TE OGH 1989/11/23 8Ob659/89

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Veröffentlicht am 23.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** S***, Magistrat S***, vertreten durch den Bürgermeister Dipl.Ing.Josef R***, Schloß Mirabell, Mirabellplatz, 5020 Salzburg, dieser vertreten durch Dr.Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Silvia W***, Kosmetikerin, Klostergasse 1 a, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr.Hartmut Ramsauer, Dr.Karl-Ludwig Vavrovsky und Dr.Ingrid Stöger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 10.Juli 1989, GZ 21 R 170/89-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 10.März 1989, GZ 10 C 2381/88p-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.087,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich USt. S 514,50) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Partei kündigte der Beklagten die beiden im P***-K*** in Salzburg gelegenen "Fußpflegeräumlichkeiten", die sich jeweils im Bereich der Sauna im ersten und im dritten Stock des Kurhauses befinden, auf. Sie habe der Beklagten die Räumlichkeiten verpachtet und sei nach dem Pachtvertrag berechtigt, das Pachtverhältnis zum Monatsende unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist aufzukündigen. Die klagende Partei habe der Beklagten ein lebendes Unternehmen in Form eines Kosmetiksalons übergeben, für den auch Betriebspflicht vereinbart war. Außerdem habe sie der Beklagten auch den wesentlichen Kundenstock, bestehend aus Saunagästen, verschafft. Das Erstgericht erließ die beantragte Aufkündigung. Die Beklagte erhob dagegen fristgerecht Einwendungen und brachte vor, daß zwischen den Streitteilen nicht ein Pachtvertrag, sondern ein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, welcher den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliege. Ihre Kunden seien nicht nur Saunagäste gewesen; es habe sich auch Laufkundschaft darunter befunden. Außerdem seien die Räumlichkeiten nicht einmal eingerichtet gewesen.

Das Erstgericht hielt die Kündigung aufrecht und verpflichtete die Beklagte zur Räumung der Bestandgegenstände binnen 14 Tagen. Es stellte - zusammengefaßt dargestellt - fest:

Die Beklagte schloß am 24.3.1982 mit der klagenden Partei einen Bestandvertrag, der mit Pachtvertrag überschrieben wurde. Nach Punkt 2 verpflichtete sich die Beklagte, im Bestandobjekt das Fußpflegegewerbe auszuüben. In Punkt 3 wurde die Kündigungsfrist von 3 Monaten festgehalten. Als Pachtschilling wurde im Punkt 4 der Betrag von S 2.500 inkl. Betriebskosten vereinbart. Unter Punkt 9 verpflichtete sich die Beklagte, den Pachtbetrieb ganzjährig zu führen. Eine Betriebsunterbrechung von mehr als 4 Wochen wurde als unstatthaft erklärt und sollte ohne hiezu erteilter Zustimmung der klagenden Partei einen "Sofortauflösungsgrund" darstellen. Die Räumlichkeiten waren bei der Übergabe an die Beklagte leer. Die Beklagte malte sie aus. Ihre Vorgängerin, in der Nutzung der beiden Räumlichkeiten zur Fußpflege, hatte sich wirtschaftlich nicht halten können. Die Beklagte kaufte auch bewegliches Inventar für den Betrieb der Fußpflege und richtete die Räume damit ein. Sie hat einen eigenen Gewerbeschein für Fußpflege. Entsprechend der vereinbarten Betriebspflicht übte die Beklagte auch von Montag bis Samstag das Fußpflegegewerbe in den Räumlichkeiten aus. Sie hatte eine Angestellte und arbeitete zeitweise auch selbst mit. Die klagende Partei wollte den Saunagästen neben anderen zusätzlichen Leistungen, wie Kosmetik, Massage udgl, auch die Fußpflege anbieten und schloß deshalb mit der Beklagten den Pachtvertrag. Sie stellte also der Beklagten mit ihren Saunagästen einen Kundenstock zur Verfügung. Die Beklagte betreute allerdings auch "Laufkundschaft", die, ohne Eintritt zu bezahlen, die Eingangssperre passierte, um die Dienstleistung der Beklagten in Anspruch nehmen zu können. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die klagende Partei von der Straßenkundschaft der Beklagten wußte. Im Vertrag wurde auch festgehalten, daß die Pächterin verpflichtet ist, für Ruhe und Ordnung in ihrem Pachtobjekt zu sorgen, die für das "P***" geltende Hausordnung und Betriebsordnung einzuhalten und allen diesbezüglichen Anordnungen der Verpächterin Folge zu leisten. Außerdem wurde bestimmt, daß die jeweiligen Tarife der Zustimmung der Verpächterin bedürfen und allgemein sichtbar angeschlagen sein müssen.

Die Bestandgabe der Räume erfolgte also zum Zweck der Betreuung der Sauna-Gäste der klagenden Partei. Daraus sollte die Beklagte ihre Einnahmen erzielen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht das Bestandverhältnis der Parteien als Pachtvertrag.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt. Auch das Gericht zweiter Instanz gelangte zu der Auffassung, daß es sich bei dem Vertrag der Streitteile um einen Pachtvertrag gehandelt habe. Unternehmenspacht liege vor, wenn dem Bestandinhaber unter anderem Betriebspflicht treffe und ihm eine Erwerbsgelegenheit und insbesondere ein gesicherter Kundenstock überlassen werde. Zu berücksichtigen sei auch, daß sämtliche Kunden der Beklagten die Eingänge des Kurhauses und die dort befindlichen Kassen passieren mußten und Kundschaft des Kurhauses waren. Wenngleich die Beklagte auch sogenannte "Laufkundschaft" hatte, habe sie doch ihren wesentlichen Kundenstock aus dem Hauptbetrieb der klagenden Partei bezogen. Da der Betrieb der Beklagten als Nebenbetrieb zu jenem der klagenden Partei angesehen werden müsse, könne sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, daß sie die Räume selbst eingerichtet habe. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten, in welcher sie unrichtige Beweiswürdigung geltend macht und den Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag heranzieht, das angefochtene Urteil abzuändern und die Kündigung aufzuheben.

Die klagende Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen ist im Revisionsverfahren nicht statthaft. Auf die Ausführungen der Beklagten, daß ihre Laufkundschaft einen wesentlichen Anteil am Kundenstock ausmachte, kann somit nicht eingegangen werden. Im übrigen hat das Erstgericht ein Verhältnis von 1 : 1 zur Saunakundschaft als "eher unwahrscheinlich" angesehen und das Berufungsgericht es sogar als der Lebenserfahrung widersprechend darstellt, daß ein Fußpflegeraum, der sich im Bereich der Sauna eines Kurhauses befindet, überwiegend nicht von Kurhaus- bzw. Saunagästen, sondern von Straßen- oder Laufkundschaft aufgesucht wird.

In der Rechtsrüge vertritt die Beklagte nach wie vor den Standpunkt, ihr seien die beiden Räume vor allem deshalb vermietet und nicht verpachtet worden, weil sie diese erst einrichten mußte. Bei der Entscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht kommt es auf die Umstände im Einzelfall an. Eine Unternehmenspacht liegt in der Regel vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des good will gehört. Die Beistellung von Betriebsmitteln, Kundenstock, Warenlager, Gewerbeberechtigung usw. durch den Bestandgeber ist wohl ein Indiz für Pacht, das Fehlen einzelner dieser Komponenten schließt jedoch die Beurteilung eines Bestandvertrages als Pachtvertrag nicht aus. Es kommt darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Im allgemeinen wird die Vereinbarung einer Betriebspflicht wichtigstes Kriterium eines Pachtvertrages sein, sofern dies auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers am Bestehen und der Art des Betriebes beruht (Würth in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1091 und die dort zitierte Judikatur). Fehlt es an einzelnen für die Unternehmensüberlassung charakteristischen Merkmalen, so kommt es darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (MietSlg 32.162/13, 25.113). Weder die Beibringung der Gewerbeberechtigung durch den Bestandnehmer (MietSlg 32.162/13) noch das gänzliche oder teilweise Fehlen von Einrichtungsgegenständen oder daß der Bestandnehmer solche direkt von dem früheren Pächter erwerben mußte (MietSlg 34.206; 31.390), muß gegen die Annahme eines Pachtverhältnisses sprechen (SZ 58/8 uza).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die klagende Partei ein Kurhaus betreibt und der Beklagten mit "Pachtvertrag" nicht nur gestattete, sondern sie auch dazu verpflichtete, in enger Verbindung mit dem Betrieb des Kurhauses einen Fußpflegesalon als Nebenbetrieb einzurichten und zu betreiben. Dem Bestandvertrag ist das große Interesse der klagenden Partei an der ordentlichen Bewirtschaftung dieses Nebenbetriebes deutlich entnehmbar. Ausdrücklich wurde festgehalten, daß schon eine verhältnismäßig kurze Betriebsunterbrechung einen "Sofortauflösungsgrund" darstellt. Der Nebenbetrieb sollte den Saunagästen der klagenden Partei zusätzliche Leistungen erbringen, die im Rahmen eines modern geführten Kurhauses von den Kunden erwartet werden. Es kommt daher nicht darauf an, daß die Beklagte auch sogenannte Laufkundschaft betreute, weil nach den getroffenen Feststellungen der Kundenkreis sich aus Gästen des Kurhauses zusammensetzen sollte und im wesentlichen auch tatsächlich aus solchen zusammengesetzt war.

Im Vergleich zu den dargestellten Kriterien, die für die Annahme einer Unternehmenspacht sprechen, tritt die von der Beklagten geltend gemachte Tatsache, daß sie die beiden Räume selbst einrichten mußte, in ihrer Bedeutung doch auffallend zurück. Die Einrichtung bestand nur aus einfachem Mobiliar wie Kasterln, Sesseln, Pulten udgl. (vgl. AS 55), das im Vergleich zu den von der klagenden Partei im Rahmen ihres Kurhauses mit Sauna als Hauptbetrieb der Beklagten übertragenen Pflicht zum Betrieb eines damit in Verbindung stehenden Fußpflegesalons gehörigen keine ins Gewicht fallende wirtschaftliche Bedeutung hatte. Der Fall unterscheidet sich demnach in seinem wesentlichen Belang nicht von jenen Bestandverhältnissen, bei deren Beurteilung der Oberste Gerichtshof einen nicht kündigungsgeschützten Pachtvertrag annahm (vgl. hiezu SZ 58/8 und die dort angeführten Beispielsfälle). Der Revision der Beklagten war somit der Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19592

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00659.89.1123.000

Dokumentnummer

JJT_19891123_OGH0002_0080OB00659_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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