TE OGH 1989/11/30 6Ob654/88 (6Ob655/88)

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Veröffentlicht am 30.11.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1./ Hubert K***, Geschäftsführer, Langenwang, Schöbing 41, und 2./ K*** KG, Krieglach, beide vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagten Parteien 1./ Jakob S***, Landwirt, Krieglach,

Malleisten 24, und 2./ Alfred M***, Gemeindekassier, Krieglach, Roseggerstraße 108, beide vertreten durch Dr. Anton Eichinger, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Unterlassung (Teilstreitwert 500.000 S), Widerrufes (Teilstreitwert 250.000 S), Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung (Teilstreitwert: 100.000 S) und Feststellung (Teilstreitwert: 100.000 S), infolge der Revisionen der klagenden Parteien und der ersten beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5.Mai 1988, GZ 4 a R 51,52/88-46, womit infolge der Berufungen der klagenden Parteien und der ersten beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 10.Dezember 1987, GZ 8 Cg 489/86-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der Kläger wird nicht stattgegeben.

Die Kläger sind schuldig, dem Zweitbeklagten die mit 18.687,24 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 1.698,84 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Der Revision des ersten Beklagten wird stattgegeben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung der gegen ihn erhobenen Klagebegehren auf Unterlassung einer Verbreitung der Behauptung, die Firma K*** KG lege falsche Abrechnungen bezüglich des Schotterabbaues gegenüber der Marktgemeinde Krieglach, oder ähnlicher Behauptungen; auf Widerruf der zitierten Behauptung gegenüber den in der Sitzung vom 4.Dezember 1986 anwesend gewesenen Mitgliedern des Gemeinderates der Marktgemeinde Krieglach sowie gegenüber der Kleinen Zeitung, Ausgabe Steiermark; auf Ermächtigung zur Veröffentlichung des Widerrufes auf Kosten des ersten Beklagten in der Kleinen Zeitung, Ausgabe Steiermark, und auf Feststellung der Haftung des ersten Beklagten gegenüber den Klägern für alle künftig entstehenden Schäden aus der oben zitierten Behauptung abgeändert. Die Kläger sind schuldig, dem ersten Beklagten die mit 151.429,02 S bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten an Barauslagen 44.136,50 S und an Umsatzsteuer 9.753,86 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die zweite Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft. Sie betreibt ein Beton- und Schotterwerk. Der erste Kläger ist Geschäftsführer ihrer Komplementärgesellschaft. Er hatte mit einer steirischen Gemeinde einen Vertrag über die Gewinnung von Grundschotter und die Anlegung eines Baggersees auf zwei gemeindeeigenen Grundstücken geschlossen. Als Pachtschilling war eine pro Kubikmeter entnommenen Schotters (loser Zustand) mit 18 S zuzüglich Umsatzsteuer (unter Vereinbarung einer Wertsicherung) festgelegte Vergütung vereinbart. Der erste Beklagte ist Obmann einer Gemeinderatsfraktion und Vizebürgermeister, der zweite Beklagte ist Mitglied derselben Gemeinderatsfraktion wie der erste Beklagte und Gemeindekassier der steirischen Marktgemeinde, die mit dem ersten Kläger den Schotterabbauvertrag geschlossen hat. Die zweite Klägerin gewann ab Januar 1981 aufgrund des im Dezember 1980 geschlossenen Vertrages Schotter aus den gemeindeeigenen Grundstücken. Nach ihren der Verrechnung des Pachtschillings zugrundegelegten Angaben beträgt die Gesamtmenge des bis April 1985 (AS 266) gewonnenen Schotters rund 114.000 m3. Dem Leiter des Baureferates der Gemeinde oblag die Kontrolle der von der zweiten Klägerin abgebauten Schottermengen. 1982 kamen dem Leiter des Baureferates nach eigenen überschlagsartigen Berechnungen Bedenken gegen die Richtigkeit der von der zweiten Klägerin verrechneten Schottermengen. Zur Kontrolle vorgenommene Vermessungen und Zwischenberechnungen deckten aber die von der zweiten Klägerin vorgenommene Verrechnung.

Erschwerende Besonderheiten einer nachträglichen Kontrolle der tatsächlich gewonnenen Schottermengen liegen vor allem darin, daß einerseits aus einem unter dem Grundwasserspiegel liegenden Gelände abgebaggert worden war und andererseits, daß in den Baggersee nicht nur gemeindeeigene Flächen, sondern auch Flächen eines privaten Grundeigentümers einbezogen wurden, die die zweite Klägerin durch denselben Baggerunternehmer abbauen ließ. Die tatsächlich gewonnene Schottermenge kann nachträglich nur durch eine genaue Vermessung ermittelt werden.

Die Frage der Abrechnung der Schottergewinnung aus Gemeindegrund stand wiederholt auf der Tagesordnung des Gemeinderates. Im Herbst 1986 fand die Abrechnung der Schottergewinnung durch die zweite Klägerin in den Gemeindeorganen folgende Behandlung:

Auf Anregung des ersten Beklagten setzte der Bürgermeister für 24. November 1986 eine Sitzung des Gemeindevorstandes fest. In dieser Sitzung teilte der Bürgermeister mit, daß zur Schottergewinnung der zweiten Klägerin auf gemeindeeigenem Grund die Verrechnung nach dem Vertrag vom Dezember 1980 vorgenommen und der Schotterabbau durch den Baureferenten der Gemeinde stichprobenweise überprüft wurde. In der Gemeindevorstandsitzung kamen die von der zweiten Klägerin als gewonnen angegebene Schottermenge (rund 114.000 m3) und das hiefür bezahlte Entgelt zur Sprache. Der der Gemeindevorstandssitzung (als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der zweiten Klägerin) beigezogene erste Kläger bezog sich auf ein Privatgutachten, demzufolge die abgebaute Schottermenge nur mit 83.000 m3 ermittelt worden sei. Er wies darauf hin, daß nach dem Ablauf der vereinbarten zehnjährigen Vertragsdauer im Jahre 1990 eine Endvermessung durchgeführt und der Endabrechnung zugrunde gelegt werden würde. Der Kontroll- und Prüfungsausschuß der Gemeinde machte die Verrechnung des Schotterabbaus durch die zweite Klägerin in der Sitzung vom 27.November 1986 zum Gegenstand seiner Beratungen. (Angeregt wurde eine gemeinsame Sitzung von Gemeindevorstand und Prüfungsausschuß, zu der der erste Kläger zwecks voller Aufklärung eingeladen werden sollte.)

Am selben Tag richtete der erste Kläger an den ersten Beklagten ein Schreiben, in dem er den Standpunkt vertrat, alle Vorwürfe wegen Erstellung unrichtiger Abrechnungen seien durch die Vermessungsergebnisse eines anerkannten technischen Büros entkräftet. Dem fügte der erste Kläger wörtlich hinzu, er würde "bei Beibehaltung dieser Vorwürfe zur Auffassung gelangen müssen, daß solche Behauptungen von Ihnen wider besseren Wissens erhoben werden". In der - gemäß § 59 Abs 1 StmkGemO öffentlichen - Sitzung des Gemeinderates vom 4.Dezember 1986 wurde im Sinne des Kontrollausschußberichtes die Abrechnung des Schotterabbaus durch die zweite Klägerin behandelt. Nach dem Inhalt des Protokolles über die Gemeinderatssitzung bezweifelte der erste Beklagte die Richtigkeit der Abrechnungen zwischen der zweiten Klägerin und der Gemeinde. Der erste Beklagte gab seiner Auffassung kund, daß nach seinen Schätzungen, die teils auf eigenen Anschauungen beruhten und teils durch Vermessungsfachleute bestätigt worden seien, beim Schottersee an die 200.000 m3 Schotter entnommen worden seien, während die zweite Klägerin lediglich 114.000 m3 angegeben und bezahlt hätte. Der erste Beklagte beantragte wegen dieses Sachverhaltes die Anzeige bzw Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft. Auf die Anfrage eines anderen Gemeinderatsmitgliedes erklärte der erste Beklagte, die von ihm geforderte Anzeige sollte sich gegen den Bürgermeister wegen Mißachtung der Kontrolltätigkeit, aber auch gegen die zweite Klägerin wegen unrichtiger Bekanntgabe der Schotterabbaumenge richten. Dieser Antrag des ersten Beklagten fand nur die Zustimmung seiner Fraktion und wurde daher abgelehnt.

Zwei Tageszeitungen berichteten in ihrer Ausgabe vom 6.Dezember 1986 über die Gemeinderatssitzung unter namentlicher Nennung der zweiten Klägerin und des ersten Beklagten.

Die Gemeinderatsfraktion, die den vom ersten Beklagten angegriffenen Bürgermeister stellte, verbreitete in Form einer Postwurfsendung eine Gegendarstellung.

Über Auftrag der Gemeinde vom 9.Dezember 1986 erstattete am 17. Dezember 1986 ein Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen einen Bericht über die Vermessungsergebnisse, die der von der zweiten Klägerin beauftragte Privatgutachter zugrundegelegt hatte, und befand die Vermessungsergebnisse als ausreichend genau. In einer noch im Dezember 1986 verbreiteten Sonderausgabe der von der Gemeinde herausgegebenen Gemeindenachrichten wurden das Prüfungsergebnis und dessen Vorgeschichte dargestellt. Die beiden Tageszeitungen berichteten in ihrer Ausgabe vom 24. Dezember 1986 über das Ergebnis der Überprüfung durch den Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen in dem Sinne, daß sich die Anschuldigung der beiden Beklagten als haltlos herausgestellt hätten. In einer im Dezember verbreiteten Folge der von ihr herausgegebenen Mitteilungen informierte die mit dem Namen des ersten Beklagten bezeichnete Namensliste darüber, daß die vorgenommene Kontrollmessung keine von der Fraktion des ersten Beklagten geforderte Gesamtvermessung dargestellt habe. Der erste Kläger erhob am 14.Januar 1987 gegen den ersten Beklagten Privatanklage wegen übler Nachrede. In dieser Anklage deutete der erste Kläger den Vorwurf einer Verleumdung an. Diesbezüglich gab die Staatsanwaltschaft eine Erklärung im Sinne des § 90 StPO ab. Über die Privatanklage erging noch keine Entscheidung. Nach der Begutachtung durch den im Rechtsstreit zum Sachverständigen bestellten Universitätsprofessor und Ingenieurkonsulenten für Markscheidewesen ist die tatsächlich abgebaute Schottermenge unter Berücksichtigung des vertraglich als Bemessungsgrundlage festgelegten aufgelockerten ("losen") Zustandes bei einer möglichen Abweichung nach oben oder unten im Ausmaß von 5 % mit 110.568,75 m3 anzunehmen. Eine Abbaumenge von 180.000 m3 ist ausgeschlossen.

Das Prozeßgericht erster Instanz nahm nicht als erwiesen an, daß auch der zweite Beklagte in der Gemeinderatssitzung oder außerhalb dieser die Behauptung aufgestellt hätte, die zweite Klägerin habe eine größere Schottermenge aus gemeindeeigenem Grund gewonnen, als sie der Gemeinde gegenüber verrechnet habe. Der zweite Beklagte hat lediglich als Mitglied der vom ersten Beklagten angeführten Gemeinderatsfraktion für den von der Gemeinderatsmehrheit abgelehnten Antrag gestimmt, die Abrechnung der zweiten Klägerin einer Überprüfung zu unterziehen und das Verhalten des Bürgermeisters wegen Verdachtes mangelhafter Wahrnehmung seiner Kontrollpflichten der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Mit der noch am 24.Dezember 1986 angebrachten Klage begehrten die der unrichtigen Abrechnung verdächtigte Handelsgesellschaft und der Geschäftsführer ihrer Komplementärgesellschaft die Verurteilung der beiden Beklagten, die Verbreitung der Behauptung zu unterlassen, daß die zweite Klägerin bezüglich ihres Schotterabbaues gegenüber der Gemeinde falsche Abrechnungen lege, sowie die erwähnte Behauptung gegenüber den in der Sitzung vom 4.Dezember 1986 anwesend gewesenen Gemeinderatsmitgliedern sowie gegenüber zwei Tageszeitungen zu widerrufen; ferner beantragten die Kläger die Ermächtigung, den Widerruf in den beiden genannten Tageszeitungen auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen, und letztlich stellten die Kläger das Feststellungsbegehren, daß die Beklagten ihnen für künftige, aus der fälschlichen Behauptung entstehenden Schäden hafteten.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem gegenüber dem ersten Beklagten gestellten Begehren in allen Punkten statt, das gegen den zweiten Beklagten gestellte Begehren wies es hingegen in allen Punkten ab.

Das Berufungsgericht bestätigte sowohl den klagsstattgebenden Ausspruch gegen den ersten Beklagten als auch die Abweisung der Klage gegenüber dem zweiten Beklagten. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Streitgegenstandes in Ansehung jedes der beiden Berufungsgegenstände 300.000 S übersteigt. In rechtlicher Beurteilung hatte das Prozeßgericht erster Instanz gefolgert:

Der erste Beklagte habe in einer Gemeinderatssitzung, also öffentlich, behauptet, die zweite Klägerin hätte zum Nachteil der Gemeinde als deren Vertragspartner tatsächlich 180.000 m3 Schotter abgebaut, aber nur 114.000 m3 der Verrechnung des Abbauzinses zugrundegelegt. Diese Tatsachenbehauptung habe sich als objektiv unrichtig herausgestellt. Die unwahre Behauptung sei geeignet, Kredit, Erwerb und Fortkommen der beiden Kläger zu gefährden. Der erste Beklagte habe die die Kläger schädigenden Behauptungen künftig zu unterlassen. Das Prozeßgericht erster Instanz billigte dem ersten Beklagten zwar das Vorliegen subjektiver Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Behauptung zu, unterstellte aber offensichtlich dennoch, daß der erste Beklagte die Unwahrheit seiner Behauptung bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit hätte kennen müssen, sodaß er auch zum Widerruf und zur Veröffentlichung der Widerrufserklärung sowie zum Ersatz des - als nicht ausgeschlossen

angenommenen - künftigen Schadens verpflichtet sei. Mangels einer erwiesenen Tatsachenbehauptung des zweiten Beklagten sei dagegen das gegen ihn gerichtete Klagebegehren in allen Punkten abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht billigte die in Ansehung des zweiten Beklagten erfolgte Beweiswürdigung, übernahm in dieser Hinsicht die negative Feststellung des Erstgerichtes, daß er in der Öffentlichkeit keine Behauptung im Sinne des Klagebegehrens gemacht habe, und erachtete demgemäß die von einem anderen Sachverhalt ausgehende Rechtsrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Durch die zugestandene Unterfertigung der Strafanzeige habe der zweite Beklagte aber den Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB nicht erfüllt. In Ansehung des ersten Beklagten sah das Berufungsgericht nicht nur die Verbreitung einer ihrem Inhalt nach die Kläger im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB gefährdende Behauptung in der Öffentlichkeit, sondern auch die objektive Unrichtigkeit als erfüllte Anspruchsvoraussetzungen an. Dem ersten Beklagten sei der damit ihm oblegene Entlastungsbeweis mangelnder Vorwerfbarkeit seiner Tatsachenverbreitung nicht gelungen. Ihm käme auch nicht als Rechtfertigungsgrund zustatten, daß er als Mitglied des Gemeinderates in einer Gemeinderatssitzung ohne eine gegen die Kläger gerichtete Absicht die Interessen der Gemeinde vertreten habe. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes hätte der erste Beklagte seiner Pflicht zur Wahrung von Gemeindeinteressen auch in anderer Weise nachkommen können, ohne in diesem Zusammenhang unwahre Tatsachenbehauptungen aufzustellen, von deren Richtigkeit er nicht habe überzeugt sein können, deren Unrichtigkeit er also bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Das von der zweiten Klägerin in Auftrag gegebene Privatgutachten sei im Zeitpunkt der Gemeinderatssitzung vom 4.Dezember 1986 vorgelegen und auch dem ersten Beklagten bekannt gewesen. Daß der erste Beklagte aufgrund eigener Messungen die dem Privatgutachten zugrundegelegten Meßergebnisse bezweifelt habe, habe ihn nicht zu entlasten vermocht. Eine von der Gemeinde in Auftrag gegebene Überprüfung habe das Privatgutachten bestätigt. Spätestens dann hätte der erste Beklagte seine Behauptung zurücknehmen und für eine Veröffentlichung seines Widerrufes sorgen müssen, um einer Haftung zu entgehen. Der erste Beklagte beharre aber auf der Richtigkeit seiner Behauptung, obwohl in der Presse das Ergebnis des von der Gemeinde in Auftrag gegebenen Gutachtens im Sinne einer öffentlich erwähnten Rehabilitierung der beiden Kläger genannt worden sei. In Ansehung des Unterlassungsbegehrens sei die Gefahr einer Wiederholung der Tatsachenverbreitung durch den ersten Beklagten nicht auszuschließen. Wegen der in der Gemeinderatssitzung öffentlich abgegebenen Erklärung stünde den Klägern ein Anspruch auf Widerruf in der gleich wirksamen Weise, und zwar wegen des Presseechos auch die Veröffentlichung des Widerrufes in den Zeitungen zu. Auch das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Schadenersatzpflicht sei schon wegen der sich mit dem Verlauf der Zeit vergrößernden Beweisschwierigkeiten berechtigt.

I.

Die Kläger fechten das Berufungsurteil insoweit an, als die Abweisung der gegen den zweiten Beklagten erhobenen Begehren bestätigt wurde. Sie unterstellen ihre Rechtsmittelausführungen ausdrücklich dem "Revisionsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung", dem "Revisionsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung" sowie jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Revisionsantrag der Kläger ist auf eine Abänderung des Urteiles im Sinne ihres Klagebegehrens gerichtet. Hilfsweise stellen die Kläger einen Aufhebungsantrag.

Der zweite Beklagte strebt die Bestätigung der Abweisung der gegen ihn erhobenen Begehren an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist nicht berechtigt.

Die dem Anfechtungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung unterstellten Ausführungen wenden sich gegen die vom Berufungsgericht als tatsächliche Entscheidungsgrundlage übernommene negative erstrichterliche Feststellung, daß sich der zweite Beklagte - abgesehen von der von ihm mitgefertigten Strafanzeige - nicht im inkriminierten Sinn geäußert habe. Dies unterliegt als Tatsachenfeststellung keiner weiteren Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Davon zu unterscheiden wäre die rechtliche Wertung einer Untätigkeit des Beklagten gegenüber Presseberichten, nach denen er gemeinsam mit dem ersten Beklagten Urheber der inkriminierten Äußerungen gewesen sei (Frage nach einer Behauptung und Verbreitung in der Begehungsform der Unterlassung; vgl dazu Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 14 zu § 1330; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2, II, 176 und Ehrenzweig, System2 II/1, 659, alle unter Zitierung von SZ 7/133). Unter diesem Gesichtspunkt könnte in den Rechtsmittelausführungen zur unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung der Sache nach die Rüge eines Feststellungsmangels gelegen sein. Abgesehen davon, daß eine Rüge in dieser Richtung viel zu unbestimmt ausgeführt wäre und nur vermutet werden könnte, wäre sie, wie zur Revision des ersten Beklagten darzulegen sein wird, auch nicht stichhältig. Soweit sich die Kläger gegen die Wendung in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteiles wenden, daß sie sich nach ihrem Prozeßstandpunkt nicht auch durch die Erstattung der Strafanzeige in ihrem Ruf geschädigt fühlten, liegt der Sache nach eine Aktenwidrigkeitsrüge vor, zumal das Berufungsgericht nach seiner Deutung des Prozeßvorbringens der Kläger gefolgert hat, daß die Anzeigenerstattung nicht Verfahrensgegenstand sei. Da das Berufungsgericht aber dennoch zur Haftung des zweiten Beklagten für die Behauptungen in der von ihm mitgefertigten Strafanzeige Stellung genommen hat, wäre auch eine aktenwidrige Annahme eines den Streitgegenstand beschränkenden Tatsachenvorbringens unerheblich geblieben.

Die Rechtsrüge der Kläger ist nicht stichhältig. Eine nicht wider besseres Wissen erstattete Strafanzeige ist in der Mitwirkung aller Rechtsgenossen an der Strafrechtspflege gerechtfertigt und macht deshalb, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, auch nicht nach § 1330 Abs 2 ABGB haftbar. Die Revisionsausführung, daß beide Beklagten, also auch der zweite Beklagte, die Anzeigeerstattung "in der Öffentlichkeit breitgetreten" hätten, findet in den Tatsachenfeststellungen keine Grundlage.

Aus diesem Grunde und den zur Revision des ersten Beklagten darzulegenden Erwägungen zur Rechtfertigung war der Revision der Kläger ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht

auf den §§ 41 und 50 ZPO.

II.

Der erste Beklagte erhebt - mit einer offensichtlich zu weit gefaßten Anfechtungserklärung - gegen das Berufungsurteil insoweit aus den Revisionsgründen der wesentlichen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwirigkeit und der unrichtigen Beurteilung der Sache mit einem auf Klagsabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Abänderungsantrag Revision, als das Berufungsgericht das den Klagebegehren gegen den ersten Beklagten stattgebende Urteil bestätigt hat. Die Kläger streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die Revision des ersten Beklagten ist berechtigt.

Im Rahmen der Rechtsrüge ist vorweg zur Rechfertigung einer fahrlässigen Verbreitung unwahrer, Kredit, Erwerb oder Fortkommen eines Dritten gefährdender Tatsachen durch die Ausübung öffentlich-rechtlicher Pflichten zu erwägen:

Die Verbreitung von Tatsachen, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit der Täter kannte oder kennen mußte, macht im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB ersatzpflichtig. Eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt und an der er oder der Empfänger ein berechtigtes Interesse hat, erfüllt nach dem dritten Satz der zitierten Gesetzesstelle den Haftungstatbestand nicht. Die für die durch § 168 III.TN eingeführte Regelung zum Vorbild genommene Bestimmung des § 824 BGB enthält im Gegensatz zu § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB keine Einschränkung auf nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilungen.

Das in beiden Regelungen gleichlautend umschriebene "berechtigte Interesse" ist ein in den Haftungstatbestand aufgenommener Rechtfertigungsgrund. Damit wird aber keine abschließende Regelung der Rechtfertigung getroffen, so daß die allgemeinen Rechtfertigungsgründe neben § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB zum Tragen kommen können.

Als solchen Rechtfertigungsgrund hat der erste Beklagte die Ausübung seines Gemeinderatsmandates geltend gemacht. Grundsätzlich muß im Interesse der Aufklärung aller Umstände, die für eine Beurteilung und Entscheidung in solchen öffentlichen Angelegenheiten geboten erscheinen, die nach der jeweiligen Gemeindeordnung der Beschlußfassung im Gemeinderat vorbehalten sind, in Kauf genommen werden, daß in der Debatte über solche Angelegenheiten persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse von Einzelpersonen oder anderen Rechtsträgern erörtert werden, soweit sie mit dem Gegenstand der Debatte in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Bewußte Unwahrheiten ausgenommen, soll dabei ein das öffentliche Mandat ausübender Antragsteller, Fragesteller oder Debatenredner wegen des öffentlichen Interesses an der Funktionsausübung, wiewohl sie in öffentlicher Sitzung erfolgen muß (siehe im Anlaßfall § 59 Abs 1 StmkGemO 1967), für sachlich zum Thema der Intervention gehörende und maßvolle Tatsachenbehauptungen einem betroffenen Dritten gegenüber nicht schadenersatzpflichtig werden, wie beispielsweise auch eine derartige Tatsachenbehauptung in einer Anklage oder in einem Plädoyer eines Vertreters der Anklagebehörde im Strafverfahren, im Vorbringen eines Parteienvertreters in einem Zivilprozeß oder in der Begründung einer gerichtlichen Entscheidung wegen des öffentlichen Interesses an der Rechtspflege (ungeachtet der Öffentlichkeit der Tatsachenbehauptung) gerechtfertigt ist.

In diesem Sinne könnte nur eine bewußt unrichtige Tatsachenbehauptung oder eine in fahrlässiger Unkenntnis der Unwahrheit verbreitete Tatsachenbehauptung, die nach dem Interventionsgegenstand einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch § 1330 Abs 2 ABGB geschützten Interessen eines durch die Tatsachenbehauptung Betroffenen bedeutete, für Äußerungen in einer Gemeinderatssitzung schadenersatzrechtlich verantwortlich machen. Eine im Bewußtsein ihrer Wahrheitswidrigkeit erfolgte Tatsachenverbreitung ist dem ersten Beklagten nach dem festgestellten Sachverhalt nicht anzulasten.

Die Verhältnismäßigkeit der die nach § 1330 Abs 2 ABGB geschützten Interessen der Kläger gefährdenden Behauptungen des ersten Beklagten gegenüber der Bedeutung einer Aufklärung der strittigen Abrechnungsfragen im öffentlichen Interesse der Gemeinde ist eine Wertungsfrage, die nach der Ansicht des erkennenden Senates aufgrund des festgestellten Sachverhaltes zugunsten des ersten Beklagten ausfällt, weil dieser weder in der Form noch im sachlichen Gehalt seines im Gemeinderat gestellten Antrages und der dazu ausgeführten Begründung einerseits andere Absichten erkennen ließ, als die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Gemeinde und der legitimen politischen Interessen der von ihm geführten Gemeinderatsfraktion (die nebenbei bemerkt, mit 10 von 25 Sitzen nicht zwei Drittel sondern 40 % der Mandate inne hat) und andererseits nur solche inhaltlich die Kläger belastende Behauptungen aufstellte, die zur konkreten Intervention erforderlich erscheinen durften.

Der Prozeßstandpunkt der Kläger, der erste Beklagte habe (innerhalb und außerhalb der Gemeindeorgane) eine gegen sie gerichtete Kampagne geführt, ist durch den festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt.

Fanden die Interventionen des ersten Beklagten in den Sitzungen des Gemeindevorstandes und des Gemeinderates und in diesem Zusammenhang auch die Strafanzeige ihre Rechtfertigung in der Ausübung des Gemeinderatsmandates, erübrigen sich sämtliche weiteren Erörterungen.

Der Revision des ersten Beklagten war vielmehr stattzugeben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Abänderung des Urteiles erster Instanz im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Die Entscheidung über die Kosten aller drei Instanzen beruht auf § 41 ZPO, jene in Ansehung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens in Verbindung mit § 50 ZPO. Für den Vertagungsantrag vom 30.Juni 1987 konnte kein Kostenersatz zuerkannt werden. Für die Beweisanträge vom 4. Juni (ON 9) und vom 16.November 1987 (ON 29) waren Kosten nach Tarifpost 2 zuzusprechen (TP 2 I 1 Buchstabe e). Da die einstweilige Verfügung in Rechtskraft erwachsen ist, ist über die dem Gegner der gefährdeten Partei im Sicherungsverfahren erwachsenen Kosten (Kosten der Äußerung ON 2) gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Bei den Barauslagen wurde auf den Beschluß vom 3.Februar 1988, ON 39, Bedacht genommen.

Anmerkung

E19286

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00654.88.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19891130_OGH0002_0060OB00654_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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