilfe hätte schaffen können. Das kann entgegen der Ansicht der beklagten Partei bei einem Konkurseröffnungsbeschluß, dem keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 71 Abs.2 KO), der Fall sein, hat er doch solange einschneidende Wirkungen. Die klagende Partei behauptete und bot dafür Beweise an, daß der Schaden, dem sie nunmehr ersetzt begehrt, bereits durch die Eröffnung des Konkurses entstanden ist und nicht mehr hätte beseitigt werden können, auch wenn sie mit Erfolg den Beschluß auf Eröffnung des Konkurses angefochten hätte. Soweit ein Schaden auch bei Ergreifung eines Rechtsmittels nicht mehr hätte abgewendet werden können, kann der Amtshaftungsanspruch nicht gemäß § 2 Abs.2 AHG ausgeschlossen sein (SZ 55/81; SZ 53/61;

Loebenstein-Kaniak aaO 166). Wenn die beklagte Partei damit argumentiert, die klagende Partei hätte durch rechtzeitige Stellung eines Antrages auf Eröffnung des Vorverfahrens die Konkurseröffnung abwenden können, übersieht sie, daß auch die Eröffnung des Vorverfahrens nach § 79 AO ua nur zulässig ist, wenn die Voraussetzungen für die Konkurseröffnung nach den §§ 66, 67 KO (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) vorliegen. Die klagende Partei behauptet - allerdings im Widerspruch zu dem von ihr selbst gestellten Antrag auf Eröffnung des Vorverfahrens - im nunmehrigen Verfahren, diese Voraussetzungen wären nicht vorgelegen. Von der klagenden Partei wird sogar gerade als Klagsgrund geltend gemacht, daß das Kreisgericht Wels ohne Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung des Konkurses rechtswidrig und schuldhaft den Konkurs dennoch eröffnet habe. Was die Höhe des kausal bewirkten Schadens betrifft, wird das Erstgericht gemäß § 182 ZPO durch entsprechende Fragestellung darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht bzw. vervollständigt werden. Feststellungen, auf Grund derer bereits jetzt beurteilt werden könnte, daß die Voraussetzungen zur Konkurseröffnung gegeben waren, die Eröffnung des Konkurses demnach rechtmäßig erfolgt sei, traf das Berufungsgericht, das nur den Inhalt des Beschlusses über die Konkurseröffnung wörtlich wiedergab, nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei wendet sich unter Geltendmachung einer Nichtigkeit nach § 477 Abs.1 Z 9 ZPO und mit der Behauptung, das Berufungsverfahren sei mangelhaft geblieben, gegen dessen Feststellung; der Richter des Kreisgerichtes Wels Mag. Werner H*** habe sich in bezug auf Dipl.Ing. Wilhelm P*** nicht für befangen erklärt. Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs.1 Z 9 ZPO liegt nur dann vor, wenn der Spruch mit sich selbst in Widerspruch steht oder wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, daß sie sich nicht überprüfen läßt (RdA 1982, 313; SZ 52/196; JBl. 1973, 38 uva; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1760). Davon kann, wie die teilweise Wiedergabe der Begründung des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses zeigt, keine Rede sein. Das Verfahren vor dem Berufungsgericht blieb auch nicht mangelhaft. Die klagende Partei brachte zur Befangenheit von Mag. Werner H*** nur vor, daß dieser in einem gegen den Geschäftsführer der klagenden Partei anhängig gewesenen Strafverfahren ausgeschlossen bzw. befangen gewesen sei, so daß dies auch für das Konkursverfahren gelten müsse. Das Berufungsgericht stellte aber auf Grund der von der klagenden Partei vorgelegten Urkunden fest, daß Mag. Werner H*** sich niemals in den Geschäftsführer der klagenden Partei betreffenden Verfahren für befangen erklärt habe. Daß Mag. Werner H*** aus anderen Gründen auch im Konkursverfahren befangen oder ausgeschlossen sei, brachte die klagende Partei nicht vor. Den Rekursen ist der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E19031

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00030.89.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19891115_OGH0002_0010OB00030_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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