TE OGH 1989/12/5 15Os142/89

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Veröffentlicht am 05.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Lassmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf B*** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht St. Pölten vom 13.September 1989, GZ 24 Vr 1131/88-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Philipp, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben: das angefochtene Urteil, welches sonst unberührt bleibt, wird in der Unterstellung der dem Angeklagten lt. Pkt B des Schuldspruchs zur Last fallenden Tat unter die (weitere) Qualifikation nach § 106 Abs. 1 Z 1 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch, jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft, aufgehoben.

Gemäß § 351 StPO wird im Umfang der Aufhebung unter Ausschaltung der bezeichneten Qualifikation in der Sache selbst entschieden:

Rudolf B*** wird für die nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs von ihm zu verantwortenden strafbaren Handlungen, und zwar die Verbrechen (A) des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und (B) der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 2 StGB sowie (C) das Vergehen nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG, nach §§ 28 Abs. 1, 75 StGB zu 12 (zwölf) Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Rudolf B*** der Verbrechen (A 1 und 2) des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und (B) der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB sowie (C) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt. Darnach hat er am 5.Dezember 1988 in (deutlicher: im Gemeindegebiet von) St. Valentin

(zu A) Ingeborg K*** und Karl S*** vorsätzlich zu

töten versucht, indem er, um sie an einem entlegenen Ort in Endholz mit einer Pistole zu erschießen, (zu 1) K*** unter Bedrohung mit dieser Pistole zum gemeinsamen Verlassen ihrer Wohnung in Ernsthofen, zum Einsteigen in seinen PKW zum Mitfahren und zum Aussteigen an dem von ihm gewählten Platz zwang sowie (zu 2) S*** auf die gleiche Weise zum gleichen Verhalten, jedoch überdies zum Lenken des PKWs anstatt zum bloßen Mitfahren zwang, ferner zwei gezielte Schüsse mit der Pistole gegen seinen Körper abgab und schließlich mit einem Messer in Richtung Herzgegend und Rücken zustach, wodurch der Genannte (unter anderem) eine Durchschußverletzung, beginnend an der rechten Schulter und mit Austritt der Kugel im Wirbelsäulenbereich, sowie eine ca. 10 cm lange Schnittwunde im linken Schläfenbereich erlitt; (zu B) K*** und S*** durch gefährliche Drohung, wobei er sie längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte, und zwar durch ihre Bedrohung mit einer geladenen Pistole, zum Ankleiden, zum Verlassen ihrer Wohnung, zum Einsteigen in seinen PKW und zum Mitfahren sowie (S*** auch) zum Lenken des Fahrzeugs an einen entlegenen Ort genötigt, wobei er dort ihr Erschießen mit der Pistole ankündigte; und

(zu C) eine Faustfeuerwaffe, nämlich die zuvor (unter den Pkten A und B) bezeichnete Pistole "Beretta 9 mm", unbefugt geführt. Der nur die Schuldsprüche lt. den Pkten A und B bekämpfenden, auf § 345 Abs. 1 Z 4, 6, 8 und 11 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Einen aus dem zuerst relevierten Grund (Z 4) mit Nichtigkeit bedrohten Verstoß gegen § 260 "Abs. 1" StPO sieht der Beschwerdeführer darin, daß der Urteilsspruch lt. Pkt A infolge der Zusammenfassung des (das inkriminierte Täterverhalten mit Bezug auf die beiden Tatopfer jeweils gesondert erfassenden) Wahrspruchs zu den Hauptfragen I (betreffend K***) und III (betreffend S***) zu jenem Verdikt im Widerspruch stehe, weil ihm dementgegen nach der Formulierung des Schuldspruchs das unter A 1 und unter A 2 beschriebene Verhalten jeweils als gegen beide Opfer gerichtet angelastet werde.

Davon kann aber - ganz abgesehen davon, daß das Tatverhalten des Angeklagten nach dem Inhalt des in Rede stehenden Wahrspruchs immerhin zum Teil sehr wohl in gleicher Weise gegen beide Tatopfer gerichtet war - im Hinblick darauf keine Rede sein, daß bei der Beschreibung der Tat im Anschluß an deren einleitend zusammenfassende Charakterisierung als gegen K*** und S*** gerichteter Tötungsversuch ohnehin ganz unmißverständlich zwischen den gegen die Erstgenannte (A 1) und den gegen den Zweitgenannten (A 2) gerichteten Tathandlungen differenziert wird. Die von der Generalprokuratur angeschnittene Frage nach den materiellrechtlichen und/oder prozessualen Konsequenzen des behaupteten Widerspruchs kann demnach auf sich beruhen.

Nicht zielführend ist ferner der in Ansehung der Nötigung des Karl S*** auch zum Lenken des PKWs mit einer Rechtsrüge (Z 11 lit. a) erhobene Beschwerdevorwurf, der Schuldspruch (lt. Pkt B) finde insoweit im Wahrspruch zur Hauptfrage VII keine Deckung: haben doch die Geschwornen auch diesen Nötigungserfolg (zwar nicht im Rahmen der vom Angeklagten relevierten, wohl aber) durch die Bejahung der Hauptfrage III unmißverständlich als erwiesen angenommen (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO2 § 345 Z 12 ENr. 9, 12, 14). Eine Verletzung der Vorschrift des § 312 Abs. 2 StPO über die Fragestellung (Z 6), der Sache nach aber auch eine (einer Unrichtigkeit gleichkommende) Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (Z 8) und einen Subsumtionsirrtum (Z 12) führt der Beschwerdeführer auf die seiner Ansicht nach verfehlte Beurteilung seines Tatverhaltens nicht nur als Mordversuch, sondern zudem als Nötigung zurück; letztere sei nämlich als eine durch den Mordversuch konsumierte "straflose Vortat" anzusehen, weil sie ausschließlich der Realisierung des geplanten Mordes gedient habe und ihr deliktischer Unwert bereits durch die Unterstellung der Tat unter §§ 15, 75 StGB abgegolten sei.

Auch damit ist er aber schon deswegen nicht im Recht, weil zur Annahme der Konsumtion einer Vortat jedenfalls vorauszusetzen ist, daß sich diese gegen dasselbe Rechtsgut richtet wie die Haupttat (vgl. EvBl. 1979/106; Burgstaller in JBl. 1978, 464; sowie, jeweils zu § 28 StGB, Leukauf-Steininger Komm.2 RN 49, Pallin im WK Rz 20 und Foregger-Serini, StGB4 Anm. V/3); denn durch die Nötigung wurden Ingeborg K*** und Karl S*** in ihrer Freiheit der Willensbetätigung (durch einen beträchtlichen Zeitraum erheblich) eingeschränkt, wogegen sich der (damit erleichterte) anschließende Mordversuch gegen das Leben der Genannten richtete. Beide strafbaren Handlungen trafen daher, der Beschwerdeansicht zuwider, sehr wohl in echter Idealkonkurrenz zusammen, sodaß insoweit weder die Fragestellung noch die Rechtsbelehrung oder die rechtliche Beurteilung des Wahrspruchs fehlerhaft war.

Mit der Instruktionsrüge (Z 8) vermißt der Beschwerdeführer zunächst eine zur Abgrenzung von straflosen Vorbereitungshandlungen ausreichende Rechtsbelehrung über die Kriterien eines strafbaren Versuchs.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde jedoch in der Belehrung (S 205/II) - unter Punkt c - ohnehin ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Versuch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung voraussetzt, die zeitlich ausführungsnah ist und in unmittelbar sinnfälliger Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht steht, also nach dem Plan des Täters ohne Zwischenschaltung örtlicher, zeitlicher oder manipulativer Etappen in die Tatausführung übergehen soll. Das Erfordernis einer auch örtlichen Ausführungsnähe geht daraus ebenso deutlich hervor wie die Prämisse, daß das Täterverhalten tatplangemäß schon den Ausführungsbeginn bedeuten oder wenigstens im Vorfeld der Tatbildverwirklichung liegen muß.

Im bisher erörterten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach zu verwerfen.

Mit Recht hingegen remonstriert der Beschwerdeführer (Z 8, der Sache nach indessen Z 12) gegen die Unterstellung des ihm nach dem Verdikt zur Hauptfrage VII zur Last fallenden Tatverhaltens auch unter die Qualifikation nach § 106 Abs. 1 Z 1 StGB: denn darnach hat er den Tatopfern erst nach Abschluß der Nötigung angekündigt, sie zu erschießen. Der Wahrspruch der Geschwornen deckt somit die Annahme einer Drohung mit dem Tod als Mittel dieser Nötigung nicht. Insoweit war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde die bekämpfte Qualifikation aus dem angefochtenen Schuldspruch auszuschalten.

Bei der infolge der damit verbundenen Aufhebung auch des Strafausspruchs notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof das Zusammentreffen dreier strafbarer Handlungen, die Verübung des Mordversuches an zwei Personen, die schwere Verletzung des Karl S***, der schon bei einer nur geringen Abweichung des ersten gegen ihn abgegebenen Schusses lebensgefährlich hätte verletzt werden können, dessen Gesicht vom zweiten Schuß nur knapp verfehlt wurde und der durch die Messerattacke im linken Stirnbereich, also unmittelbar seitlich oberhalb des Auges, getroffen wurde sowie durch die Tat einen lebensbedrohlichen Schock erlitt, als erschwerend; der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, dessen hier inkriminierte Taten zu seinem bisherigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen, weiters der Umstand, daß sein zweifacher Mordanschlag beim Versuch blieb, seine Selbststellung und sein Geständnis, welches in der im Vorverfahren abgelegten Form trotz seiner geänderten Verantwortung in der Hauptverhandlung auch hinsichtlich der Mordversuche zur Wahrheitsfindung beitrug, wurden als mildernd berücksichtigt.

Seine (leichte) Alkoholisierung zur Tatzeit hingegen kann ihm im Hinblick darauf, daß er den Tatplan bereits vor dem Alkoholkonsum ausgeheckt hatte, ebensowenig als Milderungsumstand zugute gehalten werden wie seine (mit der Berufung zudem ins Treffen geführte psychische Belastung durch einen "affektiven Druck" wegen des Scheiterns seiner vormaligen Lebensgemeinschaft, für die er K*** als Außenstehende verantwortlich machte.

Angesichts der reiflichen Überlegung und sorgfältigen Vorbereitung des Mordversuchs gegen die Genannte, die gegen dessen perfide und rücksichtslose Ausführung keinerlei Vorsicht gebrauchen konnte, sowie unter Bedacht darauf, daß der Angeklagte sein Mordvorhaben bedenkenlos auf den völlig unbeteiligten S*** ausdehnte, um es unter allen Umständen realisieren zu können (§ 32 Abs. 2 und 3 StGB), erweist sich die in erster Instanz über ihn verhängte 12-jährige Freiheitsstrafe, deren Überschreitung mangels Anfechtung durch die Anklagebehörde nicht in Betracht kam (§ 290 Abs. 2 StPO), nach seiner daraus und aus den festgestellten Strafzumessungsgründen erhellenden tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld als keinesfalls überhöht; die Strafdauer war daher ungeachtet des Wegfalls einer Nötigungs-Qualifikation in gleicher Höhe festzusetzen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen.

Anmerkung

E19179

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00142.89.1205.000

Dokumentnummer

JJT_19891205_OGH0002_0150OS00142_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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