TE OGH 1989/12/13 1Ob691/89

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Veröffentlicht am 13.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Tamara K***, geboren am 14. September 1985 infolge Revisionsrekurses der Mutter Barbara K***, Hausfrau, Wimpassing, Mittelgasse 25, vertreten durch Dr. Ernst Fasan und Dr. Wolfgang Weinwurm, Rechtsanwälte in Neunkirchen, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 11.Oktober 1989, GZ R 415/89-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 12.September 1989, GZ P 170/86-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die mj. Tamara ist das eheliche Kind des Franz und der Barbara K***. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 3.11.1986 gemäß § 55 a EheG geschieden. Anläßlich der Scheidung der Ehe vereinbarten die Eltern den Verbleib der mj. Tamara in Obsorge des Vaters; der Vergleich wurde pflegschaftsbehördlich genehmigt. Einige Tage nach der Scheidung der Ehe nahm die Mutter die Lebensgemeinschaft mit ihrem geschiedenen Gatten wieder auf, lebt aber seit Juli 1989 mit einem anderen Lebensgefährten zusammen.

Am 14.7.1989 beantragte die Mutter, ihr die Obsorge in Ansehung der mj. Tamara zuzuerkennen. Sie könne sich nun mehr als der Vater um das Kind kümmern, da sie nach Aufgabe ihres Arbeitsplatzes ausschließlich im Haushalt tätig sein werde und zudem noch den sechs Monate alten Michael K*** zu versorgen habe. Da der Vater berufstätig sei, müßte die mj. Tamara von der väterlichen Großmutter betreut werden.

Der Vater sprach sich gegen den Antrag der Mutter aus und brachte vor, zu einer Änderung des anläßlich der Scheidung getroffenen Vergleichs betreffend die Obsorge bestehe kein Anlaß. Das Erstgericht wies den Antrag der Mutter ab. Nach der Stellungnahme des Bezirksjugendamtes Neunkirchen werde der Weiterverbleib des Kindes beim Vater befürwortet. Der Vater werde bei der Betreuung und Erziehung seiner Tochter von seinen Verwandten unterstützt. Die Betreuung des Kindes durch die Mutter würde dessen Wohl nicht besser entsprechen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei ein anerkannter Grundsatz, einem Kind nach Möglichkeit den Wechsel in den Bezugspersonen zu ersparen. Die mj. Tamara sei beim Vater und dessen Eltern gut aufgehoben und erfahre jene Betreuung, die zu einer weiteren gedeihlichen Entwicklung notwendig sei. Bei der Übersiedlung zur Mutter würde sie mit einer vollkommen anderen und für sie ungewohnten Umgebung, insbesondere dem Lebensgefährten der Mutter, konfrontiert werden, woraus sich gewiß eine Belastung für das Kind ergäbe.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Mutter nicht Folge. Nach einhelliger Auffassung dürfe eine einmal getroffene Regelung in Ansehung der Obsorge eines Kindes nur dann geändert werden, wenn das Kindeswohl gefährdet sei. Dies habe auch dann zu gelten, wenn die Eltern kurze Zeit nach der die Obsorge des Kindes regelnden Vereinbarung wieder den gemeinsamen Haushalt aufgenommen haben. Eine derartige Vereinbarung geschiedener Ehegatten sei auch dann zulässig, wenn eine Haushaltstrennung nicht vorliege. Eine Gefährdung des Kindeswohls beim Vater habe die Rekurswerberin nicht einmal behauptet. Daß die Verhältnisse bei der Mutter nunmehr zufolge Aufgabe ihres Arbeitsplatzes insoferne günstiger seien, als sie sich persönlich um die mj. Tamara kümmern könnte, wogegen der Vater auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen sei, könne kein Anlaß dafür sein, dem Vater die Obsorge zur mj. Tamara zu entziehen. Dies wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Vater seine Pflichten nicht erfüllen bzw. vernachlässigen würde. Maßnahmen nach § 176 ABGB seien nicht schon dann gerechtfertigt, wenn die Erziehung bei einem Elternteil besser wäre als die an sich ordnungsgemäße Betreuung bei dem andern erziehungsberechtigten Elternteil. Wenn die Rekurswerberin geltend mache, daß sie die mj. Tamara praktisch seit ihrer Geburt gepflegt und erzogen habe, so treffe dies im gleichen Maße auch für den Vater zu. Auch, daß die mj. Tamara gemeinsam mit ihrem Bruder aufwachsen könne, sei an sich nicht geeignet, die Entziehung der Obsorge auch nur in Erwägung zu ziehen. Keinen hinreichenden Grund stelle es auch dar, daß die Mutter ihren Lebensgefährten ehelichen werde und daß dieser über ein ausreichendes Einkommen verfüge.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig.

Das Fehlen einer dem § 142 Abs.2 ABGB aF entsprechenden Bestimmung im neuen Gesetz stellt klar, daß die einmal einem Elternteil zuerkannten rein persönlichen Rechte aus dem Eltern- und Kindschaftsverhältnis nur dann auf den anderen übertragen werden dürfen, wenn die Voraussetzungen des § 176 Abs.1 ABGB nF vorliegen (7 Ob 584/89; EvBl.1979/185; SZ 51/136 u.a.). Dieser Grundsatz hat auch im Falle der einvernehmlichen Regelung des Rechtes zur Pflege und Erziehung des Kindes durch die Eltern zu gelten (SZ 51/136). Eine Änderung der vergleichsweise getroffenen Regelung setzt daher ein Verhalten des Erziehungsberechtigten voraus, das die Interessen des Kindes gefährdet. Eine solche Änderung darf daher vom Pflegschaftsgericht nur dann angeordnet werden, wenn sie im Interesse des Kindes dringend geboten ist (7 Ob 584/89, SZ 51/136). Bloß geringfügige Veränderungen der Interessenlage rechtfertigen demnach eine solche Änderung nicht; es muß das Wohl des Kindes gefährdet sein, es müssen also besonders wichtige Gründe vorliegen, die eine Änderung dringend geboten erscheinen lassen (7 Ob 584/89; 7 Ob 616/88; EvBl.1979/185; SZ 51/136 u.a.). Solche Umstände haben sich im Verfahren nicht ergeben. Richtig ist, daß sich die Mutter nunmehr um die Erziehung der mj. Tamara persönlich kümmern könnte, wogegen der Vater auf die Mithilfe seiner Eltern bzw. seiner Schwester angewiesen ist. Eine Gefährdung des Kindeswohls resultiert daraus aber nach dem Bericht des mit den Erhebungen betrauten Jugendamtes nicht. Der Vater kommt vielmehr unter Mithilfe seiner Verwandten mit der Erziehung seiner Tochter gut zurecht, so daß ihr Verbleiben in der bisherigen Umgebung empfohlen wird. Eine Übergabe des Kindes an die Mutter würde nach dem Bericht des Jugendamtes und den getroffenen Feststellungen dem Kindeswohl nicht einmal besser entsprechen. Daß die Mutter zur Pflege und Erziehung der Tochter nicht geeignet wäre, wurde von den Vorinstanzen nicht angenommen, doch kommt es hierauf nicht an. Auch dann, wenn die Mutter während des Bestandes der Lebensgemeinschaft mit ihrem geschiedenen Ehegatten die Pflege und Erziehung ungeachtet der Berufstätigkeit in weiterem Umfang als der Vater ausgeübt hätte, würde dies eine Änderung der vertraglich getroffenen Regelung, die dem Wohl des Kindes nicht widerspricht, nicht rechtfertigen. Insgesamt vermag die Rechtsmittelwerberin demnach weder eine Nichtigkeit noch eine erhebliche Aktenwidrigkeit oder eine offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen, so daß der Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.

Anmerkung

E19448

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00691.89.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19891213_OGH0002_0010OB00691_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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