TE OGH 1989/11/29 1Ob680/89

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Veröffentlicht am 29.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Slavoljub J***, Hilfsarbeiter, Wien 22., Industriestraße 66/2, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Z*** UND K*** W***, Wien 3., Vordere

Zollamtstraße 13, vertreten durch Dr. Hans Frieders, Dr. Christian Tassul, Dr. Georg Frieders, Rechtsanwälte in Wien, Nebenintervenient auf Seite der beklagten Partei Dipl.Ing. Arch. Emanuel A***, Wien 13., Fasangartengasse 43, vertreten durch Dr. Karl Arlamovsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 270.000,--, monatliche Rente von S 6.510 und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Februar 1989, GZ. 17 R 263/88-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 8. Juni 1988, GZ. 35 Cg 53/87-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.463,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.910,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im September 1985 wurden in der Filiale der beklagten Partei Floridsdorf, Am Spitz, Umbau- und Adaptierungsarbeiten vorgenommen. Die Firma F*** Gesellschaft mbH (im folgenden Firma F***), deren Dienstnehmer der Kläger war, wurde mit Zwischenreinigungsarbeiten beauftragt. Sie bestätigte in ihrer Anbotserklärung, die Baustelle besichtigt zu haben und mit den örtlichen Verhältnissen vertraut zu sein. Auch der Umfang der durchzuführenden Arbeiten war ihr genau erklärt worden. Am 9. August 1985 waren durch die Firma F*** solche Zwischenreinigungsarbeiten durchzuführen. Es sollten der begehbare Teil der Zwischendecke gesaugt und die vorhandenen Tische, Sessel und Schränke feucht abgewischt werden. Über den Umfang der Arbeiten waren durch die Firma F*** deren Vorarbeiter und der Betriebsleister instruiert worden. Die Zwischendecke reicht nicht bis zur abschließenden Glasziegelwand. Dazwischen liegt ein tiefer gelegener etwa 1 m breiter Schacht, dessen Oberfläche mit einem (nicht tragfähigen) styroporartigen Material ausgelegt war. Abgesichert war dieser Schacht durch eine Brüstung und ein an deren Hinterkante montiertes Geländer (insgesamt Höhe 80 cm). Als der Kläger als Dienstnehmer der Firma F*** am 9. August 1985 in dem durch die Zwischendecke geschaffenen Raum Reinigungsarbeiten vornahm, stieg er, um die Ballustrade zu reinigen, in den beschriebenen Schacht. Dessen Abdeckung brach durch; der Kläger stürzte in das Erdgeschoß und wurde schwer verletzt.

Der Kläger begehrt den Zuspruch eines Schmerzengeldes von S 270.000, einer lebenslänglichen monatlichen Rente von S 6.510 und die Feststellung, daß die beklagte Partei ihm für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 9. August 1985 zu haften habe. Der Kläger habe, um einen Tisch reinigen zu können, den Schacht betreten müssen. Er sei nicht darauf aufmerksam gemacht worden, daß dieser Teil der Zwischendecke nicht betreten werden dürfe. Es sei für ihn den äußeren Umständen nach nicht erkennbar gewesen, daß das Betreten dieser Stelle gefährlich sei. Die beklagte Partei sei ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Obwohl sie Reinigungsarbeiten angeordnet habe, habe sie nicht für die Sicherung des Reinigungspersonals gesorgt. Es sei davon auszugehen, daß bei der Reinigung der Büromöbel die gesamte Decke von Arbeitern betreten werde. Die beklagte Partei habe weder für eine Absicherung gesorgt noch die Arbeiter bzw. ihren Vertragspartner entsprechend gewarnt. Der Schacht sei von den Reinigungsarbeiten nicht ausgenommen worden; er habe in Erfüllung des erteilten Auftrages betreten werden müssen. Die beklagte Partei sei den mit jedem Schuldverhältnis verknüpften Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten nicht nachgekommen. Solche hätten auch gegenüber dritten Personen, die der vertraglichen Leistung nahestünden, bestanden. Der Kläger zähle als Dienstnehmer der Firma F*** zu diesem Personenkreis.

Die beklagte Partei wendete ein, der nicht begehbare Schacht sei in die Reinigungsarbeiten nicht einbezogen gewesen. Der Schacht sei durch eine Brüstung, die mit einem Geländer versehen sei, hinreichend abgesichert. Der Firma F*** seien an Ort und Stelle die durchzuführenden Arbeiten dargelegt worden; es sei lediglich der begehbare Teil der Galerie, der mit Teppichböden ausgelegt sei, mit Staubsaugern zu bearbeiten gewesen. Die Einrichtungsgegenstände hätten feucht abgewischt werden sollen. Die beklagte Partei sei nicht zum Ersatz der Schäden des Klägers verpflichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest: Es sei augenscheinlich, daß der Schacht nicht hätte betreten werden dürfen. Der Vorarbeiter der Firma F***, Peter C***, habe dem Kläger die vorzunehmenden Arbeiten erklärt und, da der Kläger der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig sei, auch demonstriert, daß der Kläger nur so weit er reichen konnte die Ballustrade reinigen sollte. Rechtlich folge daraus, daß der beklagten Partei bzw. ihren Erfüllungsgehilfen eine Verletzung sie treffender Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht angelastet werden könne. Die beklagte Partei habe ihre Verkehrssicherungspflicht erfüllt, indem sie den Schacht und die Zwischendecke durch die mit einem Geländer versehene Ballustrade abgegrenzt habe. Der Unfall sei ausschließlich auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen, der den Anweisungen des Vorarbeiters nicht Folge geleistet habe und sich auf die Zwischendecke begeben habe, obwohl ihm die fehlende Tragfähigkeit derselben hätte erkennbar sein müssen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes.

Entscheidungswesentlich sei, daß der Kläger ausdrücklich von seinem Vorarbeiter angewiesen worden sei, die Ballustrade nur bis zur Abschrankung zu reinigen, nicht aber über diese hinaus. Der Kläger habe den Unfall selbst verschuldet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der beklagten Partei kann weder ein Verstoß der sie nach §§ 1157, 1169 ABGB treffenden Fürsorgepflicht noch eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten angelastet werden. Zu den werkvertraglichen Nebenpflichten gehört zwar auch der Schutz des Lebens und der Gesundheit des Unternehmers und seiner Leute, sodaß von der Fürsorgepflicht auch die Dienstnehmer des mit dem Werk beauftragten Unternehmers umfaßt sind (RZ 1963, 96; SZ 14/71; Grillberger in Schwimann, ABGB, Rz 4 und 6 zu § 1169, Krejci in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1169). Die zur Verfügung gestellte Arbeitsstätte fällt unter den Begriff Raum des § 1157 Abs 1 ABGB (SZ 14/71; Grillberger aaO). Ihrer Fürsorgepflicht entsprach aber die beklagte Partei als Bestellerin der Reinigungsarbeiten, da für jeden und daher auch für das Reinigungspersonal durch die räumliche Gestaltung der zu reinigenden Räume mit einer ca. 80 cm hohen, mit einem Geländer versehenen Ballustrade klar ersichtlich war, daß ein dahinterliegender Schacht, der nicht in die Reinigungsarbeiten einbezogen war, nicht zu betreten ist. Ein an sich gefährlicher Arbeitsplatz liegt dann aber nicht vor. Weitere Hinweise oder Warnungen waren nicht erforderlich. Sind aber die notwendigen Vorkehrungen getroffen worden, dann kann auch eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht vorliegen.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19436

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00680.89.1129.000

Dokumentnummer

JJT_19891129_OGH0002_0010OB00680_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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