TE OGH 1989/12/5 10ObS253/89

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Veröffentlicht am 05.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dkfm.Reinhard Keibl (Arbeitgeber) und Gerald Kopecky (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr.Günther S***, Ministerialrat, 1150 Wien, Toldgasse 6/6, vertreten durch Dr.Hans-Joachim Scheibner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** Ö***

B*** (BVA), 1080 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr.Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.März 1989, GZ 31 Rs 97/88-58, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.November 1987, GZ 1b Cgs 318/85-39, mit einer "Maßgabe" bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der Abweisung des auf Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß, zumindest aber von 20 vH der Vollrente auch ab 1.Oktober 1982 gerichteten Begehrens als Teilurteil bestätigt, hinsichtlich der Abweisung des auf Gewährung einer Versehrtenrente in einem 20 vH der Vollrente für die Zeit vom 28.September 1981 bis 30.September 1982 übersteigenden Ausmaß gerichteten Mehrbegehrens und im Kostenpunkt jedoch aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Hinsichtlich des wesentlichen Verfahrensablaufes bis zum hg Beschluß vom 25.Oktober 1988, 10 Ob S 286/88, mit dem das Urteil des Berufungsgerichtes vom 15.Juni 1988, ON 50, abgesehen von dem Teil, womit die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, dem Kläger vom 28. September 1981 bis 30.September 1982 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente zu gewähren, aufgehoben und die Sozialrechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde, wird auf die in SSV-NF 2/118 teilweise wiedergegebene Begründung des zitierten Aufhebungsbeschlusses verwiesen.

Auf Grund des Aufhebungsbeschlusses führte das Berufungsgericht die Berufungsverhandlung neu durch und verlas den "Anstaltsakt, insbesondere die Gutachten der Sachverständigen Prof.Dr.Peter W*** und Dr.Johannes R***".

Auch mit dem neuerlichen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil "mit der Maßgabe", daß es insgesamt unter Einbeziehung des bereits rechtskräftigen Teilzuspruches zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei vom 28. September 1981 bis 30.September 1982 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente zu gewähren.

Das Mehrbegehren auf Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß vom 28.September 1981 bis 30.September 1982 sowie einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß, zumindest aber von 20 vH der Vollrente auch ab 1.Oktober 1982 wird hingegen abgewiesen".

Auf Grund der in der Berufungsverhandlung verlesenen oben erwähnten ärztlichen Gutachten stellte das Berufungsgericht fest, daß beim Kläger vom 28.September 1981 bis 30.September 1982 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit "in der Höhe von 20 vH der Vollrente" bestand. Die (nur die Zeit ab 1.Oktober 1982 betreffenden) erstgerichtlichen Feststellungen wurden vom Berufungsgericht nach Auseinandersetzung mit der Beweisrüge als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung übernommen. Den mit der Berufung in Beschwerde gezogenen erstgerichtlichen Beschluß vom 12. November 1987, durch den die letzte Ablehnung des Sachverständigen Dr.K*** durch den Kläger verworfen wurde, beurteilte das Berufungsgericht als richtig.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, es im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist teilweise berechtigt. Das erste Urteil des Berufungsgerichtes wurde unter anderem deshalb aufgehoben, weil die zweite Instanz den mit der Berufung in Beschwerde gezogenen erstgerichtlichen Beschluß vom 12. November 1987, mit dem die letzte Ablehnung des Sachverständigen Dr.K*** durch den Kläger verworfen wurde, zu Unrecht nicht überprüft hatte, weshalb das Berufungsverfahren an einem in der damaligen Revision gerügten Mangel litt, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet war. Hätte sich der damals noch nicht überprüfte Ablehnungsantrag als berechtigt erwiesen, dann hätten die Befunde und Gutachten des abgelehnten Sachverständigen, auf Grund derer maßgebliche Feststellungen getroffen wurden, als Prozeßstoff unberücksichtigt bleiben und die Bestellung eines anderen Sachverständigen für Chirurgie veranlaßt werden müssen.

Dieser Mangel wurde vom Berufungsgericht dadurch behoben, daß es nunmehr auch diesen, nach § 462 Abs 2 ZPO seiner Beurteilung unterliegenden, nach § 366 Abs 1 leg cit nicht abgesondert anfechtbaren, nach § 515 ZPO mit der Berufung bekämpften erstgerichtlichen Beschluß überprüfte und als richtig befand. Bei dieser Entscheidung handelt es sich inhaltlich um einen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluß des Berufungsgerichtes, gegen den nach § 519 Abs 1 ZPO ein weiterer Rekurs nicht statthaft ist, der aber auch nicht in der Revision bekämpft werden kann (Fasching, Komm IV 407 f, 409 f; derselbe, ZPR Rz 1833, 1979). Deshalb war auf die den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (A/1) und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (B/2) zugeordneten diesbezüglichen Revisionsausführungen nicht weiter einzugehen.

Die vom Berufungsgericht nicht als Mangel des Verfahrens erster Instanz gewertete Unterlassung der Vernehmung des Klägers als Partei darf in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32; 2/19, 24; 3/7, 18 Äin DruckÜ uva). Diesbezüglich liegt daher weder ein wesentlicher Mangel des Berufungsverfahrens noch gar, wie der Revisionswerber unter B/3 seines Rechtsmittels meint, eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß die der Feststellung des Ausmaßes der durch die Folgen des Dienstunfalls bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in der Zeit vom 28.September 1981 bis 30.September 1982 dienende Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht Mängel aufweist, die eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung dieser wesentlichen Frage zu hindern geeignet waren (§ 503 Abs 1 Z 2 ZPO).

Im Sinne des zit Aufhebungsbeschlusses waren die von den vom Erstgericht bestellten ärztlichen Sachverständigen und vom Erstgericht unterlassenen Feststellungen über das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers im genannten Zeitraum zu treffen.

Dazu hätte das Berufungsgericht nach § 488 Abs 1 ZPO die erstgerichtlichen Beweisaufnahmen diesbezüglich ergänzen müssen und dabei nach Abs 3 leg cit den in erster Instanz geführten Sachverständigenbeweis unter Bestellung anderer Sachverständiger neuerlich vornehmen können.

Wäre über diese streitigen Tatsachen bereits in einem gerichtlichen Verfahren, an dem die Parteien beteiligt waren, ein Beweis aufgenommen worden, so hätte das Berufungsgericht unter den Voraussetzungen des nach § 463 ZPO auch von ihm anzuwendenden § 281a ZPO das Protokoll hierüber oder ein schriftliches Sachverständigengutachten verlesen und von einer neuerlichen (gerichtlichen) Beweisaufnahme Abstand nehmen können. Das Berufungsgericht durfte sich jedoch nicht damit begnügen, über die streitigen Tatsachen zwei schriftliche Sachverständigengutachten zu verlesen, die nicht in einem gerichtlichen Verfahren, sondern im vom beklagten Versicherungsträger durchgeführten Leistungsverfahren von vom genannten Versicherungsträger mit der Untersuchung und Erstrentenbegutachtung beauftragten Fachärzten für Orthopädie (Dr.Johannes R***) und für Neurologie (UnivProf Dr.Peter W***) erstattet wurden.

Das Berufungsgericht hätte vielmehr nach § 351 Abs 1 und § 463 ZPO einen oder mehrere Sachverständige bestellen und den Sachverständigenbeweis sodann entsprechend den Bestimmungen der ZPO aufnehmen und nach den Ergebnissen dieser Beweisaufnahme ausreichende Feststellungen über das Ausmaß und die Auswirkungen der gesundheitlichen Folgen des Dienstunfalls vom 10.September 1981 auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers in der Zeit vom 28.September 1981 bis 30.September 1982 treffen müssen.

In der Vorgangsweise des Berufungsgerichtes liegt daher ein als wesentlicher Verfahrensmangel zu wertender Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz. Deshalb war das angefochtene Urteil in seinem das Mehrbegehren auf Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß für den genannten Zeitraum betreffenden Teil und im Kostenpunkt aufzuheben.

Hinsichtlich der Abweisung des auf Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß, zumindest aber von 20 vH der Vollrente auch ab 1.Oktober 1982 gerichteten Begehrens war das angefochtene Urteil jedoch mangels berechtigter Revisionsgründe mit Teilurteil zu bestätigen.

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der bisherigen Verfahrenskosten beruht auf § 52 Abs 1 und Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E19380

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00253.89.1205.000

Dokumentnummer

JJT_19891205_OGH0002_010OBS00253_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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